Sprechen in Bildern -  Clemens Krause

Sprechen in Bildern (eBook)

Arbeit mit Metaphern in Psychotherapie, Beratung und Coaching
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
168 Seiten
Kohlhammer Verlag
978-3-17-040702-2 (ISBN)
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Metaphern sind nicht nur ein Stilmittel der Sprache, sondern geben auch unsere Emotionen, Einstellungen und Überzeugungen von innen nach außen wieder. Sie wirken als Suggestion, erhellen bestimmte Aspekte eines Sachverhalts und verdunkeln wiederum andere. Häufig werden Beschwerden und Probleme von Ratsuchenden in Form von Metaphern formuliert ('Mein Alltag ist ein steiler Berg'). Anhand vielfältiger Fallbeispiele wird praxisnah aufgezeigt, wie klientengenerierte Metaphern zur Diagnostik und zur Veränderungsarbeit genutzt werden können, aber auch wie professionelle KommunikatorInnen selbst wirkungsvolle Metaphern einbringen können. Die Effekte und die Herausforderungen einer Arbeit mit Metaphern werden beschrieben.

Dr. Clemens Krause, Verhaltens- und Hypnotherapeut, mehrjährige Tätigkeit in psychosomatischen Kliniken, seit 2008 als Psychotherapeut und Coach in eigener Praxis, Dozententätigkeit in der Aus- und Fortbildung von PsychotherapeutInnen. Er hat sich während des Studiums und der Promotion wissenschaftlich mit Metaphern befasst.

Dr. Clemens Krause, Verhaltens- und Hypnotherapeut, mehrjährige Tätigkeit in psychosomatischen Kliniken, seit 2008 als Psychotherapeut und Coach in eigener Praxis, Dozententätigkeit in der Aus- und Fortbildung von PsychotherapeutInnen. Er hat sich während des Studiums und der Promotion wissenschaftlich mit Metaphern befasst.

2 Das Wesen der Metapher


Nachfolgend wird der Begriff Metapher definiert und eine Abgrenzung zu anderen Begriffen vorgenommen. Wesentliche Aspekte der Metapherntheorie von Lakoff und Johnson werden vorgestellt und die Verarbeitung von Metaphern ausgeführt. Das Konzept der »Lebendigkeit« von Metaphern wird erörtert, ebenso wie entwicklungspsychologische Aspekte und die Bedeutung der kulturellen Fundierung von Metaphern. Es wird aufgezeigt, wie Metaphern die Kriterien von Suggestionen erfüllen, indem sie auf der automatischen Aktivierung von Konzepten und Schemata beruhen, und dass Imagination als Methode zur Arbeit mit Metaphern genutzt werden kann.

2.1 Definition


Das Wort Metapher leitet sich aus dem griechischen »metaphorein« ab, und bedeutet wörtlich »übertragen«. Ich bevorzuge hier eine Definition, die auch einer psychotherapeutischen Sichtweise auf die Metapher gerecht wird, indem sie einen Prozess der gegenseitigen Beeinflussung und Anpassung zwischen zwei Konzepten oder Bereichen, die ursprünglich voneinander getrennt waren, betont. Der Empfänger einer Metapher muss zum einen die Verbindung zwischen den Konzepten erkennen und zum anderen die Modalität der Verbindung rekonstruieren (Hülzer, 1987). Eine Metapher ist dadurch bestimmt, dass sie eine Sache in den Begriffen einer anderen ausdrückt, wobei diese Verknüpfung ein neues Licht auf die beschriebene Sache wirft (Kopp, 1971). Dadurch schafft die Metapher neuartige Sichtweisen eines Sachverhalts, neue Denkperspektiven und Bedeutungen (vgl. Krause & Revenstorf, 1997).

