Grenzenlos frei -  Johannes Eckert

Grenzenlos frei (eBook)

Ermutigungen aus der Apostelgeschichte
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
176 Seiten
Verlag Herder GmbH
978-3-451-83215-4 (ISBN)
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Vom Jerusalemer Tempel bis zur römischen Mietswohnung: Der Weg der Apostelgeschichte führt von der Urgemeinde in düstere Gefängniskerker, zu einem Falschpropheten auf Zypern und zu Händlerinnen in Philippi, über das sturmgepeitschte Meer bis nach Rom. Für Abt Johannes Eckert ist die Apostelgeschichte eine Ermunterung, sich zu bewegen und auf den neuen Weg einzulassen, um die frohe Botschaft des Jesus von Nazareth an die Enden der Erde zu tragen. Von der Apostelgeschichte schlägt er den Bogen zur Kirche heute: Kirche sollte laut Eckert eine Bewegung durch die Zeit sein, nicht eine Sitzung, wo man sich Gedanken darüber macht, wie man Glaubensgüter bewahren kann. So ermutigt die Apostelgeschichte beispielsweise dazu, über Macht in der Kirche und die Rolle von Frauen nachzudenken. Neue Beweglichkeit gibt es jedoch nicht zum Nulltarif. Bisweilen beschreitet Gottes Geist eigenartige Wege. Unverhofft kommt es zur Wendung, so dass die Augen und Herzen aufgehen und Lähmung in Bewegung verwandelt wird.

Johannes Eckert OSB, Dr. theol., geb. 1969, ist Abt der Benediktiner-Klöster St. Bonifaz in München und Andechs. Neben seinen vielfältigen seelsorgerlichen Tätigkeiten gestaltet er seit Jahren Manager-Exerzitien und ist eingefragter Gesprächspartner für Medien. Johannes Eckert ist Verfasser zahlreicher Bücher, bei Herder zuletzt 'Steht auf!' und 'Was sucht ihr?'. 

Johannes Eckert OSB, Dr. theol., geb. 1969, ist Abt der Benediktiner-Klöster St. Bonifaz in München und Andechs. Neben seinen vielfältigen seelsorgerlichen Tätigkeiten gestaltet er seit Jahren Manager-Exerzitien und ist eingefragter Gesprächspartner für Medien. Johannes Eckert ist Verfasser zahlreicher Bücher, bei Herder zuletzt "Steht auf!" und "Was sucht ihr?". 

1. Ermutigung


Der Springende im Tempel


Meine Eltern haben mir den schönen Namen Claudius gegeben. Während der Mädchenname Claudia in meiner Kindheit häufiger zu hören war, stellte mein Vorname damals ein Alleinstellungsmerkmal dar. Darauf war ich immer ein wenig stolz. Es gab nur einen Claudius in der Klasse, ja sogar in der ganzen Schule. Mit dem Lateinunterricht kam es bei mir zu einer gewissen Ernüchterung, als ich darüber erfuhr, dass mein Name sich von claudicari – „hinken“ ableiten ließe und ich also ein „Hinkebein“ sei. Das fand ich nicht so toll. Ein „Lahmer“ wollte ich nicht sein!

Mein Name bekam für mich neue Bedeutung, als ich mir vor zwanzig Jahren beim Federballspiel einen Achillessehnenriss zuzog. Nach einem Sprung in die Höhe sackte ich, als ich mit den Füßen auf den Boden kam, in mich zusammen. Ich hörte einen lauten Schnalzer und hatte von jetzt auf gleich im linken Fuß jegliche Stabilität verloren. Es ging nichts mehr. Es war ein eigenartiges Gefühl, nicht mehr stehen und gehen zu können. Nach der Operation war ich für einige Wochen auf Krücken angewiesen und musste einen VACOped-Schuh tragen. Mir blieb nichts anderes übrig, als zu hinken. Schritt für Schritt musste ich mithilfe von Physiotherapie wieder laufen lernen.

All das war für mich eine wichtige Erfahrung, zumal ich mit der überraschenden Wahl zum Abt kurz nach dem Unfall ein weiteres Mal aus der gewohnten Bahn geworfen wurde. Wer schon einmal Einschränkungen mit seinem Bewegungsapparat hatte, bei jedem Schritt und Tritt Schmerzen spürte oder gar ans Bett gefesselt war, weiß, was es heißen kann, nicht mehr in die Gänge zu kommen und von manchen Dingen ausgeschlossen zu sein. Ja: Über eigene Standfestigkeit und Beweglichkeit zu verfügen, ist ein hohes Gut!

