Was trägt? Was zählt? Was bleibt? -  Daniela Albert

Was trägt? Was zählt? Was bleibt? (eBook)

Bedürfnisorientiert Familie leben in einer Welt im Wandel
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
263 Seiten
Neukirchener Verlagsgesellschaft
978-3-7615-6973-3 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
16,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Was trägt uns als Familien, wenn die Sicherheiten, mit denen wir selbst aufgewachsen sind, ins Wanken geraten? Was hilft uns, wenn das Motto 'Höher, schneller, weiter' für uns kein Aufstiegsversprechen mehr ist, sondern für die Spirale aus überhöhten Erwartungen, Stress und Leistungsdruck steht, in der sich viele Familien heute wiederfinden? Wie finden wir neue Wege, wenn wir feststellen, dass es so nicht weitergehen kann? Wie finden wir den Mut zum nachhaltigen Handeln und die Kraft, eine Zukunft zu gestalten, die unsicherer geworden ist und uns manchmal sogar Angst macht? All diesen Fragen hat sich Pädagogin und Dreifach-Mama Daniela Albert gestellt. Herausgekommen ist ein starkes Plädoyer, alte Glaubenssätze in der Erziehung, im Familienleben und auch in der Lebensplanung zu hinterfragen und diesen ein neues Bild vom gelungenen Familienleben entgegenzusetzen. Wie bei ihren ersten beiden Büchern gibt es auch hier wieder praktische Tipps, hilfreiche pädagogische und christliche Impulse sowie Beispiele mitten aus dem Leben, in denen sich viele Eltern wiederfinden. Ein Elternratgeber für die bedürfnisorientierte Slow-Family und alle, die es werden wollen.

Daniela Albert, geb. 1979, ist Erziehungswissenschaftlerin, Familienberaterin, Autorin und Referentin. Sie schreibt für verschiedene christliche Medien, u.a. für die Zeitschrift 'Family' und das Magazin 'Die Eule'. Mit ihrem Mann und ihren drei Kindern wohnt sie nahe Kassel. Sie hat Freude an allem, was wächst und gedeiht - ob Kinder, Beziehungen, Pflanzen oder Hefeteig. Auf Instagram ist sie unter @elternseinfamilieleben zu finden.

 

Bedürfnisorientiert leben –
neue Werte für andere Zeiten!

 

 

 

 

Ich hatte mich an jenem Februarmorgen noch einmal umgedreht, als der Wecker meines Mannes uns unbarmherzig aus dem Schlaf riss. Die Nacht war zu kurz gewesen. Der wenige Schlaf war der Preis für einen wundervollen Abend: Ein Freundinnen-Abend, wie ich ihn lange nicht gehabt hatte. Nach Jahren der Pandemie, mit Lockdowns, Kontaktbeschränkungen, Masken und Abstandsregeln hatten wir es gewagt, uns zu treffen. Es war einer dieser Spätwinterabende gewesen, an denen man einfach zusammensitzt, gemeinsam betet, sich den jahreszeitlichen Blues ein bisschen vertreibt, Wein trinkt, Datteln im Speckmantel in Raclette-Pfännchen brät und gar nicht mehr aufhören kann, zu reden. Und weil wir alle so sehr nach Gemeinschaft gehungert hatten, wurde es weit nach Mitternacht, als wir uns voneinander verabschiedeten. Zu spät für einen Mittwochabend – besonders, wenn am nächsten Morgen um sechs alle wieder rausmüssen.

Entsprechend verschlafen drehte ich mich an jenem Morgen einige Minuten später zu meinem Mann und seinem unheilvollen Wecker um. Ich sah, dass er im Unterschied zu mir bereits hellwach war. Er saß im Bett und starrte auf sein Handy. Und dann sagte er die Worte, die all die Wärme und Leichtigkeit des vorherigen Abends davon spülten: „Russland hat die Ukraine angegriffen.“

Die meisten von uns haben diesen Morgen des 24. Februars 2022 als Zensur empfunden. Als einen Moment, in dem alle weiteren Prioritäten an diesem Tag genauso unwichtig wurden wie Schlafmangel oder die kleinen Alltagssorgen, die am Vorabend noch groß erschienen waren. Natürlich: Wir waren nicht direkt betroffen von diesem Angriffskrieg. Unsere Häuser waren weiter sicher, auf unseren Straßen mussten wir uns nicht fürchten, wir konnten nachts ohne Angst schlafen und mussten nicht über eine Flucht aus unserem Land nachdenken. Ganz anders als die Frauen, Männer und Kinder in der Ukraine. Trotzdem hat dieser Krieg mitten in Europa vielen von uns emotional den Boden unter den Füßen weggezogen. Sicherheiten, an die wir, die Kinder der 1980er- und 1990er-Jahre, unser Leben lang geglaubt hatten, waren auf einmal wie weggeblasen. Selbstverständlichkeiten lösten sich an diesem Februarmorgen in Luft auf. Schlagartig schien es keine Garantie mehr auf ein Leben in Frieden und in Wohlstand für uns und unsere Kinder zu geben.

