Hypnose bei Borderline-Persönlichkeitsstörungen (Leben Lernen, Bd. 340) (eBook)
224 Seiten
Klett-Cotta (Verlag)
978-3-608-12164-3 (ISBN)
Priv.-Doz. Dr. med. Katrin Breitbach ist Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie sowie zertifizierte Hypnotherapeutin und Vizepräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Hypnose (DGH). Sie ist als Ärztliche Leiterin der psychosomatischen Abteilung des ambulanten VAMED Rehabilitationszentrums in Lübeck tätig.
Priv.-Doz. Dr. med. Katrin Breitbach ist Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie sowie zertifizierte Hypnotherapeutin und Vizepräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Hypnose (DGH). Sie ist als Ärztliche Leiterin der psychosomatischen Abteilung des ambulanten VAMED Rehabilitationszentrums in Lübeck tätig.
Einleitung
Das Interesse an der Hypnose kam bei mir zu einer Zeit auf, als ich in einer psychosomatischen Fachklinik auf einer Schwerpunktstation für Borderline-Persönlichkeitsstörungen (BPS) tätig war. Der initiale Enthusiasmus, möglichst viele hypnotherapeutische Interventionen mit unseren Klinikpatienten durchzuführen, wurde schnell gebremst, da in der überschaubaren Literatur zu der Anwendung von Hypnose bei diesem Störungsbild sehr zur Vorsicht geraten wurde (z. B. Kossak 2013, S. 209, 473; Zindel 2015). Die Zurückhaltung der Hypnoseanwendung bei der BPS erschien mir jedoch recht paradox zu sein, da wir auf unserer Station durchaus emotional aufwühlende Stuhldialoge durchführten und Imaginationsübungen sowie Achtsamkeitstraining an der Tagesordnung waren. Bei all diesen Interventionen treten mehr oder weniger zufällig Trancezustände auf, also ein besonderer Bewusstseinszustand, bei dem eine fokussierte Aufmerksamkeit und veränderte Wahrnehmung vorliegen. Aus heutiger Sicht würde ich sagen, dass eine als Imaginationsübung bezeichnete Intervention meine erste Hypnosesitzung i. e. S. darstellte: Der Patient war dabei, eine korrigierende Erfahrung im Kindesalter zu machen, und geriet dadurch in eine starke Trance und Altersregression. Gerne hätte ich damals etwas über Trancezustände und Hypnose gewusst, da ich über die Wahrnehmungen und das etwas sonderlich erscheinende Verhalten meines Patienten sehr überrascht war.
Die Tatsache, dass eine Vielzahl therapeutischer Interventionen der etablierten Therapieverfahren zur Behandlung von BPS-Patienten, insbesondere bei der Dialektisch-Behavioralen Therapie (DBT) und Schematherapie, aus der Hypnotherapie stammen, passt also nicht so recht zu der Zurückhaltung in der Anwendung von Hypnose bei der BPS. Möglicherweise spielt dabei das immer noch zuweilen etwas anrüchige und unseriöse Bild eine Rolle, welches der Hypnose vor allem in Deutschland aufgrund ihrer Historie sowie der nach wie vor legalen Anwendung auf der Showbühne und durch Laienheiler anhaftet. Der Nutzen, den die Hypnose sowohl als eigenständige Therapieform als auch für die integrative Ergänzung anderer etablierter Therapieverfahren vorzuweisen hat, findet in der Psychotherapie im Allgemeinen noch viel zu wenig Beachtung, obwohl durch Meta-Analysen belegt ist, dass Hypnose gerade die Effektstärke in der Verhaltenstherapie signifikant verbessert (Ramondo et al., 2021; Kirsch et al., 1995). Eine kontrollierte randomisierte Studie konnte zudem kürzlich zeigen, dass mit einem hypnotherapeutischen Therapiekonzept zur Behandlung von Depressionen mindestens die gleiche Effektstärke wie bei kognitiver Verhaltenstherapie erreichbar ist (Fuhr et al., 2021). Es ist daher anzunehmen, dass die zahlreichen hypnotherapeutischen Interventionen in den häufig eingesetzten BPS-Therapiekonzepten einen entscheidenden Beitrag für die Wirksamkeit dieser Behandlungen leisten. Neben direkt erzeugten Trancezuständen, wie z. B. durch Imaginationen, hat auch die hypnotherapeutische Kommunikation ihren Platz gefunden, insbesondere in den Validierungs- und Commitmentstrategien der DBT. Hier wird gezielt mit indirekten Sprachmustern gearbeitet, wie sie für die moderne Hypnotherapie nach Erickson typisch sind. Dadurch können scheinbar gleichzeitig auftretende widersprüchliche Erlebensweisen und Verhaltensimpulse validiert und nebeneinander stehen gelassen werden. Ermöglicht wird dies durch die in der Hypnose bestehende Trancelogik, die Patienten von dem im Wachzustand vorherrschenden binären Denken des Entweder-oder- zu einem Sowohl-als-auch-Erleben gelangen lässt. Im Verlauf einer Behandlung lassen sich auf diese Weise die häufig als sehr aversiv erlebten Widersprüche abschwächen oder sogar auflösen.
Leider wird jedoch übersehen, dass bei den aus der Hypnotherapie stammenden Interventionen wichtige Elemente der Trancearbeit verloren gehen, wenn sie von Behandlern angewendet werden, die kaum über Hypnose-Kenntnisse verfügen. Auf diese Weise bleiben wichtige Impulse und Ressourcen ungenutzt. Eine Imaginationsübung ist eben etwas anderes als eine »richtige« Hypnose, auch wenn es in der Durchführung und auf neurobiologischer Ebene eine Reihe von Überschneidungen gibt. Schaut man sich an, wie häufig spontane Trancezustände mit entsprechend erhöhter Suggestibilität vorkommen, erstaunt es etwas, dass in der Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten darüber oft kaum etwas vermittelt wird.
