Sei neugierig! (eBook)
304 Seiten
Kailash (Verlag)
978-3-641-30246-7 (ISBN)
Neugier ist unsere Superkraft: Sie bildet die Grundlage für unsere Fähigkeit zu Verbindung, Wachstum und Heilung. Wenn wir anderen unvoreingenommen begegnen und ihnen ein ehrliches Interesse entgegenbringen, können wir Grenzen und Vorurteile überwinden und Gefühle von Einsamkeit hinter uns lassen.
Der amerikanische Autor und Speaker Scott Shigeoka erforschte die Kraft der Neugier wissenschaftlich und praktisch auf einem monatelangen »Curiosity Road Trip« durch die USA. Er zeigt, wie wir diese grundlegende menschliche Fähigkeit stärken und den Mut entwickeln können, uns von Menschen, Orten und Erfahrungen verändern zu lassen. Sein Modell umfasst vier Schritte:
1. Loslassen: Annahmen, Vorurteile, Überzeugungen ablegen.
2. Ausrichten: Die Denkweise neu justieren.
3. Wertschätzen: Die Würde jeden Menschen erkennen, einschließlich der eigenen.
4. Umarmen: Schwierige Zeiten als Katalysator für Verbindung und Transformation willkommen heißen.
Ganz gleich, ob wir vertrauensvollere Beziehungen aufbauen wollen oder unseren Horizont erweitern wollen - dieses Buch ist eine Pflichtlektüre für unsere Zeit.
Scott Shigeoka ist ein gesuchter Speaker, Designer, Creative Writer und Berater sowie in der Kunst- und Filmbranche tätig. Er sieht sich als Brückenbauer in der Gesellschaft mit dem Anliegen, soziale Ungerechtigkeit auszugleichen. Als Curiosity-Ambassador erforscht und vermittelt er an Universitäten und Konzernen weltweit die Benefits von Neugier in all ihren Facetten.
Einleitung
Als ich meine Arbeit bei einer Designerfirma kündigte, haben mich alle für verrückt erklärt. Dabei hatte ich nicht vor, in einem Nationalpark zu verschwinden, um mich dort im Herzen der Natur »selbst zu finden«. Auch ging es mir nicht um den Lebensstil eines digitalen Nomaden, der am Strand oder vor einer Bergkulisse arbeiten kann. Stattdessen gab ich mein bequemes Leben in San Francisco auf, um zwölf Monate lang unterwegs zu sein, im Auto zu schlafen, in Fitnessstudios zu duschen und auf meiner Reise Menschen zu treffen, denen ich als liberaler Amerikaner asiatischer Herkunft, als spiritueller queerer Dozent und Forscher aus Hawaii (puh, das war ganz schön viel auf einmal) normalerweise nie begegnen würde. Freunde warnten, dass ich mit Gewalt und verbalen Angriffen rechnen müsse, wenn ich meine Pläne in die Tat umsetzen würde – ein Freund sagte wortwörtlich, dass ich wahrscheinlich angeschossen werden würde. Mir ging es darum, dass ich nur wenige Konservative oder Trump-Wähler kannte, dass es abgesehen von Verwandten in meinem Leben nur wenige Menschen gab, die wesentlich älter oder jünger als ich waren, dass ich nie mit Leuten sprach, die in ländlichen Kleinstädten oder Reservaten lebten. Und ich hatte zwar oft in den Nachrichten von Menschen gelesen, die auf dem Land oder in Fabriken arbeiteten, aber noch nie mit jemandem engeren Kontakt gehabt, der sich so seinen Lebensunterhalt verdiente.
Statt ziellos durch die Gegend zu fahren, beschloss ich, mich vorzubereiten und eine Route festzulegen. Ich peilte eine Kleinstadt in Alabama an, ein Indigenenreservat in Minnesota, ein Retreatzentrum in dem Nonnen und Millennials zusammenlebten, und einige Kleinunternehmen in Arkansas. Ich hatte mir sogar überlegt, dass ich gern in feindliches Gebiet vorstoßen wollte: Ich plante, an einem Treffen von Republikanern sowie einer Trump-Kundgebung teilzunehmen und das Gespräch mit Glaubensgemeinschaften zu suchen, unter anderem mit einem der berühmtesten christlichen Geistlichen des Landes.
