Große Didaktik -  Johann A. Comenius

Große Didaktik (eBook)

Die vollständige Kunst, alle Menschen alles zu lehren
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
432 Seiten
Klett-Cotta (Verlag)
978-3-608-11895-7 (ISBN)
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Der Begründer der modernen Didaktik war ein Kosmopolit: Johann Amos Comenius stammte aus Mähren, studierte in Deutschland, wirkte in Polen, England und Holland und erarbeitete eine Schulreform für Schweden. Als Pädagoge wollte er menschheitsversöhnend wirken. Mit seiner Erziehungslehre versprach er, Standesgrenzen und Religionsschranken zu überwinden. Johann Amos Comenius zählt zu den Vordenkern der pädagogischen Moderne. Schon zu Lebzeiten war er in ganz Europa anerkannt und gefragt. Als Zeitgenosse des Dreißigjährigen Krieges wollte er die zerstrittene Menschheit mit Hilfe einer neuartigen Didaktik in eine friedliche Zukunft führen. Er verfolgte das ambitionierte Ziel, 'alle Menschen alles zu lehren'. Dabei setzte er auf Anschaulichkeit und den Einsatz einer wahrhaftigen und allgemeinverständlichen Sprache. Bis heute gilt Comenius mit seinem Anspruch, auf gründliche und angenehme Weise Chancengleichheit und gute Bildung für alle zu erwirken, als einer der großen Erziehungsphilosophen der Neuzeit. Zum 125-jährigen Jubiläum der Klett-Gruppe werden ab 2022 eine Reihe zeitlos-aktueller Werke der Pädagogik und Erziehungsphilosophie erscheinen.

Johann Amos Comenius wird 1592 in Mähren geboren. Er studiert ab 1611 Philosophie und Theologie in Herborn und Heidelberg. Als Bischof der reformierten Brüdergemeinde muß er in den Wirren des dreißigjährigen Krieges Zuflucht in verschiedenen europäischen Staaten suchen. Seine reformpädagogischen Schriften erreichen Weltruf, so daß der Pädagoge an seinen zahlreichen Wirkungsstätten Lehraufträge erhält. Comenius begründet die Pädagogik und Didaktik als eigenständige Disziplin.

Johann Amos Comenius wird 1592 in Mähren geboren. Er studiert ab 1611 Philosophie und Theologie in Herborn und Heidelberg. Als Bischof der reformierten Brüdergemeinde muß er in den Wirren des dreißigjährigen Krieges Zuflucht in verschiedenen europäischen Staaten suchen. Seine reformpädagogischen Schriften erreichen Weltruf, so daß der Pädagoge an seinen zahlreichen Wirkungsstätten Lehraufträge erhält. Comenius begründet die Pädagogik und Didaktik als eigenständige Disziplin.

Gruß an den Leser


1. »Didaktik« bedeutet Kunst des Lehrens. Fähige Männer haben in jüngster Zeit, voll Erbarmen mit der Sisyphus-Arbeit in den Schulen, diese Kunst zu erforschen unternommen, doch mit ungleichem Mut und ungleichem Erfolg.

2. Manche haben sich mit irgendeiner Sprache befasst und versucht, sie durch Handbücher leichter zu vermitteln. Andere waren bestrebt, irgendeine Wissenschaft (scientia) oder Kunst (ars) rascher und auf kürzerem Wege zu lehren; andere versuchten noch anderes. Fast alle aber gingen von äußeren, aus erleichterter Praxis, d. h. a posteriori gewonnenen Erfahrungen aus.

3. Wir wagen es, eine »Große Didaktik« zu versprechen: nämlich die vollständige Kunst, alle Menschen alles zu lehren; und zwar zuverlässig zu lehren, sodass der Erfolg nicht ausbleiben kann; und rasch zu lehren, ohne Beschwerde und Verdruss für Lehrer oder Schüler, vielmehr zu beider größtem Vergnügen; und gründlich zu lehren, nicht oberflächlich und nur zum Schein, sondern so, dass echte Wissenschaft (literatura), reine Sitten und innerste Frömmigkeit vermittelt werden. Schließlich wollen wir alles dieses a priori dartun, aus der eigenen und unveränderlichen Natur der Dinge, gleichsam aus dem lebendigen Quell, welcher nimmer versiegende Bäche speist; indem wir diese wiederum in einem Flusse sich sammeln lassen, begründen wir die eine universale Kunst, universale Schulen zu errichten.

