Lass dich nicht täuschen (eBook)

Warum wir uns immer wieder hinters Licht führen lassen und was wir dagegen tun können. Fälschung und Wahrheit erkennen und Betrug entlarven
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
416 Seiten
mvg Verlag
978-3-96121-931-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Lass dich nicht täuschen -  Christopher Chabris,  Daniel Simons
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Von Phishing-Mails über Schneeballsysteme bis hin zu Fake News - tagtäglich werden wir mit Täuschungen oder Betrug konfrontiert. Gerade in unserer heutigen Zeit wird es für uns immer schwieriger, Wahrheit von Fälschung zu unterscheiden. Die Psychologen und Bestsellerautoren Daniel Simons und Christopher Chabris beschreiben in diesem Buch unsere wichtigsten Denkmuster, die uns zwar den Alltag erleichtern, uns aber auch höchst anfällig dafür machen, Täuschungen auf den Leim zu gehen. Anhand spektakulärer echter Betrugsfälle zeigen sie, wie es uns gelingt, Irreführung, Schwindeleien und perfide Betrugsmaschen zu erkennen und uns vor ihnen zu schützen, bevor es zu spät ist. Das Buch gibt spannende Einblicke in die menschliche Psyche und ist ein Muss für alle, die sich nicht für dumm verkaufen lassen wollen.

Christopher Chabris ist ein Kognitionswissenschaftler, der am Union College und an der Harvard University gelehrt hat. Er lebt in Lewisburg, Pennsylvania. Daniel Simons ist Professor im Fachbereich Psychologie an der University of Illinois, wo er das Visual Cognition Laboratory leitet. Er lebt in Champaign, Illinois.

Christopher Chabris ist ein Kognitionswissenschaftler, der am Union College und an der Harvard University gelehrt hat. Er lebt in Lewisburg, Pennsylvania. Daniel Simons ist Professor im Fachbereich Psychologie an der University of Illinois, wo er das Visual Cognition Laboratory leitet. Er lebt in Champaign, Illinois.

1 Fokussierung: Überlegen Sie, was fehlt


Wir treffen Entscheidungen gewöhnlich, indem wir uns auf die Informationen stützen, die wir vor der Nase haben. Irrelevante oder ablenkende Informationen berücksichtigen wir nicht. Diese Art zu fokussieren hat zur Folge, dass wir die Bedeutung oder Existenz von Informationen, die wir nicht im Fokus haben, unterschätzen. Mit einem Instrument namens »Möglichkeitsraster« können wir herausfinden, ob Informationen, die wir außer Acht lassen, uns in die Irre führen.

John Edward gehört im parapsychologischen Bereich zu den berühmtesten Medien, die heutzutage praktizieren. Auf dem Höhepunkt seiner Popularität, Mitte der Nullerjahre, moderierte er sogar eine eigene Fernsehshow auf dem Sender We TV: John Edward Cross Country. Sie begann stets mit einer Warnung von John Edward: »Medialität ist keine Trauerarbeit. Sie kann sehr therapeutisch, heilsam und hilfreich sein. Wenn Sie den Prozess richtig verstehen, schenkt Ihnen das neue Kraft. Wenn Sie aber versuchen, damit Ihre Trauer abzustellen, dann sind Sie hier falsch. Ich möchte das unmissverständlich klarstellen.«23

Edward ist ein stämmiger Typ mit glatt gekämmtem Haar. In der Sendung trägt er einen schwarzen Lederblazer und Jeans. Nach seinen einleitenden Worten betritt er eine Bühne und lässt über Mikrofon sein Charisma wirken.

»Ich bin bereit … Da ist die Energie eines jungen Mannes in diesem Bereich«, sagt er, während er rechts auf der Bühne steht und auf die Menschen vor ihm hinunterblickt. »Man signalisiert mir, dass es sich um einen Sohn, Neffen oder Enkel handelt. Und sie steht in Verbindung zu Krebs.« Die Kamera zeigt Edwards von hinten und sein Publikum vor ihm. »Macht das für jemanden Sinn? Wo ist Robert, Robby, Rob? Wo ist das R?«

Eine Frau in der mittleren Reihe mit dunklem Haar und einem grauen Pulli hebt die Hand. Sie ist mit einigen ihrer Verwandten ins Studio gekommen. Edward bittet, dass man ihr ein Mikro gibt.

