The Missing Manual (eBook)

Das Handbuch der besonderen, aber weniger bekannten psychotherapeutischen Interventionen

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
352 Seiten
Schattauer (Verlag)
978-3-608-12280-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

The Missing Manual -  Dieter Adler
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Unentdeckte Schätze der psychotherapeutischen Praxis Einzigartig als 'Lehrbuch': Lebendige Praxis statt graue Theorie Nehmen Sie die Abkürzung: Wie man seine psychotherapeutische Identität schneller findet Das Buch, besonders geeignet für angehende Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, steckt voller Erfahrungen. Adler, langjähriger Psychoanalytiker, Lehrtherapeut und Supervisor, befasst sich mit Fragen, die Sie in der Ausbildung und im Therapiealltag wirklich beschäftigen. Fragen nach dem Umgang mit bestimmten (Ausnahme-)Situationen sind die am häufigsten gestellten. Erfahren Sie zum Beispiel, wie man sich mit Hochgeschwindigkeit entschleunigt, die Zweimeinungsmethode anwendet oder mit Halbwahrheiten in der Therapie umgeht. Entdecken Sie auch, wie ein gesundes Maß an Egoismus im therapeutischen Kontext hilfreich sein kann. Es gibt mehr als das, was Therapeutinnen und Therapeuten in ihrer Ausbildung lernen. Das Buch schließt eine Lücke, die herkömmliche theorielastige Lehrbücher offen lassen.

Dieter Adler ist Diplom-Sozialarbeiter und Diplom-Psychologe. Er hat eine Ausbildung zum Psychoanalytiker bei der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung (DPV) absolviert, ist Mitglied der DPV und der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung (IPA). Er hat Zusatzausbildungen in Systemischer Familientherapie, katathym-imaginativer Psychotherapie, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie, Gruppenanalyse und Gruppenpsychotherapie sowie in intensiver psychodynamischer Kurzzeittherapie (IS-TDP). Seit 30 Jahren ist er in eigener Praxis als Psychotherapeut, Psychoanalytiker, Gruppenanalytiker, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut mit Approbation und Kassenzulassung tätig.  Er ist Lehrtherapeut und Supervisor in der Ausbildung von Psychotherapeut:innen. Zudem berät er Kolleg:innen bei der Gründung, Führung und Optimierung ihrer Praxis. Ferner leitet er Fortbildungsveranstaltungen, Workshops, Symposien und Kongresse. Er ist Gutachter der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Beihilfe im Richtlinienverfahren. Dieter Adler ist Gründer und erster Vorsitzender des Deutschen Psychotherapeuten Netzwerks in Bonn.  Adler ist außerdem Filmemacher, produzierte diverse Dokumentarfilme und einen (kleinen) Spielfilm. 

Dieter Adler ist Diplom-Sozialarbeiter und Diplom-Psychologe. Er hat eine Ausbildung zum Psychoanalytiker bei der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung (DPV) absolviert, ist Mitglied der DPV und der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung (IPA). Er hat Zusatzausbildungen in Systemischer Familientherapie, katathym-imaginativer Psychotherapie, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie, Gruppenanalyse und Gruppenpsychotherapie sowie in intensiver psychodynamischer Kurzzeittherapie (IS-TDP). Seit 30 Jahren ist er in eigener Praxis als Psychotherapeut, Psychoanalytiker, Gruppenanalytiker, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut mit Approbation und Kassenzulassung tätig.  Er ist Lehrtherapeut und Supervisor in der Ausbildung von Psychotherapeut:innen. Zudem berät er Kolleg:innen bei der Gründung, Führung und Optimierung ihrer Praxis. Ferner leitet er Fortbildungsveranstaltungen, Workshops, Symposien und Kongresse. Er ist Gutachter der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Beihilfe im Richtlinienverfahren. Dieter Adler ist Gründer und erster Vorsitzender des Deutschen Psychotherapeuten Netzwerks in Bonn.  Adler ist außerdem Filmemacher, produzierte diverse Dokumentarfilme und einen (kleinen) Spielfilm. 

