Wie soll ich es nur sagen? Diese Frage stellt sich jeder Mensch häufig in seinem Leben. Personen, die beruflich schlechte Nachrichten überbringen müssen, stellen sie sich täglich. Auch Prof. Dr. Jalid Sehouli zählt zu ihnen. Als Leiter der gynäkologischen Klinik an der Berliner Charité trifft er täglich auf Menschen, deren Leben er nachhaltig verändert. Um diese Aufgabe leichter und erträglicher zu machen, leitet er in diesem Buch durch jedes Detail von Gesprächen, die Leben verändern und beeinflussen. Überbringer der Nachrichten, Betroffene aber auch Angehörige können sich mit diesem Buch einen sicheren Weg erarbeiten, wie schlechte Nachrichten empathisch und angemessen überbracht, aber auch verarbeitet werden können.
In der aktualisierten Neuauflage werden Beispiele und die behandelten Themen so erweitert, dass nicht nur Ärzt*innen, sondern auch weitere Berufsgruppen angesprochen werden. Neue Kapitel wie die Kommunikation schlechter Nachrichten an Kinder und die gesonderte Betrachtung von Problemen beim Überbringen der Nachrichten im Allgemeinen erweitern das Potenzial dieses Buches als Standardwerk.
Einfühlsam und leicht zugänglich erklärt Jalid Sehouli die Bedeutung der Kunst, schlechte Nachrichten gut zu überbringen.
Prof. Dr. Jalid Sehouli ist Arzt und zählt als Leiter der gynäkologischen Klinik der Charité zum Kreis der weltweit führenden Top-Krebsspezialisten. In seinem Alltag als Onkologe, dicht an den Menschen, erlebt er Situationen und Begegnungen, in denen die Art der Gesprächsführung eine existenzielle Bedeutung hat. Er nimmt die Verantwortung dafür bewusst an und teilt seine Erfahrung und sein Wissen aus Überzeugung.
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Menschen schlechte Nachrichten zu übermitteln, ohne diese in ein tiefes Loch zu stürzen – das ist die wahre ärztliche Kunst. Auch in einer nach Lage der Dinge wohl »hoffnungslosen« Situation kann man positive Aspekte für den weiteren Verlauf der Therapie oder des Lebens der Patient:innen finden und diese kommunizieren, ohne die Unwahrheit zu sagen. Wenn das Gespräch gut verlaufen ist, fühlen sich die Patient:innen adäquat informiert, unterstützt und versorgt. Das kann für beide Seiten – Ärztin / Arzt und Patient:innen – eine sehr befriedigende, positive Erfahrung sein. Für Patient:innen mit lebensbedrohlicher Krankheit ist die offene und empathische ärztliche Kommunikation eine der wichtigsten Hilfen in der Auseinandersetzung mit der Krankheit. Und diese existenzielle Erfahrung lässt sich auch auf andere Lebensbereiche unserer Gesellschaft übertragen. Es geht um die Wertschätzung und den Beistand, ohne eine Hilfe aufzuzwingen.
Und woher weiß man, ob das Gespräch gut war? Das ist schwer zu beantworten, man kann ja nicht direkt nach dem Gespräch fragen: »Und, wie war ich?« Achten Sie aber auf die Gestiken ihres Gegenübers, auf die Stimmung, das Gefühl von Verständnis, Empathie und Vertrauen. Ich denke, ein gutes Gespräch ist es dann gewesen, wenn beide, der Überbringer und der Empfänger, grundsätzlich ein erneutes Gespräch miteinander wünschen.
Schlechte Nachrichten werden überbracht, seit Menschen miteinander kommunizieren. Selbst auf Höhlenzeichnungen wird davon berichtet, dass z.B. ein bestimmter Platz nicht sicher ist oder dass sich an diesem Ort eine Katastrophe ereignet hat. Häufig wurden Symbole und Malereien, aber auch mystische Geschichten als Instrumente indirekter Kommunikation von schlechten Nachrichten verwendet. Aus der griechischen Mythologie kennen wir die Geschichte von Apollon, dem Gott des Lichts. Er soll über die Nachricht, dass seine Geliebte Koronis den Konkurrenten Ischys heiratete, so erzürnt gewesen sein, dass er den ursprünglich weiß gefiederten Raben, der ihm diese Nachricht überbrachte, für alle Zeiten schwarz färbte. Fortan konnte der Rabe auch nicht mehr singen, sondern nur noch krächzen. Der Überbringer der schlechten Nachricht wurde meist bestraft und verdammt.
