Das Absolute (eBook)

Ein Essay über Einheit
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
113 Seiten
Felix Meiner Verlag
978-3-7873-4453-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Absolute -  Christian Krijnen
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Christian Krijnens kurzgefasster Essay beschäftigt sich mit dem philosophischen Problem par excellence: dem Absoluten. Zwar würde niemand, der sich einen Überblick über die Themen der Gegenwartsphilosophie zu verschaffen versucht, behaupten, diese sei die Wissenschaft des Absoluten. Gleichwohl gehört der Begriff des Absoluten von Anbeginn der Philosophie zu ihren fundamentalen Begriffen. Über weite Strecken bietet das Buch eine systematische Deutung des Hegel'schen Systems der Philosophie, die - neben Kants transzendentalem Idealismus - nach Überzeugung des Autors die avancierteste Position ist, die die Philosophie zu bieten hat. Hegel hatte sich einst so ausgedrückt, dass die Kraft des Geistes nur so groß wie ihre Äußerung und seine Tiefe nur so tief sei, wie er in seiner Auslegung sich auszubreiten und zu verlieren getraut. Entsprechend hängt die Weite des Geistes auch daran, wie tief er in seine Tiefe hinabgestiegen ist. Das Absolute ist dieser Abstieg und die damit einhergehende Ausbreitung. Ausgehend vom Denken als Prinzip von Objektivität und somit Anfangspunkt der Bestimmung des Absoluten legt der Autor dar, wie das Denken sich vom Sein über das Wesen zum Begriff entwickelt. Anschließend folgt ein Kapitel über Natur und Geist, in dem es darum geht, die Welt, in der wir leben, als Realisierung des Absoluten zu begreifen. Der systematischen Ausrichtung gemäß sind bei der Lektüre keine besonderen Vorkenntnisse vonnöten. Der in 128 kurze Abschnitte gegliederte Text samt seiner Terminologie ist aus sich selbst, d. h. aufgrund der entwickelten Argumentation, verständlich.

Christian Krijnen ist Associate Professor für Philosophie an der Freien Universität Amsterdam. Er hat zahlreiche Bücher und Aufsätze zu Kant und Hegel, zur klassischen deutschen Philosophie, zum Neukantianismus und zur Transzendentalphilosophie verfasst.

SEIN


§ 25 Das Denken bestimmt sich selbst als schlechthinnige Voraussetzung alles Gedachten. Der Fortgang der Bestimmung des Anfangs des Denkens als der Gedanke des Seins ist daher zugleich ein Insichgehen der Anfangsbestimmung: ein Fortgang, der ebenso Rückgang in den Grund des Denkens als Grund aller Bestimmtheit ist. Hegel hat diesen Prozess in seiner Logik in bis heute unübertroffener Differenziertheit und im Zusammenhang dargelegt. Das Folgende arbeitet in systematischer Weise Hauptstufen dieses Bestimmungsprozesses als Stufen von Bestimmungsfunktionen heraus. Als Bestimmungsfunktionen des Denkens seiner selbst qua Grund aller Bestimmtheit sind sie eo ipso Funktionen der Selbstbestimmung. Jedwede Äußerlichkeit der Bestimmung ist somit von Anfang an abgewehrt. Das Absolute enthält alle Bestimmtheit in sich selbst und kann nur aus sich selbst erkannt werden.

§ 26 Der Anfang des sich selbst als Grund aller Bestimmtheit bestimmenden Denkens bildet diejenige Selbstbestimmungsfunktion, die Bestimmtheit allererst etabliert. Diese Etablierung ergibt sich aus dem Gedanken des reinen Seins. Der Gedanke des reinen Seins ist der Gedanke in seiner reinen unbestimmten Unmittelbarkeit. In dieser seiner Bestimmungslosigkeit aber ist das Sein das (reine) Nichts. Der Anfang des Denkens qua Anfang der Selbstbestimmung des Absoluten im Element reinen Denkens, d. i. des Logischen, ist somit ambivalent. Obwohl Sein und Nichts sich auszuschließen scheinen, ist der mit dem Seinsgedanken als des unbestimmten Unmittelbaren zu eröffnende logische Raum offenbar identisch mit dem Nichts: Nichts ist ebenfalls unbestimmte Unmittelbarkeit, reine Unbestimmtheit. Sein als Bestimmung des Anfangs geht von sich aus in das Nichts über. Gleiches gilt für das Nichts. Als das, was es ist, unbestimmte Unmittelbarkeit nämlich, ist es vom Sein nicht unterschieden: das Nichts geht von sich aus ins Sein über.

