Warum die falschen Geschichten? (eBook)

Ein Ratgeber in Anekdoten
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
252 Seiten
tredition (Verlag)
978-3-347-50064-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Warum die falschen Geschichten? -  Detlef Mahling
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Vor Jahren hätte ich mich nicht getraut, der Patientin zu sagen »Sie erzählen sich die falschen Geschichten!« Ich hätte den aggressiven Blick nicht ertragen, wenn ich ihr bisheriges Leben in Frage stellen würde. Ich wäre vor Angst gestorben, dass die Patientin den Kontakt zu einem solchen Psychiater abbrechen könnte. Jetzt rutschte es heraus, und sie schaute mich erstaunt an. Damit hatte sie nicht gerechnet. Seitdem war es anders. Die Patienten waren verblüfft über die Geschichten von Hoffnung und Stärke; so hatten sie sich ihr Leben noch nie erzählt. Diese Geschichten, obwohl genauso wahr wie die tragischen und grausamen, klangen in ihren Ohren zwar fremd und mystisch, aber auch unglaublich attraktiv und unwiderstehlich. Warum die falschen Geschichten über das eigene Leben? Wie erzählt man sich die richtigen Geschichten? Was macht die konstruktiven Schilderungen über die eigene Biografie aus? Diesen Fragen geht der Arzt und Psychotherapeut Dr. Detlef Mahling nach. Anhand spannender Kurzgeschichten veranschaulicht er, wie man sich Erinnerungen seines Lebens in belastender Weise berichten und dadurch unglücklich und unzufrieden werden kann. Sich die eigenen Erlebnisse neu erhebend und aufbauend vor Augen zu führen, macht den Alltag bunt und facettenreich. Der Autor greift in dem unterhaltsamen Buch häufige Themen aus seiner Praxis auf. Neugierig wirft er einen Blick auf die Psychodynamik der Seelenlandschaft und geht klar und anschaulich unter anderem auf Abgrenzung, Schuldgefühle sowie eigene Wünsche und Bedürfnisse ein. Er zaubert die vergessene Leichtigkeit der Kinder und deren Optimismus vor Augen und motiviert dazu, diesen wieder lebendig werden zu lassen. In kurzweiligen Anekdoten bietet er Anregungen, wie Menschen zu sich selber finden können. Durch den Wechsel zwischen autobiografischen Beispielen und Eindrücken aus der psychiatrischen Praxis tritt er in gekonnter Weise in den Dialog mit den Lesern. Die wertvolle Verknüpfung zwischen den Automatismen im menschlichen Verhalten und den zugrunde liegenden persönlichen Motiven ist faszinierend und aufschlussreich.

Dr. med. Detlef Mahling ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Nach seinem Studium in Ulm arbeitete er in der inneren Medizin, der Neurologie und der Psychiatrie. Er betreute psychotherapeutische Abteilungen in Akut- sowie im Rehabilitationsbereich. Seine therapeutische Ausbildung absolvierte er am C. G. Jung-Institut in Küssnacht (ZH). Er schloss eine Weiterbildung zum interaktionellen Gruppentherapeuten in Göttingen ab. Darüber hinaus machte er diverse Weiterbildungen in systemischer Therapie, v.a. im Bereich Paar- und Familientherapie. In seiner Praxis in Beringen begleitet er Einzelpersonen, Paare und Familien dabei, ihr Leben glücklicher und erfüllender zu gestalten. Er hält Vorträge und Seminare über konstruktive Partnerschaftsgestaltung, Selbstsicherheit und richtig erzählte Geschichten.

Dr. med. Detlef Mahling ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Nach seinem Studium in Ulm arbeitete er in der inneren Medizin, der Neurologie und der Psychiatrie. Er betreute psychotherapeutische Abteilungen in Akut- sowie im Rehabilitationsbereich. Seine therapeutische Ausbildung absolvierte er am C. G. Jung-Institut in Küssnacht (ZH). Er schloss eine Weiterbildung zum interaktionellen Gruppentherapeuten in Göttingen ab. Darüber hinaus machte er diverse Weiterbildungen in systemischer Therapie, v.a. im Bereich Paar- und Familientherapie. In seiner Praxis in Beringen begleitet er Einzelpersonen, Paare und Familien dabei, ihr Leben glücklicher und erfüllender zu gestalten. Er hält Vorträge und Seminare über konstruktive Partnerschaftsgestaltung, Selbstsicherheit und richtig erzählte Geschichten.

Falsche Geschichten

Das Erstgespräch

Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen, und ich war fassungslos, dass die Lösung eine ganz andere war, als das, was ich immer gedacht hatte. Der Geistesblitz durchschoss mich, als ich einer Patientin im Erstgespräch gegenübersaß.

Die Frau erzählte mir schreckliche Dinge. Sie berichtete von gewaltsamen und sexuellen Übergriffen in ihrer Kindheit. Sie fluchte unter Tränen über den alkoholkranken Vater, der sie schlug, wenn er wieder getrunken hatte. Sie klagte über die Mutter, die sich zwar redlich bemühte, die materiellen Bedürfnisse wie Nahrung und Dach über dem Kopf sicherzustellen, die aber emotional die Kinder weder aufzufangen noch zu schützen vermochte.

