Depression entschlüsseln (eBook)
266 Seiten
Klett-Cotta (Verlag)
978-3-608-11893-3 (ISBN)
Simone Alz, Diplom-Psychologin und Coach. Ihre Karriere startete sie in einer renommierten Unternehmensberatung als Consultant für Human Performance & Change Management, danach arbeitete sie für die Vereinten Nationen, verantwortlich für die strategische Besetzung von Positionen sowie die Entsendung und Entwicklung von Personal. Heute arbeitet sie als selbständiger Coach für Top-Manager, Team-, Persönlichkeits- und Bewusstseinsentwicklung, berät multinationale Klienten und engagiert sich als Ausbilderin für Trainer und Coaches.
Simone Alz, Diplom-Psychologin und Coach. Ihre Karriere startete sie in einer renommierten Unternehmensberatung als Consultant für Human Performance & Change Management, danach arbeitete sie für die Vereinten Nationen, verantwortlich für die strategische Besetzung von Positionen sowie die Entsendung und Entwicklung von Personal. Heute arbeitet sie als selbständiger Coach für Top-Manager, Team-, Persönlichkeits- und Bewusstseinsentwicklung, berät multinationale Klienten und engagiert sich als Ausbilderin für Trainer und Coaches.
Kapitel 1
Das Modell: Die Depressions-Pyramide
Ich halte Struktur für wichtig, daher habe ich die Depressions-Pyramide kreiert. Inspiriert ist sie durch die maslowsche Bedürfnispyramide. Maslow beschreibt in seinem sozialpsychologischen Modell auf vereinfachende Art und Weise menschliche Bedürfnisse und Motivationen1. Ich bin der Überzeugung, dass menschliche Bedürfnisse und deren Befriedigung oder Nichtbefriedigung auch die Grundlage für das Verstehen von Depressionen sind.
Die Struktur der Pyramide soll keine Hierarchie darstellen. Keine Stufe ist wichtiger als die andere. Alle Bereiche sind letztlich wesentlich für das Wohlergehen des Menschen.
Verbindung und Hoffnung
Persönlich sehr wichtig ist mir das auf der linken Seite eingezeichnete Prinzip. Ich glaube fest daran, dass Depressionen mit verlorenen Verbindungen und dem Fehlen von Hoffnung zu tun haben. Umgekehrt braucht es für die Lösung und Heilung von Depressionen genau diese beiden Faktoren: Verbindung wiederzufinden oder zu kreieren und Hoffnung zu schöpfen.
Diese beiden zentralen Gedanken Hoffnung und Verbindung bedingen sich auch gegenseitig. Wenn ich mich verbunden fühle, gibt mir das Hoffnung. Hoffnung zu haben stärkt wiederum die Verbindungen. Es bildet sich ein Kreislauf, der uns entweder positiv oder negativ beeinflussen kann. Zieht uns dieser tendenziell nach unten, können wir zum Glück jederzeit an einer beliebigen Stelle wieder einen positiven Impuls geben, dem ein Aufwärtstrend folgt.
Verbindung
Verbindung könnte man auch als Beziehung beschreiben. Wichtig ist, mich als »Teil von …« zu fühlen. Zugehörig. Nicht abgeschnitten. Man ist angebunden, hängt nicht in der Luft. Natürlich ist auch die Qualität der Verbindung wichtig. Bei Depressionen geht es erst einmal darum, die gefühlte und/oder tatsächliche Isolation zu erkennen und aus dieser wieder herauszukommen, Verbindungen oder Beziehungen wiederherzustellen. Und diese dann mehr und mehr positiv zu gestalten, zu festigen und sie immer wieder aufs Neue zu fühlen.
Verbindungen unterschiedlicher Art
Betrachten wir die Pyramide genauer, geht es bei der physischen Ebene um die Verbindung in mir. Diese kann sich mannigfaltig gestalten. Zum Beispiel die Reizweiterleitung als verbindendes Element in mir, die Hormonbalance als Verbindung in mir, der Energiehaushalt als Verbindung in mir.
