Pilgern (eBook)

Hineinlaufen in Gottes Gegenwart
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
96 Seiten
Echter Verlag
978-3-429-06625-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Pilgern -  Michael Hainz
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Spirituell pilgern, wie geht das? Wie können wir die Wunder am Weg verkosten, die Mühen bewältigen und aufbrechende Entscheidungsfragen klären? Wie gewinnt unser Pilgern Tiefgang und wirkt sich nachhaltig fruchtbar auf unser 'Lebensgehäuse' aus? Wie gelingt es uns, achtsam in jenes bereits anwesende Geheimnis und Ziel menschlicher Existenz hineinzulaufen? Das Buch inspiriert und leitet zum Üben an. Es schöpft aus der Tradition des Mystikers Ignatius von Loyola (1491-1556). Er verstand sich als Pilger und entwickelte aus seinen Pilgererfahrungen eine profilierte Spiritualität, die helfen will, pilgernd Gott zu suchen und zu finden.

Bruder Michael Hainz SJ, geboren 1954, Dr. rer. soc., ist Sozialwissenschaftler und zertifizierter Pilgerbegleiter. Er gibt Pilgerkurse und arbeitet mit Geflüchteten in Frankfurt am Main.

Bruder Michael Hainz SJ, geboren 1954, Dr. rer. soc., ist Sozialwissenschaftler und zertifizierter Pilgerbegleiter. Er gibt Pilgerkurse und arbeitet mit Geflüchteten in Frankfurt am Main.

2. Ein ferner Pilger, der noch heute zum Pilgern herausfordert: Ignatius von Loyola (1491–1556)


Ignatius begriff sich als Pilger. Auch nachdem er bereits 18 Jahre lang in Rom sesshaft geworden war, behielt er in seiner Autobiographie diese Selbstbezeichnung bei. Deshalb heißen die meisten Ausgaben seiner Lebensbeschreibung »Bericht des Pilgers« (im Folgenden: BP). Doch dass er zum Pilger wurde, war aufgrund seiner Herkunft, Ausbildung und langjährigen Lebensweise keineswegs zu erwarten. Denn Iñigo López de Oñaz y Loyola – erst ab 1537 nannte er sich in latinisierter Form »Ignatius« – wurde 1491 auf Schloss Loyola geboren. Er stammte aus einem bedeutenden Adelsgeschlecht des Baskenlandes mit intensiven Beziehungen zum spanischen Königshaus. Dorthin, an den prachtvollen Palast in Arévalo, unweit von Madrid, kam der 14-Jährige von 1505 bis 1517 zur Ausbildung als Page in die Familie des königlichen Großschatzmeisters. Er lernte höfische Kommunikation, die Kunst guter Verwaltung und den Umgang mit Waffen. Während dieser Zeit wurde Iñigo ein Freund von Kleiderprunk und Wohlleben, mutwillig im Spiel, in Frauengeschichten und Raufereien. Nach dem Tod seines Gönners Velázquez (1517) wechselte er als Leibgardist und Diplomat zum Vizekönig von Navarra in Nordspanien. Bei der Verteidigung der Festung Pamplona gegen die anrückenden Franzosen wurde Iñigo 1521 durch eine Kanonenkugel an beiden Beinen schwer verwundet. Er wurde zur Genesung ins heimatliche Schloss Loyola gebracht und war zeitweilig dem Tode nahe. Dennoch war er gewillt, seine weltliche Karriere fortzusetzen: Als nach zwei Operationen ein Knochenstück unterhalb des Knies immer noch »derart hervortrat, dass es hässlich aussah«, ließ er es sich auf eigenen Wunsch »abschneiden«, trotz schier unerträglicher Schmerzen (BP 4): Es hätte ihn zum höfischen Dienst zugunsten einer hochgestellten Dame untauglich gemacht. Mehr zu gelten (»valer más«)23 war Iñigos innerster Antrieb: Er war buchstäblich ehrgeizig und auf höchste Auszeichnung bedacht, sei es im Kampf mit Waffen oder im Streben nach der Gunst einer hochadeligen Dame.

Wie wurde Iñigo zum Pilger?


