Miltärwissenschaft - Eine Modellbildung (eBook)

Nutzen, alleinstellende Leistung, Funktionsprinzipien und Struktur einer kernfachbasierten Militärwissenschaft
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
336 Seiten
Miles-Verlag
978-3-96776-074-3 (ISBN)

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Miltärwissenschaft - Eine Modellbildung -  Wolfgang Peischel
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Militärwissenschaft im inhaltlichen Sinn existiert seit der Antike und bedarf daher weder einer gesonderten Definition noch des Nachweises einer Berechtigung. Die Zielsetzung der vorliegenden Studie liegt hingegen in der Ableitung der Notwendigkeit einer institutionalisierten Militärwissenschaft für ein gesichertes langfristiges Überleben des Staates. Sie ergibt sich bereits aus der philosophischen Erkenntnis, dass der Glaube, moralisch über den Krieg erhaben zu sein, oft dazu beigetragen hat, ihn mangels tiefer gehender Kenntnis seiner selbst und insbesondere seines Wesens nicht vermeiden oder zumindest unter Kontrolle halten zu können. Vor diesem Hintergrund versucht die Arbeit, den heutigen und künftigen, unverzichtbaren Nutzen einer auf militärwissenschaftlicher Beurteilungslogik basierenden, institutionalisierten Militärwissenschaft abzuleiten, um damit eine überzeugende Argumentation vorzulegen, die auch nach dem Ende einer konkreten strategischen Bedrohungsphase eine tragfähige Begründung für den Aufbau einer kernfachgesteuerten, militärwissenschaftlichen Bildungseinrichtung auf universitärer Anerkennungsebene bieten kann. Mit der vorliegenden Forschungsarbeit wird ein Modell vorgelegt, mit dem eine grundlegende Struktur, Funktionsprinzipien und die thematische Ausrichtung einer solchen institutionalisierten Militärwissenschaft vorgeschlagen werden kann und auf deren Grundlage sie den abgeleiteten alleinstellenden und angesichts der dramatisch gestiegenen strategischen Herausforderung notwendigen, gesamtgesellschaftlichen Sicherheitsnutzen zu erbringen imstande ist. Die Studie hat lediglich entscheidungsvorbereitenden Vorschlagscharakter. Die Initiative zur bzw. die Entscheidung über eine mögliche Umsetzung des Ansatzes kann im Sinn des Primats der Politik nur von der dazu demokratisch legitimierten Ebene ausgehen.

Der Autor des Werkes, Bgdr MMag. Dr. Wolfgang Peischel, leitete die Österreichische Militärische Zeitschrift (ÖMZ), das militärwissenschaftliche Publikationsorgan des Österreichischen Bundesheeres. Die ÖMZ ist eines der ältesten militärwissenschaftlichen Periodika Europas und leistet über die Erstellung der Druck- und Online-Ausgabe hinaus auch ihren Beitrag zur Strategieforschung und -lehre an der österreichischen Landesverteidigungsakademie in Wien. Bgdr MMag. Dr. Wolfgang Peischel, PhD, hat die Reihe "Wiener Strategie-Konferenz" begründet und weitere Publikationen über den Miles-Verlag veröffentlicht.

Referenzzeitraum der Bearbeitung und „Zeitenwende“

Sowohl die Anordnung als auch der überwiegende Teil der Bearbeitung des Forschungsprojektes liegen zeitlich vor der Entwicklung, die im heutigen sicherheitspolitischen Diskurs als „Zeitenwende“ apostrophiert wird, um glauben zu machen, der russische Angriff auf die Ukraine sei auch prinzipiell unvorhersehbar gewesen und um damit jegliche Verantwortung für die strategischen Versäumnisse Europas seit dem Ende der Blockkonfrontation guten Gewissens von sich weisen zu können.

Hätte die Studie zu einem Forschungsergebnis geführt, das unter dem Eindruck des völkerrechtswidrigen Ukrainekrieges neu zu bewerten gewesen wäre, das heißt das in Kenntnis der derzeitigen strategischen Entwicklung abgeändert hätte werden müssen, dann hätte sich dieses Projekt, das sich die Schaffung einer Militärwissenschaft zum Zweck gesetzt hat, die vorausschauende und langfristig proaktive Sicherheit gegen gerade solche Bedrohungen gewährleisten soll, ad absurdum geführt.

