Wenn sich nichts richtig anfühlt (eBook)
336 Seiten
Goldmann Verlag
978-3-641-31738-6 (ISBN)
Sie können nicht genau sagen, woran es liegt, aber irgendwie haben Sie einfach nicht das Gefühl, dass es Ihnen gut geht? Das ist das Ergebnis einer Vielzahl von kleinen Wunden und seelischer blauen Flecken, die für sich genommen gar nicht so gewichtig erscheinen. Fehlender Zugang zu den eigenen Emotionen, Mikro-Aggressionen, herausfordernde familiäre Beziehungen, toxische Positivität und Gaslighting sind einige Beispiele für das, was Dr. Meg Arroll »kleine Traumata« nennt. Die Auswirkungen dieser winzigen Verletzungen sind enorm und führen unter anderem zu
• Angstgefühlen,
• Erschöpfung,
• übertriebenem Perfektionismus,
• emotionalem Essen oder
• Schlafstörungen.
Dr. Arroll hilft dabei, sich dieser kleinen Traumata bewusst zu werden, sie anzunehmen und zu überwinden, um das Leben führen zu können, das wir uns wünschen.
Dr. Meg Arroll ist zugelassene Psychologin, Wissenschaftlerin und Autorin, die sich auf Gesundheit und Wohlbefinden spezialisiert hat. Ihr lösungsorientierter Ansatz liefert praktische Tipps und Strategien für die alltäglichen Probleme des Lebens. Außerdem schreibt sie für Zeitungen und Zeitschriften wie The Daily Mail oder Psychologies und ist regelmäßig als Expertin zu Gast bei BBC World News und UK Health Radio. Dr. Arroll macht komplexe wissenschaftliche Sachverhalte und Forschungsergebnisse einem breiten Publikum zugänglich und gibt praktische Ratschläge für die geistige und körperliche Gesundheit.
Einleitung
Es ist nichts Besonderes, nichts Großes … und man kann es nicht genau benennen, aber irgendwie … fühlt man sich »zu wenig« – zu wenig wahrgenommen, zu wenig geschätzt, zu wenig geliebt. Man hat eine ziemlich nette Familie, eine Arbeit, die okay ist (immerhin hat man eine Arbeit), eine Gruppe von Freunden. Man hat Essen auf dem Tisch, ein Dach über dem Kopf, man hat es warm, also geht es einem gemessen an der Hierarchie der Bedürfnisse eigentlich gut. Aber irgendwie fühlt man sich nicht richtig … glücklich. Und ist das nicht das Ziel, das uns die Gesellschaft vorgibt, das uns immer wieder eingebläut wird von unseren Eltern, Lehrern, Freunden, bei der Arbeit oder praktisch überall, wohin man auch schaut?
Man hat im Leben nichts wirklich Schlimmes erlebt … aber genau das ist es: Man lehrt uns, die »kleinen Traumata« zu ignorieren, die nach und nach heimtückisch einen hohlen Raum in uns hinterlassen, mit ihrer unterschwelligen, konstanten Melancholie und ihren Stichen der Angst – alles begleitet von einem Film, der uns das perfekte Leben anderer Leute auf Instagram zeigt.
Die überwiegende Mehrheit meiner Patienten hat in ihrem Leben kein großes Trauma erlitten, wie etwa sexuellen oder körperlichen Missbrauch, das Leben in einem Kriegsgebiet oder den Tod einer Bezugsperson in früher Kindheit. Aber im Laufe der Zeit gibt es immer winzige Schrammen und kleine Dellen, die Spuren hinterlassen. Kleine Wunden, fast nicht wahrzunehmen, da allgegenwärtige gesellschaftliche Normen uns beibringen, »ruhig zu bleiben und weiterzumachen«. Doch diese kleinen Verwundungen häufen sich tief in unserem emotionalen Kern an und summieren sich wie Zinseszins. Und schließlich wirkt sich diese Ansammlung psychischen Schlamms auf unser Wohlbefinden aus – auch wenn wir immer noch funktionieren, spüren viele von uns dieses Gewicht in Form von Mattigkeit, Ängsten und mangelndem Selbstvertrauen. Die Anhäufung der kleinen Traumata sollte auf keinen Fall igno riert werden, da diese sonst zu vielen unserer heutigen psychischen und körperlichen Gesundheitsproblemen führen kann.
Glücklicherweise erleiden die meisten von uns keine wiederkehrenden großen Traumata oder wenigstens nicht solche sich wiederholenden Traumata und Missbräuche, die zu psychischen Krankheiten führen.