Heutige Pilgerinnen und Pilger kennen das: Sie brechen oftmals auf, um mit einer existenziellen Krise klarzukommen. Bei Iñigo war es ähnlich. Doch nicht seine Krise selbst – die gesundheitliche Misere und das drohende Zerplatzen seines höfischen Lebenstraums –, sondern die Art ihrer seelisch-geistlichen »Verarbeitung« weckte seinen Wunsch, nach Jerusalem zu pilgern. Während er das Bett hüten musste, bat er zum Zeitvertreib um Ritterromane, auf die er ganz versessen war (BP 5 und 17). Doch weil es im Schloss keine gab, musste der Genesende mit zwei frommen Büchern vorliebnehmen: einer Beschreibung des Lebens Christi und einer Sammlung von Heiligenlegenden. Das Lesen dieser Bücher befeuerte Iñigos Vorstellungskraft: Er malte sich aus, »was wäre, wenn ich täte, was der hl. Franziskus und was der hl. Dominikus getan haben?« (BP 7). Doch nach einiger Zeit kamen ihm die »Dinge dieser Welt« in den Sinn: »Er stellte sich vor, was er im Dienst einer Dame zu tun habe, welche Mittel er anwenden würde, um in das Land ihres Aufenthalts gelangen zu können, welche Sprüche und Worte er ihr sagen und welche Waffentaten er in ihrem Dienst vollbringen würde« (BP 6). Beide Vorstellungswelten machten ihm Vergnügen, während er sich jeweils in sie vertiefte.

Doch allmählich ging ihm folgender Unterschied auf: Sobald er ermüdet von der Vorstellung an »weltliche Dinge« abließ, »fand er sich trocken und unzufrieden. Wenn er jedoch daran dachte, barfuß nach Jerusalem zu gehen und nichts als Kräuter zu essen und alle übrigen Strengheiten zu üben, die er bei den Heiligen wahrnahm, da war er nicht nur getröstet, solange er sich bei solchen Gedanken aufhielt, sondern blieb auch zufrieden und froh, nachdem er davon abgelassen hatte« (BP 8). Die Wahrnehmung unterschiedlicher innerseelischer Bewegungen (mociónes), die im Nachklang zur Beschäftigung mit den beiden Lebenswegen aufstiegen, bildete für Iñigo also den Kompass für seine Entscheidung, zum Pilger zu werden. Jenen Unterschied zwischen »Trost« und »Misstrost« entfaltete er später in seinem Exerzitienbuch in »Regeln zur Unterscheidung der Geister« (EB 313–336) als Kunst zum Treffen von Lebensentscheidungen. Es geht zunächst darum, die inneren Regungen zu erspüren: anhaltende, nicht bloß kurz aufflackernde Freudigkeit und Zunahme an Hoffnung, Glaube und Liebe im Gegensatz zu Niedergeschlagenheit, Verwirrung oder Verfinsterung der Seele. Dementsprechend gilt es, die jeweilige Kraft zu erkennen, die in der Seele wirkt: den »guten Geist«, dessen Wirken zu einem liebevollen, gottgemäßen Leben hinzieht, oder den »bösen Geist«, der zu einem rein weltlichen, letztlich nicht erfüllenden Leben verlocken will. Schließlich ist der Spur des »guten Geistes« zu folgen.

Genau dies tat Iñigo: Im Licht der wahrgenommenen Unterscheidung begann er, wie es moderne Pilgernde ebenfalls häufig zu tun pflegen, »ernsthafter über sein vergangenes Leben nachzudenken« (BP 9). Unmittelbar hier kommt die Pilgerfahrt nach Jerusalem ins Spiel: spontan als Idee (BP 8) und nach längerem Nachdenken als Ziel seiner Sehnsucht, ja seines Entschlusses: »[A]lles, was er sofort nach seiner Genesung zu tun verlangte, war die Idee einer Reise nach Jerusalem (…) mit so vielen Bußübungen und Entsagungen, wie eine großmütige, von Gott entflammte Seele sie gewöhnlich zu tun verlangt« (BP 9).

Warum wählte er Jerusalem als Pilgerziel?


