Ötztaler Gletscher -

Ötztaler Gletscher (eBook)

Katastrophen, Klimawandel, Kunst
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
188 Seiten
StudienVerlag
978-3-7065-6334-5 (ISBN)
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Die Ötztaler Gletscher bilden eine der größten zusammenhängenden Eisflächen der Ostalpen. Seit über 400 Jahren werden sie von den Menschen beobachtet, gefürchtet, gezeichnet und interpretiert. Ein Aquarell des Vernagtferners von 1601 ist die älteste Darstellung eines Gletschers überhaupt. Der Blick auf die imposanten alpinen Eisriesen wirkt durch die Zeiten wie ein Spiegelbild unserer Gesellschaft: Wurde einst das krachende, bedrohliche Vorstoßen der Gletscher von der bäuerlichen Bevölkerung in Form von Frevelsagen verarbeitet, so zogen Eisbrüche und Gletscherseen ab dem 19. Jahrhundert Forschende, Bergbegeisterte und Reisende in Scharen ins Hochgebirge. In den vergangenen Jahrzehnten wurden Gletscher zum Symbol für die rasante Klimaerwärmung schlechthin - und sie finden als solches einmal mehr Eingang in das zeitgenössische Kunstschaffen.

Edith Hessenberger, MMag. Dr. Kulturwissenschaftlerin und seit 2018 Leiterin der Ötztaler Museen Forschungsschwerpunkte: Geschichte der alpinen Berglandwirtschaft, Tourismusgeschichte, Migrationsgeschichte, Oral History und Erzählforschung Veronika Raich, Mag. Studium Erziehungswissenschaften/Psychologie, seit 2001 im Österreichischer Alpenverein, Fachbereich Museum.Kultur u. a. als Kulturvermittlerin und Ausstellungskuratorin im Besonderen für Alpenvereinssektionen tätig. Arbeitsschwerpunkte: Alpin- und Tourismusgeschichte Ausstellungsschwerpunkte: Alpenvereinskulturgeschichte(n)

Edith Hessenberger, MMag. Dr. Kulturwissenschaftlerin und seit 2018 Leiterin der Ötztaler Museen Forschungsschwerpunkte: Geschichte der alpinen Berglandwirtschaft, Tourismusgeschichte, Migrationsgeschichte, Oral History und Erzählforschung Veronika Raich, Mag. Studium Erziehungswissenschaften/Psychologie, seit 2001 im Österreichischer Alpenverein, Fachbereich Museum.Kultur u. a. als Kulturvermittlerin und Ausstellungskuratorin im Besonderen für Alpenvereinssektionen tätig. Arbeitsschwerpunkte: Alpin- und Tourismusgeschichte Ausstellungsschwerpunkte: Alpenvereinskulturgeschichte(n)

Marzellferner und Similaun 1884. Photographie von Gustav Jägermayer

Gletscherbilder aus dem Ötztal


Gernot und Ilse Patzelt

Gletscher sind eine Naturerscheinung. Ihre Darstellung in Bildern diente ursprünglich dazu, ihren Zustand festzuhalten und zu dokumentieren, so wie das der Landschaftsmaler Thomas Ender im Auftrag von Erzherzog Johann in vorbildlicher Weise getan hat. Er hat mit seinen Aquarellen aber auch Kunstwerke von höchster Vollendung geschaffen. Als Kunstwerke zu betrachten sind auch frühere Arten der Landschaftsdarstellung, so wie etwa die Tirolkarte von Peter Anich und Blasius Hueber, in der das Ötztal besonders detailreich und genau bearbeitet ist.

Gletscherbilder aus dem Ötztal gibt es neben der Pasterze (Großglocknergruppe) so zahlreich wie sonst aus keiner Gebirgsgruppe der Ostalpen. Hier haben die Gletscher in den Wirtschaftsraum heruntergereicht, diesen oft durch rasches Anwachsen gefährdet und bei Gletscherausbrüchen auch zerstört. So ist die älteste Darstellung eines Alpengletschers mit dem Zungenende des Vernagtferners im Jahre 1601 entstanden. Die spätere Vorstoßperiode des Vernagtferners um 1680 ist dann sehr genau beobachtet worden. Solche Gletscherbilder werden heute auch als frühe Kunstwerke der Landschaftsdarstellung betrachtet.

Ab 1868 wird die Gletschersituation in Fotografien festgehalten und damit das zunehmende Reisepublikum angesprochen. Die Ötztaler Gletscher werden auf diese Weise weit über die Landesgrenzen hinausreichend bekannt gemacht. Kunsthistorisch hat die Fotografie jedoch geringere Bedeutung. Nur mit der Einführung der Lithografie erfährt die Darstellungsmethode von Gletschern eine neue Komponente, die der Verbreitung von Gletscherbildern sehr förderlich ist. Das Bild des Gurgler Ferners ist ein frühes Beispiel dafür.

