Humorfähigkeiten trainieren (eBook)

Manual für die psychiatrisch-psychotherapeutische Praxis
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
120 Seiten
Schattauer (Verlag)
978-3-608-12134-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Humorfähigkeiten trainieren -  Irina Falkenberg,  Paul McGhee,  Barbara Wild
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Humor in der Therapie wirksam einsetzen - Universell: Humor als Zugang zu verschiedensten zwischenmenschlichen Interaktionen - Ganz einfach: Jede/r kann Humor erlernen und anwenden - Neu: Schizophrenie, Neurobiologie und konkrete Humortrainings Humor spielt in nahezu jeder Form von zwischenmenschlicher Interaktion eine Rolle. Er hilft, den Umgang mit schwierigen Situationen zu erleichtern, negative Emotionen zu regulieren und neue Wege für bislang ungelöste Probleme zu finden. TherapeutInnen und PatientInnen nutzen Humor oftmals intuitiv. Umso naheliegender ist es, die positiven Effekte von Humor in die psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung zu integrieren. Das auf fundierten psychologischen wie neurobiologischen Erkenntnissen basierende Manual verdeutlicht TherapeutInnen, dass Humor nicht nur erlernbar ist, sondern zeigt auch auf, wie es gelingen kann, Humor in seinen unterschiedlichen Facetten in das eigene Repertoire von Bewältigungsstrategien zu integrieren. LeserInnen können die vorgestellten Techniken rasch, unkompliziert und mit Vergnügen anwenden. Die 2. Neuauflage wurde komplett überarbeitet und durch Aspekte zu Schizophrenie und Neurobiologie sowie durch Kapitel zu Humortraining im stationären Bereich mit fortlaufenden Gruppen und Humortraining für TherapeutInnen ergänzt. Dieses Buch richtet sich an: PsychotherapeutInnen aller Schulen; PsychologInnen; PsychiaterInnen; weitere medizinische Fachberufe

Irina Falkenberg, Privatdozentin Dr. med., Oberärztin der Klinik für Psychiatrie der Philipps-Universität Marburg.

Irina Falkenberg, Privatdozentin Dr. med., Oberärztin der Klinik für Psychiatrie der Philipps-Universität Marburg. Paul McGhee, PhD, Psychologe, Präsident von »The Laughter-Remedy«, Wilmington (USA), zahlreiche Workshops und Veröffentlichungen zum Thema Humor. Prof. Dr. med. Barbara Wild ist Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie. Seit 2020 ist sie Professorin für Psychotherapeutische und Psychologische Grundlagen der künstlerischen Therapien an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU). Zudem hat sie eine Privatpraxis für Psychiatrie, Psychotherapie, Neurologie, Supervision und Coaching in Herrenberg.

1 Theoretischer Hintergrund


1.1 Humor


Definitionen


Der Begriff Humor wird hauptsächlich als Oberbegriff für eine Reihe miteinander verwandter, aber dennoch sehr verschiedener Phänomene verwendet. Wenn von Humor die Rede ist, können sowohl witzige Stimuli, also z. B. Witze, Cartoons, Filme, Komik etc. gemeint sein, wie auch das Erleben von etwas Witzigem, d. h. das damit verbundene Gefühl der Erheiterung (vgl. Ruch 1993). Auch das Lachen wird, obwohl sein Charakter sehr vielfältig ist und vom verächtlichen bis zum heiteren Lachen reichen kann, zumeist mit Humor in engen Zusammenhang gebracht und teilweise sogar als Synonym für Humor oder Heiterkeit verwendet. Der Begriff Humor wird also im allgemeinen Sprachgebrauch sehr weit gefasst, wodurch die Gefahr einer mangelnden Begriffsklarheit und der Verwechslung verschiedener humorassoziierter Phänomene gegeben ist. Diese wird besonders dann relevant, wenn einzelne Aspekte von Humor einerseits wissenschaftlich untersucht und andererseits auch gezielt praktisch genutzt werden sollen. Es ist daher wichtig, eine genaue Begriffsdefinition und Abgrenzung der einzelnen Elemente vorzunehmen.