4 Psychotherapeutische Wirkfaktoren


4.1 Allgemeine Wirkfaktoren


Auch wenn wir häufig die Erfahrung machen, dass Therapien nicht in dem von uns erwarteten Umfang Erfolg bringen, so können wir doch zwei Dinge erreichen und diese dem Patienten mit auf den Weg geben:

  • Zum einen lernt der Patient »sprechen«: Er erlernt es, seine Befindlichkeiten, Gefühle, Aversionen, seine Abwehr sowie seinen Ärger und sonstige entweder ihm unbekannte oder schwer aushaltbare Dinge zu erspüren, in Worte zu fassen, sie dem Anderen mitzuteilen und mit ihm zu besprechen. Dabei lernt der Patient insbesondere, sich selbst und ebenso den Anderen als jeweils abgetrennte Einheit zu sehen und dies auch gegebenenfalls auszuhalten. Er lernt, die Effekte bei sich zu identifizieren und sie als Effekte sowohl des eigenen Innenlebens als auch der Reaktion auf die Handlungen des Anderen oder der Reaktion auf den Anderen an sich zu erkennen. Modernerweise nennen wir diesen Vorgang schlechthin »mentalisieren«.

  • In diesem Zusammenhang lernt der Patient auch, in Beziehungen zu leben, sich anzunähern oder Nähe und Distanz zu regulieren. Er erfährt dabei, wie es ist, im Kontakt mit dem Anderen sich selbst zu spüren, ohne mit dem Anderen zu verschmelzen oder sich real trennen zu müssen, wenn trennende Effekte (Dissonanzen) auftauchen.

Diese zwei Effekte treten nach meiner Erfahrung in jeder Psychotherapie auf, wenn sie eine gewisse Dauer hatte. Sie sind unabhängig vom Ziel, das wir oder der Patient sich selbst zu Beginn der Therapie gesetzt haben. Dennoch haben sie insgesamt mehr Wucht als »messbare« Erfolge, weil der Patient fortan in der Lage ist, zwischen sich und dem Anderen zu differenzieren und gleichzeitig seine Wünsche, aber auch seinen Ärger, seine Aversionen und so weiter äußern zu können. Ein wichtiger Punkt ist hier, über den Ärger reden zu können, weshalb es so wichtig ist, die sogenannte »negative Übertragung« gründlich durchzuarbeiten. Ziel ist es, trennende Aspekte und besonders auch vernichtende Impulse und Affekte kanalisieren zu lernen und gleichzeitig in Worte zu fassen, ohne dass sie in ihrem tieferen Ärger oder in ihrer tieferen Enttäuschung verbessert werden, gleichzeitig aber auch den vernichtenden Aspekt zu vermeiden – sodass zwei Menschen sowohl körperlich als auch seelisch und in ihrer Beziehung unbeschadet aus einer Auseinandersetzung herausgehen.

Weitere Wirkfaktoren, die ich einmal mit einer Kollegin entwickelt habe, sind:

  • Wir nehmen den Patienten so, wie er ist. (Vielleicht sogar als Erste im Laufe seines Lebens.) Andere Menschen reagieren in unterschiedlicher Form auf seine Symptome: entweder ablehnend – oder sie unterstützen ihn in seiner Haltung.

  • Wir glauben an seine Entwicklungsmöglichkeiten und strahlen dies aus.

  • Wir zeigen, dass wir bereit sind, mit ihm den langen, beschwerlichen Weg zu gehen.