Tatsächlich wurde die prinzipielle Möglichkeit und auch die zunehmende Eintrittswahrscheinlichkeit einer Bedrohungslage, wie sie heute vorliegt, in der Arbeit auf Basis einer militärwissenschaftlichen Beurteilungslogik abgeleitet und für die mittelfristige strategische Entwicklung antizipiert, bevor die tatsächliche Lage die getroffenen Ableitungen ex tunc und unwiderlegbar bestätigt hat.

Es wäre nun ein Leichtes gewesen, die Notwendigkeit einer institutionalisierten, kernfachgeleiteten Militärwissenschaft über die heutige Lage zu begründen, in die untertheoretisiertes strategisches Denken, ein maßgeblich daraus resultierendes Strategiedefizit und das Eingehen einseitiger strategischer Abhängigkeiten, Europa gebracht haben. Dies würde jedoch die Gefahr bergen, dass Anstrengungen, die augenblicklich in die Erhöhung einer militärwissenschaftlich fundierten Strategiefähigkeit investiert wurden, in dem Zeitpunkt ihre Dynamik verlieren, in dem die Akutphase des Ukrainekrieges geendet hat. Zudem würde damit eine wissenschaftlich fundierte, argumentative Herleitung des unverzichtbaren gesellschaftlichen Nutzens einer Militärwissenschaft über ihre spezifischen und alleinstellenden Fähigkeiten, ungehört bleiben – weshalb der Aufbau einer solchen Militärwissenschaft nach dem Wegfall der unmittelbaren Bedrohung vermutlich aus den gleichen Vorbehalten heraus scheitern würde, die schon bisher der Schaffung einer eigenständigen, universitär anerkannten Disziplin entgegen gestanden haben.

In der vorliegenden Arbeit wurde daher die lange vor dem Überfall auf die Ukraine erarbeitete Argumentationslinie konsequent fortgesetzt, und die formulierten Thesen auf Basis einer spezifisch militärwissenschaftlichen Beurteilungslogik und weitgehend ohne Rückgriff auf die durch die aktuelle strategische Lage gegebene faktische Bestätigung belegt. Die Ableitungen wurden daher leidenschaftslos und akademisch erarbeitet, die Schlussfolgerungen bewusst nüchtern, d.h. weniger emotional und dramatisch dargestellt als es aufgrund der nachträglichen, unwiderlegbaren Bestätigung durch die eingetretene Lage geboten gewesen wäre. Festgehalten muss jedoch dennoch werden, dass auf militärischer Beurteilungslogik basierende, strategische Ableitungen vieler europäischer Militärwissenschaftler, die schon vor dem Erscheinen dieses Buches und vor dem russischen Angriff auf die Ukraine in publizierter Form vorgelegen haben, wenn ihnen schon in ihrem Entstehungszeitpunkt wenig Glauben geschenkt worden ist, so doch zumindest jetzt wo der prognostizierte strategische Schaden eingetreten ist, politische Berücksichtigung finden sollten. Erkannt sollte werden, dass eine institutionalisierte, auf dem vorzuschlagenden Modell basierende Militärwissenschaft, mit einem planmäßigen beratenden Zugang zur politischen Entscheidungsfindung in der Lage gewesen wäre die heute über Europa hereinbrechenden Bedrohungen (vorrangig von Seiten Russlands, potenziell auch Chinas) prinzipiell zu antizipieren und Ansätze zur Steigerung der Resilienz gegen deren Auswirkungen vorzuschlagen.

Konkret hatte die „materielle Militärwissenschaft“, das heißt die Summe der trotz des Fehlens einer institutionalisierten Militärwissenschaft zu militärwissenschaftlichen Themenstellungen eigeninitiativ Forschenden beispielsweise folgende Entwicklungen frühzeitig erkannt bzw. prognostiziert6:

Die Anerkennung durch den Westen auf Augenhöhe, ist eine wesentliche Triebfeder des russischen strategischen Denkens, wobei diese Anerkennung keine kniefällige oder aus Schwäche geborene sein darf, sondern sich in einer Auffüllung des konventionellen Streitkräftevakuums gegenüber Russland manifestieren sollte, das Europa seit dem Ende der Blockkonfrontation hat entstehen lassen. Dieser Logik folgend, hätte eine frühzeitige spiegelbildliche, europäische Kräftebereitstellung an der NATO-Ostgrenze, entgegen der häufig ins Treffen geführten sicherheitspolitischen Argumentation, eher stabilisierende als destabilisierende Wirkung erzeugt, einer Bindung zwischen Russland und China entgegengewirkt, die Möglichkeit der intensivierten Zusammenarbeit zwischen Europa und Russland eröffnet ohne damit in einseitige Abhängigkeit zu geraten und den USA geholfen, Kräfte freizuspielen, die dringend für den Indopazifischen Raum benötigt werden, um einer militärischen Auseinandersetzung mit China vorzubeugen7.

