Die USA, Israel und der Nahe Osten

Von 1945 bis zur Gegenwart

(Autor)

Buch | Hardcover
448 Seiten
2022
Olzog ein Imprint der Lau Verlag & Handel KG
978-3-95768-234-5 (ISBN)
34,00 inkl. MwSt
Im globalen Spiel der Mächte seit 1945 war der Nahe Osten eines der Hauptfelder der amerikanischen Politik. Die USA waren von Anfang an die entscheidende Macht in dieser Region, die von strategischer Bedeutung war: Dort gab es Öl, das für den Westen gesichert werden musste. In den Jahren des Kalten Krieges bis 1990/91 hieß der Gegner Sowjetunion. Und es gab den neuen Staat Israel, den die arabischen Staaten vernichten wollten. Ein Krieg folgte dem anderen: Israels Unabhängigkeitskrieg 1948/49, Suezkrieg, Sechstagekrieg, Yom Kippur-Krieg, Libanonkrieg, zwei Golfkriege. Es gab Bürgerkriege im Libanon, im Jemen und in Syrien, Revolutionen im Irak und im Iran, die sowjetische Invasion Afghanistans und nach 9/11 den "Krieg gegen den Terror".In dem Spannungsfeld Öl, Israel, Palästinenser, panarabischer Nationalismus, Kalter Krieg, islamistischer Terror und Mullah-Regime im Iran bewegte sich die amerikanische Politik in einer Region, die von Extremismus und Instabilität geprägt war.Der renommierte Zeithistoriker Rolf Steininger legt hier auf der Basis umfangreicher Akten die erste deutschsprachige Gesamtdarstellung dieser unglaublich spannenden Geschichte vor. Dabei liefert er zahlreiche neue Erkenntnisse, u. a. zur US-Intervention im Libanon, zur israelischen Atombombe, zum Bürgerkrieg im Jemen, zum Frieden zwischen Israel und Ägypten, zur gescheiterten Geiselbefreiung im Iran und zum längsten Krieg in der Geschichte der USA - dem Krieg in Afghanistan. 43 Fotos und eine Karte ergänzen den Band.

Rolf Steininger, Dr. phil., o. Universitätsprofessor, geb. 1942 in Plettenberg/Westfalen; Studium Geschichte und Englisch in Marburg, Göttingen, München, Lancaster und Cardiff, 1971 Promotion und 1976 Habilitation an der Universität Hannover, dort bis 1983 Professor; von 1984 bis zur Emeritierung 2010 Leiter des von ihm gegründeten Instituts für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck, von 2008-2018 auch an der Freien Universität Bozen; seit 1989 Senior Fellow des Eisenhower Center for American Studies der University of New Orleans, seit 1995 Jean Monnet-Professor; Gastprofessor in Tel Aviv, Queensland (Australien) und New Orleans, Gastwissenschaftler in Ho Chi Minh-Stadt (Saigon), Hanoi, Kapstadt und Arcata (Humboldt State University); 1993 Ruf an die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, 2007 an die Freie Universität Bozen; 2011 Tiroler Landespreis für Wissenschaft; zahlreiche Veröffentlichungen und preisgekrönte Hörfunk-, Film- und Fernsehdokumentationen zur Zeitgeschichte. www.rolfsteininger.at

Einleitung

I. Kapitel: Franklin D. Roosevelt trifft König Ibn Saud
1. Erste Kontakte und Ibn Saud auf der USS Murphy
2. Zionisten im Biltmore-Hotel
3. Das Treffen auf der USS Quincy im Suezkanal
Fazit

II. Kapitel: Harry S. Truman: „I am Cyrus!“ Die Gründung Israels
1. 100.000 jüdische Displaced Persons nach Palästina
2. Das Anglo-American Committee of Inquiry
3. Das United Nations Special Committee on Palestine (UNSCOP)
4. Die Teilung Palästinas: Ein Staat für die Juden, ein Staat für die Araber
5. Terroranschläge
6. Truman unterschreibt
Fazit