»Robert?«, fragt er.

»Mein Vater«, sagt sie.

»Verschieden?«

»Ja.«

»Okay. Krebs?«

»Nein.«

»Wo war da was mit Knochen?«

»Bei zwei Personen. Mein Großvater«, sagt sie. Und dann deutet sie auf einen Mann neben sich: »Und seine Mutter.«

»Jemand hatte etwas, das seine Knochen angriff«, sagt Edward sehr bestimmt. Er wendet sich nun direkt an die Frau und deutet mit dem Mikro auf sie.

»Seine Mutter«, antwortet die Dame. »Knochenkrebs«, sagt der Mann, ohne Mikro. Nun bekommt auch er eines.

»Sie hatte Knochenkrebs?«, fragt Edward.

»Ja«, antwortet die Frau.

Nachdem nun klar ist, dass die Mutter des Mannes an Knochenkrebs gestorben ist, offenbart Edward, dass er den Kontakt hergestellt hat: »Sie vermittelt mir den Eindruck, dass sie an oder rund um einen großen Feiertag gestorben ist oder an einem Tag, der gefeiert wird, aber landesweit.«

»Ähm, mein Vater«, stottert die Frau mit einem leichten Bostoner Akzent.

»Ich sehe die amerikanische Fahne. Und das heißt, dass wir entweder über den 4. Juli, den Veteran’s Day …«

»11. September«, unterbricht sie.

»Er starb an dem 11. September?«

»Ja. Er war Feuerwehrmann.«

»Ihr Vater ist Robert. Das hatten wir ja schon.«

»Ja.«

»Und Sie sind das jüngste Kind in der Familie.«

»Ich bin die Älteste.«

»Okay. Er gibt mir das Gefühl, dass Sie die Kleine waren. So kommt das rüber.« Die Frau nickte. Sie sieht aus, als würde sie gleich zu weinen anfangen.

»Er vermittelt mir auch den Eindruck … ist seine Mutter noch hier?«

»Ja.«

»Er sagt mir, ich solle seiner Mutter danken. Wir müssen sicherstellen, dass seine Mutter weiß, dass er sich gemeldet hat. Sie braucht eine innige Umarmung. Eine starke Umarmung.« Nun wischt sich die Frau die Tränen weg, die ihr über die Wangen rollen.

»Okay.«

»Ich sage ja immer, dass es für eine Mutter keinen größeren Verlust gibt als den ihrer Kinder. Bitte halten Sie dieses Gefühl präsent, okay?«

Heftiges Nicken im Publikum. Die Frau hat immer noch ein Taschentuch in der Hand.

Das ist tolles Fernsehen. So toll, dass John Edward es zu einem Imperium ausgebaut hat: Bücher, Sendungen auf verschiedenen Netzwerken, eine Show in Las Vegas, eine regelmäßige Tour durch das ganze Land und viele private Konsultationen mit Berühmtheiten. Selbst Kim Kardashian war hingerissen, als Edward in seinem vollen Terminkalender für sie ein paar Minuten Zeit erübrigte. Mithilfe des Mediums konnte sie Kontakt zu ihrem verstorbenen Vater aufnehmen. Ein paar Tage später trennte sie sich von ihrem zweiten Gatten (nach 72 Tagen Ehe). Doch Edwards enorme Bekanntheit hat ihn auch einiges gekostet: Man macht sich öffentlich über ihn lustig. Die bekannte Zeichentrickserie South Park widmete ihm eine ganze Episode mit dem Titel »Der größte Depp des Universums«, in der seine angeblichen Fähigkeiten durch den Kakao gezogen werden. Wir gehen davon aus, dass die meisten unserer Leser uns da zustimmen: John Edward kann nicht wirklich mit toten Menschen kommunizieren, aber Millionen Menschen glauben nun mal an Hellseher.24

Der Austausch, den wir oben mit etwa 500 Wörtern wiedergegeben haben, dauerte im Fernsehen nicht länger als zwei Minuten. Wenn Sie diese Konversation so lesen, dann haben Sie Zeit, um sie kritisch zu begutachten: alles, was gesagt wurde, und was nicht. So finden Sie auch alternative Erklärungen für Edwards vorgebliche Fähigkeiten. Wenn Sie Medien mit einiger Skepsis begegnen, gehen Ihre Gedanken vermutlich ohnehin schon in diese Richtung. Doch wenn Sie im wirklichen Leben auf einen derart charismatischen Selbstdarsteller treffen und die Hoffnung Sie empfänglich macht, ist Widerstand schon deutlich schwieriger. Wir beginnen mit diesem eher »einfachen« Beispiel, um Ihre Fähigkeit zu schärfen, diese Art von Täuschung zu demaskieren. Aber sehen wir uns Edwards Auftritt doch mal genauer an.