Worte wie „Zeitenwende“, „tiefe Einschnitte“ und „größte Anstrengung der Nachkriegszeit“ machten die Runde und es war die Rede von spürbarem Wohlstandsverlust. Die Politik begann, uns auf Verzicht und Einschränkungen einzuschwören. Mittlerweile ist der Krieg in unserer europäischen Nachbarschaft für uns alltäglich geworden, tobt er doch jetzt, wo ich das schreibe, schon seit über anderthalb Jahren. Die schlimmsten wirtschaftlichen Folgen sind, zumindest für die meisten von uns, erst einmal abgefangen worden. Lebensmittel und Energie sind teurer geworden, aber wir können es bewältigen. Wir spüren die wirtschaftlichen Folgen, aber sie sind zurzeit nicht so katastrophal wie anfangs befürchtet. Und doch haben wir durch dieses Ereignis gespürt, was uns eigentlich schon längst hätte klar sein sollen: Wir leben in einer Welt, in der Sicherheiten stark ins Wanken gekommen sind.

Sich sicher fühlen – das ist ein menschliches Grundbedürfnis. Auf der bekannten Bedürfnispyramide des Psychologen Abraham Maslow kommt es gleich nach den körperlichen Grundbedürfnissen nach Nahrung, Schlaf oder Sex. Zu wissen, dass man ein sicheres Dach über dem Kopf hat, ein regelmäßiges Einkommen und Schutz vor Gewalt und anderen Gefahren, ist für uns Menschen wichtig. Es ist eine Voraussetzung für gesundes Wachstum und Entwicklung.

Unser Gefühl der Sicherheit hat der Ukraine-Krieg auf zwei Arten ins Wanken gebracht: Zum einen war gerade in den ersten Kriegswochen oft von möglichen weiteren Eskalationen die Rede und die Angst einer Ausweitung des Konflikts, die möglicherweise auch uns unmittelbar betreffen könnte, steckte vielen von uns in den Knochen. Sie ist heute bei den meisten Menschen nicht mehr so präsent. Es ist ein natürlicher (und sinnvoller!) psychologischer Vorgang, sich an Gegebenheiten – auch die schwierigsten – zu gewöhnen. Unser Körper ist nicht auf einen dauerhaften Angst- und Panikmodus ausgelegt. Was bleibt, ist ein diffuses Gefühl der Unsicherheit, das sich aus der Erkenntnis speist, dass dieser Konflikt (zusammen mit vielen anderen globalen Krisen, allen voran dem Klimawandel) unser Leben bereits verändert hat und noch sehr viel drastischer verändern wird.

Unser mangelndes Gefühl von Sicherheit entspringt nicht der Furcht, grundsätzliche Dinge wie Nahrung, ein Dach über dem Kopf oder Schutz vor Gefahren zu verlieren, sondern das Leben, so wie wir es kennen, nicht mehr weiterleben zu können.

Der Blick in eine ungewisse Zukunft aktiviert unser inneres Alarmsystem. Er erzeugt Angst und konfrontiert uns mit vielen Fragen: Wer bin ich, wenn mir das, worauf ich mein Leben bisher gebaut habe, abhandenkommt? Wie sehr definiere ich mich durch meinen Job, mein Haus oder meinen Stadtteil? Wie sehr hängt mein persönliches Sicherheitsgefühl nicht nur davon ab, dass ich ein Dach überm Kopf und Essen auf dem Teller habe? Die Antwort auf die letzte Frage dürfte für uns alle gleich sein: Unser Sicherheitsgefühl ist sehr abhängig davon, dass wir mehr haben als eine Mahlzeit und ein Dach über dem Kopf.

