Das System der Inneren Familie (eBook)

Einführung in die IFS-Therapie - Ein Weg zu mehr Selbstführung - Erweiterte Neuausgabe
eBook Download: EPUB
2024
192 Seiten
Kösel-Verlag
978-3-641-31419-4 (ISBN)

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Das System der Inneren Familie - Richard C. Schwartz
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Mit dem System der Inneren Familie zu innerer Heilung
Das IFS-Grundlagenbuch in erweiterter Neuausgabe

Richard C. Schwartz, der Begründer des Systems der Inneren Familie (IFS), führt leicht verständlich in die grundlegenden Konzepte und Methoden seines therapeutischen Modells ein. Der Durchbruch von IFS besteht in der Erkenntnis, dass jeder Mensch aus unterschiedlichen Persönlichkeitsanteilen, einer »inneren Familie« besteht. Wenn wir diesen inneren Teilen mit Wertschätzung, Neugier, Respekt, Achtsamkeit und Einfühlungsvermögen begegnen, erweitert das unsere Fähigkeit zur Selbstheilung enorm und ermöglicht uns nachhaltige, positive Veränderungen. Fallbeispiele und praktische Tools zeigen, wie jeder einen Weg zu mehr Selbstführung finden kann.

Dieses Buch hilft Therapeut*innen, ihr professionelles Verständnis zu vertiefen, und Laien, ihren eigenen therapeutischen Prozess besser zu verstehen.

Richard C. Schwartz, Ph.D., ist internationaler Bestsellerautor und Begründer der IFS-Methode (Internal Family Systems). Er entwickelte dieses effektive, evidenzbasierte therapeutische Modell Ende der 1990er-Jahre und schuf damit einen Ansatz, der die Arbeit mit Persönlichkeitsanteilen bereicherte. Das von ihm gegründete IFS Institute und seine internationalen Dependancen - u.a. in München und Berlin - bieten weltweit Ausbildungen und Workshops sowohl für die berufliche Fortbildung als auch zur Selbsterfahrung an. Schwartz ist ein gefragter Experte und Redner, der an der Harvard Medical School, der University of Illinois und an der Northwestern University in Chicago lehrte und forschte.

Das Selbst

Um sich auf den Weg zu begeben, Ihr Selbst zu befreien, müssen Sie zunächst wissen, dass es da ist. Wenn Sie keine Ahnung haben, wer Sie wirklich sind, können Sie nicht zu dieser Person werden. Sie werden alle flüchtigen Erfahrungen des Selbst als Abirrungen oder Illusionen missachten und den eingeschränkten Vorstellungen zuordnen, die man uns von uns selbst beigebracht hat. Es wird überliefert, dass Michelangelo auf die Frage, wie er aus dem Marmorblock den großartigen David geschaffen hat, geantwortet haben soll: »Ich wusste, er ist da drin. Er brauchte nur jemanden, der ihn herausholt.« Wenn Sie wissen, dass Sie ein großartiges Wesen besitzen, das in verkalkten Gefühlen und Überzeugungen eingeschlossen ist, können Sie darauf hinarbeiten, dieses Wesen freizulegen. Wenn Sie nichts davon ahnen, beschränken Sie sich darauf, das Leben durch einen Schutzpanzer zu erleben.

In diesem Kapitel erforschen wir diese Idee des Selbst, da sie das Kernstück des IFS-Modells darstellt – und auch das für die meisten Menschen am schwersten zu Akzeptierende. Die Vorstellung, in ihrem Wesen reine Freude und vollkommener Frieden zu sein und dass von dort wunderbare Führungs- und Heilungsfähigkeiten sowie ein Gefühl geistiger Verbundenheit ausgehen, läuft allem zuwider, was sie über sich gelernt haben. Es gibt in unserer westlichen Kultur verschiedene Aussagen zum Wesen der menschlichen Natur, und keine ist besonders erhebend. Die offensichtlichste ist die Doktrin der Erbsünde, die der heilige Augustinus aufgestellt hat und die von einem großen Teil der westlichen Christenheit seither weitergetragen wird. Wegen des Sündenfalls – Adams und Evas Übertretung des göttlichen Gebots – sei die Menschheit dazu verdammt, in Sünde geboren zu werden und eine niedere, selbstsüchtige Veranlagung zu haben. Dieser Ansicht nach sind unsere Leidenschaften der Beweis eines fortwährenden Lebens in Sünde. Wir müssen unsere leidenschaftlichen Gefühle und Impulse ständig unter Kontrolle halten und erinnern uns dadurch unser Leben lang an unsere grundsätzliche Sündhaftigkeit. Während sich viele heutige Christen von diesem Standpunkt wegbewegt haben, hat er dennoch einen gewaltigen Einfluss auf die westlichen kulturellen Grundannahmen über die Natur des Menschen ausgeübt. Diese Grundannahmen hat es im Christentum vor Augustinus nicht gegeben. Tatsächlich waren viele frühe Christen der gegenteiligen Überzeugung, die man den »ursprünglichen Stand der Gnade« nennen könnte.

