Auferstanden, oder? (eBook)

Der große Faktencheck zur Ostergeschichte
eBook Download: EPUB
2023
208 Seiten
Gütersloher Verlagshaus
978-3-641-30208-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Auferstanden, oder? - Simone Paganini, Claudia Paganini
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Der große Faktencheck zur wohl sonderbarsten Geschichte des Christentums
Beschreiben die Berichte von der Auferstehung Jesu ein wahres Ereignis? Wir wissen es nicht. Was wir aber wissen: Die Passionsgeschichten standen in einem krassen Widerspruch zu dem, was die Menschen zur Zeit Jesu glaubten. Niemand erwartete einen Messias, der starb und auferweckt wurde.

Die Mitglieder der Gemeinschaft um Jesus erlebten aber genau das: dass ihr Lehrer lebte und dass seine Botschaft weiterging. Wenn sie davon erzählen wollten, dann mussten sie auf Sachverhalte zurückgreifen, die im Umfeld ihrer Zeit anschlussfähig waren.

Darum geht es in diesem Buch. Wer kann dieser Judas gewesen sein, der Jesus verraten haben soll? Was hat es mit Pontius Pilatus auf sich und wie muss man sich einen Prozess und eine Kreuzigung vorstellen? Welche Vorstellungen gab es vom Tod und dem Danach?

Die Antworten auf diese Fragen vermitteln eine neue Perspektive auf eine sehr alte und doch immer neue Geschichte.

Dr. Simone Paganini, geb. 1972 , studierte katholische Theologie in Florenz, Rom und Innsbruck. Nach Stationen in Wien und München, ist er seit 2013 Professor für Biblische Theologie an der RWTH Aachen. Er hat auf Science Slams schon ein großes Publikum begeistert und erfolgreiche Sachbücher veröffentlicht.

Über die Auferstehung des Körpers und die Unsterblichkeit der Seele herrschte zur Zeit Jesu eine heftige Debatte. Von den Seelenvorstellungen, wie sie heute im christlichen Raum üblich sind, waren die Ansichten der Menschen von damals allerdings sehr verschieden. Aus den Schriften des Flavius Josephus gegen Ende des ersten Jahrhunderts nach Christi Geburt wissen wir recht genau, welche Überzeugungen die Gläubigen hatten. So berichtet er im Bellum Judaicum von drei Gruppen, den Pharisäern, Sadduzäern und Essenern, die sich die menschliche Seele jeweils ganz anders vorstellten. Das Thema war jedenfalls für diese religiösen Gruppierungen keine Nebensächlichkeit, sondern ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal.

Die Essener glaubten an eine unsterbliche Seele, die im Körper gefangen ist und sich durch den Tod befreien kann. Die Seelen der Gerechten würden dann jenseits des großen Sees weiterleben, die der Bösen hingegen seien zu einem ewigen Leben als Schattenwesen in der Unterwelt verurteilt. Ähnlich wie in der platonischen Philosophie wird der Tod als Befreiung vom Körper gedacht. Eine Auferstehung des Körpers musste vor einem solchen Hintergrund als eine Art Ungeheuerlichkeit, ja als ein Skandal angesehen werden.

Bei den Pharisäern gab es solche, die ebenfalls an die Unsterblichkeit der Seele glaubten, und andere, die überzeugt waren, dass die Seelen, die sich im Leben richtig verhalten hätten, einen neuen Körper erhalten würden. Wann und wie genau sich das ereignen sollte, war unklar, aber manche rechneten sehr wohl mit einer Auferweckung des verstorbenen Körpers in seiner besten Form.

Den Sadduzäern war hingegen die Vorstellung von einer unsterblichen Seele völlig fremd, die Auferstehung des Körpers in der Folge ein sinnloses Gedankenkonstrukt. Die Tatsache, dass in der Torah nirgends von der Auferstehung die Rede ist, war für die Sadduzäer der Beweis dafür, dass es keine leibliche Auferstehung geben konnte.

Die Pharisäer hingegen beriefen sich auf einen Text aus dem zweiten Buch der Makkabäer, wo die Geschichte von sieben Brüdern und ihrer Mutter erzählt wird, die gefoltert und hingerichtet werden. In dem Moment, als der letzte und jüngste Bruder seine Treue zur Torah – und damit zum wahren Glauben – mit dem Tod bezahlen muss, begehrt die Mutter gegen die Schergen auf: »Gott hat uns die Hoffnung gegeben, dass er uns wieder auferweckt! (…) Der König der Welt wird uns zu einem neuen, ewigen Leben auferwecken« (2 Makk 7,9). Das ist die einzige Passage im Alten Testament, wo eindeutig auf die Auferstehung eines einzelnen Menschen Bezug genommen wird.

