1. Mose (Genesis) 1-11 (eBook)

Die Urgeschichte Gen 1-11
eBook Download: EPUB
2021 | 2. Auflage
382 Seiten
Vandenhoeck & Ruprecht Unipress (Verlag)
978-3-647-99468-0 (ISBN)

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1. Mose (Genesis) 1-11 -  Jan Christian Gertz
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Die biblische Urgeschichte bedenkt die Entstehung der Welt und ihrer Ordnung, das Woher des Menschen und die Ursprünge der Kultur. Sie ist Ausdruck für die in antiken Kulturen weitverbreitete und nach dem damaligen naturkundlichen Kenntnisstand durchdeklinierte Grundüberzeugung, dass alles Gegenwärtige und alles Zukünftige sein Wesen im Anfang erhalten hat. In diesem Sinne bietet die biblische Urgeschichte weniger eine Erklärung der Entstehung der Welt, sondern ist in erster Linie ein Versuch, die Erfahrung des Menschen mit sich und seiner Umwelt deutend zu verstehen. Im Zentrum dieses Nachdenkens in beispielhaften Erzählungen, zu denen sich naturkundliche, genealogische und geographische Ausführungen gesellen, steht der Mensch in seinen vielfältigen Beziehungen zum Mitmenschen, zur nichtmenschlichen Schöpfung und zu Gott. Jan Christian Gertz legt mit seinem Werk nunmehr in zweiter Auflage eine Kommentierung der Urgeschichte vor, deren Erzählungen von Adam und Eva, Kain und Abel, der Arche Noach und dem Turmbau zu Babel wie wenige andere Literaturwerke unser Selbst- und Weltbild geprägt haben. Der Kommentar bietet Lesern und Leserinnen innerhalb wie außerhalb des Faches eine klar verständliche Synthese der bisherigen Forschung und stellt die Urgeschichte in den Kontext der Literaturen des alten Vorderen Orients.

Jan Christian Gertz ist Professor für Altes Testament an der Universität Heidelberg.

Jan Christian Gertz ist Professor für Altes Testament an der Universität Heidelberg.

„Freudig traf ich auf die Erzählung vom Paradies, kurz zu lesen, aber reich zu untersuchen.“
(Ephraem der Syrer, Hymnen über das Paradies I,3)

Einleitung


1. Inhalt, Gliederung und Abgrenzung der biblischen Urgeschichte, ihre Stellung im Buch Genesis und im Pentateuch

Die biblische Urgeschichte bedenkt die Entstehung der Welt und ihrer Ordnung, das Woher des Menschen und die Ursprünge der Kultur. Ihre Erzählungen von Adam und Eva, Kain und Abel, der Arche Noach und dem Turmbau zu Babel haben wie wenige andere Literaturwerke unser Selbst- und Weltbild geprägt. Ihre kosmologischen und anthropologischen Vorstellungen markierten in unserem Kulturraum über die Jahrhunderte hinweg den wichtigsten Orientierungspunkt für eine naturkundliche Welterschließung. Freilich hat die biblische Urgeschichte nach und nach ihre Position als Erklärung für die Entstehung des Kosmos und der Entwicklung des Lebens wie auch als Urkunde der Geschichte der frühen Menschheit zugunsten der modernen Wissenschaften räumen müssen. Uns Heutigen mag sie daher auf den ersten Blick wie eine kulturmächtige, gleichwohl überholte Kosmologie und Geschichtsschreibung wirken, die naturwissenschaftliche und geschichtliche Unkenntnis durch schöne Geschichten ausgleicht. Das ist sie sicher auch. Doch recht verstanden ist sie zunächst einmal der Ausdruck für die in antiken Kulturen weitverbreitete und nach dem damaligen Kenntnisstand durchdeklinierte Grundüberzeugung, dass alles Gegenwärtige und alles Zukünftige sein Wesen im Anfang erhalten hat. In diesem Sinne ist die biblische Urgeschichte von vornherein nicht nur Welterklärung, sondern auch der Versuch, die Welterfahrung deutend zu verstehen. Die dazugehörige sprachliche Ausdrucksform ist der Mythos vom Uranfang, der von dem erzählt, „was niemals geschah, aber immer ist“1.