Die Definition von Humor, die wir diesem Manual zugrunde legen und auf die wir uns im Folgenden beziehen, geht zurück auf die Arbeiten von Ruch (1998) und McGhee (2010a) und beschreibt ein Bündel von komplexen Verhaltensweisen, die sich einerseits aus bestimmten überdauernden Charaktereigenschaften und andererseits aus der aktuellen Stimmung und Situation ergeben. Hierzu zählen beispielsweise die Fähigkeit, eine heitere Gelassenheit auch im Angesicht von Belastungen aufrechterhalten zu können, sowie die Fähigkeit, sich selbst nicht zu ernst zu nehmen und Freude am Spiel, an Blödsinn und Komik zu haben. Die Übersetzung dieser Charaktereigenschaften in konkretes Verhalten wird dabei moduliert durch soziale Aspekte, wie z. B. das Bestreben, sich von anderen erheitern zu lassen bzw. selbst andere zu erheitern, oder das Gespür für den passenden Witz in der passenden Situation, aber auch durch den eigenen affektiven Zustand (Stimmung und Situation). Durch dieses Zusammenspiel verschiedener Faktoren kann eine wirksame Regulierung sozialer Beziehungen erreicht werden.

Wenn Humor in diesem Sinne verstanden wird, ergibt sich auch eine klarere Abgrenzung gegenüber den Phänomenen des Lachens oder Lächelns. Hierbei handelt es sich um in erster Linie relativ stereotyp ablaufende motorische Reaktionen, die in der Folge von Witzen, Komik oder Humor auftreten können, jedoch nicht müssen. In den meisten Fällen treten Lachen und Lächeln als reine Kommunikationselemente auf, die es z. B. erlauben, eine positive Gesprächsatmosphäre zu etablieren, etwas Gesagtes zu verdeutlichen oder es als ironisch oder unernst zu kennzeichnen. Insofern können Lachen und Lächeln zwar die sozialen Funktionen von Humor unterstützen (z. B. kann, wenn eine Äußerung mit einem Lachen verbunden wird, ihre Wirkung auf den Gesprächspartner zunächst im unernsten Kontext überprüft werden. Gegebenenfalls lässt sie sich dann noch als »nur Spaß« zurücknehmen), sie sind jedoch deswegen nicht als ausschließlich humorassoziiert anzusehen.

Begriffsgeschichte


Ebenso komplex und vielschichtig wie die Erscheinungsformen und Funktionen von Humor ist auch seine Begriffsgeschichte. Ursprünglich stammt der Begriff aus dem Lateinischen (Umor) und bedeutet übersetzt »Feuchtigkeit« oder »Saft«. In der Antike dominierte die Humoralpathologie, d. h. die Säftelehre das medizinisch-naturwissenschaftliche Verständnis vom Menschen. Die Ausgewogenheit der vier »Humores« (d. h. Körpersäfte) Blut (Sanguis), Schleim (Phlegma), gelbe Galle (Chole) und schwarze Galle (Melas Chole) wurde als gleichbedeutend mit Gesundheit angesehen, während Krankheiten sich durch eine Unausgewogenheit der Säfte erklären ließen. Galenus von Pergamon (ca. 129–199) verband später die Viersäftelehre mit der Lehre von vier Temperamenten, deren Dominanz auf das Überwiegen eines bestimmten Körpersaftes zurückzuführen sei. Demnach führte ein Überschuss an schwarzer Galle zu einem melancholischen, an gelber Galle zu einem cholerischen und an Schleim zu einem phlegmatischen Temperament. Das Vorherrschen von Blut sollte ein sanguinisches, also heiteres Temperament begründen. Neben der Bedeutung, die den Körpersäften für die Entstehung von überdauernden Charaktereigenschaften zugeschrieben wurde, wurden später dann auch Schwankungen innerhalb der Säfteverteilung für die eher kurzfristigen Stimmungsschwankungen verantwortlich gemacht.

Der Zusammenhang mit dem Heiteren und Witzigen sowie mit dem Lachen entwickelte sich jedoch erst viel später, im 16. Jahrhundert in England. Die Vorstellung von Humor als Zeichen für einen unausgewogenen Charakter führte zur Entstehung des Begriffes »Humorist«, welcher eine Person kennzeichnete, die sich merkwürdig, exzentrisch oder normabweichend verhielt, und die daher zum Ziel von Spott und Gelächter wurde (Ben Johnson, Every Man out of His Humour, 1598, zit. n. Wickberg 1998). Ebenfalls in England traten dann in der Folge »men of humor« in Erscheinung, die besonders talentiert darin waren, »Humoristen« zu imitieren und dadurch andere zum Lachen zu bringen (Wickberg 1998).

