Weiblich, hochbegabt, unterschätzt (eBook)

Wie hochbegabte Frauen ihr Potenzial entfalten können
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2023 | 1. Auflage
252 Seiten
Klett-Cotta (Verlag)
978-3-608-12226-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Weiblich, hochbegabt, unterschätzt -  Alma Drekovi?
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Was hochbegabte Frauen ausmacht - Fallbeispiele porträtieren hochbegabte Frauen aller Altersstufen - Wertvolle Tipps und Tools für ein erfülltes Leben mit Hochbegabung - Nimmt weibliche Hochbegabung über die gesamte Lebensspanne in den Blick Es gibt Unterschiede zwischen Männern und Frauen in ihrer Art und Weise, ihre Hochbegabung zu leben. Die Herausforderung für hochbegabte Frauen und Mädchen ist groß: Sie müssen es schaffen, ihre Weiblichkeit und ihre Intelligenz zu artikulieren und gleichzeitig Akzeptanz zu finden. Dieses Buch porträtiert das Innen- und Außenleben hochbegabter Frauen, skizziert typische Charakteristika und gibt konkrete Hilfestellungen für die Persönlichkeitsentwicklung und das Empowerment hochbegabter Frauen. Themen sind unter anderem Fragen der Identität, innere Belastungen hochbegabter Frauen und Herausforderungen in Familie, Partnerschaft, Beruf und Gesellschaft. Dieses Buch richtet sich an hochbegabte Frauen und all jene, die vermuten, hochbegabt zu sein. Gleichzeitig bietet es wertvolle Impulse für Therapeut:innen und Coaches, die mit hochbegabten Frauen arbeiten und diese unterstützen wollen.

Alma Drekovi?,  Sprachwissenschaftlerin und Romanistin (M.A.). Seit 2014 systemisch-integrativer interdisziplinärer Coach und Trainerin mit den Schwerpunkten Business-Coaching, Karriereberatung und Hochbegabung bei Erwachsenen. Ihre Faszination gilt der Hochbegabung, der Diversität und der interdisziplinären Arbeit international. www.alma-coaching.com

Alma Dreković,  Sprachwissenschaftlerin und Romanistin (M.A.). Seit 2014 systemisch-integrativer interdisziplinärer Coach und Trainerin mit den Schwerpunkten Business-Coaching, Karriereberatung und Hochbegabung bei Erwachsenen. Ihre Faszination gilt der Hochbegabung, der Diversität und der interdisziplinären Arbeit international. www.alma-coaching.com

Kapitel 2

Das Innenleben der hochbegabten Frau: Eine Frage der Identität


»Einem weiblichen Genie droht die Psychiatrie« (Fietze 2019, S. 239)

In Anlehnung an Woody Allens Spielfilm Innenleben (Interiors) wird der Begriff des Innenlebens gewählt, um Inneneinsichten in das Seelenleben hochbegabter Frauen zu gewähren – basierend auf Erfahrungen aus der Coachingpraxis, den vorgestellten Interviews und der einschlägigen Fachliteratur. Hier soll den Fragen nachgespürt werden, wodurch das Selbstwertgefühl hochbegabter Frauen gestört wird, was das Gefühl des Andersseins ausmacht, wie es entsteht und was die Identität hochbegabter Frauen ausmacht.

2.1 Interne Barrieren und das narzisstische Selbstwertgefühl


»Wenn ich verletzt werde, zerfalle ich in 1000 Stücke.« (eine Klientin)

