Die sieben Pfade zur Veränderung (eBook)
192 Seiten
SCM R.Brockhaus im SCM-Verlag
978-3-417-27085-3 (ISBN)
Steffen Tiemann (Jg. 1962) ist Pfarrer der Auferstehungsgemeinde in Bonn. Er ist verheiratet mit Birgit und hat zwei erwachsene Söhne. Als Jugendlicher fing er an, Jesus zu folgen, und versucht seitdem, ihm auf der Spur zu bleiben. Seine geistlichen Gedanken bringt er auch im AUFATMEN-Redaktionsteam ein. Er liebt es, durch den nahen Wald zu joggen, Vogelstimmen zu lauschen und bei einer guten Tasse Tee ein spannendes Buch zu lesen.
Steffen Tiemann (Jg. 1962) ist Pfarrer der Auferstehungsgemeinde in Bonn. Er ist verheiratet mit Birgit und hat zwei erwachsene Söhne. Als Jugendlicher fing er an, Jesus zu folgen, und versucht seitdem, ihm auf der Spur zu bleiben. Seine geistlichen Gedanken bringt er auch im AUFATMEN-Redaktionsteam ein. Er liebt es, durch den nahen Wald zu joggen, Vogelstimmen zu lauschen und bei einer guten Tasse Tee ein spannendes Buch zu lesen.
Kapitel 2
DIE RELEVANZ DES THEMAS
Vielleicht ist Ihnen dieses Problem vertraut. Vielleicht empfinden Sie ebenfalls, dass eine Lücke klafft zwischen Ihrem Glauben und Ihrem Leben, zwischen Einsicht und Umsetzung, zwischen Wissen und Taten. Und vielleicht stellen Sie sich auch diese Frage: Wie gelingt Veränderung?
Vielleicht sehen Sie hier aber auch überhaupt kein Problem. »Na klar«, sagen Sie, »es gibt Defizite. Ich halte nicht alle Gebote und setze nicht alles um, was Jesus gesagt hat. Aber das ist doch kein Grund zur Aufregung! Gott liebt mich schließlich so, wie ich bin. Das ist ja der Kern des Evangeliums. Dieses ganze Bemühen um Veränderung führt doch nur zu einem großen Krampf, zu Gesetzlichkeit und Schuldgefühlen. Den Stress sollten wir uns erst gar nicht machen!«
Wer so argumentiert, stellt allerdings das Evangelium auf den Kopf. Ja, es ist wahr: Gott liebt uns so, wie wir sind, trotz aller Defizite. Und ja, es ist wahr: Ein krampfhaftes Bemühen um Veränderung, womöglich um Gottes Zuneigung zu gewinnen, führt zu nichts Gutem. Aber es wäre völlig verkehrt, daraus den Schluss zu ziehen, dass die Frage, wie es zu einer Lebensveränderung durch den Glauben kommt, irrelevant ist. Ich möchte Ihnen drei Gründe nennen, warum das Thema für jeden Christen ganz oben auf die Agenda gehört.
1. Gottes Wunsch und Verheißung
Gott möchte unser Leben berühren, prägen, wandeln. Wir sehen das in der Bibel. Dieses Buch ist voller Veränderungsgeschichten. Wo immer Menschen mit Gott in Kontakt kommen, wird Leben transformiert. Besonders stark ist das in den Evangelien zu beobachten. Menschen begegnen Jesus und erleben tief greifende Wandlungen: Geizhälse werden großzügig, Besessene werden frei, Skeptiker fassen Vertrauen, Fanatiker fangen an zu lieben, Verzweifelte schöpfen Hoffnung, Huren werden Heilige und Scheinheilige legen ihren Heiligenschein ab.
Diese Veränderungen sind weder zufällig noch beiläufig, sondern gewollt und verheißen. Jesus ruft Menschen zur Umkehr auf, also zu einer Erneuerung des Lebens, die Denken und Handeln umfasst. Er fordert sie auf, ihm nachzufolgen und von ihm zu lernen. Jesus verspricht, dass sich auf diese Weise ihr Leben in guter Weise ändern wird: »Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht« (Johannes 15,5). Wir müssen nicht bleiben, wie wir sind. Erneuerung ist möglich: »Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden« (2. Korinther 5,17). Wo Christus unser Leben berührt, entsteht ein Raum der Freiheit. Es ist, als ob er uns die Zwangsjacke des Ich-bin-halt-wie-ich-bin auflöst und uns neue Beweglichkeit schenkt. »Wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit«, schreibt der Apostel Paulus (2. Korinther 3,17).
