Merchandise of Power (eBook)

Der Waffenhandel zwischen Europa und Ostafrika (1850-1919)

(Autor)

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2022 | 1. Auflage
332 Seiten
Campus Verlag
978-3-593-45427-6 (ISBN)

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Merchandise of Power -  Felix Brahm
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Waffen sind keine gewöhnlichen Handelsartikel. Als Gewaltmittel ist ihr Transfer stets ein Politikum, sie sind ein »Merchandise of Power«, das Machtverhältnisse verschiebt. Im vorkolonialen Ostafrika wuchs der Handel mit Feuerwaffen und Pulver seit der Mitte des 19. Jahrhunderts rasant. Felix Brahm rekonstruiert die Geschichte dieses neuen Waffenmarktes und zeigt auf, wie über den Waffenhandel globale und lokale Entwicklungen miteinander verflochten waren. Feuerwaffen wirkten in Ostafrika als Triebkraft eines gewaltvollen Globalisierungsprozesses, vor allem durch ihre Einführung in das Karawanenwesen, das Sklavereigeschäft und die kommerzielle Elefantenjagd. Aufbauend auf vorkolonialen Praktiken, wurde die Kontrolle des Waffenhandels zu einem mächtigen Instrument deutscher und britischer Fremdherrschaft in der Region. Nominiert für die Shortlist des Carl Erdmann Preises 2023

Felix Brahm, PD Dr. phil., ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Bielefeld.

Felix Brahm, PD Dr. phil., ist Fellow der Max-Weber-Stiftung.

1.Einleitung


Im August 1882 wurde der deutsche Expeditionsreisende Hermann Wissmann von dem ostafrikanischen Herrscher Mirambo im heutigen zentralen Tansania empfangen. Dabei bemerkte Wissmann, dass Mirambo in großem Stil Speere, Bögen und Pfeile anfertigen ließ: »Hier saßen 20 Mann, die nur Pfeilschäfte glätteten, dort Schmiede, dem Eisen die Form von Pfeil- und Speerspitzen gebend, andere schliffen an Steinen diese Spitzen, wieder andere fügten Federn in den Pfeilschaft ein […].«1 Mirambo führte Wissmann in einen großen Raum mit Tausenden von Speeren, Bögen und Bündeln von Pfeilen und sagte daraufhin: »Siehe hier mein Pulver«, »noch bin ich nicht waffenlos«.2

Wissmann verstand, dass es sich um eine Umrüstung auf traditionelle Waffen handeln musste. Was er beobachtete, war die Reaktion Mirambos auf ein (erneutes) Pulverhandelsembargo des Sultans von Sansibar. Das vor der ostafrikanischen Küste gelegene Sansibar hatte sich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts zu einem regionalen Knotenpunkt des globalen Handels mit Feuerwaffen und Pulver entwickelt. Den Zugang zu diesem Markt hatte Mirambo für sich zu nutzen gewusst und auf die militärische Integration von Feuerwaffen gesetzt – nun jedoch musste er sein Arsenal notgedrungen auf ältere Waffentechnologie umstellen.

Die Vignette bietet in mehrfacher Hinsicht einen Einstiegspunkt in dieses Buch. Sie führt zunächst vor Augen, wie über den Waffenhandel lokale, regionale und globale Entwicklungen miteinander verflochten waren. Das Pulverhandelsembargo des Sultans erklärt sich nur vor dem Hintergrund des Aufstiegs Sansibars zu einem regionalen Knotenpunkt des sich rasant globalisierenden Waffenhandels. Mirambos Umrüstung wird wiederum nur verständlich, wenn seine Partizipation an diesem Handel und die Integration von Gewehren in sein Arsenal berücksichtigt werden, die entscheidend für seinen Aufstieg von einem lokalen Chief zu einem der mächtigsten Herrscher auf dem Festland war und ihn in die Lage versetzte, die regionale Vorherrschaft Sansibars herauszufordern.