Gegenwärtig wird davon ausgegangen, dass die soziale Rolle der Frauen und die Entwicklungs- und Ausdrucksmuster ihrer Fähigkeiten und Talente im Wesentlichen durch Faktoren gefördert oder gehemmt werden, die mit dem sozialen Kontext zusammenhängen, in dem sie leben. Es ist bekannt, dass kulturelle Einflüsse geschlechtsspezifische Stereotype aufrechterhalten oder verstärken, indem sie externe und interne Barrieren für Frauen darstellen, wie z. B. geringere Aufstiegschancen oder ein begrenzter Glaube an ihr eigenes Potenzial. Das als »gläserne Decke« bekannte Phänomen ist eine Metapher für die Schwierigkeiten, auf die Angehörige einer bestimmten Bevölkerungsgruppe, beispielsweise Frauen, in ihrer beruflichen Entwicklung stoßen und nicht in Führungspositionen aufsteigen. Die gläserne Decke wird auch als vertikale Ausgrenzung oder hierarchische Segregation bezeichnet und bezieht sich auf unsichtbare oder kulturelle Barrieren, die Frauen daran hindern, die höchsten und prestigeträchtigsten Ebenen zu erreichen. Diese Hindernisse liegen außerhalb des Individuums, verfestigen jedoch interne Aspekte, die die Entwicklung des weiblichen Potenzials behindern. Diese können je nach Kultur, Familiendynamik und sexueller Stereotypisierung variieren und untrennbar mit den Organisationsstrukturen eines Unternehmens verwoben sein. Seit den 1980er-Jahren sind zu diesem Phänomen international zahlreiche wissenschaftliche Studien erschienen. Im weiteren Sinne spricht man von der gläsernen Decke auch im Hinblick auf die eingeschränkten Aufstiegschancen von Homosexuellen, ethnischen und anderen Minderheiten. In jedem Fall lässt sich die gläserne Decke als wirkmächtige Karriererestriktion beschreiben, die subtil und kaum messbar den Weg von Frauen in hohe gesellschaftliche und wirtschaftliche Positionen verhindert.

Ein weiteres Hindernis für die Entfaltung des weiblichen Potenzials ist die Angst vor Erfolg. Dieses von Horner (1972, S. 157 ff.) erstmals beschriebene Phänomen trat Ende des 20. Jahrhunderts häufig auf. Frauen glaubten, sie würden abgelehnt oder als männlich angesehen werden, wenn sie Intelligenz und Kompetenz in dem Bereich, in dem sie arbeiteten, zum Ausdruck brachten. Für Horner war die Angst der Frauen vor ihrem Erfolg der Hauptgrund für die Unsichtbarkeit von Frauen in akademischen, sozialen oder beruflichen Positionen und scheint ihren Ursprung in einem kognitiven Glaubenssystem zu haben, das manchmal zu einem unüberwindbaren Hindernis für den Erfolg wird.

Die Angst vor Erfolg und Sichtbarkeit geht oft mit einem geringen Selbstwertgefühl und einem hohen Maß an Empathie einher. Die hochbegabte Frau, die ihre Hochbegabung nicht integriert hat und an geringem Selbstwertgefühl leidet, traut sich nicht, aus sich herauszugehen und sich zu entfalten; ihr starkes Einfühlungsvermögen erlaubt ihr nicht, andere zu überstrahlen. Verstärkt wird diese Angst durch die Vorstellung, etwas Großes leisten zu müssen, dem jedoch nicht gerecht zu werden, oder etwas zu erreichen, aber nicht mit den Konsequenzen umgehen zu können. Hinter dem ungewollten Überstrahlen anderer stehen oft Authentizität, harte Arbeit und gute Ergebnisse. Es ist ein Netz von tief unterdrückten Einstellungen und Ängsten, das Frauen in eine Art Halbschatten hält und sie daran hindert, ihren Intellekt und ihre Kreativität voll auszuschöpfen.

Das geringe Selbstwertgefühl und das negative Selbstbild, das der Angst vor Erfolg zugrunde liegt, verschwinden nicht ganz, können jedoch mit einem positiven Selbstbild ausgeglichen werden. Die Wahrnehmung von Klient:innen mit einem geringen Selbstwertgefühl ist stark gefärbt von ihren negativen Erfahrungen und sucht immer wieder nach Verstärkung für ihr negatives Selbstbild. Es ist eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Das Selbstwertgefühl braucht aber Bestätigung und positive Erfahrungen als Ausgleich, um die negativen Erlebnisse zu überschreiben.

Einige Forscher glauben, dass die Angst vor Erfolg ein Schlüsselfaktor für das Verständnis der Probleme hochbegabter Frauen ist. Dieses Angstsyndrom kann dazu führen, dass Mädchen und Frauen glauben, sie würden von ihren männlichen Mitschülern abgelehnt oder vom anderen Geschlecht als unerwünscht angesehen, wenn sie zu kompetent oder erfolgreich sind.

Oft fällt hochbegabten Frauen mit Vielbegabungen die Entscheidungsfindung im beruflichen wie im privaten Kontext schwer, da sie nicht alles tun können, was sie gerne tun würden und tun könnten. Dies illustriert das Fallbeispiel der jungen erfolgreichen Aida. Aufgrund der äußeren und inneren Hindernisse, mit welchen sie im Leben konfrontiert sind, haben viele hochbegabte Frauen daher nicht die Möglichkeit, Selbstwirksamkeit richtig zu entwickeln.

