Tief verwurzelt glauben -  Gerrit Hohage

Tief verwurzelt glauben (eBook)

Wie man heute christlich denken kann
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
368 Seiten
SCM R.Brockhaus im SCM-Verlag
978-3-417-27109-6 (ISBN)
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Wie entsteht reifer Glaube? Nur dadurch, dass man die Schalen eines vermeintlichen Kinderglaubens abwirft? Sich von Vorstellungen, die heute nicht mehr plausibel scheinen, verabschiedet? Indem man nach einem Gottesbild fragt, das zu keinen biografischen Verletzungen führt und indem man neue Erkenntnisse umarmt, ohne die eigenen Einsichten absolut zu setzen? Gerrit Hohage fragt tiefer. Er legt die denkerischen Voraussetzungen frei, die zu vielen aktuellen Neudeutungen des Glaubens führen, und betont, wie elementar auch historische Tatsachen für den Glauben sind. Die stellvertretende Wirkung des Kreuzestods Jesu muss keineswegs aufgegeben werden, wenn man intellektuell redlich bleiben will. Hohages Buch ist ein wichtiger und klug durchgeführter Diskussionsbeitrag zu einer entscheidenden aktuellen Debatte.

Gerrit Hohage studierte evangelische Theologie in Bethel, Erlangen und Heidelberg und wurde dort 2005 zum Dr. theol. promoviert. Danach war er bis 2022 Pfarrer in der Ev. Bonhoeffergemeinde Hemsbach, seitdem ist er Pfarrer in der Ev. Kirchengemeinde Gundelfingen. Er ist verheiratet und hat drei Kinder.

Gerrit Hohage studierte evangelische Theologie in Bethel, Erlangen und Heidelberg und wurde dort 2005 zum Dr. theol. promoviert. Danach war er bis 2022 Pfarrer in der Ev. Bonhoeffergemeinde Hemsbach, seitdem ist er Pfarrer in der Ev. Kirchengemeinde Gundelfingen. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.

2 Glaubensgewissheit


2.1 Und es gibt IHN doch


Ich habe den christlichen Glauben nicht unbedingt mit der Muttermilch eingesogen. Ganz im Gegenteil: Meine Familie war kritisch gegenüber dem Christentum, der Kirche und allem Religiösen. Meine Mutter hatte sich in der Studienzeit vom Glauben abgewendet und in der väterlichen Familie spielte der Glaube keine Rolle. Ich teile mit Torsten Hebel, dem früheren Evangelisten und heutigen Leiter der Berliner Bildungseinrichtung Blu:Boks,7 die Erfahrung, ein Scheidungskind zu sein. Mein Stiefvater war geprägt von der atheistischen Philosophie von Karl Marx, Friedrich Engels und Wladimir Iljitsch Lenin. Der Glaube galt ihm als Opium fürs Volk. Es waren die 68er; die Luft war voll mit Politik und dem Willen, die Gesellschaft zu verändern. Das schloss die Religion mit ein und darüber wurde mit uns Kindern auch geredet. Meine Großmutter war tiefgläubig gewesen, war aber auf ausdrücklichen Wunsch meiner Mutter äußerst zurückhaltend mit dem, was sie uns über den christlichen Glauben erzählte. Aber ich sollte den evangelischen Religionsunterricht besuchen, damit ich informiert war. Nicht gerade rosige Umgebungsbedingungen. Warum also wurde ich Christ?

Ein kindliches Gebet


Natürlich habe ich als Kind mal dieses, mal jenes aufgeschnappt. Ich besuchte eine evangelische Grundschule, in der ich mitbekam, dass man dort an Gott glaubte. In einem Traum war ich mit anderen Menschen, die ich nicht kannte, in einem kleinen, aber prunkvoll mit Blattgold verzierten Raum, der etwas Heiliges ausstrahlte. Wir saßen auf gepolsterten Stühlen und irgendetwas wurde gesprochen, was mein Herz anrührte mit einer merkwürdigen, heiligen Empfindung, die ich nicht beschreiben konnte. Meine Eltern sahen sich merkwürdig an, als ich den Traum erzählte, denn beide wussten, dass ich von einem Gottesdienst geträumt hatte – obwohl ich noch nie in einem solchen Gottesdienst gewesen war. Als ich später erstmals einen Schulgottesdienst besuchte, fand ich das schon sehr interessant.