So vieles kann uns in unserem persönlichen Fortkommen plötzlich lähmen. Nicht nur ein verhältnismäßig kleiner Sportunfall, auch eine Kündigung, eine Trennung oder gar der Tod eines lieben Menschen und viele andere Schicksalsschläge werfen uns aus der Bahn. Lähmungen bedeuten oft Stillstand, nichts mehr geht weiter wie bisher, alles kommt zum Erliegen. Oft braucht es viel Kraft und Aufbauarbeit, bis sich etwas neu bewegen kann. Manche müssen mit ihrer Lähmung leben lernen oder bleiben Geschlagene ein Leben lang.

All das schwingt bei mir mit, wenn zu Beginn der Apostelgeschichte ein Hinkender zu neuer Beweglichkeit findet. Es ist das erste Wunder, das im zweiten Werk des Lukas überliefert wird.

 

Petrus und Johannes gingen um die neunte Stunde zum Gebet in den Tempel hinauf. Da trug man einen Mann herbei, der von Geburt an lahm war. Man setzte ihn Tag um Tag an das Tor des Tempels, das man das Schöne nennt, damit er die Tempelbesucher um ein Almosen bitten sollte. Als er Petrus und Johannes sah, die eben in den Tempel gehen wollten, bat er um ein Almosen. Petrus und Johannes blickten ihn an und Petrus sagte: Sieh uns an! Er richtete seinen Blick auf sie in der Hoffnung, etwas von ihnen zu erhalten. Petrus aber sagte: Silber und Gold besitze ich nicht; was ich aber habe, das gebe ich dir: Im Namen Jesu Christi des Nazoräers, geh umher! Und er fasste ihn bei der rechten Hand und richtete ihn auf. Sogleich wurden seine Füße und Gelenke fest. Er sprang auf, konnte stehen und ging umher; er ging an ihrer Seite in den Tempel, lief und sprang umher und lobte Gott. Alles Volk sah ihn so umhergehen und Gott loben. Sie erkannten, dass es derselbe war, der wegen Almosen am Schönen Tor des Tempels gesessen hatte; und sie wurden von Verwunderung und Staunen über das erfüllt, was ihm widerfahren war.

Apg 3,1–10

 

Petrus und Johannes gehen zusammen um die 9. Stunde, also nachmittags um 15 Uhr zum Gebet in den Tempel. Damit wird deutlich, dass die ersten Christen fromme Juden sind. Es handelt sich um das zweite Gebet von insgesamt dreien, um das Abendgebet Mincha, das zeitgleich mit der Darbringung des abendlichen Brandopfers (Tamid) verrichtet wurde. (Vgl. Dtn 9,21) Zu dieser Stunde wird ein Hinkender (griech. choolos, lat. claudus), wie man wörtlich übersetzen müsste, vor die prachtvolle Pforte des Tempels gelegt. Seit seiner Geburt ist er gelähmt, wie eigens betont wird, er konnte also noch nie die Beine bewegen. Diese körperliche Einschränkung hatte weitreichende Folgen für sein Lebensschicksal: Nach dem mosaischen Gesetz stellt das Hinken wie auch andere Behinderungen eine Unreinheit dar. (Vgl. Lev 21,18) Daher ist es dem Gehandikapten verboten, den Tempel zu betreten. (Vgl. 2Sam 5,8) Ausschluss vom Kult und gesellschaftliche Isolation sind die Folge. Vor dem Tempel abgelegt, soll dieser Mann wenigsten noch etwas einbringen, indem er die Tempelbesucher um eine milde Gabe anfleht. Schließlich gehörte das Almosengeben neben Gebet und Fasten wesentlich zur jüdischen Frömmigkeitspraxis dazu.

