Die geleugnete Natur -  Abigail Favale

Die geleugnete Natur (eBook)

Warum die Gender-Theorie in die Irre führt
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
256 Seiten
Verlag Herder GmbH
978-3-451-83968-9 (ISBN)
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Sind Gender und das natürliche Geschlecht Gegensätze? Abigail Favale zeigt die versteckten Widersprüche der Gendertheorie und ihre fatalen Auswirkungen. Dabei weiß sie, wovon sie spricht: Sie war selbst Dozentin für Gender Studies. In diesem Buch diskutiert sie nicht nur kenntnisreich umstrittene Fragen zum Thema Gender, sondern erzählt auch ihre eigene spannende Geschichte, die sie dazu bewogen hat, für die Würde des Körpers, die sakramentale Bedeutung der Unterschiede zwischen Frau und Mann und die Verbundenheit der gesamten Schöpfung einzutreten. Ein Buch, das viel Diskussionsstoff bietet und einen wichtigen Beitrag für alle darstellt, die sich mit der Genderthematik aus katholischer Perspektive auseinandersetzen möchten.

Ph.D., Literaturwissenschaftlerin und Publizistin, ist Dozentin am McGrath Institute for Church Life der University of Notre Dame in Indiana. Favale trat 2014 in die katholische Kirche ein und lebt mit ihrer Familie in South Bend, Indiana. 

Ph.D., Literaturwissenschaftlerin und Publizistin, ist Dozentin am McGrath Institute for Church Life der University of Notre Dame in Indiana. Favale trat 2014 in die katholische Kirche ein und lebt mit ihrer Familie in South Bend, Indiana.  Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz ist emeritierte Professorin für Religionsphilosophie und vergleichende Religionswissenschaft an der Universität Dresden und Leiterin des Europäischen Instituts für Philosophie und Religion an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Benedikt XVI. in Heiligenkreuz bei Wien.

1. Häretikerin


Im Frühjahr 2015 hielt ich eine Lehrveranstaltung zum Thema Gender-Theorie an einer christlichen Universität. Diesen Kurs hatte ich bereits seit mehreren Jahren unterrichtet, aber nie auf genau dieselbe Weise. Die Gender-Theorie befand sich in einem unaufhörlichen Veränderungsprozess, was auch auf meine Studierenden zutraf, und ich orientierte mich ständig um, im Bemühen, mit dem neuesten Jargon und den neuesten Trends Schritt zu halten. Dieses Mal war alles anders. Ich befand mich gerade inmitten zweier dramatischer Umwälzungen in meinem Privatleben: der Geburt meines zweiten Kindes, die mitten im Semester stattfand, und einer turbulenten Konversion zum Katholizismus, die all meine vorherigen Gewissheiten auf den Kopf stellte. Ich war in einer Situation, in der ich sowohl gebar als auch geboren wurde. Das Innerste meines Körpers kam nach außen, um eine Tochter auf die Welt zu bringen; meine Seele erfuhr eine innerliche Neustrukturierung, um Platz für Christus zu schaffen. Jede dieser beiden Geburten war ein ergreifendes Paradox aus Schönheit und Qual.

Meine körperlichen Wehen sind meist rasch vorbei. Für meine geistigen Wehen gilt das weniger. Ich begann jenes Semester als halbe Konvertitin: nur offiziell, aber noch nicht innerlich katholisch. Ich befand mich in einem seltsamen und schwindelerregenden Zwischenstand. Als ich im Jahr 2014 in die Kirche eingetreten war, hatte ich angenommen, eine »Cafeteria-Katholikin« zu werden, die ihre liebgewonnenen progressiven Überzeugungen mit in die Kirche schleppt und sich dabei auf die individuelle Gewissensfreiheit beruft. Dann geschah etwas Schreckliches: Mein Gewissen begann zu rebellieren. Die progressiven Ansichten, die ich mit mir herumtrug, fingen an, sich weniger wie ein persönliches Eigentum anzufühlen, sondern mehr wie ein lästiges und unangemessenes Gepäck.

Die Welt, in der ich mich als feministische Universitätsdozentin bequem eingerichtet hatte, begann weniger Sinn zu ergeben. Ich fühlte mich wie Platons unglückseliger Höhlenbewohner, als er zum ersten Mal aus der Düsternis ins blendende Tageslicht stolperte. Die Schatten an den Steinwänden hinter mir, die einst so klar und beruhigend real schienen, wirkten jetzt wie überzeichnete Cartoons. Doch der Schritt hinaus aus der Höhle war furchteinflößend: Meine Augen hatten sich noch nicht an eine sonnenhelle Welt gewöhnt, also verweilte ich noch ein wenig auf der Schwelle, gestrandet im Halbdunkel.