Als ich zwölf Jahre alt war, wollte ich wirklich wissen, ob es diesen Gott, an den meine Familie nicht glaubte, nun gibt oder nicht. Von meiner Großmutter wusste ich, wie beten geht. Ich hatte gerade zum ersten Mal selbstständig eine Bestellung bei einem Versandhaus aufgegeben, von meinem eigenen Taschengeld: einen Kassettenrekorder. Ich wartete schon seit Tagen sehnlichst darauf. Und im Schulbus kam mir plötzlich die Idee, das eine mit dem anderen zu verbinden. Ich faltete die Hände und betete: »Lieber Gott, wenn du machst, dass heute der Kassettenrekorder ankommt, dann glaube ich auch an dich.« Voller Spannung kam ich nach der Schule nach Hause, aber das Paket war nicht angekommen. »Der Fall ist erledigt«, sagte ich mir enttäuscht. Aber als ich am Abend im Bett lag, da dachte ich plötzlich: »Also, mal angenommen, ich wäre Gott, und so ein Schnösel hätte das zu mir gesagt, dann hätte ich das auch nicht gemacht.« Und ich wusste: Ich brauche einen zweiten Versuch. Ich betete dann: »Lieber Gott, zeig mir, ob es dich gibt.«

Und was soll ich sagen: Gott hat dieses Gebet erhört. Es sind viele Dinge in diesem Jahr geschehen. Mein Religionslehrer, der passenderweise Herr Engels hieß, wurde ein wahrer Engel für mich, wenn er die Geschichten von Jesus erzählte. Eine andere Quelle des Glaubens waren die Bücher von Karl May. Ich staunte, wie Old Shatterhand die atheistischen Spötteleien von Old Wabble in den »Old Surehand«-Bänden konterte, die ich fast wortgleich zu Hause zu hören bekam. Oder wie der greise Klekhi-Petra in »Winnetou I« seine Bekehrungsgeschichte erzählte – das waren für mich förmlich Offenbarungen. In den alten Don-Camillo-Filmen mit Fernandel sah ich, wie der schrullig-coole Dorfpfarrer mit Jesus redete. Ich spürte tief in mir, dass das mehr als nur Theater war. Darin drückte sich aus, wie eine persönliche Beziehung mit Jesus ist. An einem Nachmittag, an dem ich allein zu Hause in der Küche war, dachte ich über das Böse nach. Wir hatten die Geschichte von der Versuchung Jesu in der Schule durchgenommen, und ich formulierte aus einem inneren Impuls heraus eine förmliche Absage an den Teufel, die ich später mehr oder weniger identisch in der hochlutherischen Taufliturgie wiederfand. Während dieser Absage begannen plötzlich Deckel von den Töpfen zu fallen und es grummelte und ächzte im ganzen Haus. Ich bekam Angst und lief in mein Zimmer, wo ich das Vaterunser betete, das ich kurz vorher im Religionsunterricht gelernt hatte. Ich barg mich bei Gott und bekam Frieden, und mir war klar, dass hier gerade etwas höchst Reales vor sich gegangen war.

Kurze Zeit später fand ich ein Traktat im Briefkasten. Es war ein Faltblatt der Missionsbewegung Campus für Christus. Darin wurde in vier Punkten erklärt, um was es im christlichen Glauben geht, und das war tatsächlich genau, was ich in dem Moment wissen wollte: (1) dass Gott uns geschaffen hat und uns unendlich liebt, (2) dass wir von uns selbst aus aber nicht zu Gott kommen können, weil wir durch die Sünde von ihm getrennt sind, (3) dass deshalb Gott in Jesus Christus zu uns kam, der am Kreuz für uns starb, um uns mit dem Vater im Himmel zu versöhnen, und (4) dass er von den Toten auferstanden ist, dass wir mit ihm reden und ihn in unser Leben einladen können. Ein Gebet für die Lebensübergabe war als Beispiel dabei. Ich habe nicht lange nachgedacht: Unverzüglich ging ich in mein Zimmer, schloss die Tür hinter mir zu und übergab mein Leben Jesus. Ich weiß nicht, welche Hand, geleitet durch den Heiligen Geist, an diesem Tag dieses Traktat in unseren Briefkasten in dem kleinen Ort Niederbachem beförderte. Gesegnet sei diese Hand! Ohne sie wäre ich nicht der, der ich bin. Und ich würde wahrscheinlich heute nicht dieses Buch schreiben. Wir wissen nicht, was geschieht, wenn wir unseren Glauben weitergeben wie ein Samenkorn, das wir auf Gottes Lebensacker hinauswerfen und aus dem Auge verlieren. Manchmal scheint es so, als wäre alles vergebens, als würde dadurch gar nichts passieren. Aber Gott spricht: »Mein Wort, das aus meinem Mund hervorgeht, […] wird nicht leer zu mir zurückkehren, sondern es bewirkt, was mir gefällt, und führt aus, wozu ich es gesandt habe« (Jes 55,11; ELB).

