Einleitung

Schmerz ist ein starkes Wort, das heftige Gefühle auslöst – Angst, Ärger, Hilflosigkeit, Panik und sogar Trauer. Wenn Sie zu den Millionen von Menschen gehören, die mit Schmerz zu kämpfen haben, sind Sie mit Sicherheit nicht allein. Patienten wie auch Angehörigen und Fachleuten ist rätselhaft, warum Schmerzen noch lange nach der Heilung einer Verletzung anhalten und sich ohne eindeutigen Grund bemerkbar machen.

Wie viele andere sind vielleicht auch Sie von Arzt zu Arzt gelaufen und haben die verschiedensten Diagnosen und Schmerzbehandlungen bekommen. In dem Maße, wie Ihre Situation immer komplizierter wurde, haben Sie möglicherweise die Hoffnung aufgegeben, dass sich an Ihren Schmerzen jemals etwas ändern wird und es Ihnen besser geht. In diesem Fall glauben Sie auch nicht mehr daran, die anhaltenden Schmerzen, die Sie beherrschen, in den Griff zu bekommen.

Etwa zwei Drittel der Menschen, die heute an signifikanten Schmerzen leiden, leben seit mehr als fünf Jahren damit. Der größte Prozentsatz aller Arztbesuche beruht darauf, dass die Betreffenden Erleichterung von Schmerzen suchen. Doch ist diese Hilfe oft nicht leicht zugänglich.

Menschen mit beharrlichen chronischen Schmerzen bemühen sich oft vergebens, Ärzte zu finden, die sie wirkungsvoll behandeln. Nicht behandelter oder unterbehandelter Schmerz ist wie eine ständige Epidemie. Eine Untersuchung fand heraus, dass einer von vier Schmerzpatienten mindestens dreimal den Arzt gewechselt hat und als Grund dafür angibt, immer noch an erheblichen Schmerzen zu leiden. Andere Gründe lauteten, dass die Ärzte die Schmerzen nicht ernst nahmen, unwillig waren, den Patienten bis zu einer spürbaren Verbesserung offensiv zu behandeln, oder keine entsprechende Ausbildung für eine effektive Schmerzbehandlung hatten.[1]

Ein Bericht des Institute of Medicine (IOM) von 2011 bezeichnet Schmerz als »öffentliche Gesundheitskrise« und weist darauf hin, dass mehr Menschen an chronischen Schmerzen leiden als an Diabetes, Krebs und Herzerkrankungen zusammen. In der IOM-Untersuchung verlangt man eine bessere Ausbildung in Schmerzbehandlung an den Universitäten (da die Schmerzbehandlung in den USA nur in fünf von 133 begutachteten medizinischen Hochschulen Pflichtfach ist) und empfiehlt kontinuierliche Weiterbildungen für entsprechende Fachleute, damit diese auf dem Laufenden bleiben.[2]

Eine Umfrage der American Pain Society von 1999 kommt zum Ergebnis, dass über 40 Prozent der Allgemeinbevölkerung, die an mäßigen bis starken Schmerzen litten, keine angemessene Abhilfe für ihren Schmerz finden konnten.[3] Ein Bericht von 2000 zeigt, dass über 60 Prozent der Befragten glaubten, Schmerz sei etwas, womit sie einfach leben müssen, und 28 Prozent hatten das Gefühl, dass es für ihre Schmerzen keine Lösung gibt.[4]

Schmerzen haben auf unser Leben in jedem Alter enorme Auswirkungen. Sie schränken uns in unserer Arbeitsfähigkeit, unseren sozialen Kontakten, unserer Beweglichkeit, Konzentration, bei der Erfüllung einfacher Aufgaben und unserem Schlaf ein. Doch obwohl die Anzahl neuer Methoden zur Behebung und Linderung von Schmerz ständig wächst, scheint die Flut an schmerzhaften Beschwerden mit neuen Namen, Ursachen, Theorien und Medikamenten für die Behandlung immer noch zuzunehmen.

Die Kosten für dieses unbewältigte Leid sind hoch. Ein Grund für dieses Problem ist, dass Schmerz ein so komplexes Phänomen ist, das weit über das Zusammenwirken von neuronalen Verbindungsbahnen und sensorischem Erleben hinausreicht. Das Rätsel Schmerz besteht aus einem komplizierten Labyrinth von Emotionen, Empfindungen, Kultur, individuellem Erleben, Genetik, spiritueller Bedeutung und auch gewohnten körperlichen Reaktionen. Manche Experten betrachten die chronischen Schmerzen ihrer Patienten inzwischen als eigenständige Krankheit.[5]

Weil Schmerz ein so komplexes Rätsel ist, hält keine medizinische Behandlungsrichtung oder Disziplin das Puzzleteil bereit, das eine universale Lösung bietet. Nie zuvor gab es ein solches Spektrum an therapeutischen Möglichkeiten für die Schmerzbehandlung, von westlicher Medizin zu traditioneller chinesischer Medizin wie Akupunktur und Akupressur, von Chiropraktik, Ernährung und Nahrungsmittelergänzungen, Hypnose, speziellen Formen der Arbeit mit inneren Bildern (wozu auch angeleitete Fantasiereisen gehören) und weiteren psychologischen Methoden bis zu Körperarbeit, Yoga und Massage, um nur einige wenige zu nennen.