Wir verlieren geliebte Menschen, etwa die Hälfte von uns erlebt eine Scheidung, und viele müssen mit Krankheiten oder körperlichen Verletzungen fertigwerden. Es ist bekannt, dass solche Traumata zu diagnostizierbaren mentalen Gesundheitsproblemen wie zu Angstzuständen oder Depressionen führen können.
Aber dies macht nicht das Gros der Probleme aus, die ich in meiner Praxis Tag für Tag sehe; es sind eher die subtilen Erlebnisse wie eine schlechte Eltern-Kind-Beziehung, der psychische Druck im Umgang mit falschen Freunden, Erniedrigungen in der Schule, Instabilität durch häufiges Umziehen (mit Schul- und Arbeitsplatzwechsel), Leistungskultur oder der dauernde Versuch, finanziell zurande zu kommen, die zu einem diffusen Gefühl führen, bei dem man sich häufig fragt: »Warum soll ich überhaupt etwas versuchen?« Aber ein ständiges »Sich-etwas-mies-Fühlen«, dauernde Mattigkeit, eine hochfunktionale Angststörung und krankhafter Perfektionismus sind keine Zustände, die Ihr Hausarzt diagnostizieren oder behandeln wird. Sie entsprechen nicht den ordentlich abgegrenzten Kriterien in medizinischen Fachbüchern, und wenn Ihr Arzt Sie fragt, ob sich im vergangenen Jahr bei Ihnen etwas Besonderes ereignet hat, kann die Antwort durchaus »Nein« lauten. Und so werden die Menschen alleingelassen, weil ihr Zustand nicht wirklich ernst genug ist, auch wenn er ihr Leben beeinträchtigt. Der Grund ist, dass wir den schleichenden Einfluss der kleinen Traumata nicht erkennen.
Ich nenne diese psychischen Probleme kleine Traumata, weil diese ziemlich universellen Erfahrungen das Recht haben, in den alltäglichen, allgemeinen Sprachgebrauch aufgenommen zu werden. Denn es sind die kleinen Dinge, die dem Leben eine Bedeutung geben – und es sind auch die kleinen, alltäglichen Dinge, die uns unsere Lebendigkeit, unsere Antriebskraft und unser Potenzial nehmen. Werden wir uns jedoch unserer eigenen kleinen Traumata bewusst, können wir sie zu unserem Vorteil nutzen, indem wir eine robuste psychische Immunität aufbauen, die uns vor dem zerstörerischen Einfluss eventueller zukünftiger großer Traumata schützt.
Denn Sie sind wichtig! Glauben Sie mir – das sind Sie. Viel mehr, als Sie im Moment glauben. Und am Ende dieses Buches werden Sie das nicht nur selbst zu glauben beginnen, sondern diese täglichen Ängste und Frustrationen werden nach und nach verschwinden. Vertrauen Sie mir, ich bin Psychologin – aber nicht die Art Psychologin, die Sie sich vielleicht vorstellen. Es gibt keine Couch, keinen Bart, kein wertendes Kopfnicken, denn es gibt keinen Grund dafür, uns für unsere Erlebnisse, unsere Fehler oder unsere dunkelsten Gedanken zu schämen.
In diesem Buch steht das, von dem ich aus meiner mehr als zwanzigjährigen Erfahrung in Forschung und Praxis weiß, dass es wahr ist. Jede einzelne Person, mit der ich gearbeitet habe, hatte irgendein kleines Trauma. Diese Traumata sind sehr unterschiedlich, ihre Folgen äußern sich jedoch auf bestimmte, erkennbare Arten. In diesem Buch möchte ich Ihnen die Themen vorstellen, die ich dabei identifiziert habe. Ich verwende den Begriff Themen, da sie an sich keine medizinischen Leiden sind, ihr Einfluss auf die Menschen aber dennoch Muster aufweist, die sich beschreiben lassen. Eines oder vielleicht auch mehrere dieser Themen könnten Ihnen vertraut vorkommen, und vielleicht haben Sie das Gefühl, die einzige Person zu sein, die darunter leidet. Doch genau hier und genau jetzt möchte ich Ihnen sagen, dass diese Themen, Leiden oder wie wir die Gruppe von Anzeichen und Symptomen in jedem Kapitel sonst nennen möchten, tatsächlich sehr weitverbreitet sind. Da es keine medizinischen Definitionen gibt, kann ich Ihnen keine genauen Zahlen dazu nennen, wie viele Menschen sich ähnlich fühlen, aber aus meiner Erfahrung und basierend auf meinen Beobachtungen kann ich Ihnen sagen: Sollte keines der Themen kleiner Traumata für Sie persönlich relevant sein, dann ist bestimmt jemand, den Sie kennen, jemand, der Ihnen sehr nahesteht, davon betroffen.