III. Kapitel: Dwight D. Eisenhower: Der Iran, der Suezkrieg, eine neue Doktrin und die Operation Blue Bat
1. Der Iran und die Operation Ajax
2. Der Bagdad-Pakt
3. Der Suezkrieg
a) Die Rolle Israels
b) Der Angriff
c) Washington greift ein
4. Die Eisenhower-Doktrin
5. Der Libanon und die Operation Blue Bat
6. Israel und Ägypten
Fazit

IV. Kapitel: John F. Kennedy: Keine israelische Atombombe, Bürgerkrieg im Jemen und die Operation Hard Surface in Saudi-Arabien
1. Israels Atomreaktor in Dimona
2. Bürgerkrieg im Jemen und die Operation Hard Surface in Saudi-Arabien
Fazit

V. Kapitel: Lyndon B. Johnson: Der Sechstagekrieg und Israels Angriff auf die USS Liberty
1. Der Sechstagekrieg
a) Der Überraschungsangriff
b) Die Vorgeschichte
c) Moskaus Warnung
d) Lyndon B. Johnson: „Israel will not be alone unless ...“
e) Leonid Breschnew: „Der kritischste Augenblick für die VAR.“
f) Moskaus Drohung
g) Das Ergebnis
2. Israels Angriff auf die USS Liberty
Fazit

VI. Kapitel: Richard M. Nixon: Der Yom Kippur-Krieg und die Alarmstufe DEFCON 3
a) Der Angriff
b) Die Lage auf dem Golan
c) Die Lage am Suezkanal
d) US-Luftbrücke und Israels Vorstoß
e) DEFCON 3
Fazit

VII. Kapitel: Gerald Ford und Henry Kissingers Sinai II-Abkommen

VIII. Kapitel: Jimmy Carter: Camp David, Geiseldrama in Teheran und Sowjets in Afghanistan
1. Camp David und der Frieden zwischen Israel und Ägypten
a) Carters Initiative
b) Wahlsieg von Menachem Begin
c) Ägyptens Präsident Sadat in Jerusalem
d) Begin in Washington
e) 13 Tage in Camp David
f) Frieden zwischen Israel und Ägypten
g) Keine Autonomie für die Palästinenser
2. Geiseln in Teheran
3. Sowjets in Afghanistan
4. Desaster im Iran: Die gescheiterte Operation Eagle Claw
Fazit

IX. Kapitel: Ronald Reagan: AWACS-Flugzeuge für Saudi-Arabien, Desaster im Libanon und drei erfolgreiche Militäroperationen
1. AWACS für Saudi-Arabien
2. Desaster im Libanon (I)
3. Reagans Friedensplan für den Nahen Osten
4. Massaker in Sabra und Shatila
5. Desaster im Libanon (II)
6. Bomben auf Gaddafis Libyen und die Operation El Dorado Canyon
7. Militäroperationen im Persischen Golf
Fazit

X. Kapitel: George H. W. Bush: Von der Operation Desert Storm zur Nahost-Konferenz in Madrid
1. Die Operation Desert Storm
a) Die irakische Invasion
b) Die Operation Desert Shield
c) Geiseln als Schutzschild
d) Von Desert Shield zu Desert Storm
e) Die „Mutter aller Schlachten zwischen Recht und Unrecht.“
2. Die Nahost-Konferenz in Madrid
a) James Baker und AIPAC
b) Erste Intifada, PLO und Hamas
c) Yitzhak Shamir und Yitzhak Rabin
Fazit

Kapitel XI.: Bill Clinton: Von Oslo nach Camp David und Arafats „Nein“
1. Die Prinzipienerklärung und Oslo I und II
2. Die Ermordung von Yitzhak Rabin
3. Camp David II und PLO-Chef Yassir Arafats „Nein“
4. Islamistischer Terror
Fazit