Es fällt auf, dass in diesem kurzen Abschnitt vier Mal vom Sehen die Rede ist. Ausgehend vom einfachen Blick des Wahrnehmens über das An-sehen durch Petrus und durch die Aufforderung: „Sieh uns an!“, wird der Bettler zum aufmerksamen Beobachter. Vielleicht hofft er bei den beiden auf ein besonders großzügiges Almosen. Doch Jesus hatte schon bei der Aussendung seiner 72 Jünger eben diese angewiesen, kein Geld auf den Weg mitzunehmen. (Vgl. Lk 9,3) Zuvor berichtet die Apostelgeschichte, dass die Christengemeinde in Gütergemeinschaft lebt, die Apostel somit mittellos sind. (Vgl. Apg 2,44–45) Sie sollen sich nicht an Besitz binden, sondern ganz Gott vertrauen und so für die Nachfolge beweglich bleiben. Das ist der Hintergrund, wenn Petrus nüchtern feststellt: „Gold und Silber haben wir nicht.“ Doch dieses Nicht-Vermögen wird durch ein höheres Gut überboten. Indem Petrus den Namen Jesu anruft, wird der Hinkende in die Machtsphäre des Auferstandenen gerückt. Dies unterstreicht der Apostel ausdrucksstark, indem er den Mann an seiner Hand packt und ihn aufrichtet. Das griechische Wort egeirein meint „aufwecken“ und beschreibt das Ostergeschehen. (Vgl. Lk 24,6) Der Hinkende erlebt Ostern, die Auferweckung, am eigenen Leib. Er wird aus dem Tod ins Leben gezogen, aus der Isolation in die Gemeinschaft. Eigens wird erwähnt, dass seine Fersen und Füße sich festigen. Er bekommt „Selbst-Stand“, wird also selbstständig. Sechs Bewegungsverben (aufrichten – aufspringen – sich aufrichten – umhergehen – hineingehen – springen) unterstreichen die Dynamik des Geschehens und zeigen, welch souveräne Beweglichkeit dem einst Gelähmten geschenkt wurde. An ihm erfüllt sich die Prophetie des Jesaja, dass der Hinkende wie ein Hirsch springen wird. (Vgl. Jes 35,5) Doch damit nicht genug: Indem der Geheilte den Tempel betritt und dort Gott lobend umherspringt, wird er wieder in die Glaubensgemeinschaft Israels eingegliedert. Letztlich wird so bereits zu Beginn der Apostelgeschichte wunderbar ins Bild gesetzt, was es heißt, Ostern am eigenen Leib zu erleben. Es ist eine Szene voller Freude, Dynamik, Souveränität und Leichtigkeit.

Lukas übt mit dieser Szene indirekt Kritik an der starren Gesetzesfrömmigkeit mancher seiner Zeitgenossen. Dort, wo Behinderte durch ein mit der Thora begründetes Eintrittsverbot an den Rand gedrängt und zum Betteln verdammt werden, befreit der Glaube an den Auferstandenen. Der von den Almosen der anderen abhängige Bettler wird im Namen Jesu geheilt. Der Auferstandene erlöst von Abhängigkeit und Isolation. Erneut beginnt der Exodus; es ist der Auszug des Einzelnen aus dem Leid, der Sklaverei und Gefangenschaft und der Einzug in das Volk Gottes. Die Apostel als Gesandte Jesu schenken, wie ihr Meister, Ansehen, packen an und erwecken zu neuem Leben. Das ist Ostern und es löst bei den Zuschauenden Furcht und Verwirrung aus. Im Griechischen ist von der ek-statis die Rede, die einen Stabilitätsverlust beschreibt. Während ein Mensch zur Standfestigkeit, ja zur Selbst-Ständigkeit findet, verlieren andere ihre Orientierung und geraten in Erklärungsnot. Ihre bisherigen Standpunkte kommen ins Wanken. Denn ein Randständiger wird durch den Namen Jesu in die Gemeinschaft der Glaubenden zurückgeführt. Ausschluss und Abhängigkeit, sowie alle Passivität wird gewandelt in Teilhabe und Aktivität. So verheutigen Petrus und Johannes eines der ersten Wunder Jesu, das sie selbst miterlebt hatten; damals heilte Jesus einen Gelähmten und die staunende Menge in Karfanaum stellte fest: „Heute haben wir unmögliches gesehen.“ (Vgl. Lk 5,17–26) Später wird auf ähnliche Weise Paulus einen Gelähmten in Lystra aufrichten und ihn in das Ostergeheimnis einweihen. (Vgl. Apg 14,8)

Lukas unterstreicht mit diesem ersten Wunder: Die Taten Jesu gehen in seinem Geist und Namen weiter. Der Geheilte kann die Grenze zum Tempelinneren überschreiten und am Lob Gottes teilnehmen. Dadurch wird der Tempel mit neuer Beweglichkeit erfüllt und alle Gesetze und Vorschriften werden auf ihren eigentlichen Inhalt zurückgeführt: Sie sollen dem Heil der Menschen dienen.

Mehr Beweglichkeit durch schlichtes Vertrauen


Der Codex Iuris Cononici, das Buch des kanonischen Rechtes von 1983, wiegt in lateinisch/deutscher Fassung 904 Gramm. Der Katechismus der Katholischen Kirche in deutscher Übersetzung, 1993 veröffentlicht, bringt sogar 1060 Gramm auf die Waage. Zusammen kommen beide Werke auf 1964 Gramm– was für ein gewichtiges Glaubenskonstrukt! Ein Senfkorn dagegen wiegt 0,0007 Gramm so zumindest im...

Erscheint lt. Verlag 11.3.2024
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Religion / Theologie Christentum
Schlagworte Apostelgeschichte • Bibel • Bibelauslegung • Exegese • Heiliger Geist • Jerusalem • Jesus • Kirche • Lydia • Paulus • Petrus • Rom • Urgemeinde
ISBN-10 3-451-83215-1 / 3451832151
ISBN-13 978-3-451-83215-4 / 9783451832154
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