Abtreibung - ein Menschenrecht? -  Johannes Gonser

Abtreibung - ein Menschenrecht? (eBook)

Argumentationshilfen zur Debatte um den Schwangerschaftsabbruch
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
128 Seiten
SCM Hänssler im SCM-Verlag
978-3-7751-7594-4 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
9,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
»My Body - My Choice«? Die Entscheidung des US Supreme Court und die Diskussion um das Werbeverbot für Abtreibung in Deutschland haben die öffentliche Diskussion über den Schwangerschaftsabbruch wieder hochaktuell werden lassen. Dabei sehen sich sowohl Verfechter als auch Gegner eines Rechts auf Abtreibung als Anwälte der Menschenrechte und als Kämpfer für eine gute Sache. Der Autor argumentiert in dieser Debatte für das uneingeschränkte Lebensrecht ungeborener Menschen. Neben der Begründung seiner eigenen Position liegt ihm aber auch ein tiefgehendes Verständnis der Gegenargumente am Herzen, um zu einem konstruktiven Diskurs beizutragen.

Johannes Gonser studierte Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen. Er ist verheiratet, hat drei Kinder und ist als Berater und Produktmanager in einem IT-Unternehmen tätig. Privat beschäftigt er sich mit unterschiedlichen philosophischen Fragestellungen, u. a. aus dem Bereich der Reproduktions- und Bioethik.

Johannes Gonser studierte Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen. Er ist verheiratet, hat drei Kinder und ist als Berater und Produktmanager in einem IT-Unternehmen tätig. Privat beschäftigt er sich mit unterschiedlichen philosophischen Fragestellungen, u. a. aus dem Bereich der Reproduktions- und Bioethik.

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

3. Wann beginnt ein Mensch zu existieren?


Bevor etwas über den moralischen Status des Menschen ausgesagt werden kann, müssen zunächst folgende zwei Fragen geklärt werden: Was macht einen Menschen zum Menschen und wann beginnt er zu existieren? Dies sind sowohl metaphysische als auch naturwissenschaftliche Fragen, die unabhängig von moralphilosophischen Überlegungen zu beantworten sind. Unter Anatomen und Zellbiologen besteht dabei mehrheitlich der Konsens, dass der Mensch ein Organismus mit einem spezifischen Erbgut ist, der im Regelfall durch die Fertilisation (Befruchtung) und damit durch die Verschmelzung von Eizelle und Spermium zu existieren beginnt.1

„Es muss betont werden, dass das Leben an sich, und damit auch das menschliche Leben, eine Kontinuität aufweist, sodass die Frage ‚Wann beginnt (menschliches) Leben?‘ in Bezug auf die Ontogenese bedeutungslos ist. Obwohl das Leben ein kontinuierlicher Prozess ist, ist die Fertilisation jedoch ein kritischer Meilenstein, weil dadurch unter gewöhnlichen Umständen ein neuer, genetisch unterscheidbarer menschlicher Organismus gebildet wird.“2

„Die Entwicklung eines Menschen beginnt mit der Befruchtung. Eine männliche und eine weibliche Keimzelle, ein Spermium und eine Oozyte, vereinigen sich zu einem neuen Organismus, der Zygote.“3

„Fast alle höheren Tiere beginnen ihr Leben aus einer einzigen Zelle, der befruchteten Eizelle (Zygote). […] Der Zeitpunkt der Befruchtung stellt den Ausgangspunkt in der Lebensgeschichte oder Ontogenese des Individuums dar.“4

„Die naturwissenschaftliche Antwort ist, dass der Embryo vom Zeitpunkt der Befruchtung an aufgrund seiner menschlichen Chromosomenkonstitution ein menschliches Wesen ist. Die Zygote ist der Beginn der Entwicklung des Menschen.“5

Unter Anatomen und Zellbiologen besteht mehrheitlich der Konsens, dass der Mensch ein Organismus mit einem spezifischen Erbgut ist, der im Regelfall durch die Fertilisation (Befruchtung) und damit durch die Verschmelzung von Eizelle und Spermium zu existieren beginnt.