4. Wahrlich große und dringend wünschbare Dinge also werden hier versprochen. Das wird manchem eher als schöner Traum denn als Darlegung einer zuverlässigen Angelegenheit erscheinen, wie sich leicht voraussehen lässt. Halte jedoch dein Urteil zurück, wer immer du bist, bis du der Sache auf den Grund gekommen; dann steht es dir frei, dein Urteil zu bilden und überall kundzutun. Denn ich kann nicht wünschen noch erstreben, jemanden durch unsere Überredung zu verleiten, einer halbgeprüften Sache seine Zustimmung zu geben. Vielmehr bitte, ermahne und beschwöre ich dringend jeden, der sich damit auseinandersetzt, seine eigenen, wohlgeschärften Sinne mitzubringen und sich durch keinerlei bloßes Gerede umgarnen zu lassen.

5. Es geht hier wahrhaftig um eine ernste Sache, die von allen ehrliches Streben, abwägendes Urteil und gemeinsame Arbeit erheischt. Es geht um das Heil der gesamten Menschheit. »Welches größere und bessere Geschenk könnten wir dem Gemeinwesen (rei publicae) machen, als die Jugend zu belehren und wissenschaftlich zu bilden? Besonders zur Zeit gegenwärtiger Sitten, da sie so tief gesunken ist, dass sie nach der Ansicht eines jeden in Zaum und Ordnung gehalten werden muss« – so sagt Cicero. Und Philipp Melanchthon schreibt, die Jugend recht bilden, sei etwas mehr als Troja erobern. Darauf geht auch das Wort Gregors von Nazianz: Den Menschen gestalten, dieses unbeständigste und komplizierteste aller Lebewesen, sei die Kunst aller Künste.

6. Diese Kunst aller Künste darzulegen ist eine schwierige Sache und verlangt das schärfste Urteil, und zwar nicht nur das eines einzelnen, sondern das vieler Menschen; denn einer allein ist nie so scharfsichtig, dass ihm nicht vieles entginge.

7. Mit Recht ersuche ich darum meine Leser und beschwöre beim Heil des Menschengeschlechts alle, die dieses hier sehen, zum Ersten es nicht für Tollkühnheit zu erachten, dass jemand die Lösung einer so schwierigen Aufgabe nicht nur zu versuchen, sondern fest zuzusagen wagt – um des hohen Zieles willen, dessentwegen das geschieht; zum Zweiten nicht alsbald zu verzweifeln, wenn nicht gleich der erste Versuch Erfolg hat und das Erstrebte uns nicht ganz nach Wunsch gelingt. Zuerst nämlich muss die Saat keimen und dann stetig aufgehen und wachsen. Wie unvollkommen also unser Vorschlag immer sein, wie wenig er auch sein Ziel erreichen mag: Die Sache selbst wird doch lehren, dass schon eine höhere Stufe erklommen und man dem Ziele näher gerückt ist. Endlich bitte ich die Leser, so viel Aufmerksamkeit, Fleiß, Urteilsfreiheit und Scharfsinn mitzubringen, wie es für die schwerwiegendsten Dinge erforderlich ist. Ich werde erst kurz den Anlass meines Vorhabens andeuten, dann seine wichtigsten Neuerungen aufzählen und darauf mein Werk mit vollem Vertrauen dem redlichen Sinn und der genauen Prüfung aller Urteilsfähigen übergeben.

8. Diese Kunst des Lehrens und Lernens (ars docendi et discendi), und zwar in der Vollkommenheit, zu der sie sich nun zu erheben scheint, war früheren Jahrhunderten weitgehend unbekannt. Die wissenschaftlichen Studien (res literaria) und die Schulen waren dermaßen belastet mit Mühe und Qual, mit Zweifel und Fantasterei, mit Fehlern und Irrtum, dass nur die mit übermenschlichen Kräften Begabten zu einer gründlichen wissenschaftlichen Bildung gelangen konnten.

9. In jüngster Zeit aber ließ Gott das Morgenrot eines neuen Zeitalters heraufziehen und berief in Deutschland einige ausgezeichnete Männer, welche, der Verwirrungen in den bisherigen Schulmethoden überdrüssig, auf einen leichteren und kürzeren Weg sannen, die Sprachen und Künste zu lehren; einige früher, einige später – daher die einen mit weniger, die anderen mit mehr Erfolg, wie sich aus den didaktischen Büchern und Abhandlungen, die sie veröffentlicht haben, ersehen lässt.