Wenn sie von meinen Reiseplänen hörten, warfen Freunde und Verwandte einen Blick auf meine vorläufige Route und starrten mich an. Sie stellten mir alle die gleiche Frage: Warum willst du dir das antun? Manche waren weiterhin konkret um meine körperliche Sicherheit besorgt, andere befürchteten eher, dass so ein Besuch bei denen auf »der anderen Seite« solchen Leuten »wie uns« in anderer Weise Schaden zufügen würde. Mit »wie uns« meinten sie junge, fortschrittlich denkende People of Color und ähnliche Gruppen.
»Solche Typen hassen uns einfach«, sagte ein Freund von mir. Er riet mir, zu meinem Schutz auf jeden Fall Pfefferspray und ein Messer mitzunehmen.
Merkwürdigerweise war es gerade all dieser Hass, der mich dazu bewegte, meinen zehn Jahre alten Prius (ja, ja, schon klar, ich bin ein Klischeekalifornier) bis unters Dach vollzupacken und 2019 einen Roadtrip quer durchs Land zu unternehmen. Ich wollte nicht mehr die ganze Zeit so wütend sein und ständig Angst haben. Mein Motto im Leben war immer »Lass dich von Liebe leiten«, und hier hatte ich nun Gelegenheit dazu, mich dem Hass entgegenzustellen, der selbst die Luft zu verpesten schien, die wir einatmeten. Schließlich lebten wir in einer Kultur der Polarisierung und Spaltung, in der es immer »wir gegen sie« hieß, was zu Entfremdung und Einsamkeit führte. Unter alldem Druck begannen Beziehungen, begann das ganze Sozialgefüge um uns herum zu bröckeln.
Leider kommt mir das heute noch immer so vor: Nachbarinnen und Nachbarn geraten bei Versammlungen im Rathaus aneinander, bei öffentlichen Schulkonferenzen kommt es zu Grabenkämpfen unter den Eltern, und junge Leute rufen älteren abschätzig »Okay, Boomer!« zu. In einer Stadt kam es zu einem Tumult, als sich bei einem Gottesdienst eins der Gemeindemitglieder als schwul outete, in einer anderen wurden eine Kirche und eine Moschee von Brandstiftern angesteckt. Auf den Straßen der Städte und selbst auf den Campus von Universitäten nimmt von Jahr zu Jahr die identitätsbasierte Gewalt zu.
Das Ergebnis dieser Entwicklungen sind nicht nur Uneinigkeit und tiefe Traurigkeit auf kollektiver Ebene – sie betrifft uns auch alle ganz persönlich. Giftige Luft kann man eben nicht einatmen, ohne dass Lunge und Herz darunter leiden. Freundschaften und Ehen gehen in die Brüche, auf Familienfesten ist die Stimmung angespannt, und eine Studie neueren Datums ist zu dem Ergebnis gekommen, dass in den USA eine von zehn Personen nicht einen einzigen Menschen als enge Freundin oder engen Freund bezeichnen würde1. In diesem Land sind wir nicht dazu bereit, uns gegenseitig die Rücksicht und das Mitgefühl entgegenzubringen, die uns enger zusammenrücken lassen und Fortschritt mit sich bringen. Allerdings betreffen diese Probleme nicht nur die USA – sie sind weltweit anzutreffen.
Ich muss zugeben, dass meine Reise auch durch persönliche Interessen motiviert war. Vor dieser Tour hatte ich in Berkeley am Greater Good Science Center der University of California dazu geforscht, wie man sein Leben zum Positiven hin verändern kann. Dort hatte ich auf Studien basierende Strategien zusammengetragen, durch die trotz aller Differenzen menschliche Beziehungen gestärkt werden können. Dieser Roadtrip war für mich die perfekte Gelegenheit, um meine Forschungsergebnisse in der Praxis zu testen. Ich persönlich hatte nämlich weiterhin Schwierigkeiten damit, Kontakt zu Menschen herzustellen, die ganz anders waren als ich selbst – wodurch ich oft in Debatten geriet, die sich im Kreis drehten, oder Leute mit abweichenden Ansichten in den sozialen Medien blockierte. Ich konnte selbst erkennen, dass ich nicht mehr so ein scharfsinniger, kritischer Denker war wie früher, dass ich mechanisch die immer gleichen Fragen stellte statt interessantere und in die Tiefe gehende.
Zwar erfüllte es mich mit Angst, diese Reise anzutreten, doch da gab es noch ein weitaus stärkeres Gefühl. Es trieb mich nicht nur an, sondern stellte mich auch vor die Herausforderung, die bestmögliche Version meiner selbst zu werden. Es half mir dabei, neue Beziehungen aufzubauen, alte zu stärken und glücklicher und zufriedener zu leben. Mein Dasein war dadurch mit mehr Sinn erfüllt, ich fühlte mich kreativer und sah für meine Zukunft neue Chancen statt der früheren Verzweiflung.
