Der Philosoph und der Diktator (eBook)

Plato und Dionys. Geschichte einer Demokratie und einer Diktatur
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2023 | 1. Auflage
208 Seiten
Diogenes (Verlag)
978-3-257-61294-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Philosoph und der Diktator -  Ludwig Marcuse
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Die uralte Antithese von Geist und Macht, in unserem Jahrhundert in der Sorge um die Bewahrung des Menschlichen vor der anonymen Gewalt eines menschenfeindlichen Staatsapparates zu weltweiter Bedeutung gelangt, ist in Ludwig Marcuses Buch Der Philosoph und der Diktator zu einem lebendig-dramatischen Gleichnis geworden. Die Auseinandersetzung zwischen Plato und Dionys, dem Weisen und dem Tyrannen von Syrakus, schlägt über zweitausend Jahre hinweg die Brücke zur Problematik unserer Tage. So erzwingt dieses Buch wie alle bleibenden Bücher auf mehreren Ebenen unser Interesse: als packende Erzählung, als lebendigste Nachschöpfung der antiken Welt, endlich als philosophisch-politische Streitschrift von brennendster Aktualität.'

Ludwig Marcuse, geboren 1894 in Berlin, emigrierte 1933 wie viele deutsche Intellektuelle nach Sanary-sur-Mer in Südfrankreich und 1940 in die USA. 1944 wurde er amerikanischer Staatsbürger, später lehrte er als Professor für Philosophie und Deutsche Literatur an der University of Southern California in Los Angeles. Nach der Emeritierung kehrte er 1963 nach Deutschland zurück. Er starb 1971 in München.

Ludwig Marcuse, geboren 1894 in Berlin, emigrierte 1933 wie viele deutsche Intellektuelle nach Sanary-sur-Mer in Südfrankreich und 1940 in die USA. 1944 wurde er amerikanischer Staatsbürger, später lehrte er als Professor für Philosophie und Deutsche Literatur an der University of Southern California in Los Angeles. Nach der Emeritierung kehrte er 1963 nach Deutschland zurück. Er starb 1971 in München.

In den letzten Jahrzehnten entstanden drei Bücher, die, Figuren des dritten griechischen Jahrhunderts vor Christus, des spanischen sechzehnten und des deutschen neunzehnten Jahrhunderts darstellend, als historische Biographien katalogisiert wurden, obwohl sie ohne die blutigen deutschen Ereignisse nicht entstanden wären.

Loyola: Ich versuchte den radikalsten Verkünder und Exekutor des Gehorsams und der Gleichschaltung zu beschreiben. Richard Wagner: Ich versuchte einen Deutschen nachzuzeichnen, der wie kein anderer Künstler die deutsche Politik schlimm beeinflußt hat; nicht durch seine Musik, nicht durch die (lächerlicherweise als teutsch charakterisierten) Figuren des »Rings«, nicht einmal vor allem durch seine politischen Schriften – sondern durch Cosimas und Chamberlains Bayreuth, von Wagners Rassismus und Chauvinismus geprägt, und die gewaltige Fülle von politisierenden Wagner-Propagandisten.

Und ich schrieb »Plato und Dionys«: nicht nur, weil der mächtigste Tyrann jener Tage durch eine syrakusische Harzburger Front hochgekommen war, vor allem, weil Platon der erste große Marxist gewesen ist sowohl in der Entdeckung des Klassenkampfs als auch in der Verknüpfung von Interpretation und Aktion. Auch Marx dachte zuerst und handelte dann.

Platon scheiterte politisch wie er, weil ihre Praktische Vernunft, voll großartiger Teilwahrheiten, damals und später nicht stimmte. Jede Revolution muß mißglücken, wenn zwar die Utopie vollendet gut, der nächste Schritt aber oder irgendein weiterer, der in ihre Richtung gehen sollte, falsch ist. Haben wir das nicht in diesem Jahr gelernt?

August 1968

L.M.

 

Die Jahre brachten es so mit sich, wie jeder weiß, daß eine Reihe von deutschen Büchern zuerst als Übersetzung erschien. Dies geschah auch diesem Buch. Es hat so bereits einige Erfahrungen mit Lesern – und möchte einen Augenblick davon sprechen.