Eine weitere höchst einflussreiche Position ist von Darwins Evolutionstheorie abgeleitet. Darwins Ansicht über die menschliche Natur deckt sich stark mit der Erbsünde, aber mit einem wissenschaftlichen Anstrich. Er postulierte, dass unsere selbstsüchtige Natur das Produkt unserer Gene sei. Diese hätten uns dazu programmiert, in einer feindlichen, von Wettbewerb geprägten Umwelt um unser Überleben zu kämpfen. Diese kulturellen Mythen des Sündenfalls und des »selbstsüchtigen Gens« spiegeln sich in manchen einflussreichen Richtungen der Psychologie wider. Zum Beispiel lehren die Freudsche Psychoanalyse, die Verhaltens- und die Evolutionspsychologie, dass alles, was wir tun, dazu dient, unser Vergnügen zu maximieren oder unseren Genpool zu erweitern. Das Selbstverständnis, fundamental selbstsüchtig oder sündig zu sein, führt zu harten und strafenden Methoden, um unsere Teile und andere Menschen zu kontrollieren.

Die Entwicklungspsychologie behauptet, dass unsere grundsätzliche Natur davon abhängt, wie wir erzogen wurden. Wenn Sie das Glück hatten, während kritischer Phasen der frühen Entwicklung eine ausreichend gute »Beelterung« erfahren zu haben, sind Sie aus der Kindheit mit einem gewissen Maß an »Ich-Stärke« hervorgegangen. Wenn nicht, haben Sie Pech gehabt. Sie bleiben unvollständig und pathologisch, solange Sie nicht eine Art korrigierender Nach-Beelterung durch einen Therapeuten oder eine andere für Sie bedeutsame Person erfahren. Diese Ansicht – dass wertvolle Eigenschaften quasi von außen in uns hineingepumpt werden – ist ebenfalls vorherrschend und einflussreich. Sie ist die Basis der Lerntheorien, die unser westliches Erziehungssystem dominieren. Wir glauben, dass man Moral, Einfühlungsvermögen und Respekt beigebracht bekommen muss, weil wir diese Werte nicht in uns tragen. Diese Philosophie lehrt uns, nach außen zu schauen, um unsere Bedürfnisse zu erfüllen. Zudem ermutigt sie Therapeutinnen und Therapeuten zu dem Versuch, ihren Klienten zu geben, was ihnen ihrer Meinung nach fehlt, statt ihnen zu helfen, es in sich selbst zu finden. Diese Selbstsicht, von der Umwelt abhängig, unvollkommen und unwissend zu sein, verleitet uns dazu, nach dem richtigen Experten zu suchen, der unsere Probleme löst. Und sie verleitet Helfende dazu, eine erzieherische oder elterliche Rolle einzunehmen. Wir werden entmutigt, unseren Teilen gegenüber eine Führungsrolle einzunehmen.

Die Reise zum Selbst

Um Ihnen dabei zu helfen, die Möglichkeit in Erwägung zu ziehen, dass das, was Sie über sich selbst gelernt haben, falsch ist, erzähle ich Ihnen kurz meine eigene Reise zu dieser Schlussfolgerung. Als ich in den späten Siebzigern anfing, als Therapeut zu arbeiten, hatte ich die Vorstellung, ich müsse meinen Klienten wesentliche Erkenntnisse oder Ratschläge vermitteln. Die Tatsache, dass sie Probleme hatten, bedeutete für mich, dass ihnen etwas fehlte; und sie bezahlten mich dafür, dass ich es ihnen lieferte. Außerdem hatte ich von der Kultur ein zynisches Bild des Menschen – und meiner selbst – übernommen: als im Wesentlichen egoistisch und von Angst getrieben. Und durch meine klinische Ausbildung hatte ich ein Bild des Menschen als eine Sammlung von Diagnosen. Obwohl ich flüchtige Blicke darauf geworfen hatte, war ich der Möglichkeit eines Selbst gegenüber nicht aufgeschlossen. Wie viele andere junge Leute in den Sechzigern hatte ich mit Meditation experimentiert, um kurzzeitig Ruhe von meiner inneren Kakophonie zu bekommen. Während ich auf mein Mantra konzentriert war, wurde mein Geist still. Ich spürte andere Dimensionen meiner selbst, ohne eine Erklärung dafür zu haben. Außerdem war ich Sportler und hatte auf dem Football- oder Basketballfeld hin und wieder diesen köstlichen Flow-Zustand erlebt, in dem mein Geist still war und mein Körper sich nicht irren konnte. Wie die meisten Menschen war ich jedoch hauptsächlich damit beschäftigt, Möglichkeiten zu finden, um mit den unterschwelligen Gefühlen der Wertlosigkeit umzugehen, die meine Psyche durchdrangen. Ich glaubte den inneren Stimmen, die mir sagten, ich sei von Grund auf faul, dumm und egoistisch. Das war meine Vorstellung davon, wer ich wirklich war.