Frauen, die hohes Potenzial und vielfältige Interessen aufweisen, sind in der Regel sehr lernbegierig und wissensdurstig, erzielen in Leistungstests einheitlich hohe Werte und haben oft vielfache akademische, berufliche und freizeitbezogene Möglichkeiten. Manchen hochbegabten Mädchen wird die Berufswahl möglicherweise von Eltern oder Lehrern aufgezwungen, da sie glauben, zu wissen, welches Fachgebiet für ihre Tochter oder Schülerin das richtige ist. Es scheint ein Zusammenhang zwischen diesen Persönlichkeitsmerkmalen und dem sogenannten Overchoice-Syndrom, dem Auswahlparadox, zu bestehen.

Selbsterkundung, Selbstkritik, intellektuelle Reife und das Vorhandensein komplexer Wertesysteme stehen alle in Wechselwirkung mit Multipotenzialität. Frauen mit einem breiten Spektrum an Persönlichkeitsmerkmalen und Perspektiven fällt es oft schwer, sich selbst zu verstehen und die richtigen Entscheidungen für den Beruf zu treffen.

Der Perfektionismus ist eines der emotionalen Merkmale hochbegabter Frauen und betrifft eine Kombination von Gedanken und Verhaltensweisen, die in der Regel mit hohen Standards oder Erwartungen an die eigene Leistung verbunden sind. Obwohl die meisten Hochbegabten ein gesundes Maß an Perfektionismus aufweisen, kann diese Eigenschaft bei Frauen großen Stress verursachen, insbesondere beim sog. Bienenköniginnen-Syndrom, einer Theorie, nach welcher die Frau glaubt, genauso produktiv sein zu müssen wie ihr Partner – sowohl in den beruflichen als auch ehelichen Pflichten – und dabei für eine weibliche attraktive Erscheinung gleichsam sorgen zu müssen.

Angst und Perfektionismus stellen die größten Herausforderungen und Blockaden für hochbegabte Mädchen und Frauen dar. Sie sehen sich bei all ihren Unternehmungen mit einer Fülle an Möglichkeiten konfrontiert und nehmen aus Unentschlossenheit und Angst, den falschen Weg einzuschlagen, ein Vorhaben gar nicht erst in Angriff. Sie stellen den Anspruch an sich, alles perfekt zu machen und haben zu allem Überfluss die vermeintliche Gewissheit, andere seien besser und klüger. Wer einem hohen Selbstanspruch nicht gerecht wird, hadert mit sich und wird unzufrieden. Bevor Hochbegabte ein Gebiet zur Vollendung bringen, widmen sie sich aufgrund ihres breiten Interessenspektrums manchmal schon einer neuen Aufgabe.

Liegen Ziel und Vision in schier unerreichbarer Ferne, fühlen sich hochbegabte Frauen besonders angetrieben. Die Größe ihrer Vision, der sie sich oft nicht bewusst sind, kann manchmal wissenschaftliche und kulturelle Gegebenheiten der jeweiligen Epoche und ihre eigenen Fertigkeiten übersteigen. Sie haben eine ausgeprägte und detaillierte Vorstellungskraft, ganz ungeachtet des Projektumfangs. Die Umsetzung allerdings bedarf langwieriger Anstrengungen, getrieben von Perfektionismus, Selbstzweifeln und Angst. Das Beeindruckende bei Hochbegabten ist ihr ungeheurer Durchhaltewillen. Auf Hindernisse, Niederlagen, materielle Krisen, gesundheitliche Probleme, Einsamkeit, Schicksalsschläge oder Anfeindungen reagieren sie zwar wie...

Erscheint lt. Verlag 14.10.2023
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie
Schlagworte Beratung Hochbegabte • Beziehungen • Coaching • Diversität • Empowerment • hochbegabte Frauen • Hochbegabung • Hochbegabung im Berufsleben • Höchstbegabung • Identität • Lebensberatung • Netzwerk Hochbegabung • Persönlichkeitsentwicklung • Psychologie • Selbstwert
ISBN-10 3-608-12226-5 / 3608122265
ISBN-13 978-3-608-12226-8 / 9783608122268
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