Die Ausstellung (eBook)
262 Seiten
Felix Meiner Verlag
978-3-7873-4455-0 (ISBN)
Dr. Thomas Zingelmann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bildtheorie & Phänomenologie des Instituts für Philosophie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Arbeitsschwerpunkte: Ästhetik, Epistemologie, Phänomenologie, Sportphilosophie.
2. Der Begriff des Ausstellens
a) Stand der Dinge: Positionen der Ausstellungstheorien
Es gibt in der Literatur zum Ausstellen einen Gemeinplatz, der besagt, dass die Praxis des Ausstellens ein Zeigen ist. Es wird in der Regel entweder behauptet, dass die Ausstellung gezeigt oder mit der Ausstellung oder in der Ausstellung etwas gezeigt wird. Wo in den ersten beiden Formulierungen – die Ausstellung wird gezeigt oder mit der Ausstellung wird etwas gezeigt – ein enger Bezug zwischen Ausstellen und Zeigen nahegelegt wird, ist die dritte Formulierung – in der Ausstellung wird etwas gezeigt – hinsichtlich dieses Verhältnisses nicht ganz so stark und lässt zumindest offen, ob es andere wesentliche Züge gibt. Nichtsdestotrotz besteht die weitverbreitete Meinung also darin, dass Ausstellen in irgendeiner Weise ein Zeigen ist oder aber zumindest in Zusammenhang damit steht: Immer dann, wenn etwas ausgestellt wird, soll so etwas gezeigt werden. Das können dann beispielsweise Naturgesetze, Kunstepochen, Mittelklasse-Wagen, Luxus-Uhren oder Sitzgarnituren sein. Ersichtlich wird, dass die Unterschiede sich dahingehend ausmachen lassen, was, wo und wie etwas gezeigt werden soll. Ohne auf die Besonderheiten szenografischer Inszenierungen einzugehen, lässt sich feststellen, dass das fundamentale Differenzierungsmerkmal für Ausstellungen darin bestehen muss, wie Exponate ausgestellt werden. Denn es verhält sich doch so – und das zeigt die immense Vielfalt an unterschiedlichen Museen, ohne wiederum das Ausstellungsphänomen hierauf zu beschränken –: Alles Gegenständliche kann als Exponat fungieren. Neben den üblichen Kunst-, Geschichts- und Technikmuseum gibt es unzählbar viele Spezialmuseen (siehe die Beispiele oben) und gar Museen für etwas, dass es gar nicht gibt, wie etwa das Wolpertinger-Museum. Die schiere Menge an scheinbar potentiellen Exponaten und damit auch Themen macht es unmöglich, hier ein Merkmal zur Bestimmung dessen, was eine Ausstellung ist, zu finden. Man kann zwar nicht Gott oder James Bond als Exponat ausstellen, aber sie können zumindest als Thema ausgestellt werden. Diese Vielfalt führt zu der These, dass es sinnvoll ist, den Begriff des Ausstellens darüber zu definieren, auf welche Art und Weise in Ausstellungen etwas gezeigt wird. Die Definitionsmerkmale müssen hierbei unabhängig vom Ort des Ausstellens, den verwendeten Medien und Exponaten sowie den Themen sein. Ausstellen bedeutet also, etwas zu zeigen – in diesem Sinn schließt sich das vorliegende Buch der verbreiteten Meinung an, gibt ihr aber die fehlende notwendige Begründung. Was vielerorts wie eine Selbstverständlichkeit gehandhabt wird, wird hier explizit gemacht. Nach der zweiten, damit zusammenhängenden These, die im Folgenden ausgeführt wird, ist Ausstellen eine Unterform des Zeigens, der Akt des Zeigens lässt sich in verschiedene Formen ausdifferenzieren. Wer mit Ausstellungen etwas zeigt, zeigt etwas auf eine besondere, von anderen Zeigeformen zu unterscheidende Weise.
Wie eingangs dargestellt, wird seit einiger Zeit ein Anspruch an Ausstellungen gestellt, der über das bloße Sehen-Lassen von etwas in einer Ausstellung hinaus geht. Vermehrt trifft man auf den Anspruch, dass der Besucher etwas erkennen soll. Dieser Anspruch ist oftmals in einer Weise formuliert, dass Ausstellungen ein eigener genuiner Erkenntniswert zugesprochen wird. So ist nicht unbedingt die gewonnene Erkenntnis als solche eine neue, aber sie soll sich in den meisten Fällen dadurch auszeichnen, wie sie gewonnen und begründet wird. Es gibt aber auch die Positionen, welche behaupten, dass es eine Erkenntnis gibt, die nur durch die Ausstellung erbracht wird. So oder so wird zumindest erst einmal ersichtlich, dass mit dem Ausstellen Ansprüche verbunden sind – oder sein können –, die über das Zeigen von Objekten hinausgehen. Folgt man der These, dass Ausstellen ein Zeigen ist, dann heißt das also, dass dem Zeigen ein irgendwie gearteter Erkenntniswert zukommt respektive es eine Erkenntnisfunktion erfüllt. Indem jemandem etwas gezeigt wird – hier in der Form des Ausstellens –, verbindet man den Anspruch, dass diese Person etwas erkennt oder erkennen soll. Es sind dabei zwei potenzielle Ansprüche voneinander zu unterscheiden, nämlich ob der Aussteller etwas erkennt oder ob derjenige etwas erkennt, der die Ausstellung besucht. Es lässt sich sagen, dass der hier schon erwähnte Anspruch in der Regel darin besteht, dass die Besucher etwas erkennen sollen.