Auf dem psychischen Level geht es um die Verbindung zu mir. Wie bewerte ich mich? Wie stehe ich zu mir? Wie habe ich bisherige Erlebnisse verarbeitet? Wie erzähle ich meine Geschichte?
Auf der sozialen Ebene geht es um die Verbindung zu anderen: zu meiner Familie, zu meinen Freunden, zu Kollegen, zu meiner Umwelt, zu den Menschen im Allgemeinen. Dazu gehört auch, welche Erfahrungen ich mit diesen Menschen gemacht habe. Sind es gute Erfahrungen? Oder eher schlechte? Bin ich enttäuscht worden? Bin ich verletzt worden? Wie groß ist mein (Ur-) Vertrauen?
Und letztlich auf der spirituellen Ebene und der Frage nach dem Sinn – hier geht es um die Verbindung zum großen Ganzen. Wie erschließt sich für mich der Sinn des Lebens und welcher Glaube spielt dabei eine Rolle? Glaube ich überhaupt und woran glaube ich? Gibt mir das Vertrauen und Hoffnung und fühle ich mich verbunden mit der Welt und dem Universum?
Hoffnung – eine Annäherung
Was sind wir ohne Hoffnung? Wofür leben, wenn sie fehlt? Brauchen wir nicht alle den Glauben an »irgendetwas« – um zu sagen: Ich gebe nicht auf, auch wenn es sich gerade furchtbar anfühlt.
Wer Hoffnung hat, verzweifelt nicht.
Es geht bei meiner Definition von Hoffnung im Kontext der Depression überhaupt erstmal darum, Ja zum Leben sagen zu können. Dieses Ja ist mit einem Gefühl verknüpft, dass Leben sinnvoll ist und zu Gutem führen kann. Die Betonung liegt auf »kann«. Ein Ziel ist, die Hoffnung auch bei widrigen Umständen nicht zu verlieren. Es geht um ein positives Grundgefühl, die Einstellung, dass Positives, auch für mich, möglich ist. Ich meine die Hoffnung, die an das Leben glaubt und ihm Sinn und Wert zumisst.
Und diese Hoffnung definiert sich noch weiter durch das, was sie nicht ist: Es geht nicht um eine Hoffnung, die aus Angst entsteht oder dem Wunsch, der Realität zu entfliehen. »Falsche« Hoffnung kann fatal sein. Vor allem dann, wenn die Realität so weit von dem abweicht, was wir uns erträumen. Aber ich meine nicht den Traum, den Wunschgedanken, dass das Leben rosarot ist. Es geht nicht darum, unrealistisch optimistisch von einer rosigen Zukunft zu träumen.
Hoffnung ist nicht Wunschdenken, Optimismus oder Erwartung! Es geht nicht um illusionäre Hoffnung. Der »Alles wird gut«-Satz ist für Betroffene sowieso schwer zu ertragen.
Es geht also darum, trotz potentiell schwieriger Lage noch die Möglichkeit eines positiveren Weges zu sehen. Wenn dieser auch noch so unwahrscheinlich erscheint.
Hoffnung ist das Gegenteil von Hoffnungslosigkeit. Und Depressive sind meist hoffnungslos. Mit diesem Gefühl gehen Gefühle von Mutlosigkeit, Hilflosigkeit und Verzweiflung einher. Und es entsteht ein Desinteresse in Bezug auf Aktivitäten und soziale Kontakte – hier schließt sich wieder der Kreis zu den so wichtigen Verbindungen aller Art.
Hoffnung bringt uns der Zuversicht näher. Ist Zuversicht sogar der »bessere« Begriff?
