Kleine Gemeinschaften -  Carmen Tatschmurat

Kleine Gemeinschaften (eBook)

Spirituelles Leben gemeinsam neu gestalten
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
240 Seiten
Vier-Türme-Verlag
978-3-7365-0564-3 (ISBN)
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Haben Klöster eine Zukunft? Zumindest in Europa kämpfen viele Gemeinschaften mit Überalterung, Mitgliederschwund und Nachwuchsproblemen. Neben den klassischen Großklöstern gab es jedoch schon immer kleine klösterliche Zellen, die ein ganz eigenständiges Modell geistlichen Lebens darstellen - und heute wieder zukunftsweisend sein können. Die Autorin Schwester Carmen Tatschmurat hat einige dieser kleinen Gemeinschaften besucht und mit den Schwestern und Brüdern gesprochen, die hier ihren Alltag zusammen meistern. Dabei wurde ihr deutlich, wie gut dieses Modell in unsere Zeit passt: klein, flexibel und hochspirituell. Jedes Mitglied ist voll verantwortlich, es gibt keine Nischen, in denen man sich verstecken kann. Gleichzeitig hat man unerwartet viele Gestaltungsmöglichkeiten, was das Leben in der Gemeinschaft, aber auch das Zusammenleben mit den Menschen im Umfeld angeht. Ein Buch voller Anregungen, die über den klösterlichen Bereich hinausreichen und Impulse für kleine Gruppierungen oder Gemeinschaften bieten, die sich zusammengeschlossen haben oder vorhaben, das zu tun.

Schwester Carmen Tatschmurat studierte Soziologie und arbeitete in Forschung und Lehre zu Randgruppen, Genderthematiken und Spiritualität. Nach dem Tod ihres Partners trat sie 1997 als Benediktinerin in die Abtei Venio in München ein. Von 2010 bis 2020 leitete sie die Gemeinschaft, ab 2013 als Äbtissin.

Schwester Carmen Tatschmurat studierte Soziologie und arbeitete in Forschung und Lehre zu Randgruppen, Genderthematiken und Spiritualität. Nach dem Tod ihres Partners trat sie 1997 als Benediktinerin in die Abtei Venio in München ein. Von 2010 bis 2020 leitete sie die Gemeinschaft, ab 2013 als Äbtissin.

Die Dynamik des Anfangs

Gespräch mit der Oberin Sr. Emmanuela Kohlhaas

Ich finde euch sehr spannend und habe schon viele Eindrücke bekommen. Am meisten fällt mir die Dynamik auf, die euch alle auszeichnet.

Es ist wirklich spannend. Es macht auch total Spaß. Und es ist ein Irrtum zu meinen, das sei nur bei einer oder zweien so, es betrifft die ganze Gruppe. Bis jetzt hat diese Gruppe auch nicht einmal gewackelt, was die Grundentscheidung für Angermund betrifft. Es sind nun gut siebeneinhalb Monate, dass wir hier sind. Der »Zauber des Anfangs« vitalisiert natürlich auch sehr.

Wir arbeiten aber nicht nur. Wir haben auch schon eine Woche Exerzitien gemacht, das war wirklich gut. Wir sind ganz heruntergefahren. Jetzt machen wir gemeinsam vierzehn Tage Ferien hier vor Ort. Wir müssen das Haus auch in dieser Zeit irgendwie hüten. Wir werden in diesen Tagen hier ideorhythmisch unterwegs sein, sprich, außer der Messe am Sonntag und ab und an morgens früh – das wird nicht jeden Tag sein – ist jede frei und versorgt sich selbst. Für Sr. Benedikta versuche ich gerade noch etwas zu finden, wo sie sich wohlfühlt.

Aber auch das ist toll: Sr. Benedikta ist hier irgendwie fünfzehn Jahre jünger geworden. Sie hat sich im letzten Jahr extra noch ein neues Knie verpassen lassen.

Und wenn sie pflegebedürftig wird?

Das bekommen wir hin. Wir behalten sie auf jeden Fall hier. Sie hat ein großes Zimmer, und eventuell hilft ein Pflegedienst. Sie war übrigens die Erste, die sich gemeldet und gesagt hat, dass sie mitkommen möchte. Alle, die jetzt hier sind, haben sich aktiv gemeldet. Es war nicht nötig, überhaupt nur die Frage zu stellen, wer will mit – so weit ist es gar nicht gekommen. Es geht nur freiwillig. Wir machen bisher auch alles selbst.

Angestellte habt ihr keine?

