Blut ist nicht Wasser. Option, Krieg und vergessene NS-Opfer aus Südtirol
Aus dem Tagebuch des Jakob Stubenruß
Seiten
2022
Edition Raetia (Verlag)
978-88-7283-847-1 (ISBN)
Edition Raetia (Verlag)
978-88-7283-847-1 (ISBN)
Jakob Stubenruß war von 1936 bis 1951 Pfarrer im Südtiroler Bergdorf Spinges. Er dokumentierte die Spaltung der Bevölkerung rund um die Option 1939, charakterisierte Mitläufer wie Opfer der NS-Besatzung und beobachtete kritisch den Neubeginn nach 1945. Armin Mutschlechner präsentiert die wichtigsten Auszüge aus Stubenruß’ Schriften und stellt sie, dank seiner Recherchen in Archiven und bei Zeitzeug:innen, in einen überregionalen Kontext.
„Was skrupellose Hetze und Aufpeitschung doch vermag!“
Pfarrchronik ermöglicht neuen Blick auf die dramatischen Jahre 1936–1951
Jakob Stubenruß (1881–1969), Pfarrer im Südtiroler Bergdorf Spinges, beobachtete in seinem Tagebuch die Spaltung der Bevölkerung rund um die Option 1939 kritisch: Die verpflichtende Abstimmung, in der sich die Südtiroler:innen zwischen einer Abwanderung ins nationalsozialistische Deutsche Reich und einem Verbleib in der vom Faschismus unterdrückten Heimat entscheiden mussten, war von heftiger Propaganda beider Par-teien geprägt. Armin Mutschlechner hat Stubenruß’ Aufzeichnungen zur Grundlage seines neuen Buches „Blut ist nicht Wasser. Option, Krieg und vergessene NS-Opfer“ (Edition Raetia, 2022) gemacht: Er zeichnet das gleichsam faszinierende wie erschütternde Sittenbild einer zerrissenen Gesellschaft, in der die Grenzen zwischen Tätern, Opfern und Mitläufern verschwimmen.
Ganze 15 Jahre lang, von 1936 bis 1951, war Jakob Stubenruß Pfarrer des kleinen Alpendorfes Spinges. Wie viele seiner Berufskollegen war er ein strenger Sittenwächter, dem körperliche Freizügigkeit, Tanzveranstaltungen und eine allzu liberale Schulbildung ein Gräuel waren. In seiner Pfarrchronik, die er als privates Tagebuch nutzte, entpuppte Stubenruß sich allerdings als scharf-sinniger Beo-bachter der politischen Umwälzungen seiner Zeit.
Während der erzwungenen Italianisierung des Landes vernetzten sich im Völkischen Kampfring Süd-tirols (VKS) Sympathisanten des NS-Regimes. Stubenruß charakterisierte ausführlich den „Junker-bauern“ Franz Kiener, der als oberster VKS-Aktivist viele Dorfbewohner:innen in Spinges zur Abwan-derung ins Deutsche Reich bewegte. Stubenruß legte sich auch mit seinem kirchlichen Vor-
gesetzten, dem nazi-affinen Generalvikar der Diözese Brixen, Alois Pompanin (1889–1966), an:
In einem Briefwechsel warf er Pompanin 1940 vor, die Neutralität der Kirche in der Optionsfrage mit einer Auswanderungsweisung ins Deutsche Reich untergraben zu haben.
Armin Mutschlechner hat Stubenruß’ Tagebuch und die darin vorkommenden Personen, Ereignisse, Daten und Fakten erstmals kritisch gesichtet und weiter recherchiert. Mit „Blut ist nicht Wasser“ (der Titel stammt aus einer Tagebuchpassage von Stubenruß) präsentiert er nun einen völlig neuen Blick auf die Jahre des Faschismus, der Option, des Zweiten Weltkrieges und der Wiederaufbauzeit in Süd-tirol.