Unsere Aufgabe ist es, diese neue Freiheit in Anspruch zu nehmen und neue Bewegungen einzuüben. Darum fordern die neutestamentlichen Briefe immer wieder dazu auf, in einer Jesus-gemäßen Weise zu leben. »Wie ihr nun angenommen habt den Herrn Christus Jesus, so lebt auch in ihm« (Kolosser 2,6). Es geht dabei nicht um Selbstoptimierung oder darum, uns auf diesem Weg Gottes Zuneigung zu erarbeiten. Wir wollen unser Leben nicht verändern, damit Gott uns liebt. Sondern weil er uns liebt, bedingungsfrei und sicher, können und wollen wir uns von seiner Liebe anstecken lassen.
Die vielen Imperative im Neuen Testament gründen in einem großen Indikativ: Weil Christus uns erlöst hat, sollen wir nun wie Erlöste leben. Werde, was du schon bist!
Die vielen Imperative im Neuen Testament gründen in einem großen Indikativ: Weil Christus uns erlöst hat, sollen wir nun wie Erlöste leben. Werde, was du schon bist! Wachse in die Gotteskindschaft hinein, die Christus dir schon geschenkt hat! So kann man den Grundtenor des Neuen Testaments zusammenfassen.
Wenn also Gott ein so großes Interesse daran hat, dass sich unser Leben zum Guten verändert – wie könnte uns das dann nicht interessieren?!
2. Unsere wahre Identität
In den westlichen Gesellschaften stehen Autonomie und Glück ganz oben auf der Wunschliste. Wir sehnen uns danach, dass sich in unserer kurzen Lebensspanne unsere Persönlichkeit entfalten kann, dass wir unsere individuellen Möglichkeiten ausleben und ein Maximum an Chancen und schönen Erfahrungen verwirklichen können. Auf den ersten Blick scheint Jesus diese Träume zu zerstören. Er fordert uns auf, ihm als Herrn und Meister nachzufolgen und seinen Willen über unseren zu stellen. Er mutet uns sogar zu, unser Leben an ihn hinzugeben. Das ist der Tod unserer individualistischen Wünsche, Pläne und Ambitionen. Aber paradoxerweise kommt gerade so unsere tiefste Sehnsucht zur Erfüllung. »Wer sein Leben um meinetwillen verliert«, verspricht Jesus, »wird es finden« (vgl. Matthäus 16,25). Wenn wir uns an Christus und seine Liebe hingeben, entdecken wir, wer wir wirklich sind. Wenn wir unsere Selbstsucht aufgeben, finden wir unser wahres Selbst. Das ist ein tiefes Geheimnis.
Durch die Sünde sind wir ja nicht nur von Gott entfremdet, sondern auch von uns selbst. So viel ist in uns verzerrt und verbogen, verletzt und verkümmert, dass wir gar nicht wissen, wer wir eigentlich sind. Wenn wir Gott nahekommen, kann sich etwas zum Guten verändern. Seelische Verletzungen genesen, Verhärtungen lösen sich, und was in uns verkümmert ist, kommt zur Entfaltung. Durch Christus entdecken wir die Bestimmung, die der Schöpfer in unser Leben hineingelegt hat: Gottes Ebenbilder und Partner zu sein, die in Freiheit und Würde, in Liebe und Gerechtigkeit diese Welt gestalten. All die Möglichkeiten, die Gott uns eingepflanzt hat, können sich entfalten, wenn seine Liebe uns berührt.
Vielleicht haben Sie schon einmal in einem Naturfilm gesehen, wie eine Wüste zu blühen beginnt, wenn der Regen fällt. Farblose Ödnis verwandelt sich in kurzer Zeit in ein Blumenmeer. So ist es, wenn die Liebe Christi auf unser Leben fällt: Sie bringt das Beste aus uns hervor, lässt unser Potenzial aufgehen und unser wahres Selbst zur Entfaltung kommen.
