Garten, Gefängnis, Fotoatelier (eBook)

Emanzipationsstrategien der bürgerlichen Frauenbewegung im Deutschen Kaiserreich
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
504 Seiten
Campus Verlag
978-3-593-45677-5 (ISBN)

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Garten, Gefängnis, Fotoatelier -  Mette Bartels
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Wie gelang Frauen der Zugang zu Berufen, die nach den gesellschaftlichen Vorstellungen des 19. Jahrhunderts Männern vorbehalten sein sollten? Welche Rolle spielte die Frauenbewegung bei der Professionalisierung dieser Berufstätigkeiten? Mittels welcher Argumente sollte bekräftigt werden, dass Frauen für diese Berufe unverzichtbar und notwendig seien? Welche Gegenstimmen und Reaktionen traten ihnen entgegen? Wie verwoben sich Klassen- und Geschlechterfragen in den öffentlich geführten Berufsdebatten? Am Beispiel von Gärtnerinnen, Fotografinnen, Gefängnisbeamtinnen und Haushaltungslehrerinnen verdeutlicht Mette Bartels die historischen Wurzeln aktueller Debatten um weibliche Berufstätigkeit, Emanzipation und Gleichberechtigung.

Mette Bartels ist Historikerin und promovierte an der Georg-August-Universität Göttingen.

Mette Bartels ist Historikerin und promovierte an der Georg-August-Universität Göttingen.

2.Die bürgerliche Frauenbewegung im Deutschen Kaiserreich


Mit ihrem Engagement partizipierte die Frauenbewegung an der zeitgenössisch sogenannten »Frauenfrage«, die den öffentlichen Diskurs über die gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Gleichberechtigung der Geschlechter bezeichnete.72 Die Themenfelder der frauenbewegten Agenda erstreckten sich hierbei von Fragen, die Sexualität, Sittlichkeit, Liebe und Mutterschaft betrafen, über verschiedene Varianten des geforderten Frauenstimmrechts, berufliche Professionalisierung und persönliche Unabhängigkeit bis zu Fragen der nationalen und internationalen Selbstverortung. Neben der bürgerlichen Frauenbewegung, die den bedeutendsten Zusammenschluss organisierter Frauen des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts darstellte, existierten weitere Vereine und Gruppierungen, die sich für Frauenbelange einsetzten und die Verbesserung weiblicher Lebensperspektiven ins Zentrum ihrer Aktivitäten rückten. So formierte sich, nachdem die Sozialistengesetze im Reichstag 1890 nicht verlängert wurden, die proletarische Frauenbewegung. Diese verstand sich allerdings nicht als organisatorische Bewegung im feministischen Sinn, sondern als weiblicher Part der Arbeiterbewegung. Entsprechend lag ihr Hauptziel in der ökonomischen Besserstellung der Arbeiterinnen sowie in einer Modifikation der Schutzmaßnahmen, die besonders die Tätigkeiten von Frauen in den Fabriken betrafen.

2.1Die Anfänge


Einen exakten Zeitpunkt bestimmen zu wollen, wann die deutsche Frauenbewegung das gesellschaftliche Parkett betrat, ist vor dem Hintergrund ihrer fluiden Geschichte schwierig. Als erstes Ereignis, das wichtige Denkanstöße für die europäische und somit für die deutsche Organisation in sich trug, ist die Französische Revolution von 1789 zu verstehen. Erstmals trat eine Frau, Olympe de Gouges (1748–1793), mit ihrer Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin (1791) öffentlich für die Verbesserung weiblicher Rechte ein – ein politischer Akt, den sie mit ihrer Hinrichtung bezahlte. Zu dieser Zeit florierte bereits das Presse- und Nachrichtenwesen, welches über die Ereignisse aus Frankreich in ganz Europa berichtete. Die deutschen Frauen hielten sich jedoch mit frauenrechtlerischer Agitation und entsprechenden Zusammenschlüssen zurück. Abgesehen von patriotischen und karitativen Frauenvereinen, die sich im Zuge der Napoleonischen Kriege gründeten und in denen Frauen erstmals Organisationserfahrungen sammelten, wurden erst im Vormärz und in der Revolution von 1848/49 öffentliche Forderungen nach einer geschlechtlichen Gleichberechtigung laut.73 Die Aufbruchsstimmung am Vorabend der Revolution erfasste nicht nur die bereits in der Öffentlichkeit stehenden Männer, sondern auch Frauenstimmen thematisierten die ihre eigene untergeordnete Stellung,74 deren Kern von vielen in einer unzureichenden Mädchenbildung gesehen wurde. »Frauen der Feder«75 wie Ida Hahn-Hahn (1805–1880), Luise Dittmar (1807–1884), Mathilde Franziska Anneke (1817–1884) oder Louise Otto-Peters (1819–1895) polemisierten über die gesellschaftlichen Rollenzuweisungen der Geschlechter, die auf eine soziale, politische und bildungsrelevante Ungleichheit abzielten. Eine dieser Frauen – Louise Otto (durch ihre Heirat 1858 Otto-Peters) – sollte dabei zu einer der wichtigsten Protagonistinnen der bürgerlichen Frauenbewegung werden.76 Nach dem Scheitern der Revolution 1849, dem Einstellen ihrer Frauen-Zeitung Dem Reich der Frau werb‹ ich Bürgerinnen sowie dem Erlass des Preußischen Vereinsgesetzes 1850, das Frauen die Mitwirkung in politischen Vereinen und Versammlungen verbot, zog sich Otto-Peters ins Private zurück – ohne dabei ihren Zukunftsglauben auf ein weibliches Mitspracherecht aufzugeben.77

