Der Mönch in dir -  Mauritius Wilde

Der Mönch in dir (eBook)

Ein Weg zu Gelassenheit und Loslassen
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
192 Seiten
Vier-Türme-Verlag
978-3-7365-0567-4 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
17,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
'Das Wort 'Mönch' leitet sich vom altgriechischen monachos ab und bezeichnet schlicht jemanden, der allein ist. Ein Mönch ist also jemand, der eine gewisse Einsamkeit wählt, der bewusst loslässt, was ihn behindert, und dabei in Kauf nimmt, allein, einsam zu sein. Der irgendwann sogar gerne allein ist, weil er in diesem Zustand sich und Neues und Gott entdeckt. Jeder Mensch kennt Einsamkeit, denn an bestimmten Punkten seines Lebens, beispielsweise in Entscheidungssituationen, ist er ganz allein. In diesem Sinn ist jeder Mensch ein Mönch. Das anzuerkennen und anzunehmen, führt zu Gelassenheit. Das Leben der Menschen, die den Mönchstand gewählt haben, kann uns zeigen, wie man diesen Mönch in sich entdecken, annehmen und leben kann. Denn das ist kein Zustand, sondern ein Weg. In diesem Buch möchte ich ein Leben herausgreifen, dessen Beschreibung großen Einfluss auf die Geistes-, Kirchen- und Kulturgeschichte hatte: das des heiligen Benedikt (ca. 480-547). Nur etwas mehr als 40 Jahre nach dessen Tod machte ein anderer Mönch, Gregor der Große, sich daran, sein Leben aufzuschreiben. Er entwirft dabei keine Biografie nach unseren heutigen Maßstäben, sondern will ein Beispiel vorstellen, das auch anderen zum Vorbild dienen kann. In heutiger Sprache könnte man sagen, dass er uns den 'Mönch in uns' vorstellen will. Wir sehen darin, wie Benedikt sich entwickelt. Und das gibt uns die Chance, unser eigenes Leben zu entwickeln - und immer mehr wir selbst zu werden.' P. Mauritius Wilde

Mauritius Wilde OSB, geboren 1965, trat mit 19 Jahren in die Benediktinerabtei Münsterschwarzach ein und studierte Theologie in Würzburg. Zunächst unterrichtete er am klostereigenen Egbert-Gymnasium, bevor er von 1999 bis 2010 die Leitung des Vier-Türme-Verlags übernahm. Sein Weg führte ihn schließlich in die US-amerikanische Niederlassung des Klosters Münsterschwarzach in Schuyler, Nebraska. Seit 2016 hat er das Amt des Priors in der Primatialabtei Sant'Anselmo, Rom, inne.

Mauritius Wilde OSB, geboren 1965, trat mit 19 Jahren in die Benediktinerabtei Münsterschwarzach ein und studierte Theologie in Würzburg. Zunächst unterrichtete er am klostereigenen Egbert-Gymnasium, bevor er von 1999 bis 2010 die Leitung des Vier-Türme-Verlags übernahm. Sein Weg führte ihn schließlich in die US-amerikanische Niederlassung des Klosters Münsterschwarzach in Schuyler, Nebraska. Seit 2016 hat er das Amt des Priors in der Primatialabtei Sant'Anselmo, Rom, inne.

Sich von der Selbsterlösung lösen

Kapitel 1,4–5

So schleicht er also davon, der junge Benedikt. Er trifft einen Mönch namens Romanus. Und der zeigt ihm den Weg. Er wird für ihn wie ein Vater, wie eine Mutter. Das ist typisch auf dem spirituellen Weg: Was ich aufgegeben habe, bekomme ich wieder zurück, manchmal hundertfach, wie es Jesus beschrieben hat: »Und jeder, der um meines Namens willen Häuser oder Brüder oder Schwestern oder Vater oder Mutter oder Kinder oder Äcker verlassen hat, wird dafür das Hundertfache erhalten und das ewige Leben erben« (Matthäus 19,29). Einmal fragt Jesus seine Jünger: »Als ich euch ohne Geldbeutel aussandte, ohne Vorratstasche und ohne Schuhe, habt ihr da etwa Not gelitten?« Die Jünger antworteten: »Nein« (Lukas 22,35).

Auf der Flucht nach Subiaco traf Benedikt unterwegs einen Mönch namens Romanus und fragte ihn, wohin er wolle. Als dieser den Wunsch Benedikts erfuhr, leistete er ihm Hilfe, ohne mit jemand anderem darüber zu sprechen. Er gab ihm das Gewand gottgeweihten Lebens und stand ihm bei, soweit er konnte.

An dem genannten Ort angekommen, zog sich der Mann Gottes in eine ganz enge Höhle zurück und blieb dort drei Jahre. Kein Mensch außer dem Mönch Romanus wusste etwas davon.

Romanus lebte nicht weit entfernt in einem Kloster unter der Regel des Abtes Adeodatus. In guter Absicht verschwand er ohne Wissen seines Abtes an bestimmten Tagen für einige Stunden und brachte Benedikt das Brot, das er sich vom Munde absparen konnte.

