Wo wollen wir alt werden? -  Christoph Strünck

Wo wollen wir alt werden? (eBook)

Wie wir unsere Städte und Gemeinden altersgerecht gestalten können
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
118 Seiten
Kohlhammer Verlag
978-3-17-040718-3 (ISBN)
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Die meisten Menschen möchten zuhause alt werden. Aber was heißt zuhause? Wohnungen, Städte und Gemeinden können alters- und generationengerecht gestaltet werden. Dazu braucht es eine anregende Umgebung, neue Wohnmodelle und Mobilität für alle. Die Kommunen müssen die Vielfalt des Alters und die soziale Ungleichheit im Alter im Blick haben, auch in der Stadtentwicklung. Denn in einer Gesellschaft des langen Lebens sollte unsere Umgebung fördern, dass wir selbstständig und selbstbestimmt altern können. Das Buch stellt Beispiele vor, wie das gelingen kann, und weist auf Herausforderungen hin, die zu meistern sind.

Prof. Dr. Christoph Strünck ist Professor für Politikwissenschaften mit Schwerpunkt Sozialpolitik an der Universität Siegen sowie dortiger Gründungsdekan der Lebenswissenschaftlichen Fakultät der Universität Siegen im Rahmen des Modellprojekts 'Medizin neu denken'. Darüber hinaus ist er Direktor des Instituts für Gerontologie an der Technischen Universität Dortmund.

Prof. Dr. Christoph Strünck ist Professor für Politikwissenschaften mit Schwerpunkt Sozialpolitik an der Universität Siegen sowie dortiger Gründungsdekan der Lebenswissenschaftlichen Fakultät der Universität Siegen im Rahmen des Modellprojekts "Medizin neu denken". Darüber hinaus ist er Direktor des Instituts für Gerontologie an der Technischen Universität Dortmund.

1 Grundlegendes


  • Wie altersfreundliche Umgebungen entstehen

  • Altenhilfe ist Teil der kommunalen Daseinsvorsorge

  • Altern auf dem Land ist anders

Wo wollen wir alt werden? Natürlich zuhause, in der vertrauten Umgebung, zusammen mit Familie und Freunden, dort, wo wir uns auskennen. Was aber ist unser »Zuhause«? Ist es die eigene Wohnung? Oder sind es in erster Linie die Menschen und sozialen Kontakte, die uns ein Gefühl von Zuhause vermitteln? Und was machen wir, wenn wir Unterstützung brauchen im Alltag? Eine Gesellschaft des langen Lebens hat unterschiedliche Orte, an denen Menschen alt werden können und alt werden wollen.

Wir wollen weiterhin am öffentlichen Leben teilnehmen, auch wenn wir nicht mehr so mobil sind. Dafür sind noch einige Barrieren wegzuräumen, nicht nur im wörtlichen Sinne. Auch begegnen sich Generationen nicht automatisch draußen, auf der Straße, im Café, oder anderswo im öffentlichen Raum. Sie besuchen häufig getrennte Orte, sind zu unterschiedlichen Zeiten unterwegs. Städte und Gemeinden leben jedoch von und mit Vielfalt, auch von der Vielfalt und vom Austausch der Altersgruppen. Eine Gesellschaft des langen Lebens braucht daher auch neue Ansätze der Stadtplanung und Gemeindeentwicklung, über die Seniorenarbeit hinaus. Die Idee einer alters- oder generationenfreundlichen Gemeinde ist eine der großen sozialen Innovationen unserer Zeit. Denn gutes Altern braucht gute Orte.

1.1 Gutes Altern braucht gute Orte: auf dem Weg zu altersfreundlichen Städten und Gemeinden


Die Kommunen erleben den demografischen Wandel hautnah: Städte und Gemeinden werden bunter, viele ländliche Regionen altern und schrumpfen. Das Leben und das Zusammenleben ändern sich. Wenn wir alle gut altern wollen, und wenn der Erfahrungsschatz des Alterns gehoben werden soll, kommt es nicht nur auf die großen Sicherungssysteme wie Rente oder Krankenversicherung an oder auf eine neue Verteilung von Arbeits- und Lebenszeit. In einer Gesellschaft des langen Lebens gestalten wir gemeinsam vor Ort eine altersfreundliche Umgebung, die allen nutzt und niemanden ausschließt. Verbundenheit fühlen und Verbindungen schaffen: Das ist eine persönliche Aufgabe, aber auch ein öffentlicher Auftrag.