XII. Kapitel: George W. Bush: Der „Krieg gegen den Terror“ und eine road map für den Nahen Osten
1. Der neue Präsident und 9/11
2. Afghanistan: Die Operation Enduring Freedom
3. Irak: Die Operation Iraqi Freedom
4. Die road map für den Nahen Osten
Fazit

XIII. Kapitel: Barack Obama: Ein Neuanfang für den Nahen Osten?
1. Der neue Präsident
2. Israel undPalästina
3. Der Krieg im Irak
4. Der Krieg in Afghanistan
5. Geronimo: Das Ende von Osama bin Laden
6. Der Drohnenkrieg
7. Der „Arabische Frühling“
a) Selbstverbrennung in Tunesien
b) Ägypten
c) Libyen
8. Die „rote Linie“ in Syrien
9. Das Atomabkommen mit dem Iran
10. Terror und Islamischer Staat (IS)
Fazit

XIV. Kapitel: Donald J. Trump: Bewegung im Nahen Osten?
1. Der neue Präsident
2. al-Assad und Syrien
3. Saudi-Arabien
4. Israel und Jerusalem
5. Das Atomabkommen mit dem Iran
6. Israel und Palästina
a) Der Golan
b) Der Friedensplan für den Nahen Osten
c) Die Abraham-Deklaration
Fazit

XV. Kapitel: Schlussbetrachtung
1. Grundsätzliches
2. Saudi-Arabien und das Öl
3. Israel
4. Sowjets in Afghanistan
5. Afghanistan, Irak und Syrien
6. Der Iran
7. Desaster in Afghanistan

Ausblick

Anhang
Anmerkungen
Abkürzungen
Zeittafel
Literaturverzeichnis
Personenverzeichnis
Bildnachweis