Die Gletscherbilder und ihre kunsthistorische Bedeutung


Die im Jahre 1601 entstandene Abbildung des Vernagtferners mit dem gestauten Talsee und den zahlreichen Maßangaben1 wird dem Bauschreiber Abraham Jäger zugeschrieben. Es ist dies die älteste Bilddarstellung eines Gletschers der Alpen (Abb. 1). In weiterer Folge ist der Vernagtferner immer wieder bis ins Rofental vorgestoßen und hat den See aufgestaut. Er wurde genau beobachtet, sodass die Vorstoßperiode der Jahre um 1680 sehr gut dokumentiert ist: Im Mai 1678 ist der Gletscher bis ins Haupttal vorgerückt (Abb. 2) und hat am 29. Mai 1679 das Rofental abgesperrt (Abb. 3). Bis Anfang Juli 1681 ist der Seespiegel weiter angestiegen und erreichte am 10. Juli 1681 den Maximalstand dieser Vorstoßperiode. Am 15. Juli 1681 war der Eisdamm des Vernagtferners hammerförmig ausgebreitet und der See reichte bis zur Einmündung des Abflusses vom Hochjochferner zurück (Abb. 4).

In der Tirolkarte von Peter Anich und Blasius Hueber, die 1769 gezeichnet wurde und 1771 erschienen ist, sind die Gletscher des inneren Ötztales erstmals detailliert dargestellt. In der Karte ist der Vernagtferner und der von ihm gestaute See eingetragen und mit der Anmerkung versehen: „gewester See so Ano 1678, 1679, u. 1681 völlig ausgebrochen und 1771 sich wieder gesamelt“2. Die Eintragung ist ein wichtiges gletschergeschichtliches Dokument, aber als solches kein Kunstwerk. Die Karte als Ganzes hat jedoch zweifellos kulturhistorische Bedeutung. Sie ist ein kunstvolles Werk der Rokokozeit.

Der Gletschervorstoß von 1771 war der Anlass, der den Mechanikprofessor der Universität Wien, Joseph Walcher, zur Reise ins Ötztal anregte. Walcher (1773) hat neben der wenig aussagekräftigen Abbildung des Gurgler Ferners (Abb. 5) vor allem den Vernagtferner beschrieben und in eindrucksvollen Bildern dargestellt. Davon wurde die Abb. 6 ausgewählt. Sie zeigt den zerklüfteten Vernagtferner, der mit dem Zungenende das Rofental absperrt und den See aufstaut. Dieser See ist noch im Jahre 1771 erstmals ausgebrochen, was im Tal große Überflutungsschäden zur Folge hatte.

Im Jahre 1802 wurde unter der Leitung von Martin von Molitor der Gurgler Ferner von Jakob Gauermann aufgenommen (Abb. 7). Der See war zum Aufnahmezeitpunkt ausgeflossen. Die zurückgebliebenen Eisschollen geben jedoch ein eindrucksvolles Bild von der damaligen Situation.3

Im Jahre danach, 1803, hat der Landschaftsmaler Ferdinand Runk drei eindrucksvolle Bilder vom Gurgler Ferner hergestellt, wobei vor allem das Halbpanorama von einem Standpunkt in der Nähe der heutigen Langtalereck-Hütte hervorzuheben ist (Abb. 8–10).4 Es zeigt den Gletscherstand knapp vor dem Vorstoß von 1812. Damit ist die Ausdehnung des Gurgler Ferners vor dem Maximalstand des Gletschers in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts festgehalten, der das Ausmaß dieses Vorstoßes bis zum historischen Maximalstand um 1855 festzulegen gestattet.5

Aus den 1830er Jahren ist von Carl Frommel ein Bild des Gurgler Fernes im Bereich des Sees überliefert (Abb. 11),6 das jedoch weniger als Gletscherdokument, sondern mehr als Beleg für Anschaulichkeit und Verwertbarkeit der Lithographie in der Landschaftsdarstellung diente, indem das Gletschertor des Seeabflusses durch die Art der Darstellung hervorgehoben wurde.

Die zweifellos beste und auch künstlerisch wertvollste Darstellung der Ötztaler Gletscher ist Thomas Ender zu danken. Er hat im Auftrag von Erzherzog Johann auf seiner Malreise durch das Ötztal im Jahre 1844 Gletscherbilder mit höchster Genauigkeit geschaffen, die den Zustand und die Ausdehnung in diesem Jahr zeigen. Dazu hat er ein Tagebuch geführt und entsprechend berichtet, sodass die Aufnahmen präzise datiert sind.

