Bindungsstörungen (eBook)

Von der Bindungstheorie zur Beratung und Therapie
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2022 | 1. Auflage
440 Seiten
Klett-Cotta (Verlag)
978-3-608-11949-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Bindungsstörungen -  Karl Heinz Brisch
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Der Bestseller erstmals vollständig überarbeitet und erweitert Das Standardwerk vom führenden Bindungsexperten im deutschsprachigen Raum Über 40.000 verkaufte Exemplare Ein internationaler Bestseller mit Übersetzungen in acht Sprachen Karl Heinz Brisch zeigt auf, wie psychische Störungen von Säuglingen, Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen aus Bindungssicht verstanden und klassifiziert werden können. Die von ihm entwickelte bindungsbasierte Psychotherapie eröffnet neue Wege, sogar schwerste Störungen erfolgreich zu behandeln. Dabei berücksichtigt er stationäre, ambulante sowie Einzel- und Gruppen-Settings. Neueste Erkenntnisse aus den Neurowissenschaften, der Epigenetik und der Psychoneuroimmunologie haben in diese Neuauflage Eingang gefunden. 'Das beste Übersichtswerk darüber, wie man die Bindungstheorie einsetzen kann und Behandlungsmethoden bei Patienten mit Bindungsproblemen strukturiert.' Sir Michael Rutter in: Handbook of Attachment

Karl Heinz Brisch, Univ.-Prof., Dr. med. habil., ist Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychiatrie und Psychosomatische Medizin und Psychotherapie sowie Neurologie; Psychoanalytiker für Kinder, Jugendliche, Erwachsene und Gruppen; Ausbildung in spezieller Psychotraumatologie für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Er war bis 2020 Vorstand des weltweit ersten Lehrstuhls für Early Life Care und leitete das gleichnamige Forschungsinstitut an der PMU in Salzburg. Seine klinische Tätigkeit und sein Forschungsschwerpunkt umfassen den Bereich der frühkindlichen Entwicklung und der Psychotherapie von bindungstraumatisierten Menschen in allen Altersgruppen. Brisch leitete über viele Jahre die Abteilung für Pädiatrische Psychosomatik und Psychotherapie am Dr. von Haunerschen Kinderspital der Universität München und entwickelte dort das MOSES®-Therapiemodell zur erfolgreichen Intensiv-Psychotherapie von früh traumatisierten Kindern und Jugendlichen. Er entwickelte die Präventionsprogramme »SAFE® - Sichere Ausbildung für Eltern« und »B.A.S.E® - Babywatching«, die inzwischen in vielen Ländern Europas, aber etwa auch in Australien, Neuseeland und Russland Verbreitung gefunden haben.  Brisch ist Gründungsmitglied der »Gesellschaft für Seelische Gesundheit in der Frühen Kindheit« (GAIMH e. V. - German-Speaking Association for Infant Mental Health) und war dort viele Jahre lang im Vorstand. Die GAIMH ist eine Tochtergesellschaft der WAIMH - World Association for Infant Mental Health. Bis 2022 organisierte er die jährlich stattfindende renommierte Internationale Bindungskonferenz (www.bindungskonferenz.de) so wie von 2018 bis 2021 die Internationale Early Life Care Konferenz in Salzburg (www.earlylifecare.at). Brisch verbreitet die Inhalte und Ergebnisse der Bindungs- und Traumaforschung und -psychotherapie auch durch viele Publikationen, Vorträge und die Teilnahme an zahlreichen Radio- und Fernsehsendungen (www.khbrisch.de).

Karl Heinz Brisch, Univ.-Prof., Dr. med. habil., ist Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychiatrie und Psychosomatische Medizin und Psychotherapie sowie Neurologie; Psychoanalytiker für Kinder, Jugendliche, Erwachsene und Gruppen; Ausbildung in spezieller Psychotraumatologie für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Er war bis 2020 Vorstand des weltweit ersten Lehrstuhls für Early Life Care und leitete das gleichnamige Forschungsinstitut an der PMU in Salzburg. Seine klinische Tätigkeit und sein Forschungsschwerpunkt umfassen den Bereich der frühkindlichen Entwicklung und der Psychotherapie von bindungstraumatisierten Menschen in allen Altersgruppen. Brisch leitete über viele Jahre die Abteilung für Pädiatrische Psychosomatik und Psychotherapie am Dr. von Haunerschen Kinderspital der Universität München und entwickelte dort das MOSES®-Therapiemodell zur erfolgreichen Intensiv-Psychotherapie von früh traumatisierten Kindern und Jugendlichen. Er entwickelte die Präventionsprogramme »SAFE® – Sichere Ausbildung für Eltern« und »B.A.S.E® – Babywatching«, die inzwischen in vielen Ländern Europas, aber etwa auch in Australien, Neuseeland und Russland Verbreitung gefunden haben.  Brisch ist Gründungsmitglied der »Gesellschaft für Seelische Gesundheit in der Frühen Kindheit« (GAIMH e. V. – German-Speaking Association for Infant Mental Health) und war dort viele Jahre lang im Vorstand. Die GAIMH ist eine Tochtergesellschaft der WAIMH – World Association for Infant Mental Health. Bis 2022 organisierte er die jährlich stattfindende renommierte Internationale Bindungskonferenz (www.bindungskonferenz.de) so wie von 2018 bis 2021 die Internationale Early Life Care Konferenz in Salzburg (www.earlylifecare.at). Brisch verbreitet die Inhalte und Ergebnisse der Bindungs- und Traumaforschung und -psychotherapie auch durch viele Publikationen, Vorträge und die Teilnahme an zahlreichen Radio- und Fernsehsendungen (www.khbrisch.de).