Die Patientin schilderte mir ihre Schulzeit, in der sie gemobbt wurde. Alle hätten sich gegen sie verschworen. Ich hörte von den drei Scheidungen. Die Männer waren nicht gut zu ihr. Der erste verprügelte sie, der zweite Mann war annähernd genauso egoistisch, eine Entwertung jagte die nächste. Endlich, der dritte Mann schien anfangs so viel besser, verließ er doch seine zweite Ehefrau für sie. Allerdings bemerkte sie erst nach der Hochzeit, dass andere Frauen aus seinem Leben nicht wegzudenken waren, er ging ständig fremd. Er verlangte von ihr, dass sie das halt aushalten müsse, weil er einfach so sei und sich nicht ändern könne.

Ich konnte gut verstehen, dass es den Patienten wichtig war, mir über ihre Probleme zu berichten, schliesslich drückte da ja auch der Schuh. Deswegen kamen sie zu mir. Damals hatte ich ja genauso gedacht: Ich müsste das Problem verstehen, um eine Lösung zu finden. Darum hörte ich immer geduldig zu.

Mittlerweile war das nicht mehr das, was ich im Aufnahmegespräch beachten wollte. Ich fragte nicht mehr nach den Schwierigkeiten. Ich hörte nicht mehr zu, um eine allfällige Antwort für eine Intervention zu finden. Ich hielt nicht mehr Ausschau nach dem, was im Leben verkehrt lief.

Die Symptome und Befunde musste ich nur noch kurz streifen, damit ich die Grundlage für die Diagnose hatte. Mit der Diagnose behandelte ich eine Krankheit und so fiel dies in die Leistungspflicht der obligatorischen Grundversicherung.

Mir war wichtig, die Patienten zu verstehen. Ich wollte begreifen, was sie ausmacht. Für mich war bedeutsam, den Menschen in seiner Einzigartigkeit zu erfassen. Und ohne es am Anfang zu wissen, war ich auf der Suche. Ich begann, nach dem heilen Leben der Patienten zu forschen. Ich recherchierte nach dem, was ihnen gelungen war. Mich fesselte, was meine Patienten für Hobbys haben, ich wollte wissen, ob sie in einer Partnerschaft leben. Mich interessierte, wie ihr beruflicher Alltag aussieht. Denn dadurch erfuhr ich, was wirklich bedeutsam war: Die Selbstheilungskräfte im Menschen.

Ich hielt mittlerweile ganz bewusst Ausschau nach dem, was der Mensch für Fähigkeiten besitzt. Die Karriereschritte zeigten mir, was in dem Menschen für Stärken verborgen sind. Die Frage nach Familie und Partnerschaft eröffnete mir den Blick, wie mein Gegenüber sich zu schützen und zu behaupten vermag. Und die Hobbys gaben mir Aufschluss, welche Ressourcen vorhanden sind.

Vor Jahren hätte ich mich nicht getraut, der Patientin zu sagen: »Sie erzählen sich die falschen Geschichten!« Ich hätte den vielleicht aggressiven Blick nicht ertragen, wenn ich ihr bisheriges Leben in Frage stellen würde. Ich wäre vor Angst gestorben, dass die Patientin den Kontakt zu einem solchen Psychiater abbrechen könnte. Jetzt rutschte es heraus, und sie schaute mich erstaunt an. Damit hatte sie nicht gerechnet.

»Sie erzählen mir die Geschichten über ihre Gewalterfahrungen; dass das schlimm für sie ist, steht für mich völlig außer Frage. Sie berichten mir von den drei Scheidungen, und wie Sie es als persönliches Versagen betrachten, die zu den hässlichen Selbstentwertungen geführt haben. Sie schildern mir all die misslungenen und gescheiterten Versuche, sich aus ihrem Leben zu befreien. Und ich glaube Ihnen sofort, dass sie darunter leiden und dass sie das quält.« Sie rutschte unruhig auf dem Stuhl hin und her.

Ich fuhr fort und sagte: »Wovon Sie mir überhaupt nicht berichtet haben, ist, wie sie es unter den Bedingungen, in denen Sie aufgewachsen sind, geschafft haben, zu überleben.«

Sie war wie vom Blitz getroffen, denn sie hatte den Horror tatsächlich überlebt. Irgendwie hatte sie es geschafft, mit dem Alptraum fertig zu werden.

»Ich glaube nicht, dass es nur damit zusammenhängt, dass Zeit vergangen ist und Sie älter geworden sind! − Was Sie mir nicht erzählt haben, ist Ihre Reaktion auf das Mobbing in der Schule. Sie haben sich gewehrt und entschieden, sich nicht mehr so von anderen beeinflussen zu lassen. Sie sind unabhängiger geworden. Das ist eine große Leistung.«

Sie blickte mich noch nachdenklicher an. Sie hatte gelernt, mehr auf sich zu schauen.