Bevor sich aber die Frage nach dem Erkenntniswert von Ausstellungen beantworten lässt, muss geklärt werden, was man sinnvollerweise als Ausstellung und Ausstellen bezeichnen kann. Denn was überhaupt Zeigen ist und wie darüber hinaus Zeigen auch ein erkenntnisrelevanter Akt sein kann, darüber wird wenig bis gar nichts im Kontext des Ausstellens gesagt. Dadurch entstehen Begründungs- und Begriffsdefizite, die im Folgenden gelöst werden sollen. In einem ersten Schritt wird es darum gehen, zu begründen, was Zeigen ist, um dann anhand der Binnendifferenzierung von pointing und showing zu klären, ob Ausstellen überhaupt ein Zeigen ist, und wenn ja, welcher dieser Formen man es zuordnen könnte. Es soll hierbei die These verteidigt werden, dass es sich beim Ausstellen um eine dritte Form des Zeigens handelt, die weder dem einen noch dem anderen zugeteilt werden kann. Es wird darum gehen, die differenzierenden Merkmale gegenüber den anderen Formen des Zeigens herauszustellen. Denn ist dies einmal geklärt, ist zwar klar, dass jedes Ausstellen ein Zeigen ist, aber es ist ja nicht jedes Zeigen ein Ausstellen. Wurde an diesem Punkt geklärt, wie man zeigen kann, wird der Vorschlag einer weiteren Binnendifferenzierung gemacht: Für das Ausstellen lassen sich zwei idealtypische Weisen unterscheiden: Ausstellungen als Kollektionen und als Konstellationen. Es geht also darum, begrifflich zu fassen, wie man ausstellen kann.
Damit man einen sinnvoll verwendbaren Begriff hat, muss man diesem Grenzen setzen, insbesondere dann, wenn man mit diesem über den Begriff hinausgehende Ansprüche verbindet – in diesem Fall der Erkenntnis. Denn wenn man sagen möchte, dass Ausstellungen Erkenntnisse generieren können, dann muss erst einmal klar sein, was man macht, wenn man ausstellt. Denn wie die vielen Ausstellungsbeispiele zeigen, dürfte der Erkenntnisanspruch für die wenigsten gelten. Nicht jeder Ausstellung kommt ein Erkenntniswert zu und diejenigen, die diesen Anspruch erheben, können auch an diesem Anspruch scheitern. Wer vom Erkenntniswert von Ausstellungen spricht, tut gut daran, eine Existenz- und keine Allaussage zu treffen, wie es schon der Erkenntnistheoretiker Gottfried Gabriel für die Literatur gemacht hat: Nicht jeder Literatur kommt ein Erkenntniswert zu. Aber für diejenige, auf die es zutrifft, gilt es zu klären, wie sie einen Erkenntniswert hat.1
Nichtsdestotrotz: Bevor eine Beantwortung dieser Art von Frage möglich ist, gilt es, das Verhältnis von Ausstellen und Zeigen zu klären. Die Perspektive wird hierbei auf die Praxis des Ausstellens gelegt, da die Ausstellung selbst Produkt der Praxis ist. Was eine Ausstellung ist, zeigt sich an dem, was man macht, wenn man ausstellt.
Museum und Ausstellung: Perspektiven der Ausstellungsgestaltung
Wenn auch das Museum in den letzten Jahren zunehmend an Aufmerksamkeit in philosophischen Diskussionen gewinnt, so ist doch die theoretische Bestimmung dessen, was eine Ausstellung ist, nach wie vor ein Desiderat in der Forschung. Wie bereits für den Themenkomplex Ausstellung und Erkenntnis festgestellt wurde, ist es gerade die Museumstheorie, welche einen Anknüpfungspunkt bietet, um Antworten auf die Frage zu finden, was eine Ausstellung ist oder was man macht, wenn man ausstellt. Damit geht aber auch die Bemerkung einher, dass selbst hier der Begriff der Ausstellung und des Ausstellens zumeist unhinterfragt benutzt wird und nur im Ausnahmefall Gegenstand theoretischer Überlegungen ist. Theoretische Reflexionen über den Ausstellungsbegriff aus musealer Perspektive werden vor allem von denjenigen Akteuren angestellt, die selbst Ausstellungen machen. Man hat es also innerhalb der Forschung mit einer gewissen Verschränkung von Theorie und Praxis zu tun. Das hat Vor-, aber auch Nachteile, zumindest bezogen auf die Ausstellungstheorie: Der Nachteil zeigt sich, wenn das eigene Ausstellungmachen als prototypisch für das Ausstellen überhaupt genommen wird – und dieses findet in der Regel im Museum statt. Daraus lässt sich zum Teil auch erklären, warum es gerade die Museumsausstellungen sind, die so im Fokus der Forschung stehen. Denn neben den sachlichen Gründen verhält es sich auch so, dass diejenigen, die selber ausstellen, in der Regel im Museum ausstellen und ihre Theorien über das Ausstellen daher in Museumsschriften erscheinen. Es lässt sich so sagen: Die Gegenstände, die im Museum in der Regel ausgestellt werden, werden zu Themen in Bezug gesetzt, die der Philosophie oftmals nicht allzu fremd sind. Das trivialste Beispiel hierfür sind Kunstausstellungen. Die Perspektive derjenigen, die selber ausstellen und darüber reflektieren, was sie da machen, reflektieren dann in...
Erscheint lt. Verlag | 24.1.2024 |
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Reihe/Serie | Blaue Reihe |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Philosophie ► Philosophie der Neuzeit |
Schlagworte | Ästhetik • Museum • Phänomenologie • Theorie des Ausstellens |
ISBN-10 | 3-7873-4455-1 / 3787344551 |
ISBN-13 | 978-3-7873-4455-0 / 9783787344550 |
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