Lola Landau (1892 Berlin–1990 Jerusalem) ist heute als deutschsprachige Dichterin und als Zeitzeugin vergessen. Was blieb uns? Es blieb eine große Liebe und ein Schreiben ihres Mannes Armin T. Wegner, das eigentlich die Welt bewegen müßte: ein Protestschreiben gegen die Drangsalierung der Juden, gerichtet an Adolf Hitler zu Ostern 1933. Der Antrieb, Unrecht zu dokumentieren und die Furcht um das Leben der Geliebten waren es, aus denen heraus dieses Schreiben verfaßt wurde. Lola Landau kannte jedes Wort. Lola Landau ist heute allenfalls noch ein Name im Schrift-stellerlexikon. Dabei könnte allein ihr Leben ein Filmskript mit rasantem Szenenwechsel ergeben: Von der Kindheit im alten Berliner Westen, wo Vater und Onkel ihre eigene Frauenklinik leiteten, über die Zeit als Englischstudentin bis hin zur Heirat mit dem Breslauer Philo-sophiedozenten Fried Marck verlief dieses Leben »standesgemäß«: eine Familiengeschichte der deutsch-jüdischen Oberschicht im Kaiserreich. 1910 beginnt sie als Lyrikerin. Historische und zeitgeschichtliche Theaterstücke folgen. Der Erste Weltkrieg wird zunächst noch als Gemeinschaftserlebnis empfunden, bald aber kommen Zweifel. Lola Landau wandelt sich zur überzeugten Pazifistin, die eine radikale Friedensschrift verfaßt. Sie lernt als junge Mutter von zwei Söhnen bei einer Lesung den Dichter und Menschenrechtsaktivisten Armin T. Wegner kennen und läßt sich scheiden. Beide beginnen ein neues Leben. Eine Tochter wird geboren. Als Reporterin berichtete sie im Stil der Neuen Sachlichkeit. Palästina wird zum Erweckungserlebnis der Jüdin. Im Januar 1933 beschließt sie die Auswanderung. Lola Landau engagiert sich für den jüdischen Aufbaufond, wird in Jerusalem Fremdenbetreuerin der »Women’s International Zionistic Organisation«, muß dann aber zu Gelegenheitsarbeiten greifen. Die Ehe mit dem geliebten Mann wird geschieden. Zuvor hatte jener in Positano noch einen Neuanfang mit ihr versucht. 1938 ist ihre Familie über vier Kontinente verteilt. Die Befreiung von der britischen Mandats-Herrschaft erlebt sie in Jerusalem, wo sie fortan lebt. Späte Anerkennung bedeutet ihr die Veröffentlichung ihrer Autobiographie »Vor dem Vergessen. Meine drei Leben« (1987). Lola Landau stirbt 1990 am Herzl-Berg. Der Autor hatte das Glück, in den letzten zehn Jahren ihres Lebens in freundschaftlichem Kontakt mit Lola Landau stehen zu dürfen.
Jörg Deuter, geboren 1956, promovierter Kunsthistoriker und Germanist, Museums- und Lehrtätigkeiten (an der Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg, TU und FU Berlin).
Ein zentrales Thema des Autors bilden Forschungen und Veröffentlichungen
zur Kunst und Architektur der Goethezeit und des
Klassizismus, bevorzugt zum internationalen Kunsttransfer, zu
Frankreich, Italien, Dänemark und Tschechien. Die aus
persönlicher Begegnung und Befragung entsprungene Darstellung
von Künstlern der beginnenden Moderne und Zeitzeugen-
Interviews zu Kunst und Widerstand liefern eine andere
Grundlage für verschiedene Veröffentlichungen Deuters.
In diesem Verlag erschienen:
Ernst Willers. Ein Beitrag zur Geschichte der Landschaftsmalerei.
(2017, 2., erweiterte Auflage 2020)
Zweimal Prager Frühling. Über eine Ausstellung, die nicht sein
durfte, und über Bohumil Kubišta und die Maler der
»Brücke« (2019).
Festschrift Matthias Koeppel zum 85. Geburtstag (2022)