Trotz der Niederschlagung der Revolution und des Erstarkens konservativer Kräfte setzten ab den 1860er Jahren – nicht zuletzt durch die Amnestie der Revolutionsbeteiligten – liberalere Strömungen ein. Zeitgleich trat die »Frauenfrage« auf den Plan, die sich zuvorderst als eine Berufsfrage stellte. Bedingt durch die sich beschleunigende Industrialisierung veränderte sich die Berufswelt, so dass insbesondere Ehefrauen von Handwerkern und Arbeitern sowie Frauen aus den städtischen Unterschichten nunmehr zu einem großen Teil gezwungen waren, einer außerhäuslichen Erwerbsarbeit nachzugehen. Die ländliche Arbeitswelt war von diesen Umwälzungen indes weniger betroffen: Hier waren Frauen von jeher in verschiedene Arbeitsprozesse eingebunden, da sich die Eheleute der ländlichen Gesellschaft als Arbeitspaar konzipierten, deren geschlechterspezifisch zugeteilte Tätigkeiten und Arbeitsbereiche in ihrem letztendlichen Funktionieren voneinander abhängig waren.78 Von den Veränderungen der städtischen Berufswelt waren in erster Linie bürgerliche Frauen betroffen. Vorrangig ledige Frauen und unversorgte Witwen, die in der Vergangenheit in einen generationsübergreifenden Familien- und Arbeitshaushalt integriert waren, fanden mit dem Wegfall vieler Arbeitsprozesse im Innerhäuslichen, die unter anderem der Selbstversorgung dienten, keine Beschäftigung mehr und waren nunmehr gezwungen, einer bezahlten Erwerbsarbeit nachzugehen. Mangelnde Bildung, fehlende Erfahrungen, geschlechterbestimmte Bevormundung und Segregation ließen den außerhäuslichen Arbeitsmarkt allerdings zu einem prekären Ort für Frauen werden.79 Diese Veränderungen – ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als »Frauenfrage« bezeichnet80 – versuchten die ZeitgenossInnen mit einem vermeintlichen Frauenüberschuss und einer gleichzeitigen Heiratsunlust der Männer zu erklären: Aufgrund längerer Ausbildungszeiten läge das Heiratsalter der Männer nunmehr deutlich höher, und bei Frauen täte sich ebenfalls eine Zeit zwischen Schulabschluss und Heirat auf, für die es keine angemessenen Beschäftigungsmöglichkeiten gab. Wie Ute Frevert jedoch konstatiert hat, fußten diese Erklärungsversuche auf einer deutlichen Fehleinschätzung durch die ZeitgenossInnen: Nicht nur die demografischen Verhältnisse bezüglich eines angeblichen Frauenüberschusses wurden überschätzt, auch die etwaige Heiratsunlust sowie die Steigerung des Heiratsalters der Männer können der historischen Überprüfung nicht standhalten. Bereits im 18. Jahrhundert heirateten bürgerliche Männer deutlich später als ihre generationellen Vorgänger, ohne dass von einer »Frauenfrage« gesprochen wurde. Was sich allerdings ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts änderte, waren vielmehr die sozialen Gefüge und die gesellschaftlichen Bedingungen, unter denen ledige, bürgerliche Frauen versuchen mussten, einen Platz in der Gesellschaft zu finden. Überdies änderte sich laut Frevert die Bereitschaft der bürgerlichen Frauen, sich mit den begrenzten, bürgerlich-normativen Lebensentwürfen zu arrangieren.81 Zu dieser Zeit nahmen die Vorkämpferinnen von 1848 ihre frauenrechtlerischen Aktivitäten erneut auf: Im Jahr 1865 gründete Louise Otto-Peters gemeinsam mit Henriette Goldschmidt (1825–1920)82 und Auguste Schmidt (1833–1902)83 den Leipziger Frauenbildungsverein, aus dem im selben Jahr der Allgemeine Deutsche Frauenverein (ADF) als Grundpfeiler der organisierten Frauenbewegung hervorging. Der ADF, dessen Zahl an Mitgliedern und Zweigvereinen rasch wuchs,84 machte die Frauenbildungs- und -erwerbsfrage zu seinem zentralen Arbeitsprogramm.85 In den kommenden zwei Jahrzehnten, von Ute Gerhard treffenderweise als eine lange Inkubationszeit bezeichnet,86 forcierte der ADF die Gründung von Industrie- und Handelsschulen für Mädchen. Man forderte eine Gewerbefreiheit für Frauen und organisierte zahlreiche Veranstaltungen, bei denen über Frauenerwerbsarbeit und Mädchenbildung referiert wurde.87 Ein weiteres Medium, das einerseits als Sprachrohr gegenüber der bürgerlichen Frauenwelt diente sowie andererseits zur Kommunikation frauenbewegter AkteurInnen untereinander benutzt wurde, war die seit 1866 vom ADF herausgegebene Zeitschrift Neue Bahnen. Diese erschien bis zu ihrer Einstellung 1919 in einem Zeitraum von über 50 Jahren. Neben Vereinen, die sich für Frauenbelange einsetzten,...

Erscheint lt. Verlag 18.9.2024
Reihe/Serie Geschichte und Geschlechter
Geschichte und Geschlechter
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Geschichte Allgemeine Geschichte Neuzeit (bis 1918)
Schlagworte 19. Jahrhundert • Alkoholprävention • Antifeminismus • Berufe • Berufstätigkeit der Frauen • Bürgerliche Frauenbewegung • Emanzipation • Feminismus • Fotografin • Frauenberufe • Frauenbewegung • Gärtnerin • Gender Gap • Geschichte • Geschlechtergeschichte • Gleichberechtigung • Kaiserreich • Männerberufe • weibliche Berufstätigkeit
ISBN-10 3-593-45677-X / 359345677X
ISBN-13 978-3-593-45677-5 / 9783593456775
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