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Grüne Illusionen (eBook)

Warum Greenpeace, Klimakonferenzen & Co. die Umwelt ziemlich sicher nicht retten werden. Und was vielleicht doch noch helfen könnte. Ein politischer Essay.
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2023 | 1. Auflage
Buchschmiede von Dataform Media GmbH (Verlag)
978-3-99152-819-7 (ISBN)
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1971 wurde Greenpeace gegründet. 1979 fand die erste von mittlerweile knapp 30 Weltklimakonferenzen statt. Die Grünen sind in Österreich seit 1986 im Parlament fast ununterbrochen aktiv. Fridays for Future und die Letzte Generation tun alles, um die Menschheit wachzurütteln. Und man kann auch wirklich nicht behaupten, dass das Thema Klimawandel in den Medien, in der Politik oder im Kabarett totgeschwiegen wird. Auf die Umweltzerstörung hat das alles ganz offensichtlich relativ wenig Einfluss: Die Treibhausgase nehmen wie die Erderwärmung zu, Gletscher und Artenvielfalt gehen zurück, Wetterextreme werden weltweit mehr ... Warum ist das so? Wie hängen Klimaschutz und Klimawandel zusammen? Warum können Umweltzerstörung und Umweltpolitik über Jahrzehnte parallel laufen? Und was haben Kapitalismus und bürgerliche Öffentlichkeit damit zu tun? Die kurze Antwort auf diese Fragen: Kapitalismus und bürgerliche Öffentlichkeit haben sehr viel mit der Umweltzerstörung zu tun. Die etwas längere Antwort steht in diesem Essay.

Franz Anton Zauner wurde 1963 in Falpetan/Tirol geboren. Studium Politikwissenschaft, Geschichte und Kunstgeschichte, das meiste davon abgeschlossen. Er lebt als Künstler, Historiker und Autor diverser Gebrauchstexte in Wien.

Grüne Illusionen?

Eine eigentlich ganz ehrliche Einleitung

Umweltzerstörung ist scheiße.

Das ist nicht sehr diplomatisch formuliert, aber falsch ist es auch nicht. Vor allem weiß jede und jeder, was gemeint ist: Umweltzerstörung ist unvernünftig, falsch und gefährlich. Die Menschheit schießt sich damit selbst ins Knie. Und ich kenne niemanden, der Umweltzerstörung ok findet. Der sagen würde: Umweltzerstörung ist gut, mehr Umweltzerstörung wäre besser. Trotzdem passiert sie …

Und das schon seit vielen Jahrhunderten. Dass es heute rund ums Mittelmeer wenige Wälder und viel trostloses Buschwerk – die Macchie – gibt, hat nichts mit urwüchsiger Vegetation und natürlichen Klima- oder Bodenverhältnissen zu tun, sondern damit, dass in der Antike alle mit vertretbarem Aufwand erreichbaren Bäume umgehackt wurden. Das römische Weltreich rodete nach Kräften, wo neue Städte gegründet werden sollten – einen literarischen Niederschlag fand das im Asterix-Band »Die Trabantenstadt« von René Goscinny und Albert Uderzo. Außerdem benötigte das Imperium Unmengen an Holz fürs Heizen, für Haus- und Schiffsbau, für Bergbau und für sein Militär. Überweidung und anschließende Bodenerosion haben dann den Rest erledigt.1

Was diese und vergleichbare historische Umweltzerstörungen miteinander verbindet: Sie gingen sehr langsam vor sich, waren lokal begrenzt, die Menschen wussten es nicht besser und sie hatten grundsätzlich die Möglichkeit, in noch nicht zerstörte Weltgegenden auszuweichen. Sie hatten damals quasi einen Planeten B.

Eine rasche, weltweit gleichzeitig und überall stattfindende Umweltzerstörung zu Wasser, zu Luft und am Land hat erst der ausgereifte Kapitalismus ab dem 19. Jahrhundert zustande gebracht; ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts fand die Umweltzerstörung dann sogar mit wissenschaftlicher Begleitung, massenmedialer Kommentierung und demokratisch höchst aufwändiger politischer Verwaltung statt.