Einer der ersten schrieb auf den Schutzumschlag der amerikanischen Ausgabe: dies sei eine romanhafte Biographie. Sie ist weder romanhaft noch so vorsichtig dokumentiert, daß man nur vor sich hat, was wir über Plato – nicht wissen. Sie ist eher zu bezeichnen als eine Rekonstruktion: als ein Höchstwahrscheinlich-ist-es-so-oder-ähnlich-gewesen. Das Wort Rekonstruktion hat einen behaglich-archivarischen Unterton; so aber ist es nicht gemeint. In einer Zeit, in der die schriftstellernden Politiker meist noch unernster sind als die exekutierenden, ist der rekonstruierte Plato hoffentlich eine Herausforderung.

Ein anderer Leser, der ein Schulbuch erwartet hatte – und seine Enttäuschung drucken ließ, stellte an mich die Frage: Weshalb, o Autor, steht bei dir nichts geschrieben über die Unsterblichkeit der Seele (nach dem »Menon«) und nichts über Frömmigkeit und Gottlosigkeit (nach dem »Eutyphron«) und nichts über Mäßigkeit (nach dem »Charmides«) und nichts über Freundschaft (nach dem »Lysis«) und nichts über Mut (nach dem »Laches«)?

Man wird noch viel mehr in diesem Buch – nicht finden; es ist nichts weniger als ein Plato-Kompendium. Allerdings lieferte Plato sehr erhebliche Beiträge zur Geschichte der Metaphysik, der Ethik, der Logik und vieler anderer »Fächer« – zum Beispiel auch zur Geschichte der Kosmologie und Anthropologie. Hier wird er nicht als Beiträger dargestellt.

Eher als ein ungewöhnlich langlebiges Wesen, das immer wieder einmal einem begegnet und ihm etwas Dringendes mitteilt: wie der Abendstern und der Mohn und der Mond und Nietzsche und eine erste Liebe immer wieder einmal einem begegnen und ihm etwas Dringendes mitteilen. Es war nötig, daß ich, der Autor, der bin, welcher ich bin, und daß die Jahre, die ich durchlebte, die waren, welche sie waren, damit mir Plato mitteilte, was in diesem Buch zu finden ist.

Was der Leser sich außerdem noch wünscht – zur Ergänzung von Bildungslücken, wird er leicht in jeder Bibliothek finden.

Und vielleicht ist dieser Versuch: einen Philosophen darzustellen, ohne ihn zu zerlegen in privates Leben und wissenschaftliche Resultate, nicht ganz unplatonisch. Das große Vorbild ist: was er selbst an Sokrates getan hat. Wie Sokrates war auch Plato etwas anderes als ein Privatmann, der außerdem noch Theorien hinterließ. Er war: Philosophieren in Person. Sein Dasein illuminiert den oft übersehenen Befund, daß erst das Philosophieren den Menschen voll konstituiert. Wer nicht philosophiert, ist nicht. Und das sagt nichts gegen die Tatsache, daß, wer nicht ißt, auch nicht ist.

Es gibt keinen Unterschied zwischen Nachdenken und Leben. Es gibt nur einen Unterschied zwischen Vegetieren und Leben.

Und da ich bei den artifiziellen Unterscheidungen bin, komme ich zum dritten Leser, an den ich denke, wenn ich dieses Buch dem deutschen Leser präsentiere.

Einer meiner Bekannten, dem ich es leichtsinnigerweise verehrt hatte, war ganz besonders unzufrieden mit mir. Er hielt mir vor, daß Plato bekanntlich ein Künstler gewesen sei, daß seine Politik nur die liebenswerte Spielerei eines großen Zauberers mit Worten war – und daß mein Ernstnehmen dieser schönen politischen Phantasien amusisch ist. Und da mein Kritiker sich selbst zu den Künstlern rechnete, schwenkte er die Fahne der Kunst ganz dräuend vor meinen Augen.

Wer wüßte nicht, daß Plato gelungen ist, was nur den größten Künstlern gelang: neben Odysseus, Don Quijote, Hamlet, Don Juan und Faust lebt sein Sokrates viel ausgiebiger als irgendein Irdischer. Dennoch, was ist unplatonischer als diese bürokratische Scheidung zwischen Kunst und Politik – nur gültig in einer Sphäre, in der Kunst eine handwerkliche Spezialität ist und Politik die Summe jener Pfiffigkeiten, in denen die Hauspolitik (und morgen gehört ihnen die Welt) aller Cliquen besteht (auch der welthistorischsten). Politik war aber einmal ein feierliches Wort – was man ihm allerdings nicht mehr ansieht. Politik war einmal der Inbegriff aller Hoffnungen auf den Menschen – damals, als Plato bestimmte, was Politik ist; mehr als die Hälfte seines Gesamtwerks und ein guter Teil seiner Tage waren dieser Bestimmung gewidmet.

