Einfach lieben -  Anna Wilitzki

Einfach lieben (eBook)

Expedition zu einer glücklichen Beziehung
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
272 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01902-7 (ISBN)
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Geschichten aus der Praxis einer Paartherapeutin mit großer emotionaler Tiefe und vielen Aha-Erkenntnissen für den Beziehungsalltag Paartherapeutin Anna Wilitzki zeigt die Paarkonflikte, die immer wieder auftauchen, welche Muster dahinterstecken und wie sie zu lösen sind. Denn: Meinungsverschiedenheiten sind ganz normal - entscheidend ist, wie man mit ihnen umgeht. Unterhaltsam und fundiert berichtet sie aus ihrem Praxisalltag und erklärt, wie eine gute Liebesbeziehung am Ende doch gelingt und der Zauber vom Anfang bestehen bleibt.

Psychologin und Paartherapeutin Anna Wilitzki hilft Paaren in ihrer Praxis in Berlin, sich auf emotionaler Ebene neu zu begegnen und Konflikte im Zusammenleben gemeinsam zu bewältigen. In diversen Podcasts sowie TV- und Radio-Interviews berichtet sie von neuesten Erkenntnissen und aktueller Forschung sowie ihrer Erfahrung aus dem Praxis- und Therapiealltag. 

Psychologin und Paartherapeutin Anna Wilitzki hilft Paaren in ihrer Praxis in Berlin, sich auf emotionaler Ebene neu zu begegnen und Konflikte im Zusammenleben gemeinsam zu bewältigen. In diversen Podcasts sowie TV- und Radio-Interviews berichtet sie von neuesten Erkenntnissen und aktueller Forschung sowie ihrer Erfahrung aus dem Praxis- und Therapiealltag.  Julia Becker arbeitet als freie Autorin in Hamburg. Sie studierte »Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus« bei Hanns-Josef Ortheil, ist Kommunikationswirtin, Werbetexterin und Systemischer Coach. Ihre Liebe gilt psychologischen und erzählenden Sachbüchern, Romanen und Theaterstücken. Sie berät Autoren konzeptionell und dramaturgisch, schreibt und lektoriert. Sie begleitete die Entstehung verschiedener Bestseller wie "Liebe Angst, Zeit, dass du gehst" von Annett Möller und "Be your own Healer" von Susanne Abbassian Korasani.

Isabel und Philipp


Philipp ist das, was man eine Erscheinung nennen kann: bestimmt einsfünfundneunzig groß, sehr schlank, breite Schultern, dunkle Haare, hellgrüne Augen und ein offenes Lächeln. Sein cremeweißes Leinenhemd ist lässig und stilvoll zugleich, es passt ihm wie angegossen. Ich erwische mich bei dem Gedanken, dass dieser Mann auch mit Ende 30 und nach neun Jahren Ehe noch einen extrem hohen Marktwert hat und das vermutlich auch weiß.

Doch als er auf meinem blauen Sofa Platz genommen hat, wirkt er plötzlich blass und schmächtig. Er sitzt leicht nach vorne gebeugt, hat die Handflächen aufeinandergepresst und zwischen den angespannten Beinen verstaut, den Blick nach unten gerichtet. Isabel ist etwas jünger als er, mittelgroß, von der Figur ein bisschen kräftiger, aber ebenfalls schlank, mit sehr geradem Rücken. Sie hat einen festen Händedruck, mittelblonde Haare und auffällig warme, hellbraune, fast bernsteinfarbene Augen. Ihr petrolfarbenes Kleid sieht neu aus, geschmackvoll. Man könnte nicht sagen, dass es ihr nicht steht, aber es wirkt etwas unbequem. Ich vermute, dass sie es nicht gewohnt ist, solche Kleider zu tragen. Vielleicht ist es auch ein Schutzanzug?

Sie fängt sofort an zu reden und bewundert den goldenen Lampenschirm an der Decke, wie gut das Klimt-Gemälde dazu passe, wie beruhigend die blauen Wände wären, wie angenehm die Atmosphäre sei. Dabei sitzt sie neben ihrem Mann auf der Couch so weit vorne auf der Kante, wie es nur geht. Als müsse sie sofort bereit sein, falls es einen Feueralarm gibt und wir in der Sekunde das Gebäude verlassen müssen. Sie schaut Philipp einen kurzen Moment von der Seite an, wartet und stößt dann hervor: «Sie wissen ja, warum wir hier sind!» Sie sieht mich an und wiederholt es nun trotzdem: «Philipp ist fremdgegangen.» Philipp bewegt sich nicht, schaut nicht auf, sondern weiter auf den Teppich vor seinen Füßen, nur seine Beine scheinen sich noch etwas mehr anzuspannen. «Ich habe es seit über einem Jahr gespürt», fügt Isabel an. Ihre Stimme wird lauter: «Aber er hat es vehement geleugnet!»