In diesem Zustand weiter Gender-Theorie zu lehren, war gelinde gesagt verwirrend. Während ich Essays besprach, die ich im Unterricht schon dutzendfach behandelt hatte, wurde ich plötzlich von unfreiwilligen Zweifeln geplagt und bemerkte Lücken und Ungereimtheiten, die mir zuvor nie aufgefallen waren. Im Laufe des Semesters wurde mir durch kleine Einbrüche von Schrecken zunehmend klar, dass ich über ein Jahrzehnt lang in einer Höhle gelebt und diese irrtümlich für die Realität gehalten hatte. Durch meine Liebe zur Frauenliteratur und mein fortwährendes Interesse an weiblichen Lebenserfahrungen war ich in ein Forschungsgebiet geraten, in dem man dessen totalisierende Weltanschauung gleich mitgeliefert bekommt. Ich hatte diese Lehrsätze nach und nach verinnerlicht und war zu einer Ideologin geworden, ohne es zu merken.

Ich erinnere mich an eine bestimmte Unterrichtsstunde, in der meine Studierenden und ich uns mit einem Essay der bekannten Gender-Theoretikerin Judith Butler abmühten. In diesem Aufsatz erklärt Butler ihr Konzept der Genderperformativität: Gender sei etwas, das wir tun, und nicht etwas, das wir sind. (Auf Butler werde ich in Kapitel 3 noch näher eingehen.) Wie die meisten kritischen Theoretiker pflegt Butler einen kryptischen Idiolekt; dennoch akzeptierten meine Studierenden bereitwillig ihre Auffassung von Gender als Performanz. Sie bemerkten nicht das ganze Ausmaß von Butlers Vorstellungen: Sie behauptet, Gender sei ausschließlich performativ, »Frauen« existierten nicht wirklich, und jeder Anspruch auf Wahrheit sei letzten Endes eine Ausübung von Macht. Diese Ideen, die meinen Studierenden vielleicht nicht so gut gefallen hätten, blieben sorgfältig unter der Oberfläche verborgen, abgeschirmt durch einen undurchsichtigen Jargon. Meine Studierenden überflogen nur die oberste Erdschicht des Textes, hier und da einige Blüten sammelnd, aber ihre Wurzeln bekamen sie nie genau zu Gesicht. Da ich erst kürzlich etwas hellsichtiger geworden bin, war ich ihnen zu diesem Zeitpunkt keine große Hilfe.

Ich verließ den Unterricht an jenem Tag mit einem Gefühl der Niederlage und wusste nicht genau, warum. Ich hatte diesen Text schon viele Male mit Studierenden im Grundstudium besprochen, damals noch mit gutem Gewissen. Tatsächlich fand ich es häufig großartig, die jungen Menschen mit hochtrabenden und modischen Theorien zu Genderfragen zu konfrontieren. Wenn sie ihre dadurch entstandene Unsicherheit und Verwirrung zum Ausdruck brachten, was sie in der Regel am Ende der Lehrveranstaltung zu tun pflegten, war ich zufrieden, als ob es meine zentrale Aufgabe als Dozentin für Gender Studies gewesen wäre, ihre ordentlichen und allzu simplen Ansichten zu erschüttern und durcheinanderzubringen und sie einer unauflöslichen Verworrenheit auszusetzen. Mit dieser Desorientierungsarbeit, auf die keine Bemühungen zur Neuorientierung folgten, fühlte ich mich nun zunehmend unwohl. Mein Gewissen, das mich ein Jahrzehnt lang zu meiner Lehrtätigkeit beglückwünscht hatte, meldete im Hinterzimmer meines Gehirns nun Bedenken an und fragte: Ist irgendetwas davon überhaupt wahr?

In diesem Zustand des Unbehagens suchte ich den Rat eines älteren, von mir geschätzten Professors. Ich eilte direkt von zuhause aus in sein Büro, mein Haar war noch feucht vom Duschen kurz zuvor. Ich war gerade erst aus dem Mutterschaftsurlaub zurückgekehrt, kam immer fünf Minuten zu spät und schwitzte in Strömen, weil ich so unter Druck stand. Ich hatte immer nur drei Stunden Zeit, bevor ich wieder stillen musste, und versuchte, in diesem Intervall so viel wie möglich zu erledigen. Als ich in das Zimmer des Professors trat, hatte ich ein Cola light in der Hand; ich erwartete eine nette und entspannte Unterhaltung mit einem Kollegen. Nach fünf Minuten fühlte ich mich ihm gegenüber wie im Beichtstuhl; ich offenbarte die Vorwürfe meines Gewissens jedoch nicht einem Priester, sondern einem graubärtigen Quäker mit einer Aura wie Gandalf aus dem Herrn der Ringe. »Ich habe den Eindruck, meinen Studierenden geistiges Gift eingeträufelt zu haben«, sagte ich. Viele Jahre lang war ich zu sorglos gewesen im Umgang mit ihrem Verstand und, was mich noch mehr beunruhigte, mit ihrer Seele.