Die Kommunen setzen dafür Rahmenbedingungen. Vieles, aber nicht alles hängt dabei am Geld und den rechtlichen Möglichkeiten. Vom Wohnen, über Verkehr, Platzgestaltungen bis hin zur sozialen Infrastruktur gibt es zahlreiche Möglichkeiten, wie Kommunen Einfluss nehmen können, um gutes Altern zu fördern. Kommunen sind Instanzen für die Planung von Infrastruktur. Kommunen sind zugleich der Ort, an dem sorgende Gemeinschaften entstehen können, die gutes Altern unterstützen.

Die Beziehungen zwischen der Umwelt mit ihren Einflussfaktoren und dem Einzelnen mit seinen Ressourcen, seiner Widerstandsfähigkeit und seiner Verletzlichkeit sind ein großes Thema der Alternsforschung, wenn auch ein ziemlich abstraktes auf den ersten Blick (Wahl & Gerstorf, 2018). Meine eigenen physischen, kognitiven und emotionalen Fähigkeiten werden auch von sozialen und sozialpolitischen Faktoren beeinflusst: Bin ich sozial eingebunden, motivieren mich andere mitzumachen und mich zu engagieren, bieten mir Dritte ihre Hilfe im Alltag an? Unsere Umgebung ist jedoch nicht nur von Menschen geprägt, sondern auch von Infrastrukturen: Wohnungen, Gebäude, Straßen, Plätze, Veranstaltungsorte, Gesundheitsversorgung. In diesem Buch stehen Stadtplanung, Wohnen, Mobilität und Versorgungsstrukturen im Vordergrund. Die bauliche Umgebung hat einen großen Einfluss darauf, wie wir altern und ob wir die Chance haben, dabei aktiv und möglichst lange gesund zu bleiben (Penger et al., 2019).

Denn die Forschung zeigt, dass die Gesundheit älterer Menschen stärker als bei anderen Altersgruppen von der natürlichen, gebauten und sozialen Umwelt beeinflusst wird (Schlicht et al., 2016). Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hält diese Erkenntnis für so wichtig, dass sie ein Konzept entwickelt hat, an dem sich Städte und Gemeinden orientieren können. Es beruht auf dem Ziel des »aktiven Alterns«: Gesundheit, Beteiligung und Sicherheit sollen für alle Älteren gefördert werden. Dabei kommt es zum einen auf individuelle Ressourcen an, die gefördert werden können. Es geht aber genauso darum, dass die Umgebung so gestaltet sein kann, dass Menschen Gelegenheiten und Anreize bekommen, aktiv und gesund zu bleiben. Eine Kommune ist aus Sicht der WHO dann altersfreundlich, wenn sie sich folgenden Zielen verschrieben hat (Weltgesundheitsorganisation, 2007):

  • die Ressourcen und Fähigkeiten älterer Menschen anerkennen und fördern

  • mit Angeboten auf altersbezogene Bedürfnisse und Präferenzen eingehen

  • unterschiedliche Lebenslagen und Lebensstile respektieren

  • die verletzlichen Älteren schützen

  • Teilhabe und Beteiligung Älterer am öffentlichen Leben fördern

Inzwischen existiert ein globales Netzwerk an Städten und Gemeinden, die sich aufgemacht haben, altersfreundliche Orte zu werden. Sie orientieren sich alle am Rahmenkonzept der WHO.

Abb. 1.1:Handlungsfelder der altersfreundlichen Stadt (Quelle: Datengrundlage eigene Darstellung Körber-Stiftung & Berlin Institut für Bevölkerung und Entwicklung nach WHO-Leitfaden)

Die WHO hat auch eine Checkliste entwickelt, mit deren Hilfe Städte und Gemeinden ihre Umgebung altersfreundlich gestalten können. Darin finden sich Instrumente in zentralen Handlungsfeldern wie öffentlicher Raum, Wohnen, Verkehr, soziale Beteiligung, Kommunikation und Information oder Gesundheitsversorgung.