Seine Schriften haben auch reizende poetische Einfälle. Und der Dramatiker Georg Kaiser hat mit gutem Recht den Ideen-Dramatiker Plato gepriesen und zum Vorbild erkoren. Aber nicht in den lyrischen Intermezzos und nicht in den farbenreichen Skizzierungen athenischen Lebens und nicht in der großartig theatralischen Dialektik – nicht einmal in diesem überwältigenden, ein Geschlecht nach dem andern überwältigenden Sokrates-Porträt ist Plato auf der Höhe seines Künstlertums. Sondern in jenem meisterhaften Bau, dessen Allerheiligstes eine nach der Wahrheit geordnete Menschheit ist. Platos Politik ist Herrschaft über den schrecklich wuchernden Mißwuchs. Platonische Kunst ist Herausarbeitung des Menschen aus dem rohen Block des historischen Materials.

Die Wahrheit, die er fand, verpflichtet uns nicht; sie ist zum Teil Wahrheit, zum Teil Unwahrheit. Wer auf historische Wahrheiten schwört, will aus dem Kindergarten nicht heraus. Dies Buch macht nicht Reklame für einen platonischen Kindergarten. Platoniker, Thomisten, Spinozisten, Schopenhauerianer, Marxisten sind in der Regel Leute, die glauben, sich vom Denken dispensieren zu dürfen – weil andere so übermäßig viel gedacht haben. So tradiert man fleißig ihr vergängliches Alles und schleppt es stur weiter – statt sich von dem unbändigen Leben, das in dem von vielen Moosen überwachsenen Gebilde rumort, beflügeln zu lassen. Ein echter Platoniker, Kafka, schrieb den Satz: »Zeitweilige Befriedigung kann ich noch von meinen schriftstellerischen Arbeiten haben, Glück aber nur, falls ich die Welt ins Reine, Wahre, Unveränderliche heben kann.«

Was sagt mir Plato, wenn ich nicht in der Schule sitze? Was sagt Plato, wenn ich mich nicht an seine Rockschöße hänge? Dies Buch macht einen bescheidenen Versuch, dies wiederzusagen.

 

War Plato nicht ein Metaphysiker, der die Welt der Ideen entdeckte? Ein Logiker, der begann, die fundamentalen Kategorien des Denkens zu zergliedern?

Er war vor allem ein Mann, der leidenschaftlich erkannt hatte, daß es so mit den Menschen nicht weitergeht. Und sein Leben, so wenig wir auch von ihm wissen, ist das sichtbarste Zeugnis dieser Leidenschaft. Sie hatte ein einziges Ziel: laßt uns dem ewigen (offenen oder geheimen) Krieg aller gegen alle ein Ende machen!

Was wissen wir von diesem Leben? Unter Platos Namen ist neben den Dialogen auch eine Reihe von Briefen überliefert worden. Die meisten von ihnen werden von den Kennern für Fälschungen gehalten. Aber der längste Brief, der sogenannte siebente, wird kaum angezweifelt. Er ist ein Rückblick des Greises auf seine politischen Erfahrungen.

Das Selbstporträt eines Mannes, der das Zusammenleben der Menschen von Grund auf ändern wollte. Plato schuf es im sechsundsiebzigsten Jahr seines Daseins. Er erzählt von seinen drei Reisen nach der Insel Sizilien. Dreimal unternahm er dort den Versuch, aus dem Reich Syrakus, dem mächtigsten Militärstaat der Zeit, den gerechten Staat zu formen. Dreimal erlitt er Schiffbruch. Das war die zentrale Tragödie seines Lebens.

Er konnte sein Ideal nicht verwirklichen. Aber das Buch, in dem er den Plan aufgezeichnet hat, wurde eine der folgenreichsten Schriften der Weltliteratur: »Die Republik«.

Sie erzählt von einem, der sich nicht begnügte, das Elend, das er erlebte, als gottgewollt hinzunehmen. Außerdem erzählt sie noch von zwei Diktatoren und ihrem Feind.

 

Plato ist nicht so lebendig wie seine Lehre. Philologische...

Erscheint lt. Verlag 25.1.2023
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Philosophie
Schlagworte Despoten • Diktatur • Geist • Macht • Philosophie • Philosophiegeschichte • Tyrann • Weisheit • Weltgeschichte
ISBN-10 3-257-61294-X / 325761294X
ISBN-13 978-3-257-61294-3 / 9783257612943
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