Wenn wir uns über die Folgen der derzeitigen Krisen Gedanken machen, fürchten wir vor allen Dingen den Verlust des Gewohnten – und dabei geht es um weit mehr als ums Geld. Es geht uns auch um Ansehen und um Zugehörigkeit. Beides verbinden wir sehr stark mit dem, was wir haben und uns leisten können. Eine Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung unter Leitung von Bettina Kohlrausch hat einen interessanten Aspekt zum Vorschein gebracht: Etwa ein Drittel der Befragten gaben an, Angst vor dem Verlust ihres Lebensstandards zu haben. Gleichzeitig hatten die Befragten jedoch keine Angst, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Vielmehr spielen hier Anerkennung und Prestige eine Rolle, die in unserer Gesellschaft stark mit sozialem Status, Bildungsgrad und auch dem ausgeübten Beruf zusammenhängen. Die Angst vor einem Verlust des derzeitigen Lebensstandards scheint zudem umso stärker zu sein, je mehr die Personen das Gefühl haben, dass ihre Zukunft in der Hand von „fremden Mächten“ liegt, also beispielsweise von Politik und Weltgeschehen abhängig ist, während der eigene Gestaltungsspielraum gering ist.1

Wenn Sorgen und Ängste um den eigenen sozialen Status oder Lebensstandard Eltern betreffen, schließen sie auch immer die Frage ein, ob sie ihren Kindern dann noch genug werden bieten können. Die Vorstellungen davon, was unsere Kinder brauchen, sind dann oft auch von unserem derzeitigen Status und dem sozialen Umfeld geprägt. Sie umfasst neben materiellen Ansprüchen auch bestimmte Vorstellungen von Bildungszielen für unsere Kinder, genauso wie Hobbys und Freizeitbeschäftigungen.

Nun lässt sich nicht wegdiskutieren, dass wir unseren bisher gewohnten Lebensstandard aus vielerlei Gründen in Zukunft hinterfragen müssen. Vielleicht, weil wir aus wirtschaftlichen Aspekten dazu gezwungen werden, vielleicht aber auch, weil sich mehr und mehr ein Bewusstsein dafür breitmacht, dass wir gerade im Bereich von materiellen Ansprüchen und Konsum zukünftig Abstriche machen müssen, wenn wir diesen Planeten als lebenswerten Ort erhalten wollen. Dazu kommt, dass viele Familien heute unter sich immer mehrendem Stress und Zeitdruck leiden. Dieses Phänomen werden wir uns im Verlauf des Buches noch genauer ansehen. Hier sei aber schon einmal vorweggenommen, dass auch die Art und Weise, wie wir heute Familie leben, nicht unbedingt die gesündeste ist. Auch hier müssen wir uns neu fragen, wo wir zukünftig Energie investieren wollen und an welchen Stellen wir Abstriche zugunsten von Ruhe und Müßiggang machen sollten.

Wenn wir uns also ohnehin schon damit auseinandersetzen müssen, dass einiges von dem, was uns bisher lieb und teuer war, oder von dem wir das zumindest glaubten, zukünftig nicht mehr zu unserem Leben gehört, dann können wir uns auch gleich die Frage stellen, wie wir stattdessen leben wollen. Was macht uns glücklich? Was benötigen kleine und große Menschen wirklich, um gut durchs Leben zu kommen? Und: Wie können wir in Zeiten wie diesen wieder festen Boden unter die Füße bekommen? Wie können wir uns sicher fühlen, wenn bisherige Sicherheiten wanken?

Dass viele von uns sich seit einigen Jahren weniger sicher fühlen als ihn ihrer Kindheit und Jugend, liegt angesichts der weltpolitischen Lage auf der Hand. Wir sind nicht in der Lage, diese kurzfristig und allein aus eigener Initiative zu verändern. Den Blickwinkel auf unsere derzeitige Situation, den können wir aber durchaus verändern. Denn gerade in einer Welt, in der medial meistens nur die größtmögliche Skandalisierung und Katastrophisierung unsere Aufmerksamkeit finden, kann unser persönliches Sicherheitsempfinden noch schneller erschüttert werden. Ein erster Schritt ist es hier daher gar nicht, sich zwanghaft scheinbare neue Sicherheiten zu schaffen, sondern erst einmal der gefühlten Bedrohungslage etwas entgegenzusetzen.

Gut gegen Unsicherheit und schwankende Fundamente sind meiner Erfahrung nach: Versachlichung, Umdeutung und Hoffnung. Versachlichung deshalb, weil wir uns klarmachen müssen, dass gerade in unserer medialen Welt viele Informationen gar...

Erscheint lt. Verlag 4.3.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Religion / Theologie Christentum
ISBN-10 3-7615-6973-4 / 3761569734
ISBN-13 978-3-7615-6973-3 / 9783761569733
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 793 KB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich

von Jeffrey Geoghegan; Michael Homan

eBook Download (2020)
Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA
12,99
Ein didaktisch-methodischer Leitfaden für die Planung einer …

von Sarah Delling; Ulrich Riegel

eBook Download (2022)
Kohlhammer Verlag
22,99