Vom Kloster des Romanus führte aber kein Weg zur Höhle Benedikts, weil der Fels oberhalb der Höhle steil aufragte. Romanus ließ daher das Brot immer von diesem Felsen an einem langen Seil hinab; an dem Strick befestigte er auch eine kleine Glocke, damit der Mann Gottes an ihrem Klang erkennen konnte, dass ihm Romanus das Brot brachte. Dann kam er heraus, um es anzunehmen. Doch der alte Feind blickte mit Neid auf die Liebe des einen und auf die Stärkung des anderen. Als er eines Tages sah, wie das Brot herabgelassen wurde, warf er einen Stein und zerschlug die Glocke. Romanus ließ sich aber nicht davon abbringen, nach Kräften zu helfen.

Ich habe versucht, mir die Szene genau vorzustellen. Dabei kam mir eine Frage: Wer hat in dieser Geschichte eigentlich den Stein geworfen? Die offensichtliche Antwort ist, so wie es die Geschichte selbst beschreibt: »der alte Feind«, das ist eine andere Formulierung für »der Teufel«. Aber wer oder was ist der Teufel? Haben Sie schon einmal ein kleines Männchen herumspringen sehen, vielleicht mit Hörnern, vielleicht nach Schwefel stinkend? Ich möchte es nicht ausschließen. Der Teufel aber ist ein Bild für eine innere Realität; er steht für das Destruktive im Menschen, für die Entscheidungen, die wir treffen, die uns aber im Endeffekt schaden. Wer hat also den Stein geworfen, denn nur zwei Menschen finden sich in der Szene: Benedikt und Romanus.

Eine andere Deutungsmöglichkeit geht davon aus, dass sich der Teufel hier der Natur bediente, sodass sich ein Felsbrocken löste. Auch das kann man nicht ausschließen, dass das Böse sich in Naturereignissen manifestiert. Mir liegt es aber näher und es scheint mir für die Interpretation ergiebiger, wenn wir jemanden suchen, der wirklich »werfen« kann, wie der Text sagt. Auch wenn es sich auf den ersten Blick für eine Heiligengeschichte vielleicht verbietet, ergibt es Sinn, wenn wir in Benedikt selbst den suchen, der hier den Stein warf. Aber warum hat er das Glöckchen zertrümmert?

Die Glocke ist ein Instrument der Kommunikation. Romanus hat sie sehr feinfühlig und respektvoll aufgehängt, denn er nimmt die Klausur des jungen Mönchs sehr ernst und will ihn in der Höhle nicht stören. Gleichzeitig weiß er, dass er auf seine Hilfe in Bezug auf Nahrung angewiesen ist. So platzt er nicht einfach in die Höhle, sondern hält Abstand, klingelt und lässt dann am Korb die Spaghetti oder was immer es gab, herab. Die beiden mussten nicht einmal sprechen miteinander, so wurde das Schweigen des Mönchs nicht unterbrochen.

Jeder von uns braucht eine solche Klausur. Es ist die Höhle in uns, der Ort, an dem wir ganz allein sind und die Chance haben, zu uns selbst zu kommen. Es braucht Menschen, die diese Grenzen respektieren und sich nicht einmischen. Warum zerstört Benedikt die Glocke also, obwohl er doch auf diese Form der Hilfe angewiesen war? Weil er in ein Extrem verfallen war. Er hat voll Freude erlebt, welche Freiheit er geschenkt bekommt, wenn er sich vom Vater und dessen Willen und von der Mutter und ihrem Einfluss abnabelt. Das war der Weg, um sich und Gott zu finden. Nun wollte er das mit vollstem Einsatz fortführen. Wofür brauchte er noch Romanus und dessen Hilfe? Auch dieser wollte er sich entledigen. Aber das war zu viel.

Wir sehen hier, wie sich Benedikt von der fixen Idee lösen muss, dass man andere nicht braucht im eigenen Leben, dass man losgelöst von allem und allen leben könnte. Es ist die klassische Versuchung eines Novizen, die Benedikt später in seiner Regel beschreibt. Dort spricht er vom »Erstlingseifer« (vgl. RB 1,3). Ich erinnere mich, dass mir meine Eltern einmal im Noviziat ein Kleidungsstück als Geschenk mitgebracht hatten. Ich mochte das überhaupt nicht. Ich wusste, das Kloster wird jetzt für mich sorgen. Es stand auch in der Benediktsregel, dass man gar nichts ohne die Erlaubnis des Abtes annehmen dürfe (vgl. RB 54). Ich brauchte nichts! Das wollte ich ihnen auch zeigen. Mein Abt aber beruhigte mich: »Du kannst es ruhig annehmen.« Hier merkte ich, dass ich zu weit gegangen war.

