Laevius – ein altlateinischer Liebesdichter (eBook)

Studien, Text und Interpretationskommentar

(Autor)

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2023
328 Seiten
De Gruyter (Verlag)
978-3-11-123749-7 (ISBN)

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Laevius – ein altlateinischer Liebesdichter - Erik Pulz
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Laevius is the only pre-Catullan Latin love poet whose work can still be reconstructed. This book collects and discusses approximately 50 fragments from his Erotopaegnia, a collection of narrative poems dealing with various themes from Greek myths. Through comprehensive studies and a detailed interpretative commentary, this publication not only illuminates the significance of Laevius himself but also sheds new light on republican poetry as a whole: The Erotopaegnia are not an example of 'neoteric' poetry, but rather serve as an important representative of archaic Latin love poetry, differing significantly from Catullus and the love elegiacs in both content and style.



Erik Pulz, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle (Saale).

A Einleitung


1 Laevius und seine Zeit


1.1 Das literarische Umfeld im späteren zweiten Jh. v. Chr


Die frühesten Dichter Roms begründeten ihre Bekanntheit weitestgehend auf Epen und Dramen. Jenseits dieser beiden Gattungen scheint zwar hier und da Interesse in der römischen Gesellschaft bestanden zu haben, aber ein Bild davon lässt sich heute nur noch schwer zeichnen. Ob beispielsweise Naevius überhaupt mehr als dramatische und epische Dichtung schuf, ist in der Forschung umstritten. Von Livius Andronicus ist immerhin ein anlassbezogenes, im staatlichen Auftrag verfasstes Sühnelied bezeugt, aber auch darüber haben wir heute keine tiefergehenden Kenntnisse mehr.1 Vermutlich hat sich erst Ennius in größerem Umfang anderen Gattungen gewidmet. Seine heute unter der Kategorie ‚opera minora‘ zusammengefassten Gedichte, zum Beispiel die Saturae, der Sota oder die Hedyphagetica, erscheinen aber mehr als kleinere Nebenprojekte. Ob er allein damit zu großer Bedeutung gelangt wäre, muss man wohl anzweifeln.

Demgegenüber spezialisierten sich einige Jahrzehnte nach Ennius’ Tod immer mehr Dichter auf gerade kleinere Gattungen, die den Römern oft schon aus der hellenistischen Literatur bekannt waren und direkt aus ihr übernommen, adaptiert oder weiterentwickelt wurden. Unter ihren Vertretern finden sich Gelegenheitspoeten wie der Politiker Q. Lutatius Catulus (Konsul 102), von dem dank verschiedener Quellen zwei erotische Epigramme komplett erhalten geblieben sind; dass es mehr davon gab, ist wahrscheinlich, wenn auch nicht sicher.2 Etwa zur selben Zeit lebte Lucilius, der anders als Catulus im Dichten seine eigentliche Berufung fand. Er war römischer Ritter, verzichtete aber wohl bewusst auf Staatsämter, um sich, fern vom aktiven politischen Leben, aber dennoch vernetzt in den höchsten gesellschaftlichen Schichten, ganz und gar seinen Satiren widmen zu können.3 Spätestens zu dieser Zeit war Dichten also auch in nicht-epischen und nicht-dramatischen Gattungen en vogue: Wer versucht, sich einen Überblick darüber zu verschaffen, wird auf alle möglichen verschiedenen Formen und Inhalte stoßen, mit denen sich eine große Zahl an literarisch ambitionierten Männern und Frauen4 versuchten hervorzutun. Aber im Gegensatz zu den frühesten Tragödien- und Ependichtern sind heute meist nur noch ihre Namen und allenfalls noch einige wenige Fragmente von ihnen bekannt.