Waren bisherige Werke zur Options- und Kriegszeit von einem Fokus auf die großen Zusammen-hänge geprägt, zeigt Mutschlechner in seinem Buch, wie die politischen Ereignisse sich auf die einzelnen Dorfbewohner:innen auswirkten. Zu „Musterungen und SS-Keilerei“ im von den Nazis be-setzten Spinges schrieb Stubenruß: „Im Oktober und September [1943] finden Musterungen im größten Stil statt: Alle Jahrgänge von 1893 bis 1922. […] Wer beide Füße und Bauch hat, kann irgendwie tauglich befunden werden, entweder für Front und Hinterland.“ Doch auch die lange vergessene, feige Ermordung eines abgestürzten US-Kriegsfliegers im Juni 1944 dokumentierte der Gottesmann ausführlich: „Bald gabelten ihn 6 SS-Männer von Sterzing, die dort streiften, auf […]. Sie trieben [den US-Soldaten] vor sich her, und da er ihnen […] nicht schnell genug voran kam […], schossen sie ihn einfach nieder und ließen ihn liegen.“ Im Mai 1945 beobachtete Stubenruß bei Kriegsende hingegen entsetzt, wie die vielfach mittellose Spinger Bevölkerung Infrastrukturen im eigenen Dorf plünderte.
Ausgehend vom Mühlbacher Kleinkriminellen Josef Kiener, der als Optant 1940 vom NS-Sondergericht Salzburg als „gefährlicher Gewohnheitsverbrecher“ zum Tode verurteilt und enthauptet wurde, hat Mutschlechner zudem 121 Biografien bislang unbekannter oder vergessener Opfer des NS-Regimes nachgezeichnet und ins Buch aufgenommen; es sind Momentaufnahmen einer akribischen Recherchearbeit gegen das Vergessen.
„Blut ist nicht Wasser“ ist eine in ihrem Umfang und Detailgrad beeindruckende Pionierarbeit zu den Jahren des Faschismus, der Option und des Nationalsozialismus in Südtirol.
„Was skrupellose Hetze und Aufpeitschung doch vermag!“
Pfarrchronik ermöglicht neuen Blick auf die dramatischen Jahre 1936–1951
Jakob Stubenruß (1881–1969), Pfarrer im Südtiroler Bergdorf Spinges, beobachtete in seinem Tagebuch die Spaltung der Bevölkerung rund um die Option 1939 kritisch: Die verpflichtende Abstimmung, in der sich die Südtiroler:innen zwischen einer Abwanderung ins nationalsozialistische Deutsche Reich und einem Verbleib in der vom Faschismus unterdrückten Heimat entscheiden mussten, war von heftiger Propaganda beider Par-teien geprägt. Armin Mutschlechner hat Stubenruß’ Aufzeichnungen zur Grundlage seines neuen Buches „Blut ist nicht Wasser. Option, Krieg und vergessene NS-Opfer“ (Edition Raetia, 2022) gemacht: Er zeichnet das gleichsam faszinierende wie erschütternde Sittenbild einer zerrissenen Gesellschaft, in der die Grenzen zwischen Tätern, Opfern und Mitläufern verschwimmen.
Ganze 15 Jahre lang, von 1936 bis 1951, war Jakob Stubenruß Pfarrer des kleinen Alpendorfes Spinges. Wie viele seiner Berufskollegen war er ein strenger Sittenwächter, dem körperliche Freizügigkeit, Tanzveranstaltungen und eine allzu liberale Schulbildung ein Gräuel waren. In seiner Pfarrchronik, die er als privates Tagebuch nutzte, entpuppte Stubenruß sich allerdings als scharf-sinniger Beo-bachter der politischen Umwälzungen seiner Zeit.
Während der erzwungenen Italianisierung des Landes vernetzten sich im Völkischen Kampfring Süd-tirols (VKS) Sympathisanten des NS-Regimes. Stubenruß charakterisierte ausführlich den „Junker-bauern“ Franz Kiener, der als oberster VKS-Aktivist viele Dorfbewohner:innen in Spinges zur Abwan-derung ins Deutsche Reich bewegte. Stubenruß legte sich auch mit seinem kirchlichen Vor-
gesetzten, dem nazi-affinen Generalvikar der Diözese Brixen, Alois Pompanin (1889–1966), an:
In einem Briefwechsel warf er Pompanin 1940 vor, die Neutralität der Kirche in der Optionsfrage mit einer Auswanderungsweisung ins Deutsche Reich untergraben zu haben.
