(K)Eine Gesellschaft -  Wolfgang Rittinger

(K)Eine Gesellschaft (eBook)

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2023 | 1. Auflage
260 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7568-5341-0 (ISBN)
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Sicher ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass im politischen Diskurs die Bedeutung einer wichtigen Fragestellung gerne mit dem Hinweis verstärkt wird, dass man im Falle einer falschen Entscheidung eine Spaltung der Gesellschaft riskieren würde. Mit einer derartigen Drohkulisse kann man in einer Gesellschaft zumindest diffuse Angstzustände auslösen und damit auch die Meinungsbildung beeinflussen. Die ehemalige britische Premierministerin Margaret Thatcher vertrat einmal die Auffassung, dass es so etwas wie eine Gesellschaft gar nicht gibt. Diese Sichtweise hat durchaus einen gewissen Charme, denn schließlich kann man nichts spalten, was es gar nicht gibt. Oder ist es vielleicht nur so, dass es zwar eine Gesellschaft gibt, diese aber schon mehr Spalten und Risse aufweist als der Lambert-Gletscher in der Antarktis? Wobei es sich bei diesem nur um das Ergebnis völlig natürlicher Prozesse handeln würde. Vielleicht ist das bei einer Gesellschaft aber ebenso der Fall? Außer der im Personalausweis formal dokumentierten Staatsangehörigkeit kann man sich heute also gar nicht mehr so sicher sein, zu welcher Gesellschaft man eigentlich gehört - sofern es wie gesagt überhaupt eine gibt. Vielleicht ist man als Individuum auch in mehreren Gesellschaften gleichzeitig vertreten und merkt das gar nicht? Es kann also nicht schaden, diesem doch etwas verworrenen Zustand ein wenig auf den Grund zu gehen.

Wolfgang Rittinger, 1960 in München geboren, war viele Jahre in leitender Funktion bei einer deutschen Großbank tätig. In seinem dritten Buch begibt er sich auf einen lockeren Streifzug durch die Gesellschaft, um herauszufinden, in welcher er sich eigentlich befindet.

Wir dürfen uns nicht einander lästig werden;
die Welt ist groß genug für uns alle.
(Immanuel Kant, 1724 - 1804)

Prolog


Ein Spalt ist laut Duden eine schmale, längliche Öffnung, die einen Zwischenraum bildet. Bei einem Riss bleibt das Stück zumindest noch als Ganzes erhalten. Allerdings nur so lange, bis der Riss so tief geht, dass er eine komplette Spaltung auslöst.

Damit lässt sich der Zustand einer Gesellschaft ganz gut beschreiben. Gibt es in ihr nur Risse oder bereits echte Spalten? Und wenn ja, wie schlimm ist das? Dass es so etwas wie eine Gesellschaft im Grunde vielleicht gar nicht gibt, wie die ehemalige britische Premierministerin Margaret Thatcher einmal meinte, ist auch nicht gänzlich auszuschließen.

Wie immer kommt es auf die Definition an, was man unter einer Gesellschaft verstehen will. In Wikipedia kann man folgende abstrakte Erklärung nachlesen:

Die Gesellschaft bezeichnet in der Soziologie eine durch unterschiedliche Merkmale zusammengefasste und abgegrenzte Anzahl von Personen, die als soziale Akteure miteinander verknüpft leben und direkt oder indirekt sozial interagieren.

In Abgrenzung zu einer Gesellschaft muss man die Gemeinschaft sehen, denn diese bezeichnet lediglich eine eher überschaubare Gruppe, deren Mitglieder durch ein starkes Wir-Gefühl miteinander verbunden sind und auch örtlich auf engerem Raum zusammenleben.

Ein lokaler Sportverein, dessen Fußballmannschaft am letzten Spieltag darauf hofft, durch einen Sieg dem drohenden Abstieg noch entrinnen zu können, ist so ein Beispiel. Diese Gefahrenlage schweißt Vereinsmitglieder und Fans automatisch noch enger zusammen und im Falle des Misserfolgs ist dieser gemeinsam zumindest etwas leichter zu bewältigen. Der überraschende Verbleib in der Liga würde demgegenüber in einer ausgelassenen Party münden, auf der sich diese Gemeinschaft dann freudetrunken in den Armen liegt.