10. Ich denke an Leute wie Ratke, Lubin, Helwig, Ritter, Bodin, Glaum, Vogel, Wolfstirn und andere, die uns vielleicht nicht bekannt geworden sind. Vor allem aber ist hier Johann Valentin Andreae zu nennen, der in seinen herrlichen Schriften nicht nur die Krankheiten in Kirche und Staat, sondern auch im Schulwesen aufgezeigt und auch die Mittel für ihre Heilung anzugeben gewusst hat. Doch auch in Frankreich gerieten die Dinge in Bewegung, als Janus Caecilius Frey im Jahre 1629 in Paris seine gescheite Didaktik veröffentlichte unter dem Titel »Neuer und leichter Weg zu den edlen Wissenschaften und Künsten, zur Philologie und Rhetorik«.

11. Ich nutzte jede Gelegenheit, diese Autoren zu studieren, und es ist kaum zu sagen, welch große Freude ich empfand und wie sehr diese Freude meinen Schmerz über den Niedergang meiner Heimat und über den schlimmen Zustand in ganz Deutschland linderte. Denn ich begann nun zu hoffen, dass die Vorsehung des Allmächtigen nicht ohne Absicht den Niedergang der alten und die Errichtung neuer Schulen nach neuen Ideen habe in die gleiche Zeit fallen lassen. Denn wer vorhat, einen neuen Bau zu errichten, pflegt zuvor den Boden auszuebnen und das frühere, weniger taugliche oder baufällige Gebäude abzuräumen.

12. Diese Gedanken weckten in mir die besten und fröhlichsten Hoffnungen, die aber bald wieder zu schwinden begannen, weil ich glaubte, dass diese große Sache nicht wirklich von Grund auf neu entwickelt werde.

13. Ich wünschte mich deshalb über einiges näher belehren zu lassen und zu diesem oder jenem auch selbst meine Ansicht zu äußern und schrieb Briefe an verschiedene der genannten Männer, jedoch vergeblich; teils deshalb, weil mancher seine Entdeckungen allzu ängstlich behütet, teils auch, weil die Briefe die Empfänger nicht erreichten und unbeantwortet zurückkamen.

14. Einer jedoch von ihnen, jener vortreffliche J. V. Andreae nämlich, schrieb mir freundlich zurück, er wolle die Fackel weitergeben, und ermunterte mich, sie mutig vorwärts zu tragen. Auf diese Weise angespornt begann ich mich in Gedanken mehr und mehr damit zu beschäftigen, bis mein leidenschaftlicher Wunsch für das öffentliche Wohl (publicus profectus) mich dazu trieb, die Sache von Grund auf zu versuchen.

15. Ich setzte also alle Entdeckungen, Erwägungen, Beobachtungen und Regeln anderer beiseite und begann, die Sache selbst unvoreingenommen zu durchdenken und Ursachen, Methoden, Wege und Ziele der Lernkunst (»Discentia«, wie sie nach Tertullian bezeichnet werden mag) zu untersuchen.

16. Daraus ist nun diese Abhandlung erwachsen, welche, wie ich hoffe, dem Gegenstand gründlicher zu Leibe rückt, als das bisher geschah. Sie wurde zunächst zum Gebrauch meiner Landsleute in meiner Muttersprache verfasst, nun aber auf den Rat etlicher achtenswerter Männer ins Lateinische übersetzt, damit sie,...

Erscheint lt. Verlag 21.5.2022
Übersetzer Andreas Flitner
Vorwort Jürgen Overhoff
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Original-Titel Didactica Magna
Themenwelt Geisteswissenschaften
Schlagworte Anschauung • Aufmerksamkeit • Begabung • Didaktik • Dreißigjähriger Krieg • Enzyklopädie • erziehen • Erziehung • Erziehungsmethoden • Frühe Neuzeit • Gruppenunterricht • Lernen • Lernfaktoren • Pädagogen • Pädagogik • Schule • Sozialerziehung • Talente • Wissenschaft
ISBN-10 3-608-11895-0 / 3608118950
ISBN-13 978-3-608-11895-7 / 9783608118957
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