Einleitung Am 11. Februar 1945 konnten die Bewohner von Dschidda an der Westküste Saudi-Arabiens am Roten Meer ein außergewöhnliches Ereignis im Hafen ihrer Stadt beobachten. Zum ersten Mal in der Geschichte des Landes ging dort ein 106 Meter langes amerikanisches Kriegsschiff, der Zerstörer USS Murphy, vor Anker. Wenig später wurde König Abd al-Aziz, besser bekannt als Ibn Saud, in seinem Thron aufs Schiffsdeck gebracht. Begleitet wurde er von 48 Personen, die anschließend an Bord gingen. Dann wurden noch zehn ­Schafe verladen, die am hinteren Teil des Schiffes angebunden wurden. Der Herrscher des wichtigsten Landes im Nahen Osten, Saudi-Arabien, verließ erstmals sein Königreich, um drei Tage später Franklin D. Roosevelt, den Präsidenten der USA, auf einem anderen Kriegsschiff, dem Schweren Kreuzer USS Quincy, im Großen Bittersee im Suezkanal zu treffen. Es würde ein Treffen von historischer Bedeutung werden. Die USA waren damals die Weltmacht schlechthin und standen besser da als jedes andere Land. Während alle anderen am Krieg beteiligten Länder verwüstet und erschöpft waren, hatte Amerika nicht nur die geringsten Verluste an Menschen und Material erlitten, der Krieg hatte auch noch Wohlstand gebracht: 1945 befanden sich drei Viertel des auf der Welt investierten Kapitals und zwei Drittel ihrer Industriekapazität in den USA. Die USA waren die stärkste Militärmacht der Welt, sie verfügten über 12,5 Millionen Soldaten, von denen die Hälfte in Übersee stationiert war; ihre Flotte war größer als die Flotten aller anderen Länder, ihre Flugzeuge beherrschten den Himmel – und sie würden schon bald die einzige Atommacht sein. Washington übernahm Londons Rolle als Zentrum von Kapital und Diplomatie. Für viele war die amerikanische Hauptstadt bereits die »neu geschaffene Hauptstadt der Welt am Potomac«, mit der Aufgabe, die zerstörte Welt neu aufzubauen. Fast selbstverständlich wurde New York denn auch der Sitz der Vereinten Nationen. Für den britischen Premierminister Winston Churchill waren die USA die Nummer 1 in der Welt (»at the summit of the world«). Das amerikanische Jahrhundert hatte begonnen. Die USA wurden zum Hauptakteur im globalen Spiel der Mächte und übten von nun an in ihrem Sinne den entscheidenden Einfluss auf fast alle übrigen Länder dieser Welt aus – militärisch, wirtschaftlich, politisch und mit verdeckten Operationen. Bestimmt wurde diese Politik in den folgenden 45 Jahren vom Kalten Krieg, dem Kampf des Westens unter Führung der USA gegen den Osten unter Führung der Sowjetunion, dem »Kampf von Demokratie und individueller Freiheit gegen Diktatur und absoluter Konformität«, wie das der stellvertretende US-Außenminister Dean Acheson 1947 einmal ­formulierte. Im Namen der nationalen Sicherheit wurde diesem Krieg in den USA bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion 1990/91 nahezu alles untergeordnet. Dann kam der Terror. Seit 9/11, den Terror­angriffen in den USA am 11. September 2001, richtet(e) sich der Kampf gegen den islamistischen Terror. Der Nahe Osten war eines der Hauptfelder der amerikanischen Politik. Diese Region war von strategischer Bedeutung für die USA. Dort befanden sich zwei Drittel der Ölvorkommen der Welt, die für den Westen gesichert werden mussten. In den Jahren des Kalten Krieges war der Gegner auch dort die Sowjetunion. Die Konsequenz war klar: Man werde jedes Land in der Region gegen eine vom »internationalen Kommunismus« gesteuerte Aggression eines Nachbarlandes mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln – also auch Atomwaffen – verteidigen, so US-Präsident Dwight D. Eisenhower. Und es gab den neuen Staat Israel, dem die arabischen ­Staaten vom ersten Tag seiner Existenz im Mai 1948 mit Vernichtung drohten. Der Nahe Osten wurde so zur »gefährlichsten Gegend der Welt«, wie US-Außenminister Henry A. Kissinger die Region einmal charakterisierte. Ein Krieg folgte dem anderen: Israels Unabhängigkeitskrieg 1948/49, Suezkrieg, Sechstagekrieg, Yom Kippur-­Krieg, Libanonkrieg, zwei Golfkriege; nach 9/11 der Irakkrieg und der Krieg in Afghanistan. Im Yom Kippur-Krieg 1973 drohte sogar eine atomare Auseinandersetzung. Und es gab Bürgerkriege im ­Libanon, im Jemen und in Syrien, Revolutionen im Irak und im Iran und die sowjetische Invasion Afghanistans. Dabei hatten es die Amerikaner auf der einen Seite mit einem »korrupten, verkommenen autoritären System« zu tun, wie das Ben Rhodes, der stellvertretende Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Barack Obama gern nannte, und mit arabischen Staaten, die sich selbst als Freunde der USA deklarierten, wie etwa Saudi-Arabien, und auf der anderen Seite mit einem immer selbstbewusster werdenden Israel, das seit dem Sechstagekrieg 1967 auch Besatzungsmacht war, sich gleichzeitig als »Verteidiger der freien Welt« sah, zum engsten Verbündeten der USA im Nahen Osten wurde und das dessen Regierungschef Menachem Begin 1978 so charakterisierte: »Wir in Israel reden nicht über Demokratie, wir leben sie.