Im Zentrum dieses Nachdenkens in beispielhaften Erzählungen, zu denen sich naturkundliche, genealogische und geographische Ausführungen gesellen, die bereits über den Mythos reflektieren und mit der frühen Form einer naturkundlichen Weltsicht in Einklang zu bringen suchen, steht der Mensch in seinen vielfältigen Beziehungen zum Mitmenschen, zur nichtmenschlichen Schöpfung und zu Gott. Schon der Bericht über die Entstehung der Welt und ihre zeitliche wie räumliche Ordnung (Gen 1, 1–2, 3) ist ganz auf die Erfahrungswelt des Menschen hin ausgerichtet. Aussagen über die Welt vor der Schöpfung, über den Himmel oberhalb des sichtbaren Himmels oder die Tiefen des Meeres sind auf das absolut Notwendige reduziert, während die Beauftragung und Befähigung des Menschen zur Herrschaft über die Welt und die nichtmenschliche Schöpfung prominent am Ende der Schöpfungswerke stehen und breiten Raum einnehmen. Für die Erzählungen vom Paradies (Gen 2, 4–3, 24) und vom Brudermord (Gen 4, 1–16) sowie die genealogischen Notizen über die Nachkommen Kains (Gen 4, 17–24) liegt die ätiologische Ausrichtung auf die Grundgegebenheiten menschlicher Existenz noch deutlicher zu Tage. Vor dem kontrastierenden Hintergrund des paradiesischen Gartens als dem verlorenen Ort einer mühelosen und ungefährdeten Lebenssicherung und eines naiv-ungetrübten Verhältnisses zwischen Mann und Frau sowie des Menschen zu Gott beschreiben sie die Ambivalenz menschlicher Existenz: Die wesensmäßige Verbindung des Menschen mit dem Ackerboden, von dem er genommen ist (Gen 2, 7), von dem er in mühseliger Arbeit seine Nahrung gewinnt und zu dem er im Tod zurückkehrt (Gen 3, 17–19); die geschöpfliche Nähe und gleichzeitige Feindschaft zwischen Mensch und Tier (Gen 2, 18 f; 3, 15); die Freude der Geburt unter Schmerzen (Gen 3, 16); die Verkehrung menschlicher Nähe in ein Herrschaftsgefälle zwischen Mann und Frau (Gen 3, 16); die Erfahrung von Förderung oder Schädigung, die der Mensch unabhängig von seiner Leistung, gleichsam schicksalhaft erfährt und die durch diese Erfahrung hervorgebrachte tödliche Gewalt unter Brüdern (Gen 4, 1–16); die fortschreitende kulturelle Entwicklung (Gen 3, 21; 4, 17. 20–22) durch die Entdeckung des praktischen Wissens (Gen 3, 7) bei gleichzeitig abnehmender Gottesnähe (Gen 3, 24; 4, 11. 14) und zunehmender Gewalt (Gen 4, 8. 14–15. 23–24); die Möglichkeit der Weitergabe des Lebens (Gen 3, 20; 4, 1) und die dem Menschen mit der Vertreibung aus dem Paradies gesetzte Grenze des Todes (Gen 3, 22. 24).

Mit der Todesgrenze klingt neben der ambivalenten Welterfahrung ein weiteres Bestimmungsmerkmal menschlicher Existenz an, und zwar die Unterscheidung von göttlicher und menschlicher Sphäre (Gen 3, 22). Dies wird in der Episode der sexuellen Verbindung von Göttersöhnen und Menschentöchtern nochmals aufgegriffen (Gen 6, 1–4) und in der Turmbauerzählung auch in räumlicher Perspektive entfaltet (Gen 11, 1–9).

Grundsätzliche Aussagen zum Wesen des Menschen rahmen schließlich auch die umfangreiche Fluterzählung (Gen 6, 5–9, 17). Der unabänderliche Hang des Menschen zum Bösen und das Übermaß an Gewalttat provozieren Gottes Beschluss zur nahezu vollständigen Vernichtung allen Lebens (Gen 6, 5–7. 11–13) und bestimmen nach der Flut das resignierte Urteil des Schöpfergottes über den Menschen (Gen 8, 21). Als Gegenmythos zur Schöpfungsgeschichte, der die Schöpfung aufgrund ihrer „Verderbnis“ bis an den Rand des Abgrundes der vollständigen Vernichtung führt, markiert die Sintfluterzählung einen tiefen Einschnitt. Mit ihr endet die Entstehung der Welt und der Bedingungen des menschlichen Daseins. Zugleich verkörpert sie den Auftakt der bis in die Gegenwart der Leser reichenden Epoche der Geschichte dieser Welt, hinter den es kein Zurück in die Welt des Uranfangs gibt. In dieser zweifachen Perspektive symbolisiert sie, dass die grundsätzliche Infragestellung der Schöpfung durch den Schöpfergott ein für alle Mal überwunden ist – wenn auch um den Preis einer im Kontrast zum ursprünglichen Schöpferwillen stehenden Ordnung regulierter Gewalt (Gen 8, 21–22; 9, 9–17).