Ein Kollege hat einmal folgende Faktoren genannt, die im Idealfall nach einer Therapiesitzung auftreten sollten:

  1. Der Patient fühlt sich nach der Stunde deutlich besser und entspannt.

  2. Der Patient fühlt sich aufgeräumter, hat größere Klarheit.

Insgesamt glaube ich heute, nach vielen Jahren enthusiastischen Befürwortens der psychoanalytischen Technik des Aufdeckens und Durcharbeitens, dass die Arbeit in der Vergangenheit nicht direkt entscheidende Veränderungen bringt; wohl aber entscheidende Erkenntnisse, die wiederum zu Veränderungen führen können. Das bleibt unbestritten – sowohl für den Patienten als auch für den Psychoanalytiker: Ohne diese Arbeit hätten wir niemals so viel über die psychischen Mechanismen in unserem Inneren erfahren können. Ich denke aber, dass unsere Erfahrungsmöglichkeiten heute doch genügend und ausreichend sind. Nach meiner Erfahrung gibt es in jeder Therapie zwei Hauptphasen:

  1. die Ursachensuche – meist in der Vergangenheit,

  2. die Umsetzungsphase im Hier und Jetzt.

Während nahezu alle aufdeckenden Therapien die Ursprünge des fehlangepassten Verhaltens, Erlebens oder Verarbeitens in der ersten Phase entdecken, entlarven, enttarnen, erklären können, scheitert ein meiner Ansicht nach nicht unbeträchtlicher Teil der Therapien in der zweiten Phase. In der ersten werden die Mechanismen aufgedeckt; in der zweiten sollten sie aufgegeben und durch gesündere und realitätsnähere ersetzt werden. Früher wurde diese Phase als »Phase des Durcharbeitens« bezeichnet; allerdings zumeist in der Sichtweise, dass die neurotischen oder infantilen Mechanismen zu mächtig sind und sich nicht »kampflos ergeben« beziehungsweise eliminieren lassen.

Nach meiner Erfahrung ist es jedoch weniger die Macht der neurotischen oder infantilen Beharrlichkeit, die sich tief im Unbewussten gegen Veränderung wehrt beziehungsweise diese verweigert: Meist ist es die Angst des Patienten vor dem Neuen und Ungewissen. Deshalb ist mein Blick eher auf die Blockaden im Hier und Jetzt, also auf die Ängste in der jetzigen Zeit gerichtet – und auf die Vergangenheit nur da, wo sich keine Blockaden im Hier und Jetzt finden lassen oder wo diese mir zu schwach für eine derartige Reaktion erscheinen beziehungsweise wo ich andere, eben ältere Blockaden entdecken kann. Dennoch bleibt mein Blick auf das Hier und Jetzt geschärft. Die zentrale Frage, die ich zunächst mir und später dem Patienten stelle, ist: Wenn es Mechanismen aus der Vergangenheit sind, die damals notwendig waren oder gar das Überleben gesichert haben: Warum sind sie heute noch vorhanden?

Häufig beruhen diese Ängste nicht oder zumindest nicht ausschließlich auf mangelnder Erfahrung des Patienten mit gesunden Erfahrungen oder Umgebungen, sondern oft auch (zusätzlich) auf dem Fehlen von Eigenschaften und Fähigkeiten, die aufgrund der neurotischen Verzerrung nicht erlernt werden konnten oder durften. Hier freuen sich die Verhaltenstherapeuten, die damit ja nicht unrecht haben. Aus diesem Grund wende ich in Phase 2 oft Elemente aus der Verhaltenstherapie an, um den Patienten zu den angstbesetzten Erfahrungen zu ermutigen oder zu »verführen« beziehungsweise zu verleiten, mit der Zusicherung, dass er während der noch laufenden Therapie alle Misserfolge, alle Pein, Scham, Enttäuschung, Zurückweisung und Entmutigung mit mir besprechen kann.

Ein Beispiel: Ein unsicherer und gehemmter junger Mann hatte große Schuldgefühle sowohl seiner kranken Mutter als auch seinem Vater gegenüber, dem er viel zu verdanken hatte und den er dann mit dieser alleinlassen würde. Diese Konstellation machte nicht nur die Ablösung von diesen Mustern und die Positionierung den Eltern gegenüber extrem schwierig (zunächst sogar unmöglich), sondern verhinderte zudem, dass der junge Mann die altersentsprechenden Erfahrungen mit dem weiblichen Geschlecht machen konnte. Seine tief sitzenden Befürchtungen, er könnte »zielsicher« eine Frau suchen, die wie die eigene Mutter »gestrickt« war, und damit in die unbewusste Falle tappen, die schon seinem Vater zum Verhängnis geworden war, waren ihm bewusst. Und sie waren ja auch nicht unrealistisch. – Übrigens wurden sie ihm bewusst ohne mein Zutun.

