In »Can't Hurt Me« erzählt er seine wahrlich erstaunliche Lebensgeschichte und zeigt, dass die meisten von uns nicht einmal die Hälfte ihres Potenzials ausschöpfen. Goggins bezeichnet dies als 40-Prozent-Regel. Sein herausragendes Beispiel veranschaulicht hingegen, wie es jedem gelingen kann, das zu ändern und Schmerzgrenzen und Ängste zu überwinden.
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David Goggins ist ein ehemaliger Navy SEAL und hat an mehr als 60 Ultra-Marathons und (Ultra-)Triathlons teilgenommen, wobei er neue Streckenrekorde aufstellte und regelmäßig unter den fünf Erstplatzierten war. Er hielt den Guinness-Weltrekord für 4030 Klimmzüge in 17 Stunden und ist der erste Mensch, der jemals das Elitetraining zu sowohl Navy SEALs als auch U.S. Army Ranger und Air Force Tactical Air Controller bestand. Wegen seiner zahlreichen Ausdauerrekorde wurde er vom Magazin »Outside« als »The Fittest (Real) Man in America« bezeichnet.
Kapitel 1
Beinahe wäre ich als Zahl in einer Statistik geendet
Wir fanden unsere Hölle in einer wunderschönen Nachbarschaft. 1981 bot das Städtchen Williamsville die schönsten Immobilien in der Region von Buffalo, New York. Eine begrünte und freundliche Gegend, deren sichere Straßen hübsche Häuser säumten, bewohnt von Vorzeigebürgern. Ärzte und Zahnärzte, Anwälte, leitende Angestellte eines Stahlwerks und Profi-Footballer lebten dort mit ihren hingebungsvollen Ehefrauen und ihren 2,2 Kindern. Die Autos waren neuwertig, die Straßen gekehrt, die Möglichkeiten endlos. Wir reden hier über den lebendigen, atmenden American Dream. Die Hölle, das war ein Eckgrundstück in der Paradise Road.
Dort lebten wir in einem zweigeschossigen, weiß vertäfelten Haus mit vier Schlafzimmern. Vier quadratische Säulen umrahmten eine Veranda, vor der sich der größte und grünste Rasen in ganz Williamsville erstreckte. Nach hinten raus hatten wir einen Gemüsegarten und eine Doppelgarage, in der ein 1962er Rolls Royce Silver Cloud sowie ein 1980er Mercedes 450 SLC standen. In der Auffahrt parkte eine funkelnagelneue schwarze Corvette, Baujahr 1981. Jeder, der in der Paradise Road lebte, rangierte in der Nahrungskette weit oben, und mit Blick auf unsere äußere Erscheinung dachten die meisten unserer Nachbarn, dass wir, die als glücklich und gediegen geltende Familie Goggins, die Spitzenposition einnahmen. Aber eine glänzende Oberfläche reflektiert viel mehr, als dass sie etwas zum Vorschein bringen würde.
Unter der Woche sahen sie uns morgens um sieben zusammen in der Einfahrt stehen. Mein Dad, Trunnis Goggins, war nicht groß, aber er war gut aussehend und hatte die Statur eines Boxers. Er trug maßgeschneiderte Anzüge, hatte ein warmes, offenes Lächeln. Er sah durch und durch so aus wie ein erfolgreicher Geschäftsmann auf dem Weg zur Arbeit. Meine Mutter Jackie war 17 Jahre jünger als er, schlank und wunderschön. Und mein Bruder und ich waren ordentlich frisiert, trugen saubere Jeans und pastellfarbene Hemden der Marke IZOD. Den Rucksack hatten wir auf die Schultern geschnallt, ganz wie die anderen Kids. Die weißen Kids. In unserer Version des Wohlstandsamerikas war jede Einfahrt eine Bühne, auf der einander zugenickt und gewunken wurde, bevor Eltern und Kinder sich auf den Weg zur Arbeit und zur Schule machten. Die Nachbarn sahen, was sie sehen wollten. Niemand schaute allzu genau hin.