Dabei kann es sich um Fremdes handeln, das einbezogen werden soll, indem neue Fakten, Ereignisse oder Erfahrungen in einen schon bestehenden Rahmen eingeordnet werden. Eine Psychotherapeutin kann einer Patientin, die bisher keine Therapie gemacht hat und unsicher ist, was eine Therapie ist, wie sie abläuft und was von ihr verlangt wird, die Psychotherapie als Bergwanderung nahebringen. Die Patientin kann somit ihre sinnlichen Erfahrungen mit Bergwanderungen und das, was sie darüber weiß, auf das Konzept der Psychotherapie übertragen. Es kann sich aber auch um den umgekehrten Prozess handeln, wobei Bekanntes einen neuen Aspekt erhält, also fremd gemacht wird (Jimenez, 1976). Wenn ich zu jemandem, der meine Kollegin Cornelie lediglich oberflächlich kennt, sage: »Cornelie ist ein Juwel« so kann das sein Konzept und seine Wahrnehmung der Person Cornelie verändern, indem es Aspekte hinzufügt, die vorher nicht repräsentiert waren, wie »sie ist eine geschätzte Person«, »die Beziehung zu Cornelie ist ihm wertvoll, bedeutet ihm etwas«. Diese Vorgänge erinnern an Piagets Beschreibung fundamentaler Lernschemata, nämlich den Konzepten der Assimilation und Akkommodation.

Die Nebeneinanderstellung von einer Zieldomäne und einer Quelldomäne, die miteinander verbunden werden, bilden den Kern einer Metapher. Die Zieldomäne, in der Linguistik auch Tenor, Topik oder Bildempfänger genannt, ist das Subjekt einer Metapher, der Gegenstand, auf den sie sich bezieht. Die Quelldomäne, in der Linguistik auch als Vehikel oder Bildgeber bezeichnet, wird genutzt, um die Zieldomäne zu erklären, dadurch kommt es zu einer Verbindung der gemeinsamen Attribute von Zieldomäne und Quelldomäne. Ein einfaches Beispiel hierfür wäre das von Lakoff & Johnson (2018) verwendete Shakespeare-Zitat: »Julia ist die Sonne«. Eigenschaften, die normalerweise einen Stern, nämlich die Sonne charakterisieren, wie etwa Wärme, Licht und eine zentrale Position, werden auf einen Menschen, namentlich Julia übertragen. Die Konzepte werden somit verbunden und dadurch können auch emotionale Komponenten bzw. Einstellungen, die mit der Quelldomäne Sonne assoziiert sind, auf die Zieldomäne Julia übertragen werden. Genaugenommen wird aber auch das Konzept der Quelldomäne Sonne durch das Konzept der Zieldomäne Julia verändert. So werden einige Eigenschaften der Sonne unterdrückt, die sich nicht für eine Übertragung eignen, z. B.: ist der erdnächste Stern, hat eine große Masse, stößt Gaswolken aus, ist 4,5 Milliarden Jahre alt. Wir sehen daran, dass die Quelldomäne einer Metapher immer auch einen unbenutzten Bereich hat (▸ Abb. 2.1). Nach Jost (2008) kann die Metapher somit als eine Art Filter gesehen werden, der gewisse Aspekte der Quelldomäne betont und andere unterdrückt.

Abb. 2.1:Schematische Darstellung der Übertragung von Eigenschaften der Quelldomäne auf die Zieldomäne einer Metapher unter Berücksichtigung von Kotext und Kontext. Eigenschaften der Quelldomäne Sonne, welche durch die Zieldomäne Julia unterdrückt werden, sind durchgestrichen dargestellt.

Was genau von der Quelldomäne auf die Zieldomäne übertragen wird, wird auch vom Kotext und vom Kontext beeinflusst. Kotext bezeichnet die sprachliche Umgebung einer Metapher und gibt Hinweise, welche Eigenschaften der Quelldomäne auf die Zieldomäne übertragen und welche unterdrückt werden. Deutlich wird das, wenn die Metapher »Julia ist die Sonne« durch die Aussage »Sie blendet Menschen« ergänzt wird. Wir bekommen in diesem Fall ein völlig anderes Bild von Julia als wenn die Metapher durch die Aussage »Menschen können ihre Wärme spüren« ergänzt wird. Der Kontext wird zum einen durch das Konzeptwissen der Empfängerin der Metapher bestimmt (ist der erdnächste Stern, stößt Gaswolken aus, ist 4,5 Milliarden Jahre alt, ist unabdingbar, damit sich auf der Erde Leben entwickeln kann), zum anderen aber auch durch die Kultur. Menschen, die in einer Kultur leben, welche die Sonne als zentrale Gottheit verehrt, haben wahrscheinlich eine besondere Einstellung und Beziehung zur Sonne. Für sie erhielte Julia dann göttliche Eigenschaften. Auch subjektive Erfahrungen mit der Sonne stellen Kontextfaktoren dar. Jemand, der unter einer Sonnenallergie leidet, fühlt sich durch die Sonne womöglich bedroht und könnte dieses Gefühl der Bedrohung auf Julia übertragen. Jemand, der sich gerne sonnt und braungebrannt durch die Gegend läuft, überträgt eher das Gefühl des Wohlbefindens auf Julia.