Benedikts Weg in die Höhle ist ein extremer Weg. Indem er mit dem Extrem in seinem eigenen Innern konfrontiert wird, lotet er seine Grenzen aus. Und nur wer seine Grenzen kennt, kann auch seine Mitte kennenlernen. Benediktiner sind, wenn es gut geht, balancierte Menschen. Nichts im Übermaß. Das Maß ist eine sehr wichtige Kategorie in ihrem Leben, es ist die »Mutter aller Tugenden«, wie Benedikt später schreibt (vgl. RB 64,19). Auch die Askese und der Verzicht können übertrieben werden; sie haben dann nichts mehr mit Gott zu tun, führen nicht zu ihm und meiner Berufung, stattdessen geht es weiterhin nur um mich selbst. Was im Gewand der Frömmigkeit daherkommt, kann dann Ausdruck eines destruktiven Geistes sein.

Auch von der Vorstellung, dass er sich durch Ablösung von allem vollkommen erlösen könne, musste Benedikt sich lösen. Der Mönch macht sich auf den Weg, weil er nur noch Gott haben will, fern von der Welt. Er denkt zunächst, dass die Welt ihm nur schade und dass er sie nicht mehr brauche, weil er ja Gott hat, der ihm alles Nötige gibt. Auf diesem Weg entdeckt er aber, dass er Mensch ist und dass er als Mensch andere Menschen braucht. In diesem Fall braucht Benedikt Romanus, seinen guten »Novizenmeister« und Mentor, der sich das Essen vom Mund abspart und es treu, respektvoll und liebend dem jungen Mönch zur Höhle bringt. Zum Glück setzte er diese respektvolle Hilfe fort; er wollte nicht, dass sich der junge Mann zu Tode hungert.

Es ist keine leichte Aufgabe auf dem spirituellen Weg, sich von der Fixierung auf das Sich-Lösen zu lösen. Das gilt für jede Art von nichtmateriellen Zielen, das gilt für alle, die etwas aus voller Überzeugung tun, sei es, dass sie sich der Ökologie verschrieben haben oder der gesunden Ernährung oder andere Ideale haben. Die religiöse und speziell die christliche Perspektive hilft dabei, bescheiden zu bleiben und zuzugeben, dass man es nicht allein kann und auf die Hilfe von anderen angewiesen ist, vielleicht sogar von denen, die man nicht mag, oder von einer höheren Macht. Benedikt schreibt einmal einen sehr provokanten Satz, mit dem ich lange nichts anfangen konnte: »Sieht man bei sich etwas Gutes, es Gott zuschreiben, nicht sich selbst. Vom Bösen aber immer wissen, dass man es selbst begangen hat, und es sich selbst zuschreiben« (RB 4,42–43). Man könnte hinter dieser Aussage ein ungesundes Menschenbild vermuten. Das Gegenteil ist jedoch der Fall: Es hebt den Menschen in eine ungeahnte Freiheit der Entscheidung. Es ist irgendwie typisch, dass wir das Böse immer zuerst bei den anderen sehen, andere zum Sündenbock erklären, selten aber uns selbst. Dabei findet sich das Potenzial zur Veränderung bei mir selbst – mit Gottes Hilfe. Kein Wunder, dass wir deshalb Bilder für den Teufel suchen wie hier in dieser Geschichte, diesen damit gleichsam »outsourcen« und ihn uns gerne als eine Kraft außerhalb unserer selbst vorstellen. Auch Jesus weist einmal auf diese typisch pharisäische Versuchung hin: »Nichts, was von außen in den Menschen hineinkommt, kann ihn unrein machen, sondern was aus dem Menschen herauskommt, das macht ihn unrein« (Markus 7,15–16).

Schließlich begegnen wir hier auch generell einer Dynamik des Menschen, der angetreten ist, Gutes zu tun. Jesus beschreibt sie so: »Wenn ein unreiner Geist aus dem Menschen ausfährt, durchwandert er wasserlose Gegenden, um eine Ruhestätte zu suchen, findet aber keine. Dann sagt er: Ich will in mein Haus zurückkehren, das ich verlassen habe. Und er kommt und findet es sauber und geschmückt. Dann geht er und holt sieben andere Geister, die noch schlimmer sind als er selbst. Sie ziehen dort ein und lassen sich nieder. Und die letzten Dinge jenes Menschen werden schlimmer sein als die ersten« (Lukas 11,24–26). Es gibt also keinen Grund, Benedikt zu verübeln, was ihm hier passiert ist. Es ist eher ein Zeichen dafür, dass er auf dem richtigen Weg war.

Der Entwicklungsschritt, sich von der Vorstellung zu lösen, sich selbst erlösen zu können, hilft einerseits, die eigenen Entscheidungen ständig zu reflektieren. Es bewahrt uns andererseits vor Einseitigkeiten und Extremen. Das Leben...

Erscheint lt. Verlag 15.2.2024
Verlagsort Münsterschwarzach
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Religion / Theologie Christentum
Schlagworte Benedikt • Gelassenheit • Lebenshilfe • Loslassen • Mönch • Selbsterkenntnis • Vorbild
ISBN-10 3-7365-0567-1 / 3736505671
ISBN-13 978-3-7365-0567-4 / 9783736505674
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 891 KB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich

von Jeffrey Geoghegan; Michael Homan

eBook Download (2020)
Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA
12,99
Ein didaktisch-methodischer Leitfaden für die Planung einer …

von Sarah Delling; Ulrich Riegel

eBook Download (2022)
Kohlhammer Verlag
22,99