Auch das Alte Testament, die Grundlage der drei abrahamitischen Religionen Judentum, Christentum und Islam, weiß eine düstere Geschichte vom Überbringen schlechter Nachrichten zu erzählen: Wir finden sie im Buch Hiob, in dem Gott seinen treuesten Diener mit immer schlimmeren Verlusten und Leiden belegt und so dessen Gottesbeziehung auf schwerste Proben stellt. Die sprichwörtliche Hiobsbotschaft leitet sich von dieser biblischen Erzählung ab und steht heute sinnbildlich für katastrophale Nachrichten, die wir als ungerecht empfinden oder die uns aus heiterem Himmel treffen. Diese Geschichte zeigt aber auch, dass dem Menschen verschiedene Ressourcen bei der Bewältigung schlechter und sogar katastrophaler Nachrichten helfen können. Etwa die Gespräche Hiobs mit seinen Freunden. Oder auch sein fester Glaube, vielleicht würden wir heute eher sagen: seine Spiritualität, seine Resilienz und auch die Achtsamkeit.
Trotz der vielen historischen Zeugnisse darüber, dass die Übermittlung von schlechten Nachrichten schon immer das Leben der Menschen begleitete und prägte, verwundert es doch irgendwie, dass so wenig über den Umgang mit dieser Tatsache bekannt ist und dass darüber nur sehr wenige Erfahrungen mitgeteilt wurden. Das Thema ist wohl emotional zu schwer angesehen, zu sehr tabuisiert, als dass es den intimen Raum des Einzelnen verlassen konnte. Darüber zu sprechen und zu schreiben, um die Geschichten festzuhalten, um mit sich und anderen in Dialog zu kommen, scheinen mir die besten Mittel für eine notwendige Enttabuisierung des Themas »Schlechte Nachrichten« zu sein. Sie werden in diesem Buch deshalb auch nicht nur analytische und wissenschaftlich fundierte Ausführungen finden, sondern das, was für mich unser Leben ausmacht, was mich auch dazu gebracht hat, dieses Buch überhaupt zu schreiben: wahre Geschichten, die ich erlebt habe; die mir erzählt wurden; die meist besser als trockene Statistiken, Tabellen oder Studien einen Eindruck davon vermitteln, wo die Herausforderungen, aber auch Chancen für Menschen liegen, die eine schlechte Nachricht zu überbringen haben oder aber diese existenzielle Botschaften erhalten haben oder vielleicht noch erhalten. So kann dieses Buch auch als eine Sammlung verschiedener menschlicher Begegnungen und Schicksale betrachtet werden, denn dieser Erfahrungsaustausch hat mir persönlich am meisten in meiner täglichen Arbeit geholfen.
Mit diesem Buch möchte ich als Mensch, Arzt, Wissenschaftler und Lehrer mit Ihnen in Dialog treten und dieses sensible Thema der Überbringung von schlechten Nachrichten aus verschiedenen Perspektiven beleuchten. Lassen Sie sich auf diesen Rundgang ein und erwecken Sie Ihre eigenen, vielleicht fast vergessenen Geschichten aus Ihrem Leben.
Lassen Sie uns sprechen!
Ich konzentriere mich im Folgenden vor allem auf die Medizin, mit der ich seit fast fünf Jahrzehnten lebe – als Patient, dann als junger Krankenpflegeschüler, dann als Medizinstudent und heute als Direktor der Frauenklinik mit dem Schwerpunkt Krebserkrankungen der Frau. Auch wenn wir uns viel in der Medizin bewegen werden, berühren wir viele andere Bereiche unserer Gesellschaft, denn das Gesundheitswesen ist an sich das Spiegelbild der gesamten Gesellschaft.
Während des Schreibens dieses Buches wurde mir immer klarer, dass die Grundprinzipien und die Konflikte letztendlich in allen Lebensbereichen ähnlich sind, natürlich mit unterschiedlichen emotionalen und existenziellen Niveaus. Aber lassen wir uns die Codes des Gelingens und des Scheiterns in diesen Situationen identifizieren.
Manchmal ist es leichter, sich diesem Thema zu nähern und sein eigenes Verhalten über die Bande einer anderen Geschichte aus einem anderen Bereich zu beleuchten.
So haben wir beispielsweise vor einigen Jahren in Berlin ein Seminar zum Thema Überbringung von schlechten Nachrichten mit sechs Kommissaren und sechs Ärzten durchgeführt. Die Idee hierzu kam mir, als ich damals die erste Ausgabe dieses Buches schrieb und die Geschichte des Polizisten aus Hamburg fertigstellte und mir auffiel, dass beide Bereiche sich sehr schwer tun, dieses Thema nachhaltig zu bearbeiten.