Die Produktformel „Potenzial mal Absicht ergibt Bedrohung“ gilt nicht mehr. Vielmehr zeigt sich, dass bereits „absichtsloses“ Potenzial (also Potenzial das ohne tatsächliche militärische, grenzüberschreitende Angriffsabsicht, grenznah bereitgestellt wird) strategische Wirksamkeit entfalten kann, indem es beispielsweise zu diversifiziertem Bedrohungsempfinden und der Schwächung der Kohärenz zwischen den EU- bzw. NATO-Staaten führt (die Erschütterung des Vertrauens in die Schutzwirkung des Verteidigungsbündnisses stellt dabei den eigentlichen strategischen Zweck des Ansatzes dar).

Die Eintrittswahrscheinlichkeit von Bedrohungen kann schon deshalb kein zuverlässiges Kriterium für die Dimensionierung von Streitkräften sein, wenn es um die Überlebenssicherheit des Staates geht, weil eine, aufgrund der im besten Fall statistisch ermittelten Eintrittswahrscheinlichkeit reduzierte Verteidigungsfähigkeit die Wahrscheinlichkeit eines gegnerischen Angriffs logischerweise erhöht.

Die These, dass die fortschreitende Globalisierung aufgrund der wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen den Akteuren ein Garant für Sicherheit ist, muss zumindest für Staaten aufgegeben werden, die sich in einseitige Abhängigkeiten begeben haben. Eine solche, in vielen Segmenten einseitige Abhängigkeit entsteht mit einer europäischen Beteiligung am Projekt der „Neuen Seidenstraße“, die zu einer Konkurrenz zwischen dem „eurasischen“ und dem „transatlantischen“ geostrategischen Konzept führt (dabei Gefahr läuft die transatlantische Wertegemeinschaft zu „verraten“), die USA bezogen auf den entstehenden größten Binnenmarkt der Welt tendenziell marginalisiert (sich aber trotzdem auf die „Erweiterte Abschreckung“ und trotz unzureichender eigener Verteidigungsbudgets auf die amerikanische Verteidigungsgarantie im Rahmen der NATO verlässt) und damit die Gefahr eines konventionellen Krieges zwischen Amerika und China erhöht.

Die „Thukydides-Falle“ stellt das chinesische Narrativ dar, mit dem amerikanische Ansätze zur Beherrschung und Offenhaltung des Südchinesischen Meeres als Störung des Seidenstraßenprojektes diskreditiert und Europa glauben gemacht werden soll, dass die USA, wenn sie gegen ein vorgeblich friedfertiges China rüsten, den Weltfrieden gefährden. Athen ist aber untergegangen, weil es sich zu sehr auf die wirtschaftliche Macht des von ihm geleiteten Seebundes verlassen hat und seine Streitkräfte aufgrund der mit steigendem Wohlstand schwindenden Wehrbereitschaft dem Kampfwillen der Spartaner nicht gewachsen waren – weil es mit anderen Worten „nicht zu viel“ sondern „zu wenig“ gerüstet hatte.

Der Angriff auf die Ukraine dürfte russischerseits als ein „Wertesystemkonflikt“ geführt werden. Die Werte der westlich-pluralistischen Gesellschaften werden als in einem Ausmaß einer, in Richtung eines kombinierten Individualisierungs- und Säkularisierungstrends fortschreitenden Erosion unterworfen beurteilt, dass sie unter dem Druck des als „überlegen“ empfundenen russischen, konservativen Werteverständnisses ihren Zusammenhalt und damit ihre Verteidigungsfähigkeit verlieren. Jegliches, durch äußeren Druck bedingtes Ausbrechen eines EU-Staates aus der europäischen Solidarität, würde als deutliches Indiz für den Erfolg einer solchen Strategie gewertet werden. Der aufmerksamste Beobachter der europäischen Reaktion dürfte China sein, dessen Tianxia noch um vieles besser geeignet wäre, ein Gegenkonzept zur...

Erscheint lt. Verlag 9.11.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Geschichte Teilgebiete der Geschichte Kulturgeschichte
Schlagworte Einsatzführung • Führung • Militärforschung • Militärwissenschaft • Strategie
ISBN-10 3-96776-074-X / 396776074X
ISBN-13 978-3-96776-074-3 / 9783967760743
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