Eine gute Sache. Denn in Wahrheit war Familie Goggins gerade erst zurückgekehrt von einer weiteren arbeitsreichen Nachtschicht im Schwarzen-viertel, und wenn Paradise Road die Hölle war, dann lebte ich mit dem Teufel persönlich unter einem Dach. Sobald unsere Nachbarn die Tür hinter sich geschlossen hatten oder um die Ecke gebogen waren, verzog sich das Lächeln meines Vaters zu einer finsteren Grimasse. Er kläffte Befehle und ging ins Haus, um seinen Rausch auszuschlafen, während unsere Arbeit noch nicht getan war. Mein Bruder, Trunnis Jr., und ich mussten zur Schule gefahren werden, und es war die Aufgabe unserer schlaflosen Mutter, das zu tun.
1981 war ich in der ersten Klasse, und ich saß völlig benommen im Unterricht. Nicht, weil mir der Lernstoff schwergefallen wäre – zumindest noch war das nicht der Fall –, sondern weil ich mich nicht wachhalten konnte. Die Arme hatte ich auf dem Pult zu einem bequemen Kissen verschränkt; der Singsang der Stimme meiner Lehrerin war mein Schlaflied, und ihre scharfen Worte – einmal hat sie mich beim Träumen erwischt – waren mir ein unliebsamer Wecker, der einfach nicht aufhörte zu schrillen. Kinder in diesem jungen Alter sind nimmersatte Schwämme. Sprachen und Konzepte nehmen sie in Warp-Geschwindigkeit auf und schaffen sich so ein Fundament, auf das die meisten Menschen Fähigkeiten für das ganze Leben aufbauen, zum Beispiel Lesen und Schreiben und die Grundrechenarten. Da ich nachts aber arbeitete, konnte ich mich morgens meist auf gar nichts konzentrieren, außer darauf wachzubleiben.
Die Pause und der Sportunterricht waren Minenfelder ganz anderer Art. Draußen auf dem Pausenhof fiel es mir noch am leichtesten, bei klarem Verstand zu bleiben. Viel schwerer war das ewige Versteckspiel. Mein Hemd musste ordentlich eingesteckt bleiben. Kurze Hosen kamen nicht infrage. Prellungen und andere Verletzungen waren Alarmsignale, die ich niemanden sehen lassen durfte, denn ich wusste, dass ich mir noch mehr davon einhandeln würde, wenn ich es doch tat. Dennoch wusste ich, dass ich auf dem Pausenhof und im Klassenzimmer in Sicherheit war, zumindest für eine kleine Weile. Die Schule war der eine Ort, an dem er mich nicht packen konnte, zumindest nicht physisch. Mein Bruder führte in der sechsten Klasse, seinem ersten Jahr an der Middle School, einen ähnlichen Tanz auf. Er musste seine eigenen Wunden verstecken, und er musste versuchen, etwas Schlaf zu kriegen, denn wenn die Schulglocke klingelte, fing das richtige Leben an.
Die Fahrt von Williamsville in den Masten District im Osten Buffalos dauerte etwa eine halbe Stunde, aber zwischen beiden Orten hätte ebenso gut eine ganze Welt liegen können. Masten war, wie weite Teile East Buffalos, ein schwarzes Arbeiterviertel in der Innenstadt, in dem es eher ruppig zuging; allerdings war es Anfang der Achtziger noch nicht ganz das heruntergekommene Ghetto. Damals brummte das Bethlehem-Stahlwerk noch, und Buffalo war die letzte große Stahlmetropole Amerikas. Die meisten Männer der Stadt, ob schwarz oder weiß, hatten ordentliche Gewerkschaftsjobs und verdienten genug, um ihre Existenz zu sichern, was bedeutete, dass die Geschäfte in Masten gut liefen. Für meinen Dad war das immer der Fall gewesen.
Im Alter von 20 Jahren hatte er eine Vertriebslizenz für Coca-Cola und bediente vier Lieferrouten im Großraum Buffalo. Für einen jungen Kerl bedeutete das eine Menge Geld, aber er hatte größere Träume und den Blick in die Zukunft gerichtet. Seine Zukunft hatte vier Räder und wurde mit Disco-Funk beschallt. Als eine lokale Bäckerei dichtmachte, mietete er das Gebäude an und errichtete eine der ersten Rollschuhbahnen in Buffalo.
