Über Josefa Berens-Totenohl und westfälische Literaturgeschichte -

Über Josefa Berens-Totenohl und westfälische Literaturgeschichte (eBook)

Beiträge zu Forschung und Straßennamendebatte 1992-2016

Peter Bürger (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
452 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7568-2304-8 (ISBN)
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Der 1935 erstmals vergebene "Westfälische Literaturpreis" ging an die bekennende Nationalsozialistin Josefa Berens-Totenohl (1891-1969). Sie hatte schon 1931 eine Aufnahme in die NSDAP beantragt und war Verfasserin eines Bestsellerromans, dessen erster Teil "Der Femhof" von 1934 bis 1961 insgesamt eine Druckauflage von 280.000 Exemplaren erzielen konnte. Das Gedenken an diese einstmals in ganz Deutschland bekannte Autorin, die mit einem quasi religiösen Credo die "Treue zum Führer" beschwor, hat im Sauerland wie bei keiner anderen Persönlichkeit des öffentlichen Lebens aus der Zeit des "Dritten Reiches" zu heftigen Kontroversen geführt. Der hier vorgelegte dokumentarische Sammelband "Über Josefa Berens-Totenohl und westfälische Literaturgeschichte" enthält Beiträge zu "Forschung und Straßennamendebatte 1992-2016" von Christian Adam, Moritz Baßler, Peter Bürger, Karl Ditt, Rainer S. Elkar, Walter Gödden, Wolf-Dieter Grün, Hubertus Halbfas, Jürgen Kalitzki, Uwe-K. Ketelsen, Reinhard Kiefer, Roswitha Kirsch-Stracke, Arnold M. Klein, Monika Löcken, Ortrun Niethammer, Ulrich F. Opfermann, Elmar Rademacher, Friedrich Schroeder und Gisbert Strotdrees. Erkundigungen & Materialien zu Josefa Berens-Totenohl - Band 1 (edition leutekirche sauerland)

I.
Josefa Berens-Totenohl


als Propagandistin der nationalsozialistischen Kulturpolitik22 (1992)


VON ORTRUN NIETHAMMER


In den Medien Westfalens wurden im Umfeld des 100. Geburtstags von Josefa Berens-Totenohl (1891-1969) mit viel Polemik deren Beziehungen zum Nationalsozialismus thematisiert.23 Insgesamt lassen sich aus diesen Artikeln die Fragestellungen entwickeln, ob Josefa Berens das NS-System bewusst unterstützt hat oder nicht und inwieweit ihre Literatur der NS-Literatur zuzurechnen ist. Um diese Auseinandersetzung einerseits stärker an Fakten zu orientieren und andererseits das Vorurteil zu korrigieren, daß es sich um literarisch eigenständige Romane im bäuerlichen Milieu handelt, wird im folgenden der Versuch unternommen, die Biographie und die Werke von Josefa Berens-Totenohl gerade auch auf die Bezüge zum Nationalsozialismus zu untersuchen. Es werden dabei vier Themenbereiche angesprochen: 1. die Biographie; 2. ihre Literatur: Ähnlichkeiten und Differenzen zur NS-Literatur; 3. die ideologische Stützung des NS-Systems durch Josefa Berens und 4. ihre Verbindungen zum Eugen-Diederichs-Verlag, Jena.

Die Notwendigkeit einer Auseinandersetzung mit Josefa Berens und ihrem Werk liegt darin begründet, dass es offensichtlich Bestrebungen gibt, die NS-Vergangenheit bestimmter westfälischer Autoren (Josefa Berens, Maria Kahle, Heinrich Luhmann, Karl Wagenfeld) zu negieren und deren Literatur unabhängig von den innewohnenden rassistischen und faschistischen Tendenzen, Motiven und Themen als „Heimatliteratur“ zu klassifizieren. Zwischen Heimatliteratur, Bauernromanen und NS-Literatur gibt es aber Unterschiede, die weniger in der Themenauswahl als in ihrer Behandlung liegen (s. u.).

Dass es sich bei den Werken der oben genannten Autoren darüber hinaus oft um Trivialliteratur handelt, die wegen ihrer mangelnden literarischen Qualität heute nur noch literarhistorisch von Interesse ist, weist auf einen anderen Aspekt hin, der hier aber nicht im Vordergrund steht.