Erstens wollen die meisten Menschen in Edwards Publikum an seine Fähigkeiten glauben, weil er ihnen die Hoffnung schenkt, mit einem verstorbenen lieben Menschen in Kontakt treten zu können. Diese Erwartungen, zusammen mit Edwards Geschick, eine emotionale Bindung zu bestimmten Menschen im Publikum aufzubauen, erschweren es seinen Zuschauern, die logischste Erklärung für Edwards Tun zu finden. Zweitens sammelt Edwards vermutlich wie die meisten Medien im Voraus Informationen über die Gäste im Studio. Oder er platziert ein paar Strohmänner unter ihnen. Durch sie stellt er sicher, dass er bei jedem Auftritt einige »Treffer« landet. Drittens ist Edward ein Meister des Cold Reading, jener Techniken, die Zauberer benutzen, die Gedanken ihrer Zuschauer zu lesen. Dazu gehört vor allem ein Trommelfeuer an Aussagen, das seinen Zuschauern keine Zeit zum Überlegen lässt. Seine Worte wirken entschieden und präzise, weil er falsche Aussagen eiligst überspielt und unter den Teppich kehrt. Sein Publikum hat gar keine Zeit, über seine Fehler nachzudenken. Die Leute erinnern sich nur an jene Informationen und Beispiele, die seine angeblichen Fähigkeiten bestätigen.25

Des Weiteren streut er in seine Cold Readings möglichst vage Beschreibungen ein, die sich auf vielerlei Art interpretieren lassen. Die Interpretation, für die sein Gegenüber sich entscheidet, lässt er so erscheinen, als hätte er das Ganze von Anfang an so gemeint. Er sagt: »Sie ist an oder rund um einen großen Feiertag gestorben oder an einem Tag, der gefeiert wird, aber landesweit.« Die Antwort »11. September« behandelt er dann, als passte sie zu seiner Aussage, auch wenn es sich dabei weder um einen Fest- noch um einen offiziellen Feiertag handelt. Aber für die Person, die den Tag nennt, fühlt es sich stimmig an. Außerdem fällt unter die Beschreibung »rund um einen großen Feiertag« oder »einem Tag, der landesweit gefeiert wird« fast der gesamte Kalender. Ganz egal, wann die betreffende Person gestorben ist, irgendwie gibt es immer einen Feiertag, der zeitlich in der Nähe liegt. Aber in diesem Moment denken die Menschen eben nur an den Tag, an dem ihr Angehöriger gestorben ist, und nicht daran, wie leicht Edward dieses Datum mit anderen wichtigen Erfahrungen hätte verknüpfen können.

Man kann nun mal leicht über den Tisch gezogen werden, wenn die eigene Aufmerksamkeit zu eng fokussiert ist. CEOs, die viel Zeit darauf verwenden, ihr Unternehmen in den sozialen Medien positiv darzustellen, lenken die Aufmerksamkeit wenig versierter Investoren ab von Informationsquellen, die ihre Aussagen widerlegen könnten. In unseren Vorträgen und Seminaren...

Erscheint lt. Verlag 22.10.2023
Übersetzer Elisabeth Liebl
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie
Schlagworte austricksen • Beeinflussung • Betrug • Betrüger • Fälschung • Gehirnwäsche • hinters Licht führen • Hochstapler • hochstapler entlarven • Kunstfälscher • Manipulation • manipulation buch • Phisching Mail • Psychologie Manipulation • Ratgeber Betrug • scam • Schneeballsystem • sich täuschen • Täuschungsversuch • Zaubertricks
ISBN-10 3-96121-931-1 / 3961219311
ISBN-13 978-3-96121-931-5 / 9783961219315
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