Armin Mutschlechner hat Stubenruß’ Tagebuch und die darin vorkommenden Personen, Ereignisse, Daten und Fakten erstmals kritisch gesichtet und weiter recherchiert. Mit „Blut ist nicht Wasser“ (der Titel stammt aus einer Tagebuchpassage von Stubenruß) präsentiert er nun einen völlig neuen Blick auf die Jahre des Faschismus, der Option, des Zweiten Weltkrieges und der Wiederaufbauzeit in Süd-tirol.
Waren bisherige Werke zur Options- und Kriegszeit von einem Fokus auf die großen Zusammen-hänge geprägt, zeigt Mutschlechner in seinem Buch, wie die politischen Ereignisse sich auf die einzelnen Dorfbewohner:innen auswirkten. Zu „Musterungen und SS-Keilerei“ im von den Nazis be-setzten Spinges schrieb Stubenruß: „Im Oktober und September [1943] finden Musterungen im größten Stil statt: Alle Jahrgänge von 1893 bis 1922. […] Wer beide Füße und Bauch hat, kann irgendwie tauglich befunden werden, entweder für Front und Hinterland.“ Doch auch die lange vergessene, feige Ermordung eines abgestürzten US-Kriegsfliegers im Juni 1944 dokumentierte der Gottesmann ausführlich: „Bald gabelten ihn 6 SS-Männer von Sterzing, die dort streiften, auf […]. Sie trieben [den US-Soldaten] vor sich her, und da er ihnen […] nicht schnell genug voran kam […], schossen sie ihn einfach nieder und ließen ihn liegen.“ Im Mai 1945 beobachtete Stubenruß bei Kriegsende hingegen entsetzt, wie die vielfach mittellose Spinger Bevölkerung Infrastrukturen im eigenen Dorf plünderte.
Ausgehend vom Mühlbacher Kleinkriminellen Josef Kiener, der als Optant 1940 vom NS-Sondergericht Salzburg als „gefährlicher Gewohnheitsverbrecher“ zum Tode verurteilt und enthauptet wurde, hat Mutschlechner zudem 121 Biografien bislang unbekannter oder vergessener Opfer des NS-Regimes nachgezeichnet und ins Buch aufgenommen; es sind Momentaufnahmen einer akribischen Recherchearbeit gegen das Vergessen.
„Blut ist nicht Wasser“ ist eine in ihrem Umfang und Detailgrad beeindruckende Pionierarbeit zu den Jahren des Faschismus, der Option und des Nationalsozialismus in Südtirol.
Mutschlechner, ArminGeboren 1969. Kunstschlosserlehre mit Gesellenbrief, langjährige Tätigkeit im Kleinkunstbereich, in der offenen Jugendarbeit und als Literat und Kunstschaffender. Geschichtsaffiner Mühlbacher. Bei Edition Raetia: "Mühlbach bei Franzensfeste. 1897-1947" (Retina, 2020).
Erscheinungsdatum | 24.09.2022 |
---|---|
Zusatzinfo | viele zeitgenössische Fotos |
Verlagsort | Bozen |
Sprache | deutsch |
Maße | 170 x 29 mm |
Gewicht | 914 g |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik ► 20. Jahrhundert bis 1945 |
Geschichte ► Allgemeine Geschichte ► 1918 bis 1945 | |
Geisteswissenschaften ► Geschichte ► Regional- / Ländergeschichte | |
Schlagworte | Alois Pompanin • Brixen • die erste pr • Erich Petschauer • Faschismus • Hans Fink • Jakob Stubenruß • Johannes Geisler • Josef Mallepell • Kirche und Nationalsozialismus • Kriegstagebuch • Mühlbach • Nationalsozialisten • Nazi-Propaganda • NS-Besatzung • NS-Opfer • Obernazi • Option • Peter Hinterlechner • Peterhofer • Pfarrchronik • Priesterverfolgung • Robert Rogen • Spinges • Südtirol • Tagebuch eines Pfarrers • Vinzentinum |
ISBN-10 | 88-7283-847-9 / 8872838479 |
ISBN-13 | 978-88-7283-847-1 / 9788872838471 |
Zustand | Neuware |
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