1. Die Kultur- und Literaturpolitik

der Nationalsozialisten

Die organisierte Kulturpolitik der Nationalsozialisten begann 1927 mit der von Alfred Rosenberg gegründeten „Nationalsozialistischen Gesellschaft für deutsche Kultur“ (ab 1928 „Kampfbund für deutsche Kultur“). Seit dieser Zeit arbeitete Rosenbergs Organisation daran, einflussreiche kunstpolitische Funktionsstellen mit systemkonformen Mitgliedern zu besetzen. Mit der Ende 1933 gegründeten Reichsschrifttumskammer, der die Lenkung aller literarischen Aktivitäten oblag, wurde Rosenbergs Kampfbund eine spezifisch auf Literatur bezogene Zensurbehörde an die Seite gestellt. Übergeordnet zuständig für Druckerlaubnis und -verbote, Zensur und Überwachung war Goebbels „Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda“, das im Jahre 1940 2.500 Verleger, 23.000 Buchhandlungen, 3.000 Schriftsteller und 20.000 Neuerscheinungen kontrollierte.24

Diese Instrumente offizieller Lenkung, Beeinflussung und Überwachung konnten in vollem Umfang nur im Zusammenspiel und mit Unterstützung von Verlegern, Schriftstellern und Lesern funktionieren. Dabei ist z.B. an die öffentliche Bücherverbrennung vom 10. Mai 1933 zu erinnern, die an mehreren Orten gleichzeitig stattfand und von Professoren und Studenten unterstützt wurde. Ziel der Überwachung und Zensur war, solche Literatur unter allen Umständen und auch mit Gewalt zu fördern, die bestimmte Muster repräsentierte und geeignet schien, systemstabilisierend zu wirken. Damit hängt es auch zusammen, dass sich über 1.800 Schriftsteller gezwungen sahen, ins Exil oder in die innere Emigration zu gehen. Namen und Personen als Dichter des Dritten Reichs tauchten auf, die nach 1945 wieder verschwanden; dazu gehört auch Josefa Berens-Totenohl.25

Welche Literatur zur nationalsozialistischen zu rechnen ist, muß unter mehreren Gesichtspunkten betrachtet werden: Äußere Daten von Schriftstellern, wie Parteizugehörigkeit, sind nicht in jedem Fall ein Hinweis auf die Produktion von NS-Literatur, es müssen die Werke selbst und deren Rezeption hinzugezogen werden. Es gab Bestrebungen innerhalb der NS-Literaturkritik, konservative Literatur (Heimat-, Geschichts- und Bauernromane), die verstärkt seit den 1920er Jahren auftrat, zu vereinnahmen.

Einer der meistgelesenen Romane von Frauen in der NS-Zeit – Ina Seidels „Wunschkind“ – stammt aus dem Jahr 1930 und erfuhr auch nach 1945 noch mehrere Auflagen. Ähnliches gilt für Agnes Miegels Schriften. Das heißt, auch Literatur, die vor dem Dritten Reich entstanden ist, muss u. U. zur NS-Literatur hinzugerechnet werden. Merkmale nationalsozialistischer Literatur sind neben bestimmten Themenbereichen (Bevorzugung des Landlebens versus Verstädterung, Aufhebung von Klassendifferenzen, Soldatenfreundschaft, Kriegsverherrlichung etc.) triviale Deutungsmuster, Fehlen von Zweifeln und Mehrdeutigkeiten und Heroisierung der Hauptpersonen. In den meisten Romanen gibt es fremdenfeindliche Tendenzen, die sich gegen bestimmte religiöse und weltanschauliche Gruppen der Deutschen (Juden. Homosexuelle u. a.) und gegen Ausländer, besonders sogenannte Heimatlose, wie Zigeuner, richten.26

Die Literatur von Frauen zeigt – im Gegensatz zur Literatur von Männern – oft die „harmlosen, salonfähigen Seiten faschistischer Ideologie“. „Ihre manipulative Wirkung wird erst sichtbar vor dem Hintergrund der typisch nationalsozialistischen Frauenkultur.“27 In ihren Werken spielen Themen wie Mutterschaft, Heimatbezogenheit, Bauerntum eine stärkere Rolle als bei männlichen Autoren.