«Weil damals nichts war», sagt Philipp leise. Er wirkt wie ein kleiner Junge, der ausgeschimpft wird.

«Angeblich!», erwidert Isabel, weiterhin an mich gewandt. «Angeblich war nie etwas. Außer der einen Nacht, vor ein paar Wochen mit dieser Kollegin!» Das Gelbe in ihren braunen Augen funkelt.

Natürlich muss ich mich hüten, vorschnelle Urteile zu fällen. In seine eigenen Hypothesen darf man sich nie zu schnell verlieben. Auch wenn sich hier schon jetzt penetrant der Verdacht aufdrängt, dass ich – wie man in der emotionsfokussierten Therapie sagt – einen «Rückzügler» und seine «Verfolgerin» vor mir habe. Selbstverständlich gibt es viele andere Paarungen. Aber diese beiden Typen finden besonders oft zusammen. Frauen sind öfter Verfolgerinnen. Aber beide Geschlechter kommen in jeder Rolle vor. Die entstehende Dynamik ist für beide fast immer sehr anstrengend und schmerzhaft. Verfolger:innen sind Menschen, die im Streit häufig wütend werden und auch laut. Daher wirkt es oft so, als ob er oder sie jedes Mal den Konflikt beginnen würde. Sie äußern meist viele Vorwürfe und möchten Probleme unbedingt klären – auch wenn ihnen die dahinterstehende Problematik und deren Wichtigkeit während des Konflikts selbst nicht unbedingt bewusst sind. Sie wollen reden, wenn nötig auch mit Streit. Rückzügler:innen hingegen sind Menschen, die gelernt haben: Wenn wir streiten, geht es mir schlechter. Dann geht es auch meiner Partnerin bzw. meinem Partner schlechter und schließlich unserer Beziehung. Also sagen sie im Konfliktfall wenig bis gar nichts. Rückzügler:innen fühlen sich komplett unwohl im Streit. Auch weil sie oft nicht sehr kommunikativ sind und vieles lieber mit sich selbst ausmachen. Aber bei Isabel und Philipp ist das alles bis jetzt nur eine vage Annahme.

«Ich habe es die ganze Zeit gespürt!», fährt Isabel fort. Ihre Wut ist unüberhörbar. «Du warst ja nur noch weg, du wolltest überhaupt nicht mehr bei uns sein!» Obwohl sie Philipp jetzt anspricht, schaut sie weiterhin mich an. «Ich bin doch nicht bescheuert, ich weiß doch, dass du nicht bouldern warst!»

Philipp bleibt stumm und starrt weiter auf den Teppich.

Isabels Lippen zittern: «Seit zwei Monaten läuft das so. Er will es einfach nicht zugeben. Aber ich weiß, dass das nicht nur eine Nacht war. Ich weiß es genau!»

Wenn eine große Bindungsverletzung geschehen ist, will die verletzte Person die Therapiesituation in der Regel dazu nutzen, so viel wie möglich über das zu sprechen, was ihr angetan wurde. Sie möchte ihre Wut endlich ausdrücken und wünscht sich dann Verständnis und Zuspruch von mir als Therapeutin. Was dahintersteht, ist aber in erster Linie das Bedürfnis nach Raum für den Schmerz. Und der Wunsch, endlich darin beachtet und angenommen zu werden. Der Schmerz soll gesehen und gehalten werden. Das braucht jeder Mensch, um zu heilen. Und genau das möchte ich Isabel auch ermöglichen. Mein Bedürfnis, sie aufzufangen, ist groß. Doch gerade zu Beginn der Paartherapie ist es wichtig, zu beiden eine Allianz aufzubauen. Öffne ich zu schnell einen Raum für die eine Person und deren Schmerz, kann es passieren, dass ich dadurch die andere Person verliere. Vielleicht sogar für immer. Zudem ist es, wenn ich das Paar noch gar nicht kenne, auch schwerer, diesen Raum gut zu halten und anschließend adäquate Interventionen vorzuschlagen. Deshalb erkläre ich – wie eigentlich immer am Anfang der Therapie –, dass ich zunächst gerne ein bisschen mehr über die beiden und ihre Geschichte wissen würde. Die Eckdaten von Isabel und Philipp kenne ich zwar schon und weiß, dass er Architekt ist und sie Erzieherin, dass er 38 ist und sie 34 und dass die beiden seit neun Jahren verheiratet sind und drei Kinder haben. Aber ich weiß noch nichts über ihre Vergangenheit, ihre gemeinsame Geschichte, über andere Beziehungen und über ihr Elternhaus. Danach zu fragen hat mehrere Gründe. Einerseits hilft es mir, die Menschen, die ich vor mir habe, durch ihre jeweilige Sicht auf die Hintergründe ein wenig besser kennenzulernen und das, was sie von ihrem Erleben der aktuellen Problematik berichten und was ich von ihren Gefühlen wahrnehme, besser einordnen zu können. Auch von elterlichen Konflikten oder einer Scheidung zu erfahren ist für mich als Therapeutin nützlich, denn dies kann sich erwiesenermaßen auf den Umgang der Klient:innen mit Herausforderungen in der eigenen Beziehung auswirken.[1] Andererseits kann es auch für beide Partner:innen sehr hilfreich sein, dem Gegenüber zuzuhören, wenn es von sich und seiner Vergangenheit erzählt und auch vom Beginn der gemeinsamen Zeit.