Der Professor hörte mir ruhig zu, wie es seine Art war. Er neigt dazu, sehr wortkarg zu sein, aber seine wenigen Worte sind meistens voller Weisheit; er sagt den Leuten nur selten das, was sie von ihm hören wollen. Er hätte mich trösten können, mir sagen können, dass ich das getan habe, was ich zum damaligen Zeitpunkt für richtig hielt, dass ich zu streng zu mir sei. Stattdessen sagte er mit dem schleppenden Akzent der Appalachen: »Kennen Sie jenen Vers bei Matthäus? Der, in dem es heißt, wer einen von diesen Kleinen zum Straucheln bringe, für den sei es besser, wenn ihm ein Mühlstein um den Hals gehängt und er in der Tiefe des Meeres versenkt würde? Ich habe schon immer gedacht, dass es für uns Hochschullehrer eine gute Idee wäre, uns das auf den Arm tätowieren zu lassen.«

Das war es, was ich fühlte: den verdammten Mühlstein. In Wirklichkeit hatte er mir schon seit Jahren am Hals gehangen, aber erst jetzt bemerkte ich sein Gewicht. Die verbesserte Wahrnehmung war ein gewisser Trost.

Als ich sein Büro verließ, wusste ich ein wenig besser, was ich nicht tun wollte. Ich wollte die Gender-Theorie nicht mehr im Unterricht als ein Bündel wertneutraler Ideen präsentieren, ohne dabei der im Hintergrund wirksamen Weltanschauung die nötige Aufmerksamkeit zu schenken. Ich wollte nicht als Ende vom Lied damit Verwirrung stiften. Mir war klar, was nicht getan werden sollte, aber ich war mir weniger sicher, was ich tun sollte.

Wenn die Gender-Theorie im Grunde genommen eine ideologische Disziplin war, hatte ich dann einfach nutzlose Dinge gelernt? Gab es darin nichts Gutes, nichts Bewahrenswertes? Ich wusste nicht, wie sich diese Theorien in meine unlängst gefundene katholische Identität integrieren ließen – oder ob ich dies überhaupt versuchen sollte. Ich musste weiter aus der Höhle herausklettern, das war mir klar, aber gab es nichts Wertvolles, das ich mitnehmen konnte? Ich stellte eine tiefgreifende Spaltung in meiner Weltanschauung fest: Bis dahin hatte ich geglaubt, auf einem festen Floß wohlgemut auf dem Wasser zu treiben, aber nun bemerkte ich, dass ich mich auf zwei nicht miteinander verbundenen Baumstämmen befand, die sich voneinander entfernten.

Ich vermute, dass es heutzutage viele Frauen gibt, die sich in einer ähnlichen Situation befinden: in der Klemme zwischen verschiedenen Weltanschauungen, zögernd zwischen dem Christentum und den neuesten feministischen Trends, und unsicher, ob sich – wenn überhaupt – Berührungspunkte und Überschneidungen zwischen diesen Blickwinkeln entdecken lassen. Einige empfinden diese Spannung sehr stark und wissen nicht, wie sie beides miteinander in Einklang bringen können. Andere spüren sie überhaupt nicht und kommen stattdessen zu dem Schluss, Christentum und Feminismus seien so wunderbar vereinbar, dass sie in etwa auf dasselbe hinauslaufen: Jesus nachzufolgen, hieße dann, eine Feministin zu sein. Daneben gibt es noch diejenigen, die sich den Feminismus so vollständig zu eigen machen, dass er für sie zu einer Religion wird und jeder noch verbliebene christliche...

Erscheint lt. Verlag 10.6.2024
Übersetzer Frank Lachmann, Thomas Stauder
Vorwort Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Religion / Theologie Christentum
Schlagworte Anthropologie • Bibel • Binarität • Christliche Lebensführung • Feminismus • Frauen • Gender • Genderdysphorie • Gender-Ideologie • Gender Studies • gender theories • Genesis • Geschlechteranthropologie • Geschlechterforschung • Geschlechterrollen • Geschlechtsidentität • Identität • Katholikin • Katholisch • Körper • Körpersoziologie • Kritik • Rolle der Frau • Schöpfungstheologie • Sexualität • Transidentität • Weiblichkeit
ISBN-10 3-451-83968-7 / 3451839687
ISBN-13 978-3-451-83968-9 / 9783451839689
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