Unterwegs bemerkte ich, dass der besondere Ansatz, der mir bei meiner Reise weiterhalf, auch das Leben der vielen Menschen beeinflusste, denen ich begegnete. Er gab der Kleinunternehmerin Consuelo aus Arkansas die nötigen Erkenntnisse und die finanzielle Sicherheit, um eine von Missbrauch geprägte Beziehung zu beenden. Durch ihn begannen Glenn und Sheila, die in entgegengesetzten politischen Lagern für die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe gekämpft hatten, sich gemeinsam für ein besseres Verständnis dieses brandheißen Themas einzusetzen. Er brachte eine Gruppe von jungen und älteren spirituellen Suchenden auf dem Pfad der Freundschaft zusammen.
Was all diese neu entstandene Verbundenheit und Nähe und Wandlung ermöglichte, war etwas ganz Besonderes, aber auch zutiefst Menschliches. Etwas, was wir von Geburt an alle in uns tragen. Ich denke, wenn wir lernen können, es zielgerichteter für unsere Bedürfnisse zu nutzen, wird es unser Leben verbessern und womöglich die Welt verändern:
Neugier.
Zu Suchenden werden
Zunächst würde ich gern klarstellen, dass es in diesem Buch nicht um meinem Roadtrip geht, obwohl dieses lebensverändernde Jahr hier des Öfteren auftauchen wird. Aber die Geschichte, die ich hier erzählen will, ist viel größer als meine eigene. Sie handelt von uns allen, die wir uns isoliert fühlen, leiden oder kein Ziel im Leben haben. Wir streiten uns mit unserer Familie über Politik, versuchen, unserem Dasein durch Arbeit Sinn zu verleihen, oder sehnen uns nach Freundschaft und Gemeinschaft. All dies gehört zu einem Phänomen, das ich als »Ära der Neugierlosigkeit« bezeichne. Es handelt sich um ein Zeitalter, in dem die breite Öffentlichkeit es aufgegeben hat, sich mit schwierigen Themen auseinanderzusetzen, auf gegenseitiges Verständnis hinzuarbeiten und den Beziehungen – zu sich selbst und zu anderen – großen Wert beizumessen. Wir hören heutzutage nur noch selten richtig zu. Wir »canceln« Leute lieber und grenzen sie aus, statt sie, wie Loretta Ross es ausdrückt, mit einzubeziehen. Damit meine ich, dass wir Menschen, mit denen wir nicht einer Meinung sind, lieber entmenschlichen, bloßstellen und verurteilen, als auf eine produktive und gesunde Konfliktlösung mit ihnen hinzuarbeiten. Aus diesem Grund brechen bei Familientreffen Konflikte aus, wenn Politik zur Sprache kommt, und Meetings bei der Arbeit sind durch Spannungen und hierarchische Strukturen geprägt statt durch Kompromisse und Lösungen.
Die Ära der Neugierlosigkeit kann uns buchstäblich umbringen. Längsschnittuntersuchungen haben gezeigt, dass sich wenig Neugier negativ auf unsere Lebenszeit auswirken kann.2 Sie führt zu Ausgrenzung und Einsamkeit – was der Leiter des öffentlichen Gesundheitsdienstes der USA, Vivek Murthy, mal als »Epidemie« bezeichnet hat, weil es so viele Menschen betrifft. Ein Mangel an Neugier trägt auch zu politischer Polarisierung und...
Erscheint lt. Verlag | 26.6.2024 |
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Übersetzer | Sonja Hagemann |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | Seek. How Curiosity Can Transform Your Life and Change The World |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Psychologie |
Schlagworte | 2024 • Beziehungen • Curiosity • der osten eine erfindung des westens • Dirk Oschmann • eBooks • Einsamkeit • Grenzen überwinden • Innovationsforschung • Interaktion • joachim gauck erschütterungen • kindliche Neugier • Konfliktbewältigung • Konflikte lösen • Konfliktmanagement • Kreativität • Motivation • Mut • Neuerscheinung • Offenheit • Perspektivenwechsel • Positives Denken • Psychologie • Toleranz • Transformation • unvoreingenommen • Verbindung • Verbundenheit • Vorurteile • Wertschätzung • Yuval Noah Harari • Ziele erreichen |
ISBN-10 | 3-641-30246-3 / 3641302463 |
ISBN-13 | 978-3-641-30246-7 / 9783641302467 |
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