Jedenfalls gilt dies, sofern beide in ihrer Bestimmtheit isoliert betrachtet werden. Als solche erweisen sich Sein und Nichts als dergestalt begrifflich instabil, dass sie zwar beanspruchen, das Ganze des Anfangs, unbestimmter Unmittelbarkeit, zu sein, von sich aus jedoch ineinander übergehen, genauer: sich gar nicht begrifflich für sich festhalten lassen, sondern immer schon ineinander übergegangen sind. Der logische Begriff des Werdens drückt ebendieses unmittelbare ineinander Verschwinden von Sein und Nichts als des Ganzen und damit die Wahrheit beider aus. Im Werden ist das Verschwinden von Sein und Nichts ineinander verschwunden. Denn das Werden ist der Begriff des Denkens als eines reinen, sich selbst unmittelbar vermittelnden Zusammenhangs des Gedankens: unmittelbare Selbstvermittlung reiner Unmittelbarkeit.

Der Anfang des Denkens ist unbestimmte Unmittelbarkeit und als solches sowohl Sein als auch Nichts. Beide erweisen sich als unselbstständige Aspekte unbestimmter Unmittelbarkeit. Sie erweisen sich damit als Momente des Einen, das der Anfang des Denkens ist. Unterscheiden voneinander lassen sie sich erst in ihrem Zusammenhang. Als reine Unbestimmtheit sind beide gedacht als ein Nullfall von Bestimmtheit: Sein Denken ist Denken, das nichts an Bestimmtheit denkt; Nichts denken ist als Denken Sein denken; das Denken in seinem Anfang als unbestimmter Unmittelbarkeit ist der ebenfalls unmittelbare Zusammenhang von Sein und Nichts: Werden.

Folglich ist das dritte Moment unbestimmter Unmittelbarkeit als der Einheit der Momente, d. i. das Werden qua unmittelbare Einheit von Sein und Nichts, kein Verhältnis von bestimmten Größen. Erst im Ergebnis des Ineinanderübergehens der Momente der Anfangseinheit etabliert sich Bestimmtes, etabliert sich bestimmtes Sein. Es etabliert sich für sich Denkbares, das nicht immer schon in Anderes übergegangen ist, sondern eben Bestimmtes ist: Bestimmtheit ergibt sich aus Unbestimmtheit. Die Momente selbst als Momente der Anfangseinheit sind jede eine Einheit von Sein und Nichts; sie bestehen nur in diesem fortwährenden Ineinanderübergehen. In ihm haben sie ihre Einheit und Differenz. Ist dem so, dann hebt sich jedes an ihm selbst auf und ist insofern an ihm selbst das Gegenteil seiner. Das Denken des Anfangs des Denkens ergibt das reine Sein und dieses den Gedanken als selbstbezügliche Einheit: als Ganzes sich wechselseitig bedingender Gedankenbestimmungen.

§ 27 Sein und Nichts bilden den Anfang von Bestimmtheit. Entsprechend machen sie die in allem Fortgang des Denkens zu erhaltende Grundlage aus. Aus ihrem Zusammenhang, der das Werden ist, ergibt sich der Begriff bestimmten Seins, d. i. der Begriff des Daseins. Während Sein und Nichts als unbestimmte Unmittelbarkeiten, Unbezügliches im Werden, als aufeinander bezogen und damit in ihrem Unterschied gedacht werden, liegt erst mit dem Dasein eine bestimmte Einheit vor. Einerseits handelt es sich um eine Einheit des reinen Übergehens, eine Einheit des Bezogenseins der Anfangsmomente des Denkens (Sein und Nichts), um ein prinzipiell Instabiles also. Anderseits aber, nimmt man die Einheit nicht in ihrem Zustandekommen, sondern als Zustandegekommenes, d. i. als Ergebnis, dann ist sie als Stabiles gedacht: als bestimmtes Sein. Dasein ist dieser erste Fall von Bestimmtheit. Es ist das Ergebnis des anfänglichen Zusammenhangs der Denkmomente. Bestimmtes Sein, Dasein, Gedachtes, betreffen die Einheit von Sein und Nichts nicht in ihrer Dimension des Zustandekommens, sondern des Zustandegekommenseins (Werden in der Form des Seins, also in einem der Momente des Seins). Bestimmtes Sein ist einfaches Einssein von Sein und Nichts. Das reine Sein hat sich zu bestimmtem Sein, Bestimmtem, konkretisiert: Sein nicht mehr als reine, unterschiedslose Unmittelbarkeit, sondern Sein (unmittelbar in eins) mit einer Bestimmtheit – Sein mit einem Nichtsein (Nichts). Dieses negative Moment macht die Bestimmtheit oder Qualität des Seins aus.