Nein, vorläufig nicht, und unsere Vorgängerinnen hier im Haus hatten ebenfalls keine. Wir machen das tatsächlich urbenediktinisch, wie es in der Regel steht: Alle haben Küchendienst, außer Sr. Benedikta. Wir haben einen Plan für den Vormittag und den Nachmittag und das Wochenende. Das klappt super, weil die Zufriedenheit sehr groß ist. Es ist ja ein typisches Klosterproblem, wenn über das Essen gemault wird. So kann jede etwas einbringen. Was gekocht wird, ist sehr unterschiedlich, und jede hat ihre Spezialitäten. Natürlich wird sich das auf Dauer ändern, wenn mehr Menschen im Haus sind und die Arbeiten differenzierter werden. Aber an dem Punkt sind wir noch nicht.

Ich fand das heute zum Beispiel genial: Da sind Brötchen von einer Veranstaltung übrig, und dann isst man mittags und abends auch noch einmal davon. Das ist in größeren Gemeinschaften nicht denkbar.

Diese Lockerheit spüre ich in Bezug auf vieles. Zum Beispiel, wenn du nach dem Mittagessen spontan erzählst, was der Mensch gesagt hat, der sich die Heizung angeschaut hat. Da muss man nicht extra einen Konvent oder ein Kapitel einberufen, um etwas zu klären.

Abgleichen und Verändern

Ein anderes Beispiel: Diese Mini-Entscheidung heute morgen, das Regina Coeli nicht zu beten. Wir haben es in Köln immer ab der zweiten Osterwoche auf deutsch rezitiert. Heute Morgen, als ich das Gotteslob zückte, weil ich die Oration nicht auswendig kann, dachte ich: Muss das sein? Diese Mini-Querschaltung, einfach kurz in den Raum hinein gefragt: »Sollen wir nicht singen? Ist doch schöner!« Nicken. Genau das ist es, was für uns alle eine tolle Erfahrung ist.

Das geht natürlich nur in einer kleinen Gemeinschaft.

Ja. Ich glaube, mit über zehn wäre es schwierig. Und es geht nur in einer Gemeinschaft, die sehr stark mit einem gemeinsamen Ziel unterwegs ist. Das Ziel lautet hier ganz schlicht: monastisches Leben. Wir haben gemerkt, dass wir, ohne nachzudenken, irgendwie unser Modell mitgebracht haben. Jetzt sind wir pausenlos dabei, abzugleichen und zu verändern und abzugleichen und zu verändern ...

Die Statio (die Schwestern versammeln sich vor Beginn der Gebetszeiten stehend und schweigend im Gang vor der Kapelle bzw. Kirche, um dann feierlich einzuziehen) zum Beispiel macht keinen Sinn – danach brauchen wir hier gar nicht zu fragen. Unsere Kukullen hängen auch noch weitgehend ungenutzt im Schrank. Wir haben sie im Winter mal bei Minustemperaturen herausgenommen.

Auch da stand am Anfang dieses Austarieren, die Frage: Welcher Raum ist es denn jetzt, in dem wir beten wollen? Wir haben schnell gemerkt, wir können uns total mit dieser Kirche identifizieren, trotz ihrer so anderen Sitzordnung, also im Kreis statt nach vorne zum Altar orientiert und ohne Chorgestühl. Die Kirche ist ein ausgesprochener Glücksfall! Der Kapitelsaal mit seinem Chorgestühl aus unserem ehemaligen Bonner Kloster, das uns die Schwestern aus Eibingen, wo es nach der Auflösung von Bonn gelandet war, zurückgegeben haben, ist auch schön, den nehmen wir im Bedarfsfall. Gut, dass wir ihn haben, wenn es kalt ist oder wenn wir vielleicht eine Gruppe im Haus haben oder Dinge parallel laufen.

Es hätte zum Beispiel sein können, dass der Beerdigungsgottesdienst heute parallel zur Mittagshore liegt. Dann können wir die Mittagshore entweder jeder für sich oder nebenan oder später oder gar nicht beten. Es geht darum, gemeinsam zu entscheiden: Ja, das ist jetzt dran. Nicht nach Lust und Laune, sondern es passiert eher automatisch, aus dem Bedürfnis heraus, dass es laufen soll.

Wir sind vor unserem Aufbruch gefragt worden, ob wir jetzt erstmal ein Jahr oder zwei Jahre renovieren, bevor wir einziehen. Nein. Wir haben sofort losgelegt. Wirklich sofort. Der erste Gast kam drei Tage nach unserer Ankunft ins Haus, ein Benediktiner aus Ettal, der hier zu Hause ist. Seine Familie wohnt in Duisburg. Er kannte das Haus von Jugend an, hatte Spaß daran und war inzwischen schon ein zweites Mal da.