Zehn Jahre vorgespult: »Skateland« war in ein Gebäude in der Ferry Street umgezogen, das sich im Herzen des Masten District über fast einen ganzen Block erstreckte. Über der Laufbahn eröffnete er eine Bar, der er den Namen »Vermillion Room« gab. In den 1970er-Jahren war das in East Buffalo ein Hotspot, und dort lernte er meine Mutter kennen. Da war er 36 und sie gerade 19 Jahre alt. Sie war vor Kurzem erst von zu Hause ausgezogen. Jackie war ein Kind katholischer Eltern. Trunnis war der Sohn eines Pastors und sprach ihre Sprache gut genug, um sich ihr gegenüber als gläubiger Christ maskieren zu können, was ihr gefiel. Aber machen wir uns nichts vor. Von seinem Charme war sie nicht minder hingerissen.
Trunnis Jr. wurde 1971 geboren. Ich kam 1975 zur Welt, und als ich sechs Jahre alt war, hatte der Rollerdisco-Hype gerade seinen absoluten Höhepunkt erreicht. Im Skateland war jede Nacht was los. Für gewöhnlich kamen wir dort gegen 17 Uhr an, und während mein Bruder am Verkaufsstand arbeitete – wo er das Popcorn zubereitete, die Hot Dogs grillte, den Kühlschrank neu befüllte und Pizzen zubereitete –, sortierte ich die Schlittschuhe nach Größe und Design. Jeden Nachmittag stand ich auf einem Tritthocker, um die Bestände mit einem Schuhdeodorant zu besprühen und defekte Gummistopper zu ersetzen. Der Aerosol-Gestank nebelte meinen Kopf ein und setzte sich in meinen Nasenlöchern fest. Meine Augen waren ständig blutunterlaufen. Stundenlang konnte ich nichts anderes riechen. Aber davon durfte ich mich nicht ablenken lassen, ich musste immer den Überblick behalten und ständig auf Trab sein. Denn mein Vater, der am DJ-Pult arbeitete, sah alles, und wenn auch nur ein Rollschuh fehlte, ging’s mir an den Kragen. Bevor der Laden öffnete, wienerte ich den Boden der Rollschuhbahn mit einem Wischmopp, der doppelt so groß war wie ich.
Gegen 18 Uhr rief meine Mutter uns zum Abendessen in das Büro in den hinteren Räumen. Diese Frau lebte in einem permanenten Zustand des Nicht-wahrhaben-Wollens, aber ihr Mutterinstinkt war aufrichtig, und wenn sie versuchte, irgendwie an einem letzten Rest Normalität festzuhalten, dann legte sie sich dabei hemmungslos ins Zeug. Jeden Abend stellte sie in diesem Büro zwei Elektrokochplatten auf den Boden, hockte im Fersensitz dahinter und bereitete ein vollständiges Dinner zu – Rostbraten, Kartoffeln, grüne Bohnen und Baguette-Brötchen –, während mein Vater die Buchführung erledigte und Telefonate machte.
Mit sechs Jahren im »Skateland«
Das Essen schmeckte gut, aber selbst im Alter von sechs, sieben Jahren wusste ich schon, dass unsere »Familienessen« ein lächerlicher Abklatsch dessen waren, was bei den meisten Familien stattfand. Auch weil wir so schnell aßen. Wir hatten keine Zeit, es zu genießen, denn wenn um 19 Uhr die Türen öffneten, dann hieß es »Showtime«, und jeder von uns hatte an seinem Platz...
Erscheint lt. Verlag | 20.8.2023 |
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Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Psychologie |
Schlagworte | Ausdauersport • Can't Hurt Me deutsch • David Goggins deutsch • Erfolg • Erfolgsgeschichte • Ironman • Marathon • Mindset • Resilienz • Selbstoptimierung • Triathlon • Ultra Marathon |
ISBN-10 | 3-7453-2228-2 / 3745322282 |
ISBN-13 | 978-3-7453-2228-6 / 9783745322286 |
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