Zumindest wird deutlich, dass es immer viele Menschen braucht, um eine Gesellschaft überhaupt entstehen lassen zu können. Ferner müssen für deren Miteinander noch einige Regeln und Normen gelten, von denen es bei uns jedenfalls mehr als genug gibt.

Leider verhindert der föderale Charakter unseres politischen Systems bereits eine gewisse Einheitlichkeit unserer Gesellschaft, denn was teilweise in Bayern gilt, muss für Brandenburg nichts heißen und umgekehrt. Aber das ist ein anderes Thema.

Eine Gesellschaft kann auch über ihre wirtschaftliche Form (z.B. Kapitalismus, Sozialismus), Sozialstruktur (z.B. soziale Schichtung, Klassengesellschaft) oder religiöse Ausrichtung definiert werden. Diese Gruppen kann man untereinander noch beliebig miteinander kombinieren, was der Schaffung von Transparenz nicht gerade zuträglich ist.

So gesehen haben wir es bereits aufgrund einiger weniger Kriterien mit sehr vielen Gesellschaften innerhalb der einen zu tun. Herkunft, soziales Umfeld, materielle Ausstattung, Weltanschauungen usw., es gibt eine Vielzahl von Faktoren, die das Miteinander einer Gesellschaft beeinflussen, aber auch immer häufiger das Gegeneinander.

Die Auswahl an potenziellen Ordnungskriterien zur Bestimmung einer Gesellschaft ist somit relativ groß und erweckt den Anschein, dass es die eine Gesellschaft tatsächlich gar nicht gibt. Es bestehen nämlich genügend Möglichkeiten, nach denen wir Bürger ein- und umsortiert werden können.

Je nachdem, zu welcher einer öffentlich geführten Debatte die Gesellschaft als Gradmesser für eine bestimmte Meinungsströmung herangezogen werden soll, lässt sich diese Menschenmenge auf dem Papier immer aufs Neue in einer anderen Kombination zusammensetzen und wieder auseinanderbauen. Das hat etwas von einem Spieleparadies im Möbelhaus.

Somit ist klar, dass man als Individuum in vielen Statistiken auftaucht und bei Bedarf je nach Laune des Analysten stets in einem anderen Kontext einsortiert werden kann. Man wird auch nicht gefragt, ob man das überhaupt will. Es passiert einfach und am Ende wird man vielleicht als Referenz für eine bestimmte Schlussfolgerung mitverwendet, egal ob man diese teilen würde oder nicht.

Abseits dieser trockenen und eher statischen Spielereien existiert eine enorme Vielfalt an Prozessen, die zwischen den Menschen einer Gesellschaft ablaufen. Diese Verbindungen ähneln einem Bild, bei dem man die Verkehrslinienpläne von mehr als hundert Großstädten übereinander legen würde. Hält man dieses Papierbündel dann gegen das Licht erkennt man - nichts mehr.

Will man also mehr Transparenz erhalten und vor allem besser verstehen, in welcher Gesellschaft man sich bewegt, ist die Auseinandersetzung mit etwas Theorie von Nöten, auch wenn mir das als Praktiker vor dem Herrn nicht besonders behagt.

Trotzdem ist diese Vorgehensweise vonnöten, denn ein 6-Gänge-Menü kann man auch nur dann richtig würdigen, wenn man dessen Zutaten und die Art der Zubereitung genauer kennt. So werde ich bei meiner Erkundungstour wohl oder übel beim Beginn der Menschheit starten und die mit der Zeit entstandenen Prozesse des Zusammenlebens betrachten müssen.

Sie brauchen jetzt aber nicht gleich in Panik verfallen, denn wie Sie bereits an der Seitenzahl dieses Buches unschwer erkennen können, wird meine Arbeit nicht in eine wissenschaftliche Abhandlung mit ellenlangen Ausführungen samt zahlreichen Quellenverweisen abdriften. Für eine derart erdkrustentiefe Analyse verfüge ich weder über die geeignete akademische Ausbildung, noch hätte ich dazu die erforderliche Geduld.