Wissen über das Selbst erlangte ich später in meiner Karriere als Therapeut, als ich Zeuge davon wurde, was mit meinen Klienten passierte, wenn sie mit meiner Hilfe ihre inneren Welten erforschten. Zu jener Zeit, in den frühen Achtzigern, war ich ein eifriger Familientherapeut. Ich glaubte, die Familientherapie habe den Heiligen Gral gefunden, indem sie systemisches Denken nutzte, um Familienstrukturen zu verstehen und zu verändern. Wie die meisten Familientherapeuten jener Zeit hatte ich wenig Interesse an meinem eigenen innerpsychischen Leben oder dem meiner Klientinnen. Ich dachte, nach innen zu schauen sei nicht nötig, wenn man Menschen doch nur dazu bringen musste, ihre Beziehungen zu anderen Familienmitgliedern zu verändern, um ihre Probleme zu lösen. Meine Klienten kooperierten jedoch nicht. Ich erlitt, wie Thomas Huxley (ein Biologe aus dem 19. Jahrhundert) es nannte, »das Erlegen einer wunderschönen Hypothese durch eine hässliche Tatsache«. Tatsache war: Egal, wie gut die familiären Beziehungen reorganisiert wurden, das Innenleben der Menschen hatte immer noch enorme Macht über sie.

Aus dieser Frustration heraus fing ich an, meine Klientinnen und Klienten zu befragen, welche Art Gefühle und Gedanken sie in ihren alten Bahnen festhielten. Zu dieser Zeit hatte ich einige Klienten, die von verschiedenen ihrer Persönlichkeitsanteile so sprachen, als ob diese »Teile« selbstständige Stimmen oder Unterpersönlichkeiten wären.

Zum Beispiel sprach eine Frau namens Anja von ihrer »pessimistischen Stimme« und ihrem »Kritiker«, die beide all ihre positiven Aktionen mit düsteren Gesängen über Versagen und Untergang begleiteten. Sie sagte, sie habe andere Stimmen, die sich mit diesen Propheten des Scheiterns stritten; und wieder andere, die sich einfach schämten und unfähig fühlten. Sie glaubte, dass die Scham und Unfähigkeit die »wahre Anja« seien. Als Familientherapeut fand ich diese inneren Kämpfe hochinteressant. Auf die gleiche Art, wie ich vorher versuchte, Konflikte in Familien zu verändern, bat ich nun Anja und andere Klientinnen und Klienten, an diesen inneren Kämpfen zu arbeiten. Mit anderen Worten, ich konzentrierte mich auf Anjas Beziehung zu ihren Gefühlen und Gedanken.

Es machte den Anschein, dass Anja und viele andere Klientinnen tatsächlich dazu in der Lage waren, sich mit diesen Gedanken und Gefühlen zu unterhalten, als ob sie echte Persönlichkeiten wären. Ich bat Anja, ihre pessimistische Stimme zu fragen, warum sie ihr immer sage, alles sei hoffnungslos. Anja tat das, und zu meinem Erstaunen antwortete ihr die Stimme. Sie sagte ihr, alles sei hoffnungslos, damit sie keine Gefahr eingehe und verletzt würde. Sie versuche, sie zu beschützen. Das sah nach einer vielversprechenden Interaktion aus. Wenn dieser Pessimist wirklich eine gute Absicht hatte, konnte Anja vielleicht mit ihm verhandeln, sodass er seine Rolle veränderte. Aber Anja war nicht interessiert. Sie war wütend auf diese Stimme und sagte ihr, sie...

Erscheint lt. Verlag 24.4.2024
Übersetzer IFS-Europe e.V.
Sprache deutsch
Original-Titel Introduction to Internal Family Systems
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie
Schlagworte 2024 • Achtsamkeit • eBooks • Gesundheit • Inneres Team • mentale Gesundheit • Mindfulness • Neuerscheinung • Persönlichkeitsanteile • Psychologie • Psychotherapie • Selbst • Selbstführung • Selbstheilung • Selbsthilfe • Selbstverwirklichung • Systemische Therapie • Transformation
ISBN-10 3-641-31419-4 / 3641314194
ISBN-13 978-3-641-31419-4 / 9783641314194
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