Der gewaltige Fortschritt bei der Umweltzerstörung hat natürlich mehrere Gründe, aber einer war ganz sicher die Tatsache, dass sich die freie Marktwirtschaft ab Mitte des 19. Jahrhunderts erstmals in der Geschichte fossile Energieträger im großen Stil erschlossen hat: Kohle, Öl und Gas. Der bestechende Vorteil dieser besonderen Energieträger: Sie sind massenhaft vorhanden. 1844 zum Beispiel führte der russische Ingenieur F. N. Semjonow die weltweit erste industrielle Ölbohrung durch und in diesem Ölfeld von Bibi-Eibat in der Nähe von Baku sprudelt das schwarze Gold bis heute nur so vor sich hin. Das sind immerhin fast 200 Jahre, in denen das Öl ununterbrochen aus der Erde geholt werden konnte. Anders als bei Holz muss man bei fossilen Energieträgern nämlich nicht Jahrzehnte warten, bis sie nachwachsen, denn sie sind ja schon in geologischer Vorzeit aus Abbauprodukten von toten Pflanzen und Tieren entstanden. Und auch alle derzeit nicht geförderten Vorkommen reichen noch immer für viele weitere Jahrzehnte. Für eine auf Wachstum programmierte Wirtschaftsweise ist das ein Trumpf im Ärmel, der auch voll ausgespielt wird: Derzeit decken die fossilen Brennstoffe über 80 Prozent des weltweiten Energiebedarfs, subventioniert werden sie jährlich mit rund 7 Billionen US-Dollar (dies entspricht einer Subvention von ca. 13 Millionen Dollar pro Minute und ist fast doppelt so hoch wie die Summe, die weltweit für Bildung ausgegeben wird).2

Doch wo Feuer ist, da ist auch Rauch. Und so sind in den letzten zwei Jahrhunderten die Kohlendioxid-Emissionen, die bei der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas entstehen, als wesentlicher Faktor für den Klimawandel stetig gestiegen: Waren zu Beginn der Industrialisierung noch ca. 280 ppm CO2 in der Erdatmosphäre, so sind es heute weit über 400 ppm, Tendenz steigend.3 Täglich kommen weltweit ca. 100 Millionen Tonnen dieses Treibhausgases dazu. 100 Millionen Tonnen eines farblosen Gases, das harmlos ist, solange es nur für die kleinen Bläschen im Mineralwasser sorgt. Das aber ab bestimmten Konzentrationen ziemlich giftig und für unser Klima auf jeden Fall fatal ist. 100 Millionen Tonnen heiße Luft. Und das jeden Tag. Kein antikes Weltreich hat solche Mengen an Dreck durch das Verbrennen von Holz zustande gebracht.

Parallel zum CO2-Ausstoß laufen viele weitere imposante Steigerungen, die für Mensch, Tier und Umwelt sehr ungesund sind: Überfischung der Weltmeere, Rodung von Urwäldern, Trockenlegung von Sümpfen, Überdüngung von landwirtschaftlich genutzten Flächen, Auftauen von Permafrostböden, systematische Bejagung von Tieren oder Ausrottung durch verschiedene Arten der Bodenversiegelung, schleichende und akute Vergiftungen von Mensch, Tier und Umwelt durch Atommüll, Chemikalien, Plastik, Feinstaub und anderen Mist.4 Auch sie lassen sich mit Hausverstand und etwas Überlegung auf die freie Marktwirtschaft zurückführen … aber mehr dazu im Kapitel »Der große Irrtum«.

Die bürgerliche Öffentlichkeit reagiert auf die Umweltzerstörung mit dem für sie typischen Meinungspluralismus: einem bunten Blumenstrauß aus aufrüttelnden Reportagen, Vergleichen und Meinungen, Zahlen, Daten und Fakten, Schuldzuweisungen, Geschichten von Betroffenen und Appellen; zusammenkürzen lässt sich der Strauß im Wesentlichen auf drei Arten.