Wenn hypnotherapeutische Strategien also bereits so viel Raum in der Behandlung von BPS einnehmen, warum sollten die Interventionen nicht auch ganz klar benannt und BPS-Patienten nicht gezielt mit Hypnose behandelt werden? Da es durchaus Fallberichte in der internationalen Literatur gibt, die den Einsatz von Hypnose bei BPS beschreiben (z. B. Gainer & Torem 1993; Spiegel 2016; Scagnelli 1980), sah ich hier für Zurückhaltung keinen Grund mehr und begann, die Arbeit mit Hypnose in die Therapie auf unserer Station zu integrieren. Die Erfahrungen waren durchweg positiv und die Wirkung so manch »einfacher« Entspannungstrance durchaus erstaunlich. Der hypnotische Zustand erleichtert es BPS-Patienten beispielsweise, leichter in ein angenehmes Erleben zu kommen und sich Gefühle von Selbstwirksamkeit und Stolz zu erlauben, die im normalen Wachzustand meist schwer zugänglich sind. Eine bewusste Anwendung hypnotherapeutischer Sprachmuster können zudem bei Kriseninterventionen und Suizidalität gute Dienste leisten.
Mit diesem Buch möchte ich anregen, die Vorteile der Hypnose bei BPS-Patienten gezielt zu nutzen, insbesondere, da sie sich elegant in die gängigen störungsspezifischen Therapieverfahren integrieren lassen. Psychotherapeuten sollen ermuntert werden, sich mit den aus der Hypnotherapie stammenden Interventionen intensiver auseinanderzusetzen und sich für die Arbeit mit Hypnose zu interessieren und fachkompetent ausbilden zu lassen. Das breite Spektrum der Hypnotherapie erlaubt es, sowohl mit stabilen als auch eher instabil einzuschätzenden BPS-Patienten klinisch sinnvoll zu arbeiten – von der Bearbeitung dysfunktionaler Verhaltensweisen über den Umgang mit aversiven emotionalen oder körperlichen Zuständen bis hin zur Bewältigung von Krisen und Suizidalität.
In diesem Buch wird die Anwendung von Hypnose bei BPS-Patienten aus der praktischen Erfahrung heraus beschrieben. Es versteht sich als sinnvolle Ergänzung bereits etablierter Therapieverfahren und stellt kein eigenes Behandlungskonzept dar. Es soll deutlich werden, in welch vielfältiger Weise BPS-Patienten und ihre Therapeuten in den unterschiedlichsten Stadien der Therapie gut von gezielten Interventionen der Hypnotherapie profitieren können. Da ich selbst vorwiegend auf DBT-Stationen gearbeitet habe, basieren die im Buch vorgestellten integrativen Ansätze und Fallbeispiele häufig auf diesem Setting. An der einen oder anderen Stelle habe ich mir erlaubt, auch Fallbeispiele von Patienten zu beschreiben, die nicht explizit wegen einer BPS in therapeutische Behandlung kamen, deren Beispiele sich jedoch für die Beschreibung der jeweiligen Intervention gut eignen und meiner Erfahrung nach auch bei entsprechender Indikation bei BPS-Patienten eingesetzt werden können. Je nach individueller Vorerfahrung können die Kapitel in der vorgestellten Reihenfolge oder unabhängig voneinander gelesen werden. Auf Grundlagenwissen von Hypnose oder der BPS kann in diesem Buch nur vereinzelt eingegangen werden, weshalb diesbezüglich auf entsprechende Lehr- und Fachbücher verwiesen wird. Weiterhin ist zu beachten, dass die Anwendung von Hypnose und Hypnotherapie in der therapeutischen Praxis nicht ohne eine entsprechend fundierte Ausbildung erfolgen sollte.
An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei Frau Dr. Christine Treml-Begemann vom Klett-Cotta Verlag bedanken, die mit der Idee für dieses Buch auf mich zukam. Ich habe die angenehme Zusammenarbeit mit vielen kreativen Gesprächen und Anregungen sehr geschätzt. Meinen Testleserinnen Dr. Jutta Rischer und Annika Engelke danke ich für die vielen wertvollen Rückmeldungen, die mir bei der Arbeit an dem Buch sehr geholfen haben.
Im vorliegenden Text werden die weibliche und männliche Form abwechselnd gebraucht. Die nicht genannten Geschlechtsformen sind dabei...
Erscheint lt. Verlag | 20.5.2023 |
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Reihe/Serie | Leben lernen | Leben Lernen |
Verlagsort | Stuttgart |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften |
Medizin / Pharmazie ► Medizinische Fachgebiete ► Psychiatrie / Psychotherapie | |
Schlagworte | Achtsamkeit • Arbeit mit Metaphern • Borderline-Störung • DBT-Konzept • Hypnosetechniken • hypnotherapeutische Interventionen • hypnotherapeutische Kommunikation • Hypnotherapeutische Sprachmuster • Hypnotherapie • Imagination • Imaginationsarbeit • Imaginationsübungen • innerer sicherer Ort • Neurobiologie • Persönlichkeitsstörungen • Suizidalität • Therapeutische Geschichten • Trance • Tranceinduktion |
ISBN-10 | 3-608-12164-1 / 3608121641 |
ISBN-13 | 978-3-608-12164-3 / 9783608121643 |
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Größe: 3,4 MB
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