Von diesem Moment an hatte ich einen Gott, zu dem ich gehörte. Zu ihm betete ich jeden Abend mein Nachtgebet, das hatte ich mal von meiner Großmutter aufgeschnappt. Und alle diese Dinge vollzogen sich, ohne dass ein anderer Mensch davon irgendetwas mitbekam. Nur zwei wussten das: Gott und ich. Vier Jahre lebte ich so, ohne mit einer Menschenseele über den Glauben zu sprechen.

Zeit der Entscheidung


Dann, inmitten eines familiären und persönlichen Krisenjahres, lernte ich eine Nachhilfelehrerin kennen: eine Christin aus der evangelischen Stadtmission Konstanz, die mir Englisch beibrachte und mich ganz beiläufig auf den Glauben ansprach. Mit ihr führte ich mein erstes persönliches Gespräch über den Glauben – ich zitterte am ganzen Körper wie Espenlaub vor Aufregung. Ihr erzählte ich, dass mein Leben seit vier Jahren Jesus gehörte und dass niemand bisher davon wusste. Und ich war völlig fasziniert, dass sie verstand, wovon ich redete, weil ihr Leben auch Jesus gehörte. Sie lud mich in den Jugendkreis der Gemeinde ein. Und was in den Tagen danach geschah, war nichts anderes als eine Schlacht um meine Seele. Denn es gab genau zur gleichen Zeit noch ganz andere verlockende Einladungen, die mich vor eine Entscheidung stellten. Es schien, als wolle mich der Böse, dem ich abgesagt hatte, nicht kampflos ziehen lassen. Mein Leben hätte in diesen Tagen auch eine ganz andere Wendung nehmen können, an deren Ende ich als Drogenabhängiger auf der Straße gelandet wäre. Es waren Wege, die Gott zerschlug, im wahrsten Sinne des Wortes. Und so kam ich am Ende dieser Tage doch in der Gemeinschaft der Glaubenden an – innerlich zerzaust und zerknittert, aber mit einem tiefen Wissen, dass dies der Ort war, an den ich gehörte.

In der Gemeinde wurde mir rasch bewusst, dass ich nicht getauft war – meine Eltern hatten das bei meiner Geburt unterlassen, weil sie fanden, dass ich einmal selbst darüber entscheiden sollte. Und jetzt entschied ich mich, mit Gott ganze Sache zu machen. Ich war 17, als ich zum Taufstein schritt und auf die Tauffrage »Willst du Jesus Christus nachfolgen und ein lebendiges Glied seiner Gemeinde sein?« aus vollem Herzen öffentlich vor der Gemeinde »Ja!« sagen konnte.

Gemäß der lutherischen Theologie ist die Taufe mehr als nur Wasser. Sie ist ein Sakrament, d. h. ein wirkmächtiges Zeichen, das gibt, was es sagt. Durch Taufe und Glauben übereignet Gott dem verlorenen Menschen das Heil, das Christus am Kreuz erworben hat, und verleiht ihm den Heiligen Geist. Ich glaube fest daran, denn ich kann anders nicht erklären, was in dem folgenden Jahr geschah: Ich erlebte ein explosionsartiges Wachstum meines Glaubens. Ich war bei Gott nicht mehr nur gern gesehener Gast, sondern jetzt war ich Kind – Kind Gottes. Das Alte war vergangen, Neues war geworden (vgl. 2Kor 5,17).

Wachstum des Glaubens


Dieses Wachstum hatte auch viel mit meiner Bibellese-Urerfahrung zu tun. Damals beschäftigte der NATO-Doppelbeschluss unsere Generation. Ich war auf einigen Demonstrationen der Friedensbewegung gewesen. Mir machte die Perspektive eines Atomkrieges entsetzliche Angst. Ich erwartete wirklich den Dritten Weltkrieg, schrieb viele bekümmerte Gedanken auf, wie die Menschheit zu retten sein könnte, und dann dachte ich plötzlich: »Du hast noch nie gefragt, was Gott dazu sagt. Sagt Gott etwas über den bevorstehenden Weltuntergang?« Der Gedanke packte mich. Ich nahm die Bibel zur Hand, die ich...

Erscheint lt. Verlag 28.3.2024
Verlagsort Witten
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Religion / Theologie Christentum
Schlagworte Anfechtung • Apologetik • Glaubenskrise • Gotteserkenntnis • Hermeneutik • Historie • Philosophie • Postmoderne • Schriftverständnis
ISBN-10 3-417-27109-6 / 3417271096
ISBN-13 978-3-417-27109-6 / 9783417271096
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