Andere religiöse Schriften – wie die Bücher Henoch und Esra –, die damals großes Ansehen genossen haben dürften, jedoch nie in den verbindlichen Kanon der Bibel aufgenommen wurden, beschreiben die Auferstehung als eine Wiedervereinigung zwischen der unsterblichen Seele mit einem neuen, sterblichen Körper auf einer verwandelten Erde.

Im Talmud, einem Werk, das vor allem die pharisäische Tradition übernimmt, findet man schließlich ein Verständnis von Auferstehung, das zur Zeit Jesu möglicherweise weitverbreitet war: »In der kommenden Welt gibt es kein Essen und Trinken, keine Fortpflanzung und keine Vermehrung«, heißt es dort. »Die Gerechten sitzen vielmehr da, ihre Kronen auf den Köpfen, und genießen den Glanz der Herrlichkeit Gottes« (Traktat Berakot 34).

Dass ein Mensch mit seinem alten, verstorbenen Körper wieder lebendig wird, wie das von Jesus überliefert ist, der die Male der Kreuzigung trägt und zur Schau stellt, passt jedoch ganz und gar nicht zu den traditionellen Vorstellungen des Judentums. Natürlich ist die Entstehungsgeschichte dieses Glaubens heute nicht mehr zu rekonstruieren. Noch weniger lässt sich erklären, warum plötzlich eine Gruppe von Menschen damit beginnt, die Auferstehung einer einzelnen Person zu predigen, und damit noch dazu ungeheuerlichen Erfolg hat. Dieses Phänomen ist und bleibt ein Unikum der Religionsgeschichte.

Im Lukasevangelium finden wir aber einen Hinweis auf den Startschuss für diesen eigenartigen Glauben. Dort wird erzählt, dass die Jünger und Jüngerinnen am dritten Tag nach dem Tod Jesu in Jerusalem in einem Saal zusammengekommen seien – und dann plötzlich ihr verstorbener Lehrer unter ihnen erschienen sei. »Und er sprach zu ihnen: ›Was seid ihr bestürzt, und warum steigen Gedanken auf in euren Herzen? Seht meine Hände und meine Füße, dass ich es selbst bin; betastet mich und seht! Denn ein Geist hat nicht Fleisch und Bein, wie ihr seht, dass ich habe.‹ Und als er dies gesagt hatte, zeigte er ihnen die Hände und die Füße. Als sie aber noch nicht glaubten vor Freude und sich wunderten, sprach er zu ihnen: ›Habt ihr hier etwas zu essen?‹ Sie aber reichten ihm ein Stück gebratenen Fisch; und er nahm und aß vor ihnen.« (Lk 24,38–43)

Jesus ist wieder lebendig, er trägt die Wunden der Kreuzigung, was bedeutet, dass er kein anderer sein kann als der Jesus, der drei Tage zuvor am Kreuz gestorben ist. Noch dazu nimmt er Speisen zu sich, d. h. er hat einen Körper, ist kein Geist oder sonst eine immaterielle Erscheinung. Ganz gleich, ob wir der Erzählung heute glauben wollen oder nicht, können wir davon ausgehen, dass die ersten Christen das getan haben. Ihr Verständnis von Auferstehung hatte seinen Ursprung also nicht in einer abstrakten philosophischen Theorie, sondern in der Erfahrung der Begegnung mit einem konkreten Menschen, mit einem Menschen, den sie gut gekannt hatten und der gewaltsam zu Tode gekommen war.

Selbstverständlich ist die Frage nach der historischen Glaubwürdigkeit dieser Begegnung legitim. Doch weder Scheintod-Erklärungen noch die These, die Leiche sei von Dritten entwendet und die Jünger folglich betrogen worden, reichen als Begründung für die Entstehung dieses Glaubens aus, eines Glaubens, der so stark werden sollte, dass er die religiöse Landschaft der Menschheitsgeschichte bis heute verändern sollte. Dazu kommt noch, dass die Geschichte vom leeren Grab erst später entstanden ist, ein Betrugsverdacht am Anfang der Botschaft von der Auferstehung also gar nicht ausgesprochen werden konnte. Und außerdem: Ein leeres Grab verursacht in erster Linie Angst und Verzweiflung, jedoch keinen Glauben.