Ich freute mich sehr, als ich einige Monate später von der Berliner Polizeipräsidentin eine Einladung zum Gespräch erhielt.
So organisierten wir in Berlin einen zweitägigen Workshop, diskutierten mit den Kommissaren und Ärzten verschiedene typische existenzielle Situationen aus dem Polizeiwesen und der Medizin. Mit zwei hervorragenden Simulationspatienten wurden realitätsnah verschiedene Situationen, wie plötzlicher Kindstod des Enkels bei den Großeltern, der tödliche Verkehrsunfall, die Diagnose Brustkrebs, und eine Patientin mit Eierstockkrebs ohne weitere Therapieoptionen, nachgestellt. Über den Blick aus der Medizin in die Welt der Polizei und den Blick aus der Polizeiarbeit in die Medizin entstanden wunderbare Diskussionen. Dieser interprofessionelle Ansatz schien auch die Reflexion in die jeweils eigene Berufswelt erheblich zu erleichtern, da es bekanntermaßen manchmal einfacher ist, erst einmal über andere zu sprechen als über sich selbst.
Gute Kommunikation kann aber ohne Seltbstreflexion nicht wirklich gelingen!
Wir waren alle überrascht: Die Regeln für die Übermittlung von schlechten Nachrichten waren grundsätzlich dieselben, aber es gab auch einige Unterschiede. Grundsätzlich geht es immer um eine wertschätzende und ehrliche Kommunikation und dem Angebot, praktische Hilfe anzubieten, die nicht unbedingt auf den Schultern des Überbringers der schlechten Nachricht liegen muss.
Mir persönlich fiel aber das unterschiedliche Tempo der Informationsübermittlung auf. Ärztinnen und Ärzte versuchen im Allgemeinen einen großen Bogen zur jetzigen Situation zu schlagen, die Patient:innen oder Angehörigen abzuholen, sie vorsichtig auf die eigentliche schlechte Nachricht vorzubereiten. Dabei nutzen sie häufig eher eine indirekte als direkte Kommunikation. Polizist:innen scheinen eher die Botschaft im Fokus zu sehen, sie sprechen die schlechte Nachricht, aus der ärztlichen Sicht, sehr schnell aus.
Für die Polizist:innen war das Tempo der Gesprächsübermittlung der Ärztinnen und Ärzte kaum auszuhalten, genauso war für die Medizinier:innen das Tempo der Polizist:innen viel zu schnell. Ich erinnere mich gut an die verdutzten und geschockten Gesichter der Ärztinnen und Ärzte, als ein Kommissar den Eltern, die gerade an ihrem Hochzeitstag aus dem Theater kamen, mitteilen musste, dass ihr 4-jähriger Sohn Michael im Bett der Großeltern tot aufgefunden wurde.
Was mir sehr gut gefallen hat war, dass Polizist:innen grundsätzlich zu zweit eine schlechte Nachricht, wie eine Todesnachricht, übermitteln, Ärztinnen / Ärzte gehen meist alleine in ein derartiges Gespräch. Ich denke, dass es auch für Ärztinnen / Ärzte sehr gut wäre, als Team diese schwierige Situation zu begehen. Jeder kann von jedem lernen!
Das Feedback der Teilnehmerinnen und Teilnehmer unseres Kurses war durchweg sehr gut, das Kernstück unseres Kurses waren Situationen aus dem beruflichen Alltag von Polizist:innen und Ärztinnen und Ärzten. Die Situationen wurden von großartigen Schauspielern simuliert. Wir kamen sehr nahe an die reale Situation heran. Anschließend diskutierten wir systematisch die einzelnen Situationen.
Der Blick auf die andere Berufsgruppe verbessert das gegenseitige Verständnis, es...
Erscheint lt. Verlag | 15.5.2024 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Psychologie |
Schlagworte | 2024 • achtsame Kommunikation • Angehörigenhilfe • Angehörige von Schwerkranken • Arzt • Arzt des Vertrauens • Ärzte • Arzt-Patienten-Kommunikation • Begegnungen • besser kommunizieren • bewusste Kommunikation • Charité • eBooks • empathische Kommunikation • Feuerwehr • Gesundheit • Kommunikation • Kommunikation & Menschenkenntnis • Krankenhaus • Krankenpflege • Krankenschwester • Krankheit • Medizin • Medizin studieren • Nachrichten • Neuerscheinung • Pflegekräfte • Polizei • Psychologie • Sanitäter • schlechte Nachrichten • Selbsthilfe • Selbstreflektion • Verbesserung • Verständigung |
ISBN-10 | 3-641-32009-7 / 3641320097 |
ISBN-13 | 978-3-641-32009-6 / 9783641320096 |
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