2. Zur Biographie von Josefa Berens-Totenohl

Josefa Berens wurde am 30. März 1891 als drittes Kind eines Schmieds in Grevenstein/Sauerland geboren. Die Mutter starb bei ihrer Geburt, die zweite Frau des Schmieds nahm sich der drei Kinder aus erster Ehe an und brachte weitere sieben Kinder zur Welt. Die Kinder wurden wegen des hohen Arbeitsaufkommens im bäuerlichen Betrieb und der Schmiede hauptsächlich von den Großeltern aufgezogen. Charakteristisches Merkmal ihrer Großeltern, so Josefa Berens-Totenohl, war die Güte ihrer Großmutter und das Erzähltalent ihres Großvaters. Da es in Grevenstein keine Bücherei o.ä. gab, beschränkten sich die ersten literarischen Erfahrungen von Josefa Berens-Totenohl auf die Erzählungen des Großvaters, in denen die Märchen der Brüder Grimm, Gedichte von Ludwig Uhland, die Eulenspiegeleien und die Erzählungen vom Schinderhannes eine Rolle spielten. Dennoch muss ihre Bildung so umfassend gewesen sein, dass sie 1911 die Aufnahmeprüfung in das Arnsberger Lehrerinnenseminar bewältigen konnte. Anschließend absolvierte sie die dreijährige Ausbildung. Über ihre Schulbildung ist bisher nichts bekannt, da sie diesen Bereich, wie auch ihre Tätigkeit als Lehrerin zwischen 1913 und 1923, aus ihrer immer wieder abgedruckten Selbstbiographie von 1934 ausklammerte. Nach dreijährigem Kunststudium in Düsseldorf siedelte sie 1923 nach Höxter-Godelheim über, mietete sich ein Atelier und lebte als freischaffende Malerin. 1925 fand in der Bad Driburger Brunnenhalle ihre erste größere Ausstellung statt, die 1930 und 1936 von dem katholischen Priester Lorenz Pieper emphatisch im „Westfälischen Volksblatt“28 gelobt wurde. Mit der Übersiedlung ins Totenohl (1925) nahm sie aus Verbundenheit mit dem Wohnort den Ortsnamen in ihren Familiennamen auf.29 In die Jahre von 1923 und 1930 fallen auch ihre Reisen nach Skandinavien, Spanien und Nordafrika, über die sie, ähnlich wie über ihre Schulbildung, nicht sprach. Um 1930 tritt Josefa Berens-Totenohl der NSDAP bei.30

Die Anregungen zu ihrem ersten größeren Roman „Der Femhof“ mit der Fortsetzung „Frau Magdlene“ (1934/35 bei E. Diederichs, Jena) wurden, wie sie mehrfach betont, durch intensive Gespräche mit Richard Euringer, dem Verfasser von Thingspielen (u.a. „Deutsche Passion 1933“), gefördert. Er hatte ihr von der Malerei abgeraten und sie zum Schreiben motiviert. Ohne ihren Mentor Richard Euringer hätte sich Josefa Berens wohl nicht als Schriftstellerin versucht, was u.a. auch an dem bemühten Stil und der Themenauswahl deutlich wird.

1936 wurde ihr der „Westfälische Literaturpreis“ für den „Femhof“ und „Frau Magdlene“ verliehen.31 Die Verleihung des Preises ist biographisch wichtig, da sie seit diesem Zeitpunkt verstärkt im NSDAP-Kulturbund mitarbeitete, bis 1944 nachweislich als Vortragsreisende durch das Großdeutsche Reich fuhr und bis zu 30 öffentliche Lesungen im Monat hielt. 1936 und 1937 erschienen bei Diederichs zwei Gedichtbände: ,,Das schlafende Brot“ und „Heimaterde“. Der Vortrag „Die Frau als Schöpferin und Erhalterin des Volkstums“ (Diederichs 1938) wurde in den NS-Frauenorganisationen als Pflichtlektüre empfohlen. Das Epos „Einer Sippe Gesicht“ erschien 1941, ebenfalls bei Diederichs. 1943/44...

Erscheint lt. Verlag 31.8.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Sprach- / Literaturwissenschaft Literaturwissenschaft
ISBN-10 3-7568-2304-0 / 3756823040
ISBN-13 978-3-7568-2304-8 / 9783756823048
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