Während ich Sie durch die Spannungsfelder kleiner Traumata führe – zum Beispiel leichte Panik, das Gefühl, nie genug zu sein, und sogar gesundheitliche Probleme wie Schlaflosigkeit, Gewichtszunahme und chronische Müdigkeit –, werde ich Ihnen natürlich auch praktische Möglichkeiten aufzeigen, um mit diesen Problemen zurechtzukommen – damit Sie die Kontrolle über Ihr Leben zurückerlangen und nicht länger Ihren kleinen Traumata unterworfen sind. Es ist heutzutage nicht einfach, Zugang zu psychologischen Dienstleistungen zu bekommen, aber aus der Forschung wissen wir, dass Bibliotherapie – das, was Sie mit dem Lesen dieses Buches gerade tun – helfen kann, Symptome zu verringern.
Weil wir uns im Leben mit genug kniffligen Problemen auseinandersetzen müssen – mit komplexen und alltäglichen –, machen wir es uns hier so einfach wie möglich. Daher verwenden wir meine lösungsorientierte, dreistufige Methode:
Die BAA-Methode
- Schritt 1: Bewusstmachung – Ihre einzigartige Konstellation kleiner Traumata aufdecken und deren Einfluss auf Ihre gelebte Erfahrung ergründen, um die Kontrolle über Ihr Leben zurückzuerlangen.
- Schritt 2: Akzeptanz – Dies ist oft der herausforderndste Schritt des Prozesses und das Stadium, das viele Menschen am liebsten überspringen wollen – aber ohne Akzeptanz werden die kleinen Traumata Ihr gegenwärtiges Leben weiter über Gebühr beeinflussen.
- Schritt 3: Aktion – Akzeptanz ist jedoch nicht genug; Sie müssen aktiv Schritte unternehmen, um das Leben so zu gestalten, wie Sie es sich wünschen.
Zumindest am Anfang, während Sie den Prozess kennenlernen, ist es wichtig, dass Sie diese Schritte einen nach dem anderen vornehmen. In meiner Praxis sehe ich oft Menschen, die unglaublich frustriert sind, weil sie sofort mit den Techniken aus der Aktionsphase begonnen haben – das ist jedoch, als würde man einen schlimmen Kratzer mit einem Pflaster verarzten, ohne die Verletzung zuerst zu reinigen. Der Schmutz ist darunter gefangen und verursacht schließlich eine Infektion, die für den Verletzten ein ernsthafteres Problem darstellt als die ursprüngliche Wunde. Auch führt das sofortige Eintreten in die Phase der Aktion oft nur zu kurz anhaltenden Ergebnissen, wenn man vorher nicht die Stufen von Bewusstmachung der Traumata und Akzeptanz dessen, was einem im Leben geschehen ist, durchlaufen hat. Es gibt auch Menschen, die ein großes Maß an Bewusstsein haben – vor allem diejenigen, die eine Reihe psychologischer und Selbsthilfetechniken versucht haben –, die aber vom Stadium der Bewusstmachung direkt in das der Aktion übergehen, ohne das der Akzeptanz zu durchlaufen. Dies ist keineswegs eine Unzulänglichkeit des Einzelnen – wir leben in einer hektischen Gesellschaft, in der jeder Wunsch und jedes Bedürfnis sofort befriedigt werden, daher ist es verständlich, dass wir alle eine zweiminütige, TikTok-fähige Lösung wollen. Aber es ist wie bei allen Fähigkeiten – wenn Sie sich erst einmal an den Prozess gewöhnt haben, werden Sie es...
Erscheint lt. Verlag | 19.6.2024 |
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Übersetzer | Gabriele Lichtner |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | Tiny Traumas - How to heal from your past, understand your present and find your future |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Psychologie |
Schlagworte | 2024 • Aggression • Angst- und Stressbewältigung • aufstehen oder liegen bleiben • Belastung • bessel von der kolk • Depression • eBooks • Einsamkeit • Emotionales Essen • emotionale Verletzungen heilen • Emotionale Wunden heilen • Erschöpfung • Gaslighting • Gesundheit • Grübeln • Inneres Kind • Mental Health • mini-trauma • Neuerscheinung • Oprah Winfrey • rachel yehuda • Resilienz • Schlafstörungen • Schuldgefühle • Selbstfürsorge • Selbstheilung • Selbstvertrauen • spiegel bestseller • Stefanie Stahl • toxische Positivität • was ist dein schmerz • Zurückweisung |
ISBN-10 | 3-641-31738-X / 364131738X |
ISBN-13 | 978-3-641-31738-6 / 9783641317386 |
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