Vielmehr will ich mir eine grobe Übersicht darüber herstellen, was es mit unserer Gesellschaft eigentlich so auf sich hat und wo genau ich mich darin einzusortieren hätte. Natürlich weiß ich, dass ich deutscher Staatsbürger bin und seit meiner Geburt in Bayern lebe, doch ist mir diese schlichte Sicht auf meine Zugehörigkeit zu einer Gesellschaft zu wenig.

Auch angesichts der in den Medien ohne Unterlass umherschwirrenden Nachrichten wird man schnell unsicher, bei welchem Thema man sich als Mikroteilchen der Gesellschaft überhaupt angesprochen fühlen sollte oder sogar muss.

Die sogenannte öffentliche Meinung ändert sich je nach Sachverhalt inzwischen so schnell, dass einem kaum Zeit bleibt, darüber nachzudenken, ob man bestimmten Aussagen beipflichten würde oder eben auch nicht. Schließlich müsste man noch ständig hinterfragen, warum eine größere Gruppe von Menschen gerade die eine oder andere Sichtweise vertritt. Das ist kaum noch zu schaffen.

Wohn- und Geburtsort, Beruf, Alter. Jedes dieser Merkmale, die fast in jedem banalen Formblatt des alltäglichen Lebens vorzufinden sind, lassen sich bei etwas näherer Betrachtung problemlos dazu verwenden, viele weitere gesellschaftliche Gruppierungen zu definieren, die miteinander aber nicht unbedingt kompatibel sind.

Jede Teilgruppe weist einige Besonderheiten auf, die sie von den anderen eher trennt, als dass sie sich mit ihnen verbinden ließe. Ob man diesen Umstand schon als Hinweis auf eine gespaltene Gesellschaft werten darf?

Man könnte es annehmen, denn außer der Tatsache, dass alle im gleichen Land leben, lässt sich daraus kaum die Existenz einer echten gesellschaftlichen Einheit ableiten, da die jeweiligen Lebensumstände der Individuen letztlich zu sehr unterschiedlichen Bedürfnissen und Ansichten führen können.

Es wird schließlich kaum jemand bestreiten können, dass zu den verschiedenen Themen des gesellschaftlichen Alltags der verheiratete 40-jährige Familienvater als Großstadtbewohner in Nordrhein-Westfalen, von Beruf Softwareprogrammierer, vermutlich eine etwas andere Haltung an den Tag legt als der 20 Jahre jüngere und noch ledige Kleinstädter in Baden-Württemberg, der gerade seine Ausbildung zum Schreiner absolviert.

Dabei steht außer Frage, dass unsere Gesellschaft selbstverständlich beide braucht und jeder von ihnen seinen Teil zum Funktionieren unseres Gemeinwesen beiträgt. In den staatlich vorgegebenen Ordnungsrahmen müssen sich die beiden Personen ebenso einfügen, egal ob es sich um Steuern, Abgaben oder die Straßenverkehrsordnung handelt. Vor dem Gesetz sind alle gleich. Zumindest meistens.

Über unsere Gesellschaft und ihre Eigenheiten etwas länger nachzudenken war bei mir bislang immer nur dann angesagt, wenn gewisse Entwicklungen eine größere Aufmerksamkeit in der Bevölkerung erzeugten und dadurch ein Orkan der unterschiedlichsten Reaktionen hervorgerufen wurde.

Meine persönlichen Analysen hierzu waren aber dabei oftmals eher flüchtiger Natur, was mir bedauerlicherweise nur selten einen nachhaltigen Erkenntnisgewinn ermöglichte.

Das war für mich jedoch in Ordnung, denn durch die zunehmende Geschwindigkeit des Wandels würden viele meiner Feststellungen im nächsten Moment ohnehin schon bald wieder Makulatur sein und während meines Arbeitslebens hatte ich schon genug für die Tonne gearbeitet. Unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit wollte ich daher in meinem Privatleben nicht auch noch für zusätzlichen Abfall sorgen.

Daher opferte ich...

Erscheint lt. Verlag 9.1.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie Sozialpsychologie
ISBN-10 3-7568-5341-1 / 3756853411
ISBN-13 978-3-7568-5341-0 / 9783756853410
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