KAPITEL 2
VON ERFOLG ZU ERFÜLLUNG

Warum Erfolg mehr ist, als ein Firmenparkplatz oder eine teure Handtasche • Warum du mit doppelt so viel Geld nicht doppelt so glücklich bist und was mich glücklich macht • Wie es dazu kam, dass ich Autovermieter war, und warum ich einmal Bürobote für das Bauamt spielen musste

Was ist denn eigentlich Erfolg? Was ist Erfüllung und was ist der Unterschied zwischen diesen beiden? Es gibt gar nicht wenige Menschen, denen zum Thema Erfolg als Erstes Dinge einfallen, wie einen Ferrari zu fahren, eine teure Uhr oder die Handtasche von Louis Vuitton am Handgelenk zu haben. Andere sehen sich in einer Villa am Meer. Wieder andere denken an den Erfolg ihrer eigenen Firma, für den sie täglich arbeiten. Oder einfach nur daran, wie viel Geld sie gerne auf dem Konto hätten. Manche würden gerne in Bali leben. Oder es sich leisten können, nicht mehr zu arbeiten und nur noch ihren Hobbys nachzugehen. Immer stellt sich die Frage, ob sie das alles wirklich wollen. Und warum.

Im Laufe der Jahre haben die unterschiedlichsten Menschen ihre Vorstellung von Erfolg mit mir geteilt. Und viele kommen über Äußerlichkeiten nicht hinaus. Das ist auf den ersten Blick verständlich. Denn Erfolg hat in unserer Kultur viel mit Symbolen zu tun, mit dem, was andere sehen können. Erfolg hat mit Einfluss, Anerkennung und materiellen Sicherheiten zu tun. Erfolg bezieht sich fast immer auf unsere Außenseite. Aber ist Erfolg im Leben wirklich an Äußerlichkeiten ablesbar? Geben uns Äußerlichkeiten Erfüllung? Ich glaube nicht. Auf die Frage »Was willst du wirklich?«, muss deshalb sinnvollerweise die Frage folgen: »Warum willst du das eigentlich?« Denn jedes materielle Besitztum steht für etwas. Bleiben wir bei dem Wunsch nach einer teuren Uhr. Die Frage ist also: Was verbindest du mit deinem Symbol? Viele Menschen haben darüber noch nie nachgedacht. Wenn ich nicht lockerlasse und immer weiter und weiter nachhake, läuft es am Ende letztlich bei allen auf eines hinaus: Sie wollen sich glücklich und erfüllt fühlen. Und viele Menschen denken, wenn ich erst diese Uhr habe, wenn ich den Firmenparkplatz habe, wenn ich mir dieses und jenes leisten kann, dann bin ich glücklich. In Wahrheit haben sie nur mehr Geld. Das ist nichts Schlechtes. Aber was sie wirklich glücklich macht, wissen diese Menschen nicht. Dass es nicht allein Geld ist, was uns glücklich macht, zeigt ein ganz einfaches Gedankenexperiment. Stell dir vor, du bekommst für deine Arbeit einen Stundensatz von 50 Euro. Glaubst du, du bist mit 100 Euro Stundensatz doppelt so glücklich?

Für andere Menschen wiederum bedeutet daher, erfolgreich zu sein, ihrer Berufung folgen zu können. Immer mehr Menschen wird es wichtig, dazu beizutragen, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Ihren Erfolg messen sie daran, wie gut ihnen das gelingt und welche Spuren sie hinterlassen. Ich könnte Hunderte weitere Beispiele nennen, so groß ist das Spektrum möglicher Antworten. Worauf es jedoch immer hinausläuft, ist der Wunsch nach einem tiefen Gefühl von erlebter Glückseligkeit. Glückseligkeit hört sich vielleicht ein bisschen outdated an. Aber es ist eben mehr als Freude. Beide Emotionen unterscheiden sich in ihrer Natur und Dauerhaftigkeit. Freude bezieht sich typischerweise auf einen momentanen Zustand intensiver Emotionen, der mit einem bestimmten Ereignis oder Erlebnis verbunden ist. Glückseligkeit ist ein stabilerer und langfristigerer emotionaler Zustand. Glückseligkeit bezieht sich nicht nur auf äußere Umstände, sondern auf einen kontinuierlichen Zustand innerer Erfüllung.

Dieses Gefühl kann sich unterschiedlich äußern, etwa als Freiheit, Verbundenheit, Liebe, Wärme, Anerkennung, Zufriedenheit oder Selbstbestimmung. Alle diese Worte kommen jedoch aus dem Verstand, und mit dem Verstand lassen sich Gefühle in letzter Konsequenz nicht beschreiben. Deshalb sind alle Worte, die ich hier verwenden kann, lediglich Hinweise und nicht das Gefühl selbst. Um die Sache noch schwieriger zu machen, kommt hinzu, dass Gefühle höchst individuell sind. Unsere Worte, Gefühle zu beschreiben, können immer nur Annäherungen sein. Wörter haben natürlich trotzdem eine Bedeutung und es lohnt sich, diese Bedeutung genauer anzuschauen. Das gilt auch für Erfolg und Erfüllung. Erfolg hat man, wenn man ein individuelles Ziel erreicht hat. Du nimmst dir beispielsweise vor, 10 Kilo abzunehmen. Wenn du dieses Ziel erreicht hast, dann warst du erfolgreich. Ob du dieses Ziel erreicht hast, kannst du an deiner Waage ablesen. Erfolg im Sinne von Zielerreichung ist immer auf irgendeine Art messbar. Das hat natürlich Vor- und Nachteile. Wenn du dein Ziel erreichst, fühlst du dich erst mal gut. Haken dran. Auf der anderen Seite sagt dir deine Waage aber auch klipp und klar, wenn du dein Ziel verfehlt hast. Häufig stellt sich ein Gefühl der Enttäuschung ob des Misserfolgs ein.