«Wir haben uns auf der Party eines gemeinsamen Freundes kennengelernt», antwortet Isabel auf meine Frage zum Beziehungsanfang. Sie sieht mich an. Ihre Stimme ist weniger laut und deutlich wärmer. «Wir hatten uns sofort sehr viel zu erzählen, und eigentlich war es sehr schnell klar zwischen uns.»

Ich schaue zu Philipp. Isabel hält inne und sieht ebenfalls vorsichtig zu ihm.

Ich sehe, dass Philipp sich unter Druck gesetzt fühlt. Er weiß, dass er jetzt dran ist. Sein Blick klebt am Teppich. «Wir wussten beide, dass wir das wollen», fängt er langsam an. Dann schaut er auf und sieht mich das erste Mal seit der Begrüßung an. «Und wir wollten auch das Gleiche. Also eine feste Beziehung und eine Familie.»

Isabel atmet tiefer, und ihr Blick öffnet sich ein bisschen weiter in Philipps Richtung.

«Was mochten Sie an Isabel?», frage ich Philipp. Er schaut wieder zu Boden und überlegt. Sein Oberkörper bewegt sich ganz leicht vor und zurück.

«Ihre Offenheit», sagt er dann. Er schaut aus dem Fenster. «Ihren Humor, ihre direkte Art.» Ich glaube, ein winziges Lächeln auf seinen Lippen zu entdecken. Jetzt sieht er zu seiner Frau. Doch Isabels Miene verfinstert sich gerade erneut. «Meine direkte Art!? Die kannst du ja offensichtlich schon länger nicht mehr leiden!»

Philipps Blick wandert wieder zu Boden.

«Was mochten Sie denn an ihm damals, Isabel?», versuche ich sie einzufangen.

Ihr Kiefer ist angespannt, sie atmet schwer. Dann sieht sie zur Decke. Sie denkt offensichtlich nach. «Ich mochte Philipps Entschiedenheit», sagt sie dann. «Er hat sich immer wieder gemeldet, und ich habe schon in den ersten Wochen gemerkt, dass er zuverlässig ist und dass er es ernst meint. Dass er mich meint.» Sie schluckt. Das erste Mal mischt sich wohl Trauer in ihre Wut. «Aber das ist lange her!», setzt sie nach. Ihre Wut hat wieder die Oberhand gewonnen.

Wut ist ein mächtiges Gefühl. Und es ist uns meistens deutlich lieber als Traurigkeit. In der Wut fühlen wir uns stark. Wir können agieren, können angreifen, uns verteidigen, kämpfen, uns ausdrücken. Es ist meist eine sogenannte sekundäre Emotion. Das bedeutet, dass sie auf einen ersten emotionalen Impuls folgt. Sie tritt auf, wenn wir diesen kognitiv angehen, wenn wir interpretieren. Traurigkeit oder Angst sind dagegen meist primäre Emotionen, also unmittelbare emotionale Reaktionen, die uns oft passiv und schwach fühlen lassen. Manchmal sogar komplett ohnmächtig. Wir fühlen darin keine Macht. Und keine Kontrolle. Deshalb vermeiden wir Traurigkeit und Angst so oft. Und können dann auch den dahinterliegenden Schmerz nicht sehen. So entstehen blinde Flecken. Oft können wir in diesen Fällen selbst nicht verstehen, warum die Situation nicht besser wird, auch wenn wir es noch so sehr wollen. Man unterscheidet diese beiden emotionalen Regungen auch in Emotion (primär) und Gefühl (sekundär). Doch sekundäre Gefühle...

Erscheint lt. Verlag 16.4.2024
Co-Autor Julia Becker
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie
Schlagworte Affäre • Arbeit und Beziehung • besser fühlen • Bewusster leben • Beziehung als Eltern • Beziehungen • Beziehungsratgeber • bücher über psychologie • Eltern • emotionsfokussierte Therapie • Erzählendes Sachbuch • Fremdgehen • Gespräche Beziehung • Gottman • Konfliktlösung • Lebenshilfe • Lebensnahe Beziehungstipps • Leon Windscheid • Liebespaar • Liebe und Job • Paarbeziehung • Paartherapie • Polyamorie • Psychologie • Psychologiebuch • psychologie literatur • Ratgeber Beziehungen • toxische Beziehung • Unterhaltsam • Zuhören
ISBN-10 3-644-01902-9 / 3644019029
ISBN-13 978-3-644-01902-7 / 9783644019027
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