Zweitens macht die Episode deutlich, dass die Geschichte des Waffenhandels immer auch eine Geschichte seiner Kontrolle ist. Das gilt zwar für Handel allgemein, für Waffenhandel aber im Besonderen. Durch das Gewaltpotential von Waffen gewann die Kontrolle über ihre Zirkulation stets politische Relevanz. Nur wenige Jahre nach dem Pulverhandels-Embargo des Sultans wurde der Waffenhandel entlang der gesamten ostafrikanischen Küste blockiert, in einer Kooperation Deutschlands, Großbritanniens, Italiens und Portugals. Die Blockade mündete in die erste größere internationale Übereinkunft zur Waffenhandelskontrolle überhaupt, die unter Ausschluss afrikanischer Teilnehmer den freien Handel moderner Feuerwaffen für weite Teile des Kontinents verbot und damit eine entscheidende Grundlage für die Durchsetzung kolonialer Herrschaft schuf.

Drittens ist die Episode insofern instruktiv, als dass die überlieferten Worte Mirambos zur Vorsicht vor einer technikhistorischen »Fortschrittsfalle« mahnen. Mirambo war eben nicht »waffenlos« durch das Embargo des Pulverhandels; er konnte auf herkömmliche Waffen umrüsten. Dennoch zeigt sich hier die große Bedeutung, die Feuerwaffen lokal gewonnen hatten. Sie waren mächtige technologische Artefakte, die vielerorts in Ostafrika in militärische, ökonomische und soziale Kontexte integriert worden waren und diese teilweise transformiert hatten.

Die Geschichte von Feuerwaffen, ihres Handels und seiner Kontrolle auf verschiedenen Interaktionsebenen zu erforschen ist die Aufgabe dieser Studie. Sie setzt dafür Wirtschafts- und Technikgeschichte mit Politik- und Sozialgeschichte in Beziehung und zeigt das Potential dieser Verbindung in globalhistorischer Perspektive auf. Im geographischen Mittelpunkt der Untersuchung steht das zentrale Ostafrika zwischen der Mitte des 19. Jahrhunderts und dem Ersten Weltkrieg – eine Region, die im Kern die heutigen Länder Tansania, Kenia und Uganda umfasst. Ostafrika ist als Untersuchungsregion gerade deshalb von besonderem Interesse, weil sich Feuerwaffen hier ab den 1850er Jahren erstmals stark verbreiteten; insofern kann an seinem Beispiel rekonstruiert werden, wie in der Zeitphase der ersten Globalisierung ein neuer weltregionaler Markt für Feuerwaffen entstand und wie Waffenkontrolle in einer Region organisiert wurde, in der Feuerwaffen zuvor kaum verbreitet gewesen waren.

Feuerwaffen sollen hier aber nicht nur als Ware untersucht werden, deren Handel sich im Untersuchungszeitraum globalisierte. Sie werden auch als Objekte betrachtet, die durch ihre spezifischen technologischen Eigenschaften, ihren Gebrauch durch menschliche Akteure und ihr »soziales Leben« Wirkungsmacht in verschiedenen Kontexten entfalteten. Es ist danach zu fragen, wie sich lokale Akteure Feuerwaffen und ihre Technologie aneigneten, auf welche Weise und mit welchen Konsequenzen sie in unterschiedliche Gebrauchskontexte integriert wurden und wie sich ihre physische und mentale Präsenz auf ökonomische und soziale Beziehungen auswirkte.

Damit eng verbunden ist ein weiterer Fragenkomplex dieser Untersuchung, der auf die politische Bedeutung der Feuerwaffe zielt. Ostafrika ist in dieser Hinsicht wiederum von besonderem Interesse, weil die Dekaden nach der Mitte des 19. Jahrhunderts eine krisenhafte Zeit darstellten, die von tiefgreifenden politischen und sozialen Transformationsprozessen geprägt war. Die Bedeutung von Waffenhandel und Waffenkontrolle soll in diesem Zusammenhang erforscht werden, wobei es zu ergründen gilt, welche Rolle dieselben ab den 1880er Jahren für die Etablierung der kolonialen Herrschaft Deutschlands und Großbritanniens in der Region spielten. Dabei wird auch untersucht, inwieweit europäische Mächte in der Waffenkontrolle kooperierten und wie das koloniale Waffenregime lokal angefochten und unterlaufen wurde.