Die erste und kulturhistorisch spannendste Art des Umgangs mit der Umweltzerstörung ist die ideelle Aufwertung und Verklärung der Natur, die man grad zerstört. Das begann schon im 18. Jahrhundert, als es den Menschen in Europa erstmals gelang, die an sich ja recht widerspenstige Natur nach und nach besser zu beherrschen. Im 19. Jahrhundert verstärkte sich diese Tendenz und verdichtete sich bis zur Romantik.5 Das für diese Geisteshaltung ikonische Gemälde stammt aus dem Jahr 1818: »Der Wanderer über dem Nebelmeer« von Caspar David Friedrich. Zu sehen ist darauf ein Mann mit Gehrock und Wanderstock, der von den Niederungen des Alltags hinauf auf den Gipfel eines Berges gestiegen ist; dort versinkt er in die Betrachtung der überwältigend schönen und erhabenen Natur, einer romantisch überhöhten Landschaft mit mystischen Gipfeln und windzerzausten Nebelschwaden.

Die bis heute beliebte, alltägliche Verlaufsform der Romantik heißt Tourismus. Heute fahren die Menschen mit ihren Autos und Motorrädern über Passstraßen in die Bergwelt (allein auf der Glockner Hochalpenstraße sind es 270.000 Fahrzeuge jedes Jahr!).6 Oder sie lassen sich mit Liften und Gondeln zu den Gipfeln der Berge bringen, um dort auf Aussichtsterrassen und in geheizten Panoramalokalen in die Betrachtung der überwältigend schönen und erhabenen Natur zu versinken.

Was passiert bei dieser romantischen Naturliebe? Die Menschen verrichten 30, 40, 50 Stunden pro Woche pflichtschuldigst ihren Dienst in lauten Fabriken und langweiligen Büros und zerstören dabei indirekt und in der Regel, ohne es aktiv zu wollen, die Umwelt. Und am Wochenende und im gewerkschaftlich erkämpften Urlaub erholen sie sich davon, indem sie in jene Teile der Natur reisen, die aktuell noch nicht zerstört oder verschandelt sind – auch wenn sie dafür immer weiter fahren und fliegen müssen.

Diese Art des Umgangs mit der Umweltzerstörung ist – wie andere Formen des Ignorierens und Leugnens – irgendwie ein Auslaufmodell, weshalb ich mich damit nicht mehr näher beschäftigen mag. (Und ein bisschen Weltflucht und Naturverklärung ist ja auch ok …)

Die anderen zwei Arten des Umgangs mit der Umweltzerstörung sind historisch jünger und erfreuen sich derzeit immer größerer Beliebtheit. Die müssen wir uns deshalb etwas genauer ansehen. Beide Umgangsarten stehen in der Tradition des Umwelt-Klassikers aus dem Jahr 1962 »Der stumme Frühling«: Mit diesem ersten Bestseller der Umweltliteratur hat die US-amerikanische Biologin Rachel Carson in den USA eine heftige politische Debatte über die Gefahren des Insektenvergift-ungsmittels DDT losgetreten (die Debatte ist dann auf andere Länder übergeschwappt, das Insektizid wurde in den 1970er Jahren in einigen Ländern weitgehend verboten).7 Ebenfalls zitieren Umweltschützer:innen häufig den Bestseller »Die Grenzen des Wachstums«, eine über 30 Millionen Mal verkaufte Simulationsstudie zur Lage der Weltwirtschaft und der Menschheit, die der Club of Rome, ein gemeinnütziger Zusammenschluss unterschiedlichster Expert:innen, 1972 zum ersten Mal präsentierte.8

Umgangsart Nr. 2: der Appell an die Menschheit. Die Menschheit soll beim Umweltschutz endlich vom Reden ins Tun kommen. Die Menschen sollen sich persönlich täglich aktiv dafür einsetzen. Besonders besorgte Menschen schütten Farbe auf die Schutzverglasung von Kunstwerken, um andere Menschen, Menschen wie dich und mich, wachzurütteln und auf die...

Erscheint lt. Verlag 12.10.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Geschichte
ISBN-10 3-99152-819-3 / 3991528193
ISBN-13 978-3-99152-819-7 / 9783991528197
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