»Worüber Sie auch kein Wort verloren haben«, setzte ich meine Gedanken fort, »ist, wie Sie es hinbekommen haben, sich von Ihren drei Ehemännern zu trennen. Wie haben Sie das gemacht? Wie haben Sie den Mut gefunden?«

Ich konnte der Patientin förmlich ansehen, wie aus heiterem Himmel eine lang verschüttete Kraft in ihr hochstieg. Sie fühlte sich nicht mehr wie die Verliererin, die ständig unterliegt und ihr Leben nicht auf die Reihe bringt. Ihr wurde deutlich, dass sie eine Kämpferin war, die Schwierigkeiten überwinden konnte. Und auch wenn die Patientin mit ihren Gedanken schnell zurück in dem war, was sie kannte: Quälereien, Leid und Elend, so hatte sie doch kurz die Hoffnung und Zuversicht gespürt, die sie suchte. Sie hatte sich jahrelang die falschen Geschichten über sich erzählt.

»Ja«, dachte ich, immer noch erfüllt von diesem kurzen Moment der Freude in ihren Augen. »Ja, genau deswegen liebst Du Deinen Beruf!«

***

Geschichten und ihre Bedeutung

Was macht das für einen Unterschied, welche Geschichte man sich über sich und sein Leben erzählt, überlegte ich bei mir. Schließlich habe ich im Alltag so viel zu tun, da haben Geschichten überhaupt keinen Platz; sie sind allenfalls gut, um beim Feierabendbier eine Anekdote zum Besten zu geben oder einen Lacherfolg einzuheimsen. Sonst bin ich den ganzen Tag damit beschäftigt, Geld zu verdienen, um die Miete bezahlen zu können. Der Alltag hat uns fest im Griff. Für Geschichten haben wir keine Zeit.

Ich hatte den Eindruck, dass ich nicht wirklich gut über dieses Thema nachgedacht hatte, dieses Bild war zu einseitig. Denn als ich der Patientin unverblümt ins Gesicht gesagt hatte, dass sie sich die falschen Geschichten erzählte, blieb das nicht ohne Folgen. Sie war in ihren Grundfesten erschüttert. Und auch bei mir klang tagelang danach eine andere Saite an. So einfach konnte es also nicht sein.

Welche Geschichten wir uns erzählen, musste größere Auswirkungen auf unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit haben, als ich mir am Anfang eingestehen wollte.

Wie ich auf mein Leben blickte, machte also den Unterschied. Wenn ich mir von meinen Fähigkeiten und Ressourcen berichtete, war das etwas anderes, als wenn ich meine Schwächen im Visier hatte. Mit meinen Fertigkeiten konnte ich besser, zielstrebiger und konstruktiver handeln als mit meinem Unvermögen.

Meine Geschicke konnten mich fliegen lassen, meine Fehler nicht!

Was ich sah, war worauf ich schaute! Blickte ich auf den ganzen Mief, auf den ich in meinem Leben hätte verzichten können, bemerkte ich nur Gestank in meiner Nase. Schaute ich mir das Elend in der Welt an, die Ungerechtigkeit und die vielen Grausamkeiten, die wir uns gegenseitig antaten, trieb es mir die Galle hoch und ich fühlte mich wie Abschaum. Diese dunklen Gedanken nahmen mir alle Hoffnung, dass die Menschen zu Liebe fähig sein könnten.

Wenn ich die Welt auf diese Weise betrachtete, dann konnte ich mit Goethe und »Edel sei der Mensch, hilfreich und gut« nicht viel anfangen. Dann kam mir diese Perspektive verlogen und wie ein großer Verrat vor.

Ganz anders aber, wenn ich mich auf meine Fähigkeiten und Begabungen konzentrierte. Dann hatte ich den Eindruck, dass mir die Welt zu Füßen lag. Ich konnte mein Leben selber gestalten, kein Wunsch war zu abgehoben und unrealistisch, alles wurde möglich. Und vor allem fühlte es sich um Welten besser an. Wenn ich begann, Vertrauen in mich zu haben, dann würden mir die Stürme des Lebens nicht so zu schaffen machen. Ich könnte glücklich und zufrieden sein.

Plötzlich wurde mir noch klarer: Egal, was passierte, ich war derjenige, der den Ereignissen eine bestimmte Bedeutung gab. Wenn ich die Erlebnisse, die mir begegneten, in einem anderen Licht sah, änderte sich automatisch meine Bewertung. Stellte ich den Scheinwerfer anders auf, änderte sich sofort...

Erscheint lt. Verlag 11.1.2022
Verlagsort Ahrensburg
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie Allgemeines / Lexika
Schlagworte Abgrenzung • Bedürfnisse • Familie • Glück • Individualität • Lösungen finden • Nein sagen • Positives Denken • Selbstfürsorge • Selbstvertrauen • Veränderungen • Wertschätzung • Wünsche • Ziele
ISBN-10 3-347-50064-4 / 3347500644
ISBN-13 978-3-347-50064-8 / 9783347500648
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