Dabei ist die Produktion und globale Integration von unterschiedlichen Zelltypen zu einem funktionalen und sich selbst erhaltenden Ganzen das entscheidende Kennzeichen eines sich entwickelnden Organismus, durch welches er sich von Körperzellen oder anderem Gewebe unterscheidet.6 Mit der Zygote beginnt daher die Existenz eines individuellen Organismus, welcher kraft seiner Natur darauf ausgerichtet ist, zu wachsen, sich zu entwickeln und sich selbst zu erhalten. Nach Oderberg können lebende von nicht-lebenden Entitäten in metaphysischer Hinsicht zudem folgendermaßen abgegrenzt werden:

„Lebende Entitäten sind im Gegensatz zu nicht-lebenden Entitäten zu immanenter Verursachung fähig: Dies ist eine Art der Verursachung, die mit dem Akteur beginnt und im Akteur um des Akteurs willen endet. Transiente Verursachung hingegen ist die Verursachung einer Entität oder eines Ereignisses (oder Zustands, Prozesses usw.) durch eine andere Entität, wobei die Wirkung in ersterer endet.“7

Nur Lebewesen sind demnach zur bewussten oder unbewussten Hervorbringung von Prozessen fähig, die in ihrer Summe dem Verursacher selbst zugutekommen und damit der Aufrechterhaltung, dem Wohl und der Entfaltung des einzelnen Organismus als Ganzes dienen. Genau aufgrund dieser Fähigkeit können sich die Dinge für einen Organismus „gut“ oder „schlecht“ entwickeln. Ein nicht lebendes Objekt, wie beispielsweise ein Stein, kann hingegen immer nur Verursacher eines Ereignisses sein, dessen Wirkung in einem anderen Objekt endet. Er kann nicht um seiner selbst willen in einer Weise agieren, die für sein Dasein als Stein förderlich und existenzerhaltend ist.

Es ist unbezweifelbar, dass die Fertilisation ein Prozess ist und sich somit über einen (kurzen) Zeitraum und nicht in einem Augenblick oder zu einem mathematisch exakt ermittelbaren Zeitpunkt ereignet. Diese Unschärfe betrifft allerdings alle Vorgänge, die empirisch beobachtbar sind. Selbst die beste Zeitlupenkamera kann nicht den einen exakten mathematischen Moment erfassen, bei dem ich eine Taste auf meiner Computertastatur tatsächlich drücke. Trotzdem ist es offensichtlich korrekt zu sagen, dass ich um 22:10:15 Uhr die Taste „E“ gedrückt habe. Ein solcher Zeitpunkt kann somit auch für eine erfolgte Fertilisation genannt werden. Diese beginnt mit dem Eindringen des Spermiums in die Eizelle, wobei bereits mit der Verschmelzung der Gamten eine substanziell neue Entität, die Zygote, zu existieren beginnt und mit Abschluss der zweiten Meiose-Phase das endgültige Genom ausgebildet ist.8

Es gibt somit eine scharfe Diskontinuität zwischen Spermium, Eizelle und Zygote, was unter anderem dadurch ersichtlich ist, dass zwei individuelle Entitäten nicht mit einer Entität identisch sein können.9 Die Zygote ist ein neuer menschlicher Organismus mit dem intrinsischen Vermögen, in einem wechselseitigen Interaktionsprozess mit der uterinen Umgebung die Produktion von unterschiedlichen Zelltypen nach einem globalen, kohärenten Muster zu koordinieren, das auf die Ausbildung eines funktionell integrierten, sich selbst erhaltenden Körpers ausgerichtet ist.10 Dabei werden die tatsächliche physische Konstitution und das Aussehen in allen Entwicklungsschritten maßgeblich durch die DNA der Zygote bestimmt. Sie enthält den genetischen Bauplan für die zukünftige Entwicklung von Embryo, Fötus und Kind bis hin zum Erwachsenen.

Etwa einen Tag nach der Empfängnis bzw. sobald der neue genetische Bauplan fertiggestellt ist, beginnt die Zygote sich zu teilen und zu wachsen. An den Tagen sieben bis neun kann mit den aktuell verfügbaren technischen Mitteln bereits das Geschlecht des Embryos bestimmt werden, was ein weiterer Beleg dafür ist, dass es sich um ein eigenständiges individuelles menschliches Wesen handelt. Nach der Empfängnis lässt sich daher keine weitere biologische oder metaphysisch signifikante Trennlinie in der embryonalen Entwicklung feststellen, welche eine Unterscheidung in einen menschlichen und eine Vorstufe eines menschlichen Organismus rechtfertigen könnte. Dies wird auch von renommierten Verfechtern eines Rechts auf Abtreibung, z. B. von Peter Singer oder David Boonin, anerkannt.