Im Zeitalter des Humanismus bildete sich wiederum in England und auch im deutschsprachigen Raum das Begriffsverständnis von »Sinn für Humor« (  in diesem Kapitel) als einer Charaktereigenschaft heraus. In diesem Sinne bedeutete Sinn für Humor zu haben, der Welt mit einer heiteren und gelassenen Haltung zu begegnen und dadurch Widrigkeiten leichter zu bewältigen. Aus dieser Zeit stammt also unser bis heute gültiges Konzept von Sinn für Humor, welches durch Einflüsse aus der psychologischen Forschung noch um weitere Komponenten erweitert wurde, vor allem auch um (sozial-)kognitive und Verhaltensaspekte. Sinn für Humor beinhaltet also einerseits das Vorhandensein einer bestimmten inneren Haltung, andererseits aber auch bestimmte damit verbundene Verhaltensweisen, wie Lachen, Witze machen, andere zum Lachen bringen etc. All diese Komponenten stehen in Wechselwirkung zueinander. Entsprechend ist es also auch vorstellbar, einzelne Komponenten gezielt zu beeinflussen (z. B. humorvolles Verhalten durch gezieltes Training zu fördern) und dadurch auch Veränderungen in anderen Komponenten (z. B. der heiter-gelassenen inneren Haltung) herbeizuführen.

Facetten und Funktionen von Humor


Humor ist ein allgegenwärtiges Phänomen, das aus unserem Alltag nicht wegzudenken ist, sei es in unserer täglichen Kommunikation, in der Unterhaltungsindustrie oder in den Medien. Vor allem in seiner Rolle als wesentliches Kommunikationselement kann Humor, wenn er positiv und wohlwollend eingesetzt wird, dazu beitragen, die soziale Interaktion zielführend, bedürfnisgerecht und dadurch erfolgreich zu gestalten. So ist z. B. in Konfliktsituationen immer wieder zu beobachten, wie eine scherzhafte Bemerkung an der richtigen Stelle selbst eingefahrenen Konflikten die Schärfe nehmen kann. Die Konfliktpartner können einander durch einen Scherz signalisieren, dass trotz der Meinungsverschiedenheiten die Beziehung zwischen ihnen und ihre gegenseitige Wertschätzung nicht gefährdet sind. Auf diese Weise wirken humorvolle Bemerkungen deeskalierend und ermöglichen es den Beteiligten, ihr Gesicht zu wahren.

Humor ist auch ein in höchstem Maße soziales Phänomen. Lachen und Scherze treten vor allem dann auf, wenn wir mit anderen Menschen zusammen sind (Martin u. Kuiper 1999; Provine u. Fischer 1989). Die in der humorvollen Interaktion ausgelösten positiven Emotionen erleichtern es darüber hinaus, tragfähige Beziehungen zu anderen zu etablieren und aufrechtzuerhalten (Shiota et al. 2004). So spielt beispielsweise bei der Partnerwahl ein gut ausgeprägter Sinn für Humor eine entscheidende Rolle (Regan u. Joshi 2003; Todosijević et al. 2003; Toro-Morn u. Sprecher 2003) und wird mitunter als wichtiger angesehen als äußerliche Attraktivität (Toro-Morn u. Sprecher 2003).

Neben seiner Funktion als wichtiges Kommunikationselement kommt dem Humor auch eine wesentliche Rolle als Bewältigungsfaktor zu. Für den effektiven Einsatz von Humor als Bewältigungsmechanismus ist aus klinisch-praktischer Sicht das Konzept von Martin (2003) hilfreich, welches zwischen adaptiven und maladaptiven Humorstilen unterscheidet. Adaptive und maladaptive Humorstile beeinflussen demnach in...

Erscheint lt. Verlag 22.12.2021
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie Allgemeine Psychologie
Medizin / Pharmazie Medizinische Fachgebiete Psychiatrie / Psychotherapie
Schlagworte Bewältigungsstrategie • Clown • Gruppentherapie • Hirschhausen • Humortraining • Klinik • Krisenbewältigung • Lachen • Medizin • Neurobiologie • Psychiatrie • Psychische Gesundheit • Psychische Störung • Psychologie • Psychotherapie • Schizophrenie • stationäre Therapie • Therapie • Witz
ISBN-10 3-608-12134-X / 360812134X
ISBN-13 978-3-608-12134-6 / 9783608121346
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