Jerusalem »liegt im Zentrum der bewohnten Welt«24, so las er im »Leben Christi« des Ludolf von Sachsen; und so entsprach es auch dem Verständnis des damaligen Europa, wie eine Weltkarte von 1535 zeigt: Sie stellt die Heilige Stadt als Mitte eines dreiblättrigen Kleeblatts zwischen den drei Kontinenten Europa, Afrika und Asien dar.25 Vor dem Hintergrund der Kreuzzüge, der neuerlichen Einnahme Jerusalems durch die Osmanen (1517), der Reconquista (der christlichen Rückeroberung Spaniens aus muslimischer Oberhoheit) und des überseeischen Entdeckungs- und Eroberungsstrebens war zumal in Spanien der Wunsch sehr lebendig, das verloren gegangene Kleinod der Heiligen Stadt zurückzugewinnen. Zum anderen waren Pilgerfahrten ins Heilige Land »in den Jahrhunderten vorher, nicht zuletzt durch die Förderung der ›Katholischen Könige‹« (Isabella I. und Ferdinand II.) auch im Baskenland »mächtig aufgeblüht«26. Überschwänglich empfahl Ludolfs »Leben Christi« die »heilige« Frömmigkeitsübung einer Pilgerfahrt ins Heilige Land: »Wer kann die vielen Beter zählen, die zu jedem seiner Orte hingehen und sie betreten und mit entflammtem Geist die Erde küssen, die Orte anbeten und umarmen, von denen sie wissen oder hören, dass Unser Herr dort war oder sich setzte oder etwas tat?«27

Diese sinnlich fassbare, möglichst reale Nähe zu Jesus Christus war auch Iñigos Hauptmotiv beim Vorhaben, nach Jerusalem zu pilgern. Dies zeigt die Beschreibung seines Aufenthaltes im Heiligen Land. Iñigo erreichte es im Jahr 1523 per Schiff: Er zählt nicht die besuchten Orte auf und erwähnt keine besonderen Rituale oder gar Bußübungen. Vielmehr erzählt der Pilger von seiner »großen Tröstung« und freudigen »Andacht«, die er »bei den Besuchen an den heiligen Stätten verspürte«, und von seinem »Vorsatz, in Jerusalem zu bleiben, die heiligen Stätten zu besuchen und den Seelen zu helfen« (BP 45 f.). An einer Stelle kommt die starke Sehnsucht Iñigos, »die innere Erkenntnis des Herrn« zu erlangen, »damit ich mehr ihn liebe und ihm nachfolge« (EB 104), detailversessen zum Ausdruck und überraschend zur Erfüllung: Am Vorabend seiner Abreise setzte er sich stillschweigend von der Pilgergruppe ab, um auf dem Ölberg noch einmal die laut Tradition in einen Stein »eingedrückten Fußspuren« Jesu vor dessen Himmelfahrt zu sehen. Dort betete er »mit tiefer Tröstung«. Doch bei einem Abstecher nach Bethfage »fiel ihm wieder ein, dass er auf dem Ölberg nicht richtig hingeschaut habe, an welcher Stelle der rechte und an welcher Stelle der linke Fußabdruck war. Also kehrte er dorthin zurück« (BP 47). Doch nicht da, bei den irdischen Fußspuren Jesu, begegnete der Pilger seinem Herrn, sondern mystisch, als er auf seinem Rückweg von dem ihn suchenden Klosterdiener »heftig am Arm gepackt« wurde und sich »widerstandslos fortführen« ließ: Dort, als er abgeführt wurde, »empfing er von unserem Herrn große Tröstung. Es schien ihm, als sehe er Christus immer über sich« (BP 48).

Aus Sicherheitsgründen lehnte der Franziskanerprovinzial Iñigos Ansinnen, in Jerusalem...

Erscheint lt. Verlag 1.9.2023
Reihe/Serie Ignatianische Impulse
Verlagsort Würzburg
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Religion / Theologie Christentum
Schlagworte Ignatius • menschliche Existenz • Mystik • Pilgern • Pilgerwege
ISBN-10 3-429-06625-5 / 3429066255
ISBN-13 978-3-429-06625-3 / 9783429066253
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