Alles, was davon noch gut genug erhalten ist, um ein hinreichend sicheres Urteil zuzulassen, spiegelt einen Findungsprozess wider, der durch literarische Neugierde, durch dichterische Versuche unterschiedlicher Art und durch einzigartige Experimente gekennzeichnet ist. Viele der zu dieser Zeit geprägten Formen und poetischen Techniken haben keinen bleibenden Eindruck hinterlassen und sich schnell wieder überlebt, andere waren prägend für die Entwicklung der lateinischen Literatur: Zum Beispiel bildete Lucilius aus den ennianischen Saturae über einen längeren Zeitraum unter anderem durch Variierung des Metrums die später auf Horaz, Persius und Iuvenal so stark wirkende hexametrische Satire. Damit schrieb er Literaturgeschichte. Ganz anders war es bei einer weiteren ennianischen Kleingattung gemischten Inhalts, dem Sota. Selbst nachdem Accius deren Tradition mit den mehrere Bücher umfassenden Sotadica versuchte fortzuführen, konnte sie sich nie wirklich etablieren. Auch ihr Versmaß, der Sotadeus, blieb ein Nischenmetrum. Das gerade in hellenistischer Zeit so beliebte literarische Epigramm wiederum fand ab 150 v. Chr. immer mehr Gefallen in Rom,5 wobei der direkte und indirekte Einfluss dieser Entwicklung auf Catull oder Martial ganz offensichtlich ist. Aber auch dafür lässt sich mit den an Herondas angelehnten Mimiamben des Cn. Matius ein Gegenbeispiel anführen: Die Gattung verlor sich im Dunkeln, auch wenn das für sie maßgebliche Metrum, der Hinkiambus, in der lateinischen Dichtung stets präsent bleibt.

Bei dieser immer mehr aufkommenden Art von Dichtung waren die Erwartungen der Rezipienten noch nicht vorgebildet, die Grenzen des literarisch Möglichen noch nicht wirklich abgesteckt. Jeder Dichter hatte zur richtigen Zeit und im richtigen Umfeld die Chance, sich mit neuen Experimenten, mit neuen Formen, mit neuen Themen und mit neu aus dem Griechischen erschlossenen Versmaßen unsterblich zu machen – genauso gut konnte er unter unglücklicheren Umständen aber komplett in Vergessenheit geraten.

Diese schnelllebige Zeit des Erneuerns und Verwerfens verkörpert auch der Dichter Laevius. Er gehört nicht wie Ennius zu denjenigen, die von so großer Bedeutung waren, dass sie nach ihrem Tod noch regelmäßig Erwähnung in der lateinischen Literatur fanden. Trotzdem haben antike Grammatiker und Schriftsteller genügend Informationen und Fragmente von ihm überliefert, dass es möglich sein wird, einen tieferen Einblick in sein Schaffen zu gewinnen. Wie auch viele andere Dichter dieser literarischen Findungsphase stand Laevius für sich: Soweit heute erkennbar ist, widmete sich zur selben Zeit kein Zweiter einer vergleichbaren poetischen Technik oder einem vergleichbaren Inhalt. Erotische Dichtung war für die Römer zwar nichts Neues: Valerius Aedituus, Porcius Licinus und der bereits erwähnte Lutatius Catulus verfassten bald nach Ennius’ Tod erotische Epigramme, die sich an der dichterischen Technik des Hellenismus orientierten.6 Jedoch war Laevius wohl der Erste und Einzige, der sich offenbar in großen Teilen, wenn nicht sogar gänzlich, der Liebesdichtung, und zwar vor allem der erzählenden mythologischen Liebesdichtung, verschrieb. Damit war er natürlich nicht der Letzte. Und es wird sich zeigen, dass er mit Themenwahl und Motivik eine in ihrem Ausmaß sicherlich nicht zur Gänze bestimmbare, aber doch erkennbare Wirkung auf die weitere Literaturgeschichte entfalten konnte. Er war wohl auch der Erste und Einzige, der sich an hellenistischen Buchdichtungs-Experimenten versuchte, indem er manche seiner Verse nach silbenzählenden Prinzipien konstruierte oder mit seinen Gedichten Figuren und Gestalten abbildete. Hierbei sollte er ebenso wenig der letzte lateinische Dichter bleiben. Aber erst Porfyrius Optatianus griff gut 400 Jahre später zur Zeit Konstantins die Technik in anderer Form wieder auf. Zuletzt war er der Erste und Einzige, der lange Gedichte bestehend aus Strophen und Systemen in unterschiedlichen Versmaßen verfasste. Porphyrio bezeichnet ihn deswegen später als den frühesten lateinischen Lyriker, noch vor Horaz (T 1). Mit seinem metrischen Variantenreichtum und seinen vielfachen Versmaßwechseln innerhalb ein und desselben Gedichts bleibt Laevius sogar für alle Zeiten eine auffällige Erscheinung in den kleineren Gattungen der lateinischen Literatur.