Am Weg durch das Ötztal hat Thomas Ender zuerst den Sulztal- und Bockkogelferner aufgesucht. Das Zungenende des Sulztalferners bricht steil und zerklüftet ab und zeigt damit eindeutig Vorstoßtendenz an (Abb. 12). Eine schattenverdunkelte Moräne dahinter weist auf einen höheren und weiterreichenden Gletscherstand hin. Der seitlich zufließende Bockkogelferner endet in den Felsen der Steilstufe und lässt auf beiden Seiten eine frische, noch unbewachsene Seitenmoräne erkennen. Der Gletscher zeigt jedoch Wachstumstendenz, wie die aufgeschobene Moräne in der Bildmitte erkennen lässt. Zehn Jahre später, um 1850, hat er die Moräne des Sulztalferners erreicht und beide Gletscher bilden ein gemeinsames Zungenende.

Ein hervorragendes Gletscherbild ist im Jahre 1844 vom Vernagtferner entstanden (Abb. 13). Die aufgewölbte Gletscherzunge befindet sich im Vorstoß. Sie erreicht noch im selben Jahr die 760 m entfernte Haupttalsohle und staut die Rofentaler Ache zu einem See auf, der mehrfach ausbricht und Hochflutschäden im ganzen Tal verursacht. In Innsbruck ist der Inn infolge des ersten Ausbruches im Jahre 1844 um 2 Fuß (61 cm) angestiegen und hat Stadtteile überschwemmt.7

Im gleichen Jahr (1844) hat Thomas Ender vom Rotmoosferner ein Bild erzeugt, das das steil aufgewölbte Zungenende nahe an seinem historischen Maximalstand zeigt (Abb. 14). Die Rotmoosache umfließt auf diesem Bild das Rotmoos ganz an der linken Talflanke. Anschließend ist Thomas Ender taleinwärts zum Gurgler Ferner gegangen und hat den Gletscher und den von ihm gestauten Eissee aufgenommen (Abb. 15). Die mächtig entwickelte Gletscherzunge staut den Abfluss des von Südwesten zufließenden Seitentales. Auf dem See schwimmen abgebrochene Eisschollen und bedecken die Seeoberfläche. In Bildmitte ist eine eisfreie, von abgebrochenen Eismassen umgebene Fläche eingetragen. Das Bild lässt erkennen, dass der Seespiegel gegenüber einem kurz vorher erreichten Hochstand eingesunken ist.

Den Eissee hat Thomas Ender nochmals mit der Gletscherzunge des Langtaler Ferners dargestellt (Abb. 16). Die gestrandeten Eisblöcke im Vordergrund bestätigen die von Abb. 15 abgeleitete Aussage von dem kurz vorher erreichten höheren Gletscherstand.

Auf seiner Reise zum Vernagtferner, die F. Liebener am 13. Juni 1845 gemeinsam mit M. Stotter unternahm, hat er den Zustand des Gletschers in vier Bleistiftzeichnungen sehr genau festgehalten (Abb. 17–20).8 Die erste dieser Abbildungen zeigt den Gletscher in hoch aufgewölbten Zustand aus dem Firngebiet vorstoßend (Abb. 17). In der nächsten Abbildung ist dieser von einem tiefer gelegenen Standpunkt aufgenommen und stellt das stark zerklüftete Ende des Gletschers dar, dem durch eine Mittelmoräne getrennt von rechts der Guslarferner zufließt (Abb. 18). Der Gletscher hat die Zwerchwand erreicht und den See im Haupttal aufgestaut. Das stark zerklüftete Zungenende ist an der Zwerchwand aufgeschoben und rückt mit steiler Stirn ins Rofental vor (Abb. 19 und Abb. 20).

In dieser Zeit ist das Bild des Gurgler Ferners (Abb. 21) entstanden, das den Gletscher im Zeitraum seines Höchststandes zeigt. Für dieses Bild ist kein Entstehungsdatum überliefert, ein solches kann nur aus der dargestellten Situation abgeschätzt werden. Es ist dafür eine Zeit um 1855/60 anzunehmen. Die Abbildung ist der Sammlung von Hans Jäger entnommen, der diese Schwarzweiß-Kopie aus der Galerie von Dieter Tausch (Innsbruck) erworben hat. Das Original-Aquarell ist nicht überliefert, der Standort in unmittelbarer Nähe der...

Erscheint lt. Verlag 5.6.2023
Verlagsort Innsbruck
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Geschichte Regional- / Ländergeschichte
Schlagworte Aquarelle • Eisstausee • Gletscherschmelze • Gurgler Ferner • Historische Fotografien • Katastrophenbewältigung • Klimawandel • Lithografien • Naturkatastrophen • Vernagtferner • Zeitgenössische Kunst
ISBN-10 3-7065-6334-7 / 3706563347
ISBN-13 978-3-7065-6334-5 / 9783706563345
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