Thomas Merton führte als Student im New York der 1930er-Jahre ein umtriebiges Leben. Er hatte großes Talent, war voller Potenzial. Er hätte als Journalist oder Schriftsteller Karriere machen können. Aber dieser junge Mann war voller Unruhe. Er fühlte sich getrieben, war planlos und ohne Ziel. Er wusste nicht, was das Leben soll und wozu er auf diesem Planeten ist – bis er zum Glauben an Gott fand. In der ihm eigenen Radikalität entschloss Merton sich, als Mönch sein Leben ganz an Gott hinzugeben. Er wählte den strengsten Orden, den er finden konnte, und trat den Trappisten bei. In diesem Leben einer radikalen Hingabe an Gott fand er seine eigene Identität, sein wahres Selbst. So wurde er zu einem der großen Mystiker des 20. Jahrhunderts. Treffend formuliert er:
Wenn Gott seine eigene Liebe in mich sendet, um in mir und in allem, was ich tue, zu handeln und zu lieben, dann werde ich verwandelt werden und ich werde entdecken, wer ich bin, und ich werde meine wahre Identität besitzen, indem ich mich in ihm verliere.3
Wenn wir es wagen, unser Leben an Gott hinzugeben, werden wir entdecken: Gott lässt sich nichts schenken, was er uns nicht vielfach und geadelt zurückschenkt. Heiligung ist kein krampfhaftes Besser-werden-Wollen, sondern ein Heilwerden, Ganzwerden und Selbstwerden. Es ist das Beste, was man einem Menschen wünschen kann.
3. Glaube strahlt aus
Ein Glaube, der sich positiv auf das Leben auswirkt, macht andere neugierig. Dieter ist ein ganz normaler Zeitgenosse. Er ist nicht gegen Religion und Kirche, aber der Glaube spielt für ihn einfach keine Rolle. Dieter hat eine Kollegin namens Inge. Die geht seit einiger Zeit zur Kirche, wie sie ihm erzählt. Dieter ist überrascht, macht sich aber keine großen Gedanken darüber. Doch in letzter Zeit fällt ihm auf, dass Inge sich verändert hat: Irgendwie ist sie lebensfroher, hört aufmerksamer zu, kann auch mal einen Fehler eingestehen und kommt mit ihrer chronischen Krankheit besser klar. Inge hätte ihm lange theologische Vorträge halten können, warum das mit dem Glauben richtig ist. Die wären an Dieter einfach abgeperlt. Doch die Veränderungen machen ihn neugierig. Und als Inge ihm einmal vom Grund ihrer Hoffnung erzählt, da hört er genau hin.
In unserer spätmodernen Gesellschaft fragen die Menschen ja nicht, was wahr ist, sondern was wirkt. »Nur das, was den Menschen praktisch im Leben weiterzuhelfen verspricht, erhält Aufmerksamkeit«, formuliert der Theologe Christian Grethlein und bringt die Sache damit gut auf den Punkt.4 Statt theologischen Argumenten zuzuhören, schauen unsere Zeitgenossen lieber, ob der Glaube guttut, ob er etwas bewirkt. Und wenn sie beobachten, dass das der Fall ist, entsteht eine große Offenheit, sich selbst auf diesen Glauben einzulassen. Ein Glaube, der das Leben in guter Weise beeinflusst, hat enorme missionarische Ausstrahlung.
So war es übrigens schon in der Urkirche. In einer umfangreichen Studie hat der Religionssoziologe Rodney Stark herausgestellt, dass es vor allem das Leben der frühen Christen war, das ihre heidnischen Zeitgenossen auf den neuen Glauben neugierig machte. Sie sahen an ihnen eine Liebe, die jedem Menschen Wert gab. Sie erlebten an ihnen eine Hoffnung, die keine Furcht vor dem Tod kannte. Sie beobachteten eine Herzlichkeit im Miteinander, die ungeheuer attraktiv war. Diese Lebensweise war es, die immer mehr Menschen dazu führte, die Botschaft der Christen anzunehmen.5
Ein Glaube, der das Leben verwandelt, strahlt aus und steckt an. So ist es bis heute. In der Gemeindearbeit erlebe ich immer wieder, dass...
Erscheint lt. Verlag | 1.8.2023 |
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Verlagsort | Witten |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Religion / Theologie ► Christentum |
Schlagworte | Aufatmen • Geistliches Wachstum • Geistliche Übungen • Jüngerschaft • Mündigkeit • Nachfolge • Nachhaltigkeit • Reife • Training • überwinden |
ISBN-10 | 3-417-27085-5 / 3417270855 |
ISBN-13 | 978-3-417-27085-3 / 9783417270853 |
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