Aber was ist mit Erfüllung? Erfüllung beziehungsweise »erfüllt sein« ist ein inneres Glücksempfinden und höchst individuell. Es ist auch nicht objektiv messbar. Nur du selbst kannst wissen, ob dich etwas erfüllt.

Und obwohl tiefe, innere Erfüllung das ist, wonach wir meiner festen Überzeugung nach alle streben, wissen wir eben oft nicht, was uns diese Erfüllung gibt. Oder besser: Wir wissen es nicht mehr. Denn sehr häufig ist uns dieses Wissen verloren gegangen. Das Tröstliche an diesem Gedanken ist, dass wir Dinge, die wir verloren haben, wiederfinden können. Sie sind nämlich nie ganz weg und haben Spuren hinterlassen, an die wir uns erinnern können. Wir können uns immer neu auf die Suche nach den Dingen begeben, die uns erfüllen und die uns glücklich machen.

Das Erschreckende ist, dass wir diese Suche häufig erst dann beginnen, wenn wir in einer Krise sind. Wenn eine Trennung gerade das persönliche System ins Wanken bringt, wenn wir unsere Arbeitsstelle verlieren, die finanzielle Krise droht und die teure Uhr oder der schöne Urlaub in weite Ferne rücken - wenn wir durch äußere Umstände - Jobwechsel, Burnout, Krankheit, Verlust eines geliebten Menschen - gezwungen sind, unseren bisherigen Lebensentwurf infrage stellen zu müssen. Dir geht es vielleicht gerade so und du liest dieses Buch als ersten Schritt auf deiner persönlichen Suche nach Glück und Erfüllung. Natürlich muss es nicht sein, dass du gerade eine Krise erlebst. Vielleicht bist du sogar ziemlich erfolgreich und möchtest noch erfolgreicher sein. Weil irgendwo in dir eine Leerstelle ist, von der du glaubst, dass mehr Erfolg sie füllen könnte?

Wie war das denn bei mir? Auch ich habe mich lange mit der Frage beschäftigt: Was macht mich eigentlich glücklich? Wann fühle ich mich glücklich? Und ich habe für mich eine Antwort gefunden. Es sind die Momente, in denen ich etwas umsetzen kann. Momente, in denen ich eine Vision gemeinsam mit einem Team umsetzen kann. Wo ich etwas machen kann und am Ende das passiert, was am Anfang nur eine Vision war. Mich macht »machen« glücklich. Es ist ein bestimmender Teil meines Wesenskerns. Es ist das, was mich in diesen Zustand des Flows versetzt. Wenn ich eine Idee habe und - am besten noch mit einem geilen Team - in die Umsetzung gehe, dann bin ich im Flow, dann vergesse ich die Zeit und fühle mich so richtig glücklich. Und diesen Zustand sollte jeder Mensch fühlen können. Flow! Das ist nicht nur einfach ein Begriff fürs Corporate Bullshit-Bingo. Flow ist real. »Flow« ist ein Konzept, das vom Psychologen Mihály Csíkszentmihályi eingeführt wurde. Es bedeutet das Erreichen eines mentalen Zustandes, in dem eine Person vollständig in eine Aktivität eintaucht, völlig absorbiert ist und sich voll und ganz auf den gegenwärtigen Moment konzentriert. In diesem Zustand verliert sie mitunter Zeitgefühl und Blick für die Umgebung - die Aktivität selbst wird nahezu mühelos und angenehm. Du kannst den Flow beim Sport erreichen, aber auch bei der Arbeit, beim Spielen mit den eigenen Kindern, bei kreativer Beschäftigung, beim Konzeptionieren oder Programmieren - was immer du tust. Flow bedeutet, bei dem, was du tust, ein Gefühl erhöhter Konzentration, Klarheit und Kontrolle zu erreichen. Das geht oft mit einem Gefühl tiefer Zufriedenheit und Freude einher und kann sogar zu einem Gefühl persönlichen Wachstums und zu Entwicklung aufgrund der Herausforderung führen. Du weißt, dass du im Flow warst, wenn du auf die Uhr schaust und denkst: »Verdammt, schon 18 Uhr, wo ist nur die Zeit hin? Egal, ich mach weiter, es läuft so gut«, einfach weil du mehr Bock darauf hast, diese Arbeit voranzutreiben, als nach Hause zu gehen.

Ich habe dieses Gefühl sehr früh kennenlernen dürfen. Als ich diesem nachgespürt habe, habe ich mich erinnert, dass ich mit 19 Jahren, damals am Ende der Ausbildung in einem kleinen Start-up, die Idee hatte, mich selbstständig zu machen. Ich hatte einen tollen Job, mit Romann und Robert zwei tolle Chefs, von denen ich viel lernen dufte. Aber ich merkte, dass ein neuer Schritt für mich anstand. Mein guter Freund Christian, dem ich viel zu verdanken habe, und ich entschieden: Wir wollten frei sein, wir wollten unser eigenes Ding machen. Unser erstes eigenes Ding sollten Subway-Sandwiches sein. Die Läden dieser Franchisekette gibt’s heute überall, aber damals ging es eigentlich nicht viel cooler (wirklich!) - auch wenn der Coolness-Faktor für mich gar nicht so entscheidend war. Damals gab es solche Läden in Deutschland nur sehr selten, in meiner Heimat Münsterland schon mal gar nicht. Da wurde man mit großen Augen angeschaut, dass man amerikanische Sandwiches nach Bocholt bringt. Es war, um es mal so zu beschreiben, so cool, dass die Eröffnung direkt...