Die WHO beim Wort nehmen: altersfreundliches Radevormwald

Die Stadt Radevormwald hat sich die Empfehlungen der WHO zu eigen gemacht und daraus ganz konkrete Maßnahmen abgeleitet. Zu diesen Maßnahmen gehören beispielsweise:

  • Parks, Grünflächen und Sitzgelegenheiten sind ausreichend vorhanden, in gutem Zustand und sicher.

  • Alle städtischen Gebiete und Dienstleistungen sind an den öffentlichen Nahverkehr angebunden; Routen und die Ziele der Fahrzeuge sind gut bezeichnet.

  • Es gibt ausreichende und bezahlbare haushaltsnahe Dienstleistungen und Unterstützungsleistungen.

  • Menschen mit dem Risiko der sozialen Vereinsamung erhalten Informationen von Vertrauenspersonen.

  • Gesundheits- und soziale Dienstleistungen können mit allen Arten von Transportmitteln bequem erreicht werden.

Ein Verein kümmert sich darum, diese Ziele im Interesse aller Bürger1 der Gemeinde im Blick zu haben und die kommunalpolitisch Verantwortlichen daran zu erinnern.

Weiterführende Infos: www.aktiv55plus.de/startseite.html

Städte und Gemeinden sind Orte, an denen sich Menschen zu Gemeinschaften zusammenfinden: in Familien, im Freundeskreis, in Nachbarschaften. Wir werden nicht alleine alt, und das ist gut so. Altern ist keine reine Privatangelegenheit, erst recht nicht aus Sicht der Kommunen. Viele sehen den demografischen Wandel als Last und Bedrohung. Doch er ist auch eine Chance, das Zusammenleben neu zu gestalten und damit innovative Impulse zu setzen, hin zu einer alters- und generationenfreundlichen Umgebung, aus der niemand ausgeschlossen ist.

Unsere Städte und Gemeinden werden in einigen Jahrzehnten anders aussehen, anders aussehen müssen. In einer Gesellschaft der Singularisierung und Individualisierung kommt es mehr denn je darauf an, neue Gemeinschaftsformen zu finden, den öffentlichen Raum kreativer zu gestalten und eine gute Balance zwischen privat und öffentlich zu finden. Die Bedingungen sind dabei in Städten andere als auf dem Land. Unsere Art des Wohnens wird sich ändern. Wie wir uns im öffentlichen Raum bewegen, wird sich ändern, und beides nicht nur aus ökologischen Gründen. Die wohnortnahe Gesundheitsversorgung wandelt sich schon jetzt, und gerade in ländlichen Räumen gibt es große Herausforderungen. Und mit der Digitalisierung ergeben sich neue Möglichkeiten, gutes Altern zu unterstützen. Diese Herausforderungen betreffen nicht die Kommunen alleine, und sie tragen dafür auch nicht alleine die Verantwortung. Doch sie haben einen Gestaltungsauftrag.

Dieser Auftrag der Kommunen, die Lebensbedingungen ihrer Bürger mitzugestalten, hat in Deutschland einen eigenen Namen: Daseinsvorsorge. Für unser aller »Dasein« Vorsorge zu treffen, ist ein großer Anspruch. Trotz aller Unschärfen des Begriffs gibt es relativ konkrete gesetzliche Vorgaben, was Kommunen tun müssen.

Kommunale Daseinsvorsorge: Was ist das?

Kommunen sollen lebenswichtige Güter und Dienstleistungen zur Verfügung stellen, damit die sozialen Lebensbedingungen ihrer...

Erscheint lt. Verlag 31.10.2023
Mitarbeit Herausgeber (Serie): Hans-Werner Wahl, Hans Förstl, Ines Himmelsbach, Elisabeth Wacker
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie Entwicklungspsychologie
Schlagworte Altern • Alternde Gesellschaft • Kommunen • Lebensumstände
ISBN-10 3-17-040718-X / 317040718X
ISBN-13 978-3-17-040718-3 / 9783170407183
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