Wie es unter den Dichtern des späteren zweiten Jh.s üblich war, hat Laevius diese Einmaligkeit auch ganz bewusst gesucht und sie stilisiert nach außen getragen. Seine Art zu dichten und sein poetisches Selbstverständnis, das er in seinen Erotopaegnia mehrmals direkt oder indirekt zum Ausdruck bringt,7 geben zu verstehen, dass er wenigstens den Anspruch hatte, zu den großen Persönlichkeiten zu gehören, die mit ihrem Innovationsgeist ein wirkungsstarkes Glied der Literaturgeschichte bilden.

1.2 Laevius’ Name


Über Laevius’ Leben gibt es keine Nachrichten. Noch nicht einmal der verhältnismäßig selten belegte Name gibt einen Hinweis auf seine Herkunft. Angehörige einer gens Laevia sind meist nur durch einige Inschriften, größtenteils aus Norditalien und Latium, bekannt.8 Ferner erwähnt Cato laut Priscian einen uralten dictator Latinus aus Tusculum, der vielleicht den Namen Egerius Laevius getragen haben könnte. Doch die Prisciancodices sind an dieser Stelle unsicher. Manche von ihnen überliefern den Namen Egerius Baebius, während derselbe Diktator bei Festus Manius Egerius heißt.9

Am ehesten lohnt es sich noch Fr. Büchelers Idee zu verfolgen, nach der Sueton einige Nachrichten über Laevius überliefern könnte: In seiner Abhandlung De grammaticis et rhetoribus berichtet der Biograph von den horrenden Preisen, die für gut ausgebildete Sklaven erzielt worden seien und sich mit der Zeit so sehr erhöht hätten, dass Q. Lutatius Catulus ganze 700.000 Sesterzen für einen Sklaven namens Daphnis gezahlt, ihn aber kurz darauf wieder freigelassen habe. Sueton schmückt seine Ausführung mit dem Witz eines Melissus, der das Verhältnis zwischen Catulus und Daphnis vermutlich sexuell deutet, indem er es mit der mythischen Liebesgeschichte zwischen Pan und Daphnis parallelisiert.10 Die Handschriften bieten folgenden Text (gramm. 3.5) :

pretia uero grammaticorum tanta mercedesque tam magnae ut constet Lutatium Daphnidem, quem leuius Melissus per cauillationem nominis Πανὸς ἀγάπημα dicit, septingentis milibus nummum a Q. Catulo emptum ac breui manumissum.

Die Preise für Grammatiker waren aber so hoch und ihr Lohn dermaßen groß, dass, wie...

Erscheint lt. Verlag 24.7.2023
Reihe/Serie ISSN
Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte
Zusatzinfo 1 col. tbl.
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Sprach- / Literaturwissenschaft Latein / Altgriechisch
Geisteswissenschaften Sprach- / Literaturwissenschaft Literaturwissenschaft
Schlagworte Erotopaegnia • Laevius • Latein • Latin • Liebesdichtung • Love poetry
ISBN-10 3-11-123749-4 / 3111237494
ISBN-13 978-3-11-123749-7 / 9783111237497
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