Ich intervenierte aber anders, als dies weiter »durchzuarbeiten«, weil ich eine andere Hemmung erahnte und zu sehen begann: Er hatte keinerlei Erfahrung damit, wie er Kontakt zu Frauen aufnehmen konnte. Und er wusste nicht, wie er mit Misserfolgen in diesem Lebensbereich – also mit »Körben« – umgehen konnte. Ich deutete ihm an, dass seine Angst vermutlich nicht unberechtigt ist, aber dass wir bisher noch gar nichts über seine (unbewussten) Präferenzen wissen, sodass wir hier im Dunkeln tappen. Ich gab ihm folgende Aufgabe, die er leicht erfüllen können würde, weil er mittlerweile (weit genug weg von der Mutter) studierte: Er sollte bis zur nächsten Stunde vier Kommilitoninnen in der Cafeteria ansprechen und sie zu einer Verabredung auf einen Kaffee einladen. Und ich bestand auf vier Erfahrungen – egal, wie die ersten ausgehen würden. Er ließ sich darauf ein, machte mich sozusagen zum Hilfs-Ich und steuernden Objekt, weil ich somit die »Verantwortung hierfür trug«. (Bei Patienten, die damit humorvoll umgehen können, sage ich zur Ermutigung zusätzlich auch manchmal schmunzelnd: »Mehr als sterben können Sie nicht.«)2 Das Durchbrechen dieser Angst schien schon für Freud unabdingbar; nur tat dieser meines Wissens nicht das, was ich dem jungen Mann empfohlen hatte, sondern entließ die Patienten mit dieser Aufgabe, welcher sie sich dann selbst stellen mussten.

Der junge Mann machte folgende Erfahrungen: Die erste Kommilitonin lächelte, sagte aber, dass das nicht gehen würde, da sie einen Freund habe. Die zweite war in Eile, bedankte sich jedoch für das Angebot. Die dritte lehnte ohne Begründung, aber auch ohne Abwertung ab. Die vierte sagte zu seiner großen Überraschung zu! Er bekam von ihr die Telefonnummer, verlegte den Zettel aber, womit wir bei der eigentlichen Angst waren: Es war nicht die Angst vor Misserfolg, sondern die Angst vor Erfolg! (»Ich weiß nicht, was ich dann mit ihr hätte reden sollen …«) Damit war klar, was wir als Nächstes zu bearbeiten hätten und vor allem, welche Aufgabe ihm jetzt »blühte«. – Kurz zusammengefasst: Nach meiner Erfahrung ist die Arbeit mit diesen Ängsten im Hier und Jetzt, die häufig deshalb bestehen, weil sie in der dafür vorgesehenen Entwicklungsstufe nicht bewältigt werden konnten (hier in der Pubertät), das Kernstück unserer Arbeit, wenn wir unsere Patienten nicht bloß...

Erscheint lt. Verlag 20.4.2024
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften
Medizin / Pharmazie Medizinische Fachgebiete Psychiatrie / Psychotherapie
Schlagworte Behandlungsfehler Psychotherapie • Beziehung Therapeut Patient • Gruppentherapie • Interventionen Psychotherapie • Irvin Yalom • psychotherapeutische Interventionen • schwierige Therapiesituationen • Supervision • therapeutische Techniken • Therapieabbruch • Therapieverfahren • Therapieziele • Wirkfaktoren Psychotherapie
ISBN-10 3-608-12280-X / 360812280X
ISBN-13 978-3-608-12280-0 / 9783608122800
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