Durch den Effekt der Übertragung, aber auch des Unterdrückens von Eigenschaften der Quelldomäne (z. B. Emotionen und Einstellungen), haben Metaphern einen suggestiven Effekt (▸ Kap. 2.5). So intendiert die Metapher »Flüchtlingslawine« eine Übertragung der mit der Quelldomäne »Lawine« assoziierten Ängste vor der zerstörerischen Kraft des Naturereignisses, dem Verschüttet werden und dem qualvollen Ersticken, auf die Zieldomäne des Zuzugs von Flüchtlingen. Übertragen werden können aber auch die Hilflosigkeit angesichts einer abgehenden Lawine oder die Motivation aktiv zu werden, um eine Lawine auf jeden Fall zu verhindern. Auch die Metapher der »Asylantenflut« ist verbreitet und überträgt ähnliche Eigenschaften von der Quelldomäne Flut auf die Zieldomäne Asylanten. Beide Metaphern sind eine Untermetapher der Metapher »Der Zuzug von Flüchtlingen ist eine Naturkatastrophe«.

Die Übertragung von Erfahrungen aus einem Bereich, in dem eine gewisse Expertise besteht, auf einen anderen Bereich, der neu ist, scheint ein phylogenetisch und ontogenetisch adaptiver Prozess zu sein, der Sinn macht. Jemand, der gelernt hat Auto zu fahren und dabei eine gewisse Erfahrung und Routine entwickelt hat und nun erstmals mit einem Motorboot fahren möchte, wird seine Erfahrungen des Autofahrens auf das Fahren eines Motorboots übertragen. Beide haben einen Motor, der gestartet werden muss, einen Tank oder Akku, der gefüllt bzw. geladen sein sollte, eine Möglichkeit, das Tempo der Fahrt zu regulieren und ein Lenk- bzw. Steuerrad mit dem die Richtung geändert werden kann. Es gibt also viele Ähnlichkeiten, aber doch gibt es Unterschiede. Beispielsweise gibt es im Boot kein Bremspedal, sondern es wird gebremst, indem der Rückwärtsgang eingelegt wird, es gibt im Boot kein Gaspedal, sondern einen Hebel mit dem beschleunigt werden kann etc. Auto- und Motorbootfahren ist also sowohl gleich als auch unterschiedlich. Um das Neue zu lernen, wird auf das Bekannte zurückgegriffen. Dieser Prozess scheint sowohl in der Entwicklung der Menschheit als auch in der Entwicklung eines jeden Individuums eine zentrale Rolle zu spielen. Julia ist die Sonne und gleichzeitig ist Julia nicht die Sonne. Kopp (1995) geht so weit zu postulieren, dass die Metapher ein grundlegendes Prinzip der Evolution darstellt.

Auch Adjektive (»verworrene Gedanken«), Adverbien (»bitter daherreden«) und Verben (»die gehässigen Worte verbrannten ihre Zunge«) können metaphorisch gebraucht werden und lassen sich auf eine Nebeneinanderstellung zweier Substantive zurückführen (»Gehässigkeit ist Hitze«).

Es gibt neben der Metapher sehr ähnliche Konzepte, von denen ich hier drei aufführen möchte, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede aufzuzeigen.

Das Wort...

Erscheint lt. Verlag 27.9.2023
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie
Medizin / Pharmazie Medizinische Fachgebiete Psychiatrie / Psychotherapie
Schlagworte Beratung • Coaching • Gesprächsführung • Metapher • Psychotherapie
ISBN-10 3-17-040702-3 / 3170407023
ISBN-13 978-3-17-040702-2 / 9783170407022
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