« In diesem Spannungsfeld Öl, Israel, Palästinenser, panarabischer Nationalismus, Kalter Krieg, islamistischer Terror – und den Ambitionen des Mullah-Regimes im Iran – bewegte sich die amerikanische Politik in einer Region, die von Extremismus und Instabilität geprägt war. 9/11 wurde dabei zu einem Wendepunkt, als US-Präsident George W. Bush den »Krieg gegen den Terror« zur neuen amerikanischen Doktrin erklärte und dies mit der Intention verband, Demokratie in der Region einzuführen. All diese Themen hängen zusammen und werden hier erstmals zusammenhängend dargestellt – durchgehend von 1945 bis zur Gegenwart, gegliedert jeweils nach den Regierungszeiten der jeweiligen US-Präsidenten. Das Ergebnis ist eine politische Geschichte, keine Kulturgeschichte. Im deutschsprachigen Raum gab es bislang keine ­entsprechende Gesamtdarstellung. Das wird hier nachgeholt. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der amerikanischen Politik, wobei bemerkenswert ist, dass in manchen deutschsprachigen Arbeiten zur Geschichte Israels die USA nicht immer entsprechend ihrer Bedeutung berücksichtigt worden sind. Das erstaunt angesichts der Tatsache, dass die USA »Israels Garantiemacht, Geldgeber und bester Freund auf der Welt«, waren, wie es Präsident Kennedys Nahostexperte im Nationalen Sicherheitsrat, Robert W. Komer, 1963 einmal völlig richtig formulierte. Von Präsident Truman und seiner Rolle bei der Gründung oder Präsident Nixons Rolle bei der Rettung Israels ganz zu schweigen. Die Liste könnte fortgesetzt werden. Ohne die USA lief jedenfalls in den Ländern des Nahen Ostens wenig bis gar nichts. Deren Geschichte ist daher ohne die USA kaum zu verstehen. Ich stütze mich bei meiner Arbeit in erster Linie auf Dokumente der Foreign Relations of the United States (FRUS) und die umfangreichen online-Sammlungen im National Security Archive (NSA), der Jewish Virtual Library (JVL) und den US-Präsidentenbibliotheken. Wichtig auch das Miller Center der University of Virginia mit den Presidential Speeches (mit O-Ton, Bild und Transkript der ­Reden). Auf amerikanischer Seite waren für mich am wichtigsten zum einen die vom State Department in Washington herausgegebenen Dokumente der Foreign Relations of the United States. Die zwei vorläufig letzten für diese Darstellung relevanten Bände sind 2018 bzw. 2020 erschienen, betreffen die Nahostpolitik der Carter-­Administration (Camp David, Frieden zwischen Israel und Ägypten, Geiseln in ­Teheran mit dem Scheitern der Rettungsoperation) und wurden bislang wissenschaftlich noch nicht ausgewertet. Zum anderen die vom National Security Archive in Washington herausgegebenen wertvollen Briefing Books mit aktuell deklassifizierten Dokumenten; das betraf im vorliegenden Fall insbesondere die israelische ­Atombombe (IV. Kap.), den Yom Kippur-Krieg mit ­DEFCON 3 (VI. Kap.), das Geiseldrama im Iran (VIII. Kap.), Israels Angriff auf die irakische Atomanlage Osirak (IX. Kap., 1) und – ganz aktuell mit erstaunlichen Einsichten in die Entscheidungsfindung in ­Washington – den Krieg in Afghanistan (XII. Kap., 1 und XIII. Kap., 3). Unverzichtbar waren auch die Erinnerungen der betroffenen Akteure, ­insbesondere für die Jahre, in denen noch keine Akten zur Verfügung stehen. Das betraf in erster Linie die ehemaligen Präsidenten Bill Clinton, George W. Bush und Barack Obama. Auf deutscher Seite waren die von mir seit 2004 herausgege­benen 14 Bände Berichte aus Israel der österreichischen Botschafter in ­Israel wichtig (mit Freigabe der Akten bis 1990; zuletzt Israel und der Nahostkonflikt 1981 – 1990, Berichte des österreichischen Botschafters Dr. Otto Pleinert, Innsbruck 2019 (dazu mehr auf www.rolfsteininger.at). Einige sehr nützliche Dokumente gab es auch in den Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland (AAPD), insbesondere für die Jahre 1979, 1982 und 1990. Danken möchte an dieser Stelle jenen Kolleginnen und Kollegen, deren Arbeiten ich nutzen konnte, und all jenen, die mich bei meinen Recherchen unterstützt haben. Mein Dank gilt ­insbesondere Dr. William Burr, Senior Analyst im National Security Archive in Washington, und Ilana Dayan, Office Director des Photography ­Department im Government Press Office in Jerusalem. Innsbruck, 1. November 2021 Rolf Steininger