Was bedeutet das für Schmerzpatienten? Häufig geraten Menschen mit Schmerzen bei ihrer unermüdlichen Suche nach Methoden, die ihrem Schmerz ein Ende bereiten sollen, in zunehmende Verwirrung. Das wirkliche Potenzial der meisten Schmerzbehandlungsmethoden, die dauerhaft wirksam sind, liegt meistens jedoch nicht in der Methode selbst, sondern in ihrer individuellen Anwendung im Einklang mit den persönlichen Bedürfnissen, Überzeugungen, der Persönlichkeit und Erfahrung jeder einzelnen betroffenen Person. Auch wenn eine Methode vielversprechend ist, das entscheidende Puzzleteil ist Ihr Beitrag – und das heißt Ihr Umgang damit, den Sie in Ihren eigenen Heilungsprozess einbringen.

Wir haben genug Gründe anzunehmen, dass die einzigartigen Qualitäten eines Menschen Auswirkungen auf seine Schmerzerfahrung haben und diese gestalten sowie auch den Boden für seine Widerstandskraft und Genesung bilden. Aus unserer Sicht ist der eine Aspekt der individuellen Erfahrungen, der bei den üblichen Lösungsversuchen des Rätsels Schmerz bislang nicht genügend berücksichtigt wurde, die Rolle, die ungelöste Traumen im Körper spielen. Wir wissen zum Beispiel, dass ein hoher Prozentsatz von chronischen Schmerzpatienten auch mit der einen oder anderen Form von traumatischem Stress zu kämpfen hat. Die Forschung hat gezeigt, dass chronischer Schmerz möglicherweise nicht nur durch körperliche Verletzungen verursacht wird, sondern auch durch Stress und emotionale Themen. Tatsächlich ist bei Menschen, die an einer PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung) leiden, das Risiko, chronische Schmerzen zu bekommen, weitaus höher.[6]

Unverarbeitete traumatische Erfahrungen verändern, wenn es um die Schmerzbehandlung geht, das ganze Bild. Wir beide haben im Verlauf unserer gemeinsamen klinischen Erfahrung, die zusammen über 80 Jahre umfasst, immer wieder festgestellt, dass, wenn Schmerzen auf die üblichen Behandlungsmethoden nicht ansprechen, der Grund dafür unweigerlich angesammelter Stress und Traumen sind, die zum Gesamtbild beitragen. In diesem Buch stellen wir Ihnen den Kern unserer besten Gedanken und Übungen vor, damit Sie die Stressmuster erkennen und in den Griff bekommen, die Ihre Schmerzen verursachen und/oder dazu beitragen. Manchmal greifen wir dabei auf Beispiele aus unserer klinischen Praxis zurück, um deutlich zu machen, was Sie unternehmen können, um Ihre Schmerzen aufzulösen. Tatsächlich empfehlen wir Ihnen aber auch eindringlich, professionellen Rat zu suchen, wenn Sie allein nicht weiterkommen.

Wir arbeiten häufig mit Menschen, die an Nacken-, Rücken- und Schulterschmerzen leiden, welche auf Verkehrsunfälle zurückgehen. Viele von ihnen suchen uns auf, weil sie auf die übliche Verschreibung von Medikamenten, Krankengymnastik und andere Behandlungsmethoden nicht ansprechen. Wenn wir tiefer forschen, stellen wir oft fest, dass ihre Genesung durch die nicht überwundenen Auswirkungen von früheren Unfällen oder Verletzungen blockiert wird, die mit den augenblicklichen Schmerzen gar nicht in Verbindung zu stehen scheinen. Wenn wir ihnen helfen, die Reaktionen des Nervensystems auf die angestauten Belastungen durch die Vorfälle, welche den traumatischen Stress verursacht haben, in Gang zu setzen, gesunden sie schnell und vollständig.

Wir haben festgestellt, dass es wichtig ist, sich Traumen auf verschiedenen Ebenen zu nähern:

• Mit dem Trauma arbeiten, das den Schmerz durch einen Unfall, Verletzungen, Krankheit oder andere überwältigende Erlebnisse möglicherweise verursacht. Das sind gewöhnlich verursachende Erlebnisse oder Auslöser. Auch wenn es nicht notwendig ist, überwältigende oder schmerzliche Erlebnisse, die zu Ihren Beschwerden beitragen, noch einmal zu durchleben, ist es wichtig zu erforschen, wie diese Ereignisse das spezielle Schmerzmuster, die Dysfunktion oder gestörte Regulierung verursacht haben oder dazu beitragen. Die gute Nachricht ist, dass Sie hier einfache Methoden lernen, um Ihr Körpergefühl zu regulieren oder zu verändern und so auf natürlichem und zuverlässigem Weg Ihr Gleichgewicht und Wohlbefinden zurückerlangen.
• Entdecken, wie chronische emotionale und körperliche Schmerzen traumatisierend werden können. Wenn Sie vor Ihrer Verletzung, Ihrem Unfall oder was immer Ihren Schmerzzustand verursacht hat, depressiv oder ängstlich waren, ist der Schmerz als solcher ein beträchtlicher Stressfaktor, der diese Reaktionen verstärken kann. Diese traumatischen Reaktionen können sehr stark sein, vor allem bei Menschen, die an Schmerzen leiden und in ihrer Vergangenheit ein heftiges Trauma erlitten haben oder bei denen eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert wurde.
• Herausfinden, welche ungelösten...