Feuerwaffen in Afrika: Entwicklung eines Forschungsgegenstands


Die Thematik von Feuerwaffen in Afrika zog erstmals in den 1960er und 1970er Jahren größere historiographische Aufmerksamkeit auf sich. Ausgangspunkt war die Frage nach der Relevanz von Feuerwaffen für den Sklavenhandel. Zur Diskussion stand das Modell eines gun-slave cycle in Westafrika: Konnte die im 18. Jahrhundert rasant steigende europäische Nachfrage nach Versklavten in Westafrika nur durch den Import von Gewehren gedeckt werden? Versetzten Feuerwaffen afrikanische Sklavenhändler erst in die Lage, mehr Kriegsgefangene zu machen und in die Sklaverei zu verkaufen?3

Die Diskussion fokussierte sich auf die militärische Bedeutung von Feuerwaffen, und es entstand eine Auseinandersetzung um die Bedeutung der neuen Waffentechnologie für die afrikanische Kriegsführung. Dabei ist deutlich geworden, dass afrikanische Gesellschaften in vorkolonialer Zeit Feuerwaffen in sehr unterschiedlichem Maße in ihr Arsenal integrierten und ihr militärischer Wert von diversen Faktoren abhing, unter anderem von der Größe der bewaffneten Einheiten, dem taktischen Verhalten und der Beschaffenheit des Geländes.4 Gezeigt wurde mit Blick auf Westafrika auch, dass Feuerwaffen häufig mit anderen Waffenarten kombiniert wurden, ein Befund, den Richard Reid später auch für das vorkoloniale Ostafrika bestätigte.5

In zwei Ausgaben des Journal of African History wurde 1971 eine erste Bestandsaufnahme zur Thematik vorgenommen.6 Allgemeiner Tenor war, dass die Einfuhr von Feuerwaffen im 18. und 19. Jahrhundert zwar vielerorts in Afrika anstieg, ihre historische Bedeutung jedoch fraglich sei und jedenfalls für die Kriegsführung nicht überschätzt werden sollte.7 Mit Blick auf den Sklavenhandel widersprachen dieser Einschätzung W. A. Richards und Joseph Inikori vehement. Durch Rekonstruktion der Einfuhrzahlen von Gewehren an verschiedenen westafrikanischen Handelsplätzen zeigten sie Korrelationen mit Konjunkturen des Sklavenhandels auf, und diese Beweisführung eines gun-slave cycle hat in jüngster Zeit Warren Whatley noch einmal aufgenommen.8 Richards und Inikoris Arbeiten zeigten erstmals auch eindrücklich, welch astronomische Höhen die westafrikanische Feuerwaffeneinfuhr im 18. Jahrhundert erreichte: Bis 1730 stieg der Waffenimport allein an der Goldküste und in der Bucht von...

Erscheint lt. Verlag 23.11.2022
Reihe/Serie Globalgeschichte
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Geschichte Allgemeine Geschichte Neuzeit (bis 1918)
Schlagworte 19. Jahrhundert • Afrika • Deutschland • Elefantenjagd • England • Erster Weltkrieg • Feuerwaffen • Geschichte • Gewehr • Gewehre • Globalgeschichte • Großbritannien • Imperialismus • Jagd • Kenia • Kolonialismus • Kolonialverwaltung • Ostafrika • Pulver • Tansania • Uganda • Waffen • Waffenhandel • Waffenmarkt
ISBN-10 3-593-45427-0 / 3593454270
ISBN-13 978-3-593-45427-6 / 9783593454276
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