I. Kapitel: US-Präsident Franklin D. Roosevelt trifft König Ibn Saud 1. Erste Kontakte und Ibn Saud auf der USS Murphy: Alles begann mit dem erwähnten Treffen zwischen US-Präsident Franklin D. Roosevelt und dem saudischen König Ibn Saud am 14. Februar 1945 auf dem Kriegsschiff USS Quincy im Suezkanal. Noch vor seiner Abreise aus Washington zum Treffen mit Churchill und Stalin in Jalta vom 4. bis 11. Februar hatte Roosevelt ein solches Treffen geplant. Bei einem kurzen Aufenthalt in Ägypten wollte er König Faruk von Ägypten, Kaiser Haile Selassie von Äthiopien und eben Ibn Saud treffen. Als er Churchill in Jalta darüber informierte, war der einigermaßen erstaunt, lag doch Saudi-Arabien im britischen Einflussbereich, genauso wie Transjordanien, der Irak, Bahrain, Oman, Ägypten und Palästina. Mit Blick auf Saudi-Arabien dachte Roosevelt strategisch und für die Zukunft. Das war neu. Noch Anfang 1941 hatte er den Vorschlag des State Department, die Lend-Lease-Lieferungen auch auf Saudi-Arabien auszudehnen, mit dem Satz abgelehnt: »Das ist doch etwas weit weg für uns!« Das offizielle Washington zeigte zu diesem Zeitpunkt wenig bis gar kein Interesse am Nahen Osten, obwohl es seit 1938 zumindest eine Verbindung mit Saudi-Arabien gab: Ibn Saud hatte der amerikanischen Ölgesellschaft Standard Oil Company of California (1944 wurde daraus die Aramco, die Arabian American Oil Co.) die alleinige Konzession für sein Land erteilt. Der König hatte nicht vergessen, dass die Briten sich nicht an ihre ­Zusage aus dem Ersten Weltkrieg gehalten hatten, sich für ein arabisches Großreich einzusetzen. Die Briten waren anschließend auch nicht am Öl Saudi-Arabiens interessiert, das dort nur in geringen Mengen gefördert wurde – was sich erst in späteren Jahren dramatisch ändern sollte. Sie bezogen ihr Öl primär aus dem Irak, dem Iran, Kuwait und Bahrain. Sie hatten auch dafür gesorgt, dass Amerikaner dort keine Konzessionen bekamen. Immerhin nahmen die USA aber 1939 diplomatische Beziehungen mit Saudi-Arabien auf, ohne allerdings einen Diplomaten in das Land zu entsenden. Wenn etwas zu tun war, erledigte das der amerikanische Vertreter in Kairo. Mit dem Eintritt der USA in den Weltkrieg Ende 1941 änderte sich dann alles: die USA würden in Zukunft mehr Öl brauchen, als sie selbst produzierten. Saudi-Arabien wurde interessant. Washington wurde sich der Bedeutung der arabischen Ölfelder mit ausschließlich amerikanischer Konzession mehr und mehr bewusst. Gleichzeitig wollte die Armee einen Luftwaffenstützpunkt in einem Gebiet im Nahen Osten, das nicht von Briten oder Franzosen kontrolliert wurde. Und das war Saudi-Arabien. Im April 1942 wurde der Berufsdiplomat James Moose in der damaligen Hauptstadt Dschidda stationiert. Auf Drängen von Innenminister Harold Ickes, der gleichzeitig die amerikanische Ölversorgung koordinierte, erklärte Roosevelt im Februar 1943 Saudi-Arabien für lebenswichtig für die Verteidigung der USA und von daher berechtigt, finanzielle Unterstützung zu erhalten