Ulrich Schnabel schrieb ein Buch mit ebendiesem Titel: Zuversicht. »Es braucht die Lebensenergie der Zuversicht, die der noch unfertigen Zukunft ein gewisses Vertrauen entgegenbringt.« Er zitiert den Psychoanalytiker Sudhir Kakar: »Die Realität ist kein Anlass zur Heiterkeit. Auch Sigmund Freud war depressiv. Aber um zu handeln darf man nicht allzu realistisch sein. Ohne Hoffnung kann man nicht handeln.« (Schnabel 2018)
Der Begriff »Zuversicht« reicht mir nicht ganz im Kontext Depression – es braucht die etwas stärkere Energie der Hoffnung.
Fragen sind essentiell
Wenn wir uns die Depressions-Pyramide ansehen, sehen wir auf der rechten Seite des Modells Fragen, welche sich auf den verschiedenen Ebenen hauptsächlich zeigen. Diese gewinnen von unten nach oben an »Tiefe«. Während es auf den unteren Ebenen um das Was geht: »Was brauche ich?«, »Was fehlt mir?«, geht es im sozialen Bereich eher um das Wie: »Wie hat sich meine Erfahrung gestaltet?«, »Wie wäre es optimaler?« Auf der spirituellen und der Sinn-Ebene geht es schließlich zumeist um das Warum: Warum tue ich, was ich tue? Warum lebe ich diese Art Leben? Warum sehe/erlebe ich die Welt in dieser Weise?
In den folgenden Kapiteln gehe ich einzeln durch alle Ebenen: physisch, psychisch, sozial, spirituell, Sinn, und beschreibe ausführlicher die relevanten Punkte des jeweiligen Themas.
Auf jeder dieser Ebenen der Pyramide können wir uns mit folgenden Fragen auf die Suche machen:
-
Sind meine Bedürfnisse erfüllt?
-
Habe ich, was ich brauche?
-
Gibt es auf einer Ebene Defizite?
Und insgesamt:
-
Auf welcher Ebene kann ich die (Haupt-) Ursache meines Unwohlseins, meiner Depression finden?
Am effizientesten kann ich für Besserung sorgen, wenn ich die Hauptursache beziehungsweise den Hauptauslöser kenne und beitragende Komponenten im Blick habe. So werde ich mir meiner Verletzbarkeit bewusst und verstehe, wie ich mich aufstellen muss, damit es mir besser oder sogar gut geht.
Einige bekannte Modelle zu Depressionen gehen auf diese Verletzbarkeit, auch Vulnerabilität oder Anfälligkeit genannt, ein.
So das Vulnerabilitäts-Stress-Modell, welches besagt, dass eine potentielle Vulnerabilität in der Gesamtkonstitution liegt. Also in Faktoren, die wir mitbringen, wie: biologische, psychologische oder psychosoziale (z. B. kritische Lebensereignisse). Stressoren können verschiedene akute oder chronische Belastungen sein. Treffen aktuelle Stressoren auf die Vorbedingungen in der Konstitution, kann es zu Symptomen kommen, wenn die persönliche Belastungsgrenze überschritten wird. Diese Grenze ist ein individueller Schwellenwert. Treffen kann es jedoch jeden – das vertiefe ich noch an anderer Stelle – es ist (nur) ...
Erscheint lt. Verlag | 19.3.2022 |
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Verlagsort | Stuttgart |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Psychologie ► Allgemeine Psychologie |
Geisteswissenschaften ► Psychologie ► Angst / Depression / Zwang | |
Medizin / Pharmazie ► Medizinische Fachgebiete ► Psychiatrie / Psychotherapie | |
Schlagworte | Krisenbewältigung • Mentale Erschöpfung • Mentale Stärke • Psychische Belastung • Psychische Gesundheit • Psychische Krise • Psychische Störung • Psychologie • Psychotherapie • Ratgeber • Selbsthilfe • Trauer • Traurigkeit |
ISBN-10 | 3-608-11893-4 / 3608118934 |
ISBN-13 | 978-3-608-11893-3 / 9783608118933 |
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Größe: 3,6 MB
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