Ein anderes Beispiel: Die Vigilien beten wir nur am Samstag und vor Feiertagen. Wir praktizieren schon lange eine Kombi, die wir in Köln erfunden haben: Komplet und Vigilien, unser Nachtgebet. Da gibt es einen kleinen Fahrplan, der folgendermaßen aussieht: Wir greifen das Evangelium der Messe noch einmal auf, es sind zweimal fünf Minuten Stille dazwischen, wir beten dann auch nur eine Nocturn. Das war eine heiße Diskussion, als wir das einführen wollten. Wir haben damals gemerkt: Es gibt nur noch ganz wenige Gemeinschaften, die zwei Nocturnen beten. Wir haben es am Ende mehrheitlich so beschlossen, mit dem Preis, dass eine Gruppe die fehlende Nocturn noch separat gebetet hat. Ich weiß nicht, ob sie es jetzt noch tun in Köln. Wenn wir hier abends lange in der Rekreation sitzen – wir haben immer viel zu bereden und zu erzählen –, haben wir aber auch die Courage, nur die Komplet zu beten.

Wir hatten bei der Umstellung von Latein auf Deutsch eine Schwester, die alles nochmal extra auf Latein privat gebetet hat.

Das darf man dann auch gelassen nehmen. Ich habe mir dazu schon einmal in Köln erlaubt zu zitieren: »Du aber, wenn du betest, geh in deine Kammer, schließ die Tür zu; dann bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist! Dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird es dir vergelten« (Mt 6,6). Dann habe ich entschieden: »Aber nicht in der Kirche.« Niemand sollte öffentlich unter Druck gesetzt werden. Eine Schwester hat sich den Kapitelsaal ausgesucht und hatte noch ein oder zwei Mitstreiterinnen. Die Praxis stirbt aber aus, so etwas überwächst sich, das ist auch normal in einer Gemeinschaft.

Wir machen diese Kombi in einem als Nachtgebet, weil wir das Bedürfnis hatten, dass die Komplet das letzte Tagesgebet sein sollte. Ich kenne viele Gemeinschaften, die mit der Zeit für die Vigilien experimentiert haben: morgens, abends, vor oder nach der Komplet. Oft bleibt dennoch das Gefühl: Das ist unbefriedigend. Deshalb haben wir 2016 in Köln unser Nachtgebet »erfunden«, es hat sich seitdem bewährt. Wir haben es mit hierher genommen.

Wir haben das Glück, dass fitte, erfahrene Sängerinnen mitgekommen sind. Wir müssen bisher gar nicht groß üben, nur, wenn wir etwas Neues lernen. Wir singen das Chorgebet immer auf Deutsch, auch an Hochfesten. Das haben wir umgestellt und gemerkt, das ist gut so. Lateinische Antiphonale haben wir erst gar nicht angeschafft, wenn nötig, verteilen wir Zettel mit einigen Gesängen wie dem Rorate Coeli, den O-Antiphonen (vor Weihnachten) usw. Wir haben aber zehn Graduale (lateinisches Choralbuch) angeschafft und singen die Messe ab und zu an Werktagen daraus. Das ist dann auch schön, für uns und unsere Gäste.

Ein spiritueller Ort

Eucharistiefeier habt ihr jeden Tag, weil Bruder Jan im Haus ist?

Ja, jeden Tag, und nicht nur wegen ihm. Wir haben tatsächlich eher einen Überhang an Zelebranten.

Das ist anders als bei uns!

Das ist interessant, dass es in der Großstadt so mühsam geworden ist, Zelebranten zu finden. Wir haben da großes Glück, und das ist für uns das zentrale Phänomen: das starke Echo des Umfeldes auf diesen Ort als spirituellen Ort. Die Schwester, die gerade zu Exerzitien da ist, sagt dasselbe: dieses Spüren des Ortes. Ein Gast, der nach Weihnachten zehn Tage hier war, sagte, das sei hier etwas wie ein spiritueller Quellort.

Das wäre eine meiner Fragen gewesen: Ein spirituelles Zentrum oder ein spiritueller Ort – das seid ihr einfach?

Das ist es, einfach so, zunächst ohne unser Zutun. Und das haben wir in einem höheren Maß »geerbt«, als wir geahnt hatten. Wir wollen es pflegen. Wir haben zudem...

Erscheint lt. Verlag 15.2.2024
Verlagsort Münsterschwarzach
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Religion / Theologie Christentum
Schlagworte Gemeinsam • Gemeinschaft • Interview • klösterliches Leben • Spirituelles Leben
ISBN-10 3-7365-0564-7 / 3736505647
ISBN-13 978-3-7365-0564-3 / 9783736505643
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