Der Auferstehungsglaube beruht vielmehr auf positiven subjektiven Erlebnissen einzelner Menschen, die nicht mehr beweisbar sind. Man kann und konnte über sie sprechen, hat sie bezeugt und musste dafür in den Anfangstagen des Christentums in der Regel den Märtyrertod sterben, was übrigens das Schicksal vieler Zeugen des Auferstehungsgeschehens war. Es ist daher nicht möglich, die Ereignisse von damals zu überprüfen. Was sehr wohl einem Faktencheck unterzogen werden kann, ist der Kontext, in dem sich all das zugetragen hat und was über diesen berichtet wird. Zeit, Orte, Hauptprotagonisten und Nebendarsteller können durchaus kritisch in den Blick genommen werden, und zwar anhand moderner historischer wie literaturwissenschaftlicher Methoden.

Sehr viel wissen wir über die Autoren – und möglicherweise auch Autorinnen – dieser Texte allerdings nicht. Die Tradition spricht von vier Männern: Markus, Matthäus, Lukas und Johannes. Die ersten drei werden als Synoptiker (vom Griechischen mit einem Auge) bezeichnet, weil ihre Schriften sehr ähnlich sind und daher leicht miteinander verglichen werden können. Die vier Namen stehen aber nicht nur für die Verfasser der heutigen Evangelien, sondern für vier zum Teil durchaus unterschiedliche (religiöse) Gruppierungen, die zwar dieselbe Geschichte erzählen, sie aber, je nach ihren eigenen Interessen und Anliegen, um unterschiedliche, einander bisweilen widersprechende Details bereichern.

Außerdem ist da noch Paulus. Dieser hat – das beweisen außerbiblische historische Quellen – tatsächlich gelebt und zumindest sieben jener Briefe verfasst, die ihm im Neuen Testament zugesprochen werden. Er erzählt zwar nicht die Geschichte von der Auferstehung, wie das die vier Evangelisten tun, kennt aber diese Tradition und ist vor allem davon überzeugt, dem Auferstandenen begegnet zu sein. Alle fünf verstehen sich als Zeugen, entweder, weil ihnen der Auferstandene erschienen ist oder weil sie in engem Kontakt mit jemandem stehen, der von einer solchen Erfahrung zu berichten wusste. Ihre Texte geben daher Erinnerungen wieder und sind mit einem klaren Ziel verfasst worden. Sie sind nicht objektiv, wollen nicht als Tatsachenberichte verstanden werden und können dennoch dazu herangezogen werden, historisch glaubwürdiges Wissen zu generieren. Warum das so ist, werden wir im Lauf dieses Buches zeigen.

Eines sei aber bereits vorweggenommen. Das Bekenntnis zur Auferstehung Jesu bildet heute das Zentrum des christlichen Glaubens und wurde von Anfang an als solches gesehen. Damit aber kam es zum radikalen Bruch mit der ursprünglichen Religion Jesu, dem Judentum. Denn im ersten Jahrhundert nach Christus erwartete in Palästina niemand einen Messias, der am Kreuz sterben und nach drei Tagen wieder ins Leben zurückkehren würde.

Wenn wir diese Texte heute lesen, dürfen wir nicht vergessen, dass die Erzählungen der Evangelien in einem krassen Widerspruch zu dem standen, was die Menschen damals erhofften. Nicht nur für die kulturellen, sozialen und traditionellen Gegebenheiten, auch für die religiösen Vorstellungen und Erwartungen war der Auferstehungsglaube zunächst eine Zumutung. Anders als im 21. Jahrhundert erschien die Passions- und Ostergeschichte in den Anfangstagen des Christentums den meisten Menschen absurd, wenn nicht skandalös. Die Menschen, die sie dennoch predigten, wollten und mussten sie daher in erster...

Erscheint lt. Verlag 15.2.2023
Illustrationen Christian Wischnewski
Zusatzinfo mit zahlreichen Illustrationen
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Religion / Theologie Christentum
Schlagworte 2023 • Auferstehung • Auferstehung Jesu • das leere grab • das letzte abendmahl • Die Passion Christi • eBooks • Gott • Jesus • Judentum • Karfreitag • Kreuzigung • Leben nach dem Tod • Letztes Abendmahl • Neuerscheinung • Ostergeschichte • Ostern • Passionsgeschichte • Pontius Pilatus • Von wegen Heilige Nacht
ISBN-10 3-641-30208-0 / 3641302080
ISBN-13 978-3-641-30208-5 / 9783641302085
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