„Es ist möglich, dem Begriff ‚Mensch‘ eine präzise Bedeutung zu geben. Wir können ihn als Äquivalent zu ‚Mitglied der Spezies Homo Sapiens‘ verwenden. Ob ein Wesen zu einer bestimmten Spezies gehört, lässt sich naturwissenschaftlich durch eine Untersuchung der Chromosomen in den Zellen lebender Organismen feststellen.“11 „Es besteht kein Zweifel daran, dass ein Embryo, der aus einem menschlichen Spermium und einer menschlichen Eizelle gezeugt wurde, vom Beginn seiner Existenz an ein menschliches Wesen ist.“12

„Die vielleicht direkteste Beziehung zwischen Ihnen oder mir und jedem menschlichen Fötus von der Empfängnis an ist diese: Alle sind lebende Mitglieder der gleichen Spezies, des Homo Sapiens. Ein menschlicher Fötus ist einfach ein menschliches Wesen in einem sehr frühen Stadium seiner Entwicklung.“13

Ausgehend von der Zygote, oder im Fall einer Teilung von ihren Nachfahren, bis zum erwachsenen Menschen existiert daher ein einziger sich entwickelnder menschlicher Organismus. Dieser weist genau das Verhalten auf, welches jeden Organismus charakterisiert, der sich von einer Frühform zu einer ausgereiften Form entwickelt. Er wächst, differenziert sich, nimmt eine immer reifere Gestalt an und verhält sich in einer Weise, die erkennen lässt, dass er sich als eigenständiges Lebewesen von seiner Umgebung unterscheidet.

3.1  Kann eine menschliche Zygote selbständig personale Fähigkeiten ausbilden?


Das Vorhandensein eines intrinsischen Vermögens zur Ausbildung personaler Fähigkeiten von Zygote und Embryo wird von manchen Autoren jedoch bestritten.14 Die Philosophin Anne Sophie Meincke formuliert diesen Einwand folgendermaßen:

„Die spezielle Problematik des genetischen Essentialismus liegt aber darin, dass er den Genen eine Rolle zumutet, die sie nicht haben. Insbesondere trifft es nicht zu, dass das Genom alle für die Embryonalentwicklung wesentlichen Informationen enthält. Diese ist vielmehr, wie aktuelle Erkenntnisse der Entwicklungsbiologie und Systembiologie zeigen, in hohem Maße abhängig von extrinsischen und sukzessive generierten Informationen, nämlich von sogenannten Positionsinformationen einschließlich maternaler hormoneller Informationen, maternaler cytoplasmatischer Determinanten und Informationen aus Zellinteraktionen, von epigenetischen Informationen und möglichen weiteren […]. Es gibt kein genetisches Programm, nach dem sich die Entwicklung des Embryos abspult. Stattdessen erweist sich die Embryonalgenese als ein multifaktorieller, in hohem Maße kontextsensitiver Prozess. Die These, der menschliche Embryo besitze eine Disposition zur Personalität im Sinne eines genetisch verankerten Vermögens zur Ausbildung personaler Fähigkeiten, lässt sich unter diesen Bedingungen nicht aufrechterhalten.“15

Dazu ist zunächst zu bemerken, dass die von mir noch vorzustellende Konzeption sich nicht ausschließlich in genetischen oder generell rein materiellen Aspekten erschöpfen muss und es nicht primär das Vermögen zur Ausbildung personaler Fähigkeiten ist, welches ich bezüglich des moralischen Status eines Wesens für relevant erachte. Entscheidend ist jedoch, dass mit der Zuschreibung eines intrinsischen Vermögens nicht ausgesagt werden soll, dass der Mensch im Entwicklungsstadium der Zygote oder des Embryos bereits alle benötigten Informationen für...

Erscheint lt. Verlag 14.3.2023
Verlagsort Holzgerlingen
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Religion / Theologie Christentum
Schlagworte §219a • Debatte • Lebensrecht • Pro Choice • Pro Life • Schwangerschaftsabbruch • Soll ich abtreiben? • ungewollt schwanger • Was sagt Gott zu Abtreibung? • Wert eines Menschen
ISBN-10 3-7751-7594-6 / 3775175946
ISBN-13 978-3-7751-7594-4 / 9783775175944
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 1,2 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich

von Jeffrey Geoghegan; Michael Homan

eBook Download (2020)
Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA
12,99
Ein didaktisch-methodischer Leitfaden für die Planung einer …

von Sarah Delling; Ulrich Riegel

eBook Download (2022)
Kohlhammer Verlag
22,99