Vorwort von Lotte Köhler zur 1. Auflage 1999


In den 50er Jahren erhielt der englische Psychoanalytiker John Bowlby zwei Aufträge: Er sollte für die Weltgesundheitsorganisation (WHO) einen Bericht über die psychische Befindlichkeit von Eltern und heimatlos gewordenen Kindern erstellen und in der Londoner Tavistock Clinic eine Abteilung für Kinderpsychotherapie aufbauen. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse brachten ihn dazu, eine neue, von der psychoanalytischen Metapsychologie abweichende Theorie – die sogenannte »Bindungstheorie« – zu entwickeln.

Diese besagt, dass der Mensch, ebenso wie eine Vielzahl anderer Lebewesen, ein biologisch angelegtes »Bindungssystem« besitzt. Es wird aktiviert, sobald eine äußere oder innere Gefahr auftaucht. Kann diese Gefahr aus eigenem Vermögen nicht behoben werden, wird das sogenannte »Bindungsverhalten« ausgelöst. Ein kleines Kind wendet sich dann an die ihm vertraute Person, z. B. an seine Mutter oder seinen Vater, zu der es eine ganz spezifische »Bindung« aufbaut. In diese Bindungsbeziehung gehen seine Gefühle, Erwartungen und Verhaltensstrategien ein, die es aufgrund seiner Erfahrungen mit den wichtigsten Pflegepersonen entwickelt hat. Das sogenannte Bindungsmuster, das sich in Anpassung an diese während des ersten Lebensjahres ausprägt, wandelt sich im Laufe der Zeit, bleibt aber in seinen Grundstrukturen in den meisten Fällen relativ konstant.

Für das unselbständige menschliche Neugeborene und Kleinkind sind die Person, die Schutz und Fürsorge gewährt, und die Bindung an sie von lebenserhaltender Bedeutung. Das Bedürfnis nach dem »sicheren Hort oder Hafen« oder – mit anderen Worten – nach einer zuverlässigen Bindungsperson, die in Gefahrensituationen Schutz und Hilfe gewährt, bleibt aber während des ganzen Lebens bestehen. Auch bei Erwachsenen wird in einer solchen Lage das in der frühen Kindheit ausgeprägte Bindungssystem aktiviert und löst schutzsuchendes Bindungsverhalten aus.

Als Bowlby in den 60er Jahren diese Gedanken seinen Kollegen in London vorstellte, stieß er vonseiten der Psychoanalytiker auf erbitterten Widerstand, denn seine Theorie fußte nicht auf der damals gängigen Metapsychologie und Triebtheorie Freuds, sondern auf systemtheoretischen und kybernetischen Modellen. Auch warf man ihm vor, er befasse sich nur mit der Erklärung von »Verhalten«, nicht aber mit der »inneren Realität«, mit der sich die Psychoanalytiker beschäftigen. Die Folge dieser Kontroverse war, dass sich seinerzeit die Wege von Psychoanalyse und Bindungstheorie trennten.[1]

Dagegen wurde Bowlbys Bindungstheorie von der akademischen Entwicklungspsychologie akzeptiert und integriert, weil seine Schüler Untersuchungsmethoden entwickelten, die objektivierbare und reproduzierbare Befunde etwa von Bindungsverhalten und Bindungsmustern erbrachten. Insbesondere ist die von Bowlbys Mitarbeiterin Mary Ainsworth entworfene Untersuchungsanordnung für zwölf bis achtzehn Monate alte Kinder, die sogenannte »Fremde Situation«, zu einem Standardmessinstrument in der Entwicklungspsychologie geworden.

Ein wichtiger qualitativer Sprung erfolgte, als von Mary Main und Mitarbeitern eine bei Erwachsenen anwendbare Befragungs- und Auswertungsmethode entwickelt wurde. Aus deren Ergebnissen ist zuverlässig ableitbar, dass die innere Einstellung einer Mutter definiert, wie das Bindungsmuster und damit auch das Verhalten aussehen wird, das ihr Kind entwickelt. Selbst wenn diese Untersuchung, das sogenannte »Erwachsenen-Bindungs-Interview«, bei einer werdenden Mutter durchgeführt wird, gestatten die Ergebnisse eine valide Vorhersage des Bindungsmusters, das ein noch nicht geborenes Kind im Alter von einem Jahr ausgebildet haben wird. Damit war der Nachweis erbracht, dass innere Repräsentanzen der Mutter ihr Verhalten gegenüber dem Kind bestimmen. Daraus ergab sich die Möglichkeit einer Wiederannäherung zwischen Bindungstheorie und Psychoanalyse.