Dasein als bestimmtes Sein ist in sich unterschieden; es ist eine in sich unterschiedene Einheit. Als Dasein handelt es sich freilich um ein Sein, das unmittelbar eins ist mit seiner Bestimmtheit (Qualität, seiende Bestimmtheit). Ist das Dasein eine unmittelbare Einheit, dann ist die Bestimmtheit der Momente der Einheit vorausgesetzt. Diese Momente, und damit die Voraussetzung der Einheit, müssen ausdrücklich gemacht, also gesetzt werden. Damit wird die eigene Bestimmtheit des Daseins bestimmt, und zwar so, dass sie nicht äußerlich zum Dasein hinzukommt, sondern immanent aus dem schon Erreichten hervortritt. So ist der Fortgang der Bestimmung zugleich Rückgang in den Grund und infolgedessen Ergebnis wahrhafter Selbstbestimmung, reflexiver Konstitutivität. Das Absolute, so wie es im Anfang des Denkens ist, bleibt in sich und bringt alle Bestimmtheit aus sich hervor.

§ 28 Die unmittelbare oder seiende Bestimmtheit, die das Sein als Dasein hat, ist dessen Qualität. Das Dasein ist seine Qualität. Bestimmtes Sein ist, was es ist. Es ist eins mit seiner Bestimmtheit. Diese aber ist sein Nichtsmoment, seine Negativität: Dasein ist Sein mit der Negation, die seine Bestimmtheit ausmacht. In der Form des Seins und damit seiner Positivität genommen ist die Qualität oder seiende Bestimmtheit des Daseins die Realität (Sachhaltigkeit); in der Form des Nichts und damit seiner Negativität genommen ist die Qualität Qualität als nichtseiende Bestimmtheit, als Negation. Somit differenziert sich Dasein, als das bestimmte Sein, das es ist, selbst in Realität und Negation. Beide sind Momente der Eigenbestimmtheit der Qualität. Dasein, zunächst eins mit seiner Bestimmtheit, erweist sich als in sich unterschieden. Es enthält eine gewisse Bestimmtheit, die seine Realität oder Sachhaltigkeit ausmacht, schließt infolgedessen zugleich eine andere Bestimmtheit aus (Negation): Realität in ihrer Bestimmtheit enthält das Moment des Negativen. Nur so ist sie das Bestimmte, das sie ist. Wäre Realität bloß Unbestimmtes, sie wäre nichts als Sein.

Mit alledem wird im Dasein ein bestimmungsfunktionales Selbstverhältnis sichtbar, das sich als Etwas oder Daseiendes bezeichnen ließe: Dasein ist zwar eins mit seiner Bestimmtheit, im Etwas ist es jedoch in dieser von ihm unterschiedenen Bestimmtheit (der Qualität) explizit auf sich selbst bezogen: seine Negation (Bestimmtheit) bezieht sich auf sich und negiert sich damit ebenfalls (Negation der Negation, negative Einheit mit sich).

§ 29 Durch diesen Selbstbezug des in sich konkretisierten Daseins ist erstmals (wenn auch in maximal unbestimmter Weise) ein Bestimmtes erreicht. Die im Werden zum Vorschein gekommene Vermittlung des Seins mit sich selbst ist im Etwas gesetzt. Als gesetzte Selbstvermittlung ist das Etwas der Anfang des Subjekts von Bestimmungen (ὑποκείμενον, subjectum, Substrat). Dieses Bestimmungssubstrat ergibt sich aus der Entwicklung der Momente Realität und Negation im Dasein; es ergibt sich somit durch die Bestimmung der Eigenbestimmtheit des Daseins. Allgemeiner gesprochen: die...

Erscheint lt. Verlag 10.7.2023
Reihe/Serie Blaue Reihe
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Philosophie Geschichte der Philosophie
Geisteswissenschaften Philosophie Philosophie der Neuzeit
Schlagworte G.W.F. • Hegel • Idealismus • Immanuel • Kant • Klassische Deutsche Philosophie
ISBN-10 3-7873-4453-5 / 3787344535
ISBN-13 978-3-7873-4453-6 / 9783787344536
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