Die biblische Urgeschichte wird durch die sogenannte Toledotformel „Dies sind die Toledot/Zeugungen von N.N.“ gegliedert. Diese nach dem hebräischen tōledōt („Familiengeschichte“, „Genealogie“2) benannte Formel trennt den Schöpfungsbericht als Prolog von der mit der Paradieserzählung einsetzenden Geschichte der Menschen ab (Gen 2, 4a). Im Fortgang unterteilt sie die Ereignisfolge in die „Toledot/Zeugungen“ Adams (Gen 5, 1), Noachs (Gen 6, 9), der Söhne Noachs (Gen 10, 1) und Sems (Gen 11, 10). Nach dieser Gliederung endet die Urgeschichte mit den Nachkommen des Noachsohnes Sem. Mit den auf Abraham hinauslaufenden „Toledot/Zeugungen“ Terachs (Gen 11, 27) beginnt dann nahtlos die Geschichte der Erzeltern Israels. Daneben ist noch eine zweite Abgrenzung erkennbar. In Analogie zu einigen Literaturwerken des alten Vorderen Orients, in denen der Mythos vom Uranfang die Epochen von Schöpfung und Flut umfasst, kommt auch in der Bibel die Darstellung der Anfänge schon mit dem Ende der Sintfluterzählung an ihr (vorläufiges) Ziel. Die auf die Fluterzählung unmittelbar folgenden Begebenheiten sind nämlich eher als Zeit zwischen der Urgeschichte und der Vorgeschichte des Volkes Israel zu charakterisieren. Diese Zwischenzeit ist insofern urgeschichtlich, als die Völkertafel und die Turmbauerzählung auf die gesamte Menschheit bezogen sind, die in der Turmbauerzählung sogar als handelndes Subjekt auftritt (vgl. Gen 11, 1). Auch nehmen die Unterschrift der Völkertafel und der Auftakt der Genealogie Sems jeweils die Flut zum „ereignisgeschichtlichen“ Ausgangspunkt ihrer Chronologie (Gen 10, 32; 11, 10). Zugleich kündigt sich in der Erzählung von Noach und seinen Söhnen der Antagonismus zwischen „Israel“ und „Kanaan“ an. Dieser prägt die nachfolgende Darstellung der Geschichte Israels über weite Teile und stellt wie die Aufteilung der Menschheit in die ethnisch und geographisch gegliederte Welt der Völker des alten Vorderen Orients kein urgeschichtliches Thema im engeren Sinne mehr dar.3

Aufbau der biblischen Urgeschichte und ihrer Bestandteile

Der Gesamttext

Die Urgeschichte nach P

Der nicht-priesterliche Bestand4

Schöpfung

Toledot des Himmels und der Erde (Gen 1,1–2,3)

Paradieserzählung (Gen 2, 4–3, 24)

Kain und Abel (Gen 4, 1–26)

Toledot Adams: Genealogie von Adam bis Noach (Gen 5,1–32*)

Flut

Engelehen (Gen 6,1–4)

Toledot Noachs: Fluterzählung (Gen 6, 9–9, 29*)

Fluterzählung (Gen 6, 5–9,...

Erscheint lt. Verlag 8.3.2021
Reihe/Serie Das Alte Testament Deutsch (ATD) - Neubearbeitungen
Mitarbeit Herausgeber (Serie): Reinhard Gregor Kratz, Hermann Spieckermann
Verlagsort Göttingen
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Religion / Theologie Christentum
Schlagworte Altes Testament • Altes Testament/Kommentar • Genesis / Urgeschichte • Kommentar • Lehrerkommentar
ISBN-10 3-647-99468-5 / 3647994685
ISBN-13 978-3-647-99468-0 / 9783647994680
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