An genau dieser Stelle befinden wir uns jetzt.[2]

Bevor man sich der Nutzanwendung bindungstheoretischer Kenntnisse in der klinischen Praxis zuwendet, sollte man sich jedoch die grundsätzlichen methodologischen Ausgangspunkte von Psychoanalyse und Bindungstheorie vor Augen halten. Diese tragen auch zu einer Erklärung bei, warum Psychoanalyse und Bindungsforschung so lange getrennte Wege gingen.

Die Psychoanalyse gründet ihre Erkenntnisse auf Material, das in Behandlungen mittels freier Assoziation sowie durch das Übertragungs- und Gegenübertragungsgeschehen gewonnen wird. Der Analytiker erarbeitet mit dem Patienten eine Rekonstruktion von dessen Entwicklungsgeschichte, um auf diese Weise die Bedingungen zu ergründen, die zur Entstehung seiner psychischen Störung führten. Dabei werden nicht nur Aspekte menschlicher Bindung einbezogen, sondern die gesamte Persönlichkeit, wie sie sich aus intensiver Zusammenarbeit zwischen dem Patienten und dem Therapeuten über einen längeren Zeitraum hinweg eröffnet. Die Psychoanalyse bezieht ihre Erkenntnisse im Wesentlichen aus Einzelfalldarstellungen.

In der Bindungsforschung dagegen werden Untersuchungen zu gezielten, damit aber auch beschränkten Fragestellungen durchgeführt. Die Befunde werden von zeitlich definierten Altersklassen der Kinder erhoben, mit quantitativen wie qualitativen Methoden untersucht und statistisch ausgewertet. Eine weitere Besonderheit der Bindungsforschung ist, dass ganze »Kohorten« von Eltern-Kind-Paaren, zum Teil bereits ab dem intrauterinen Leben des Kindes und bis zu dessen Erwachsenenalter, mit objektivierbaren Beobachtungsinstrumenten untersucht werden können. Solche systematischen Längsschnittuntersuchungen gibt es seitens der Psychoanalyse nur ganz vereinzelt. Diese Studien, wie überhaupt die Ergebnisse der modernen Säuglingsforschung, beweisen die Richtigkeit der von Bowlby vertretenen Auffassung, dass der Einfluss der äußeren Realität auf die Ausformung der inneren Realität nicht vernachlässigt werden darf. Die Forschungsergebnisse der Bindungsforschung haben den Vorteil der Replizierbarkeit, können aber im Gegensatz zur Methode der Psychoanalyse immer nur Ausschnitte der Entwicklung oder der Persönlichkeit erfassen. Diese »Partialsicht« der Bindungstheorie wird auch von Brisch immer wieder betont; die Bindungstheorie erhebt nicht den Anspruch, alle Aspekte der menschlichen Persönlichkeit zu erhellen.

Die Verbreitung und Erforschung der Bindungstheorie hat zu einer Fülle von Publikationen geführt, die ganze Bibliotheken füllen. Es wurden wichtige Befunde darüber erhoben, welche unterschiedlichen Bindungsmuster oder -verhaltensstile es gibt, unter welchen Bedingungen sie sich jeweils ausbilden und wie sie sich im Laufe des Lebens weiterentwickeln. Diese wiederum lassen Aussagen darüber zu, welche Bindungsmuster unter den gegenwärtigen gesellschaftlichen Bedingungen als adaptiv und welche als maladaptiv oder gar als pathogen anzusehen sind. Es gibt nämlich Bindungsmuster, die in Zeiten von Pest und Krieg durchaus überlebensfördernd waren, sich aber heutzutage eher als nachteilig erweisen.

Nun stellt die Situation, in der sich ein Patient hilfesuchend an einen Arzt oder Therapeuten wendet, einen jener Auslöser dar, der das Bindungssystem aktiviert. Es leuchtet daher ein, dass die Kenntnis der verschiedenen Ausprägungen dieser Bindungsmuster und ihrer Entstehungsbedingungen für alle Heilberufe von größter Bedeutung ist. Sie erleichtert sowohl die Herstellung der für eine erfolgreiche Behandlung ausschlaggebenden guten Beziehung zum Patienten wie das Verständnis und die Handhabung des therapeutischen Prozesses insgesamt.

Die wissenschaftliche Entwicklung der Bindungstheorie erfolgte weitgehend im angelsächsischen Raum. Eine Ausnahme stellen die Entwicklungspsychologen Klaus und Karin Grossmann von der Universität Regensburg und ihre Schüler dar, die in Deutschland Bindungsforschung betreiben. Das hat zur Folge, dass die Bindungstheorie im deutschsprachigen Raum bei Analytikern und Therapeuten bisher noch wenig bekannt ist.[3]

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Erscheint lt. Verlag 19.11.2022
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften
Medizin / Pharmazie Medizinische Fachgebiete Psychiatrie / Psychotherapie
Schlagworte Base • Bindungsforschung • Kinderheilkunde • Psychoanalyse • Psychologie • SAFE
ISBN-10 3-608-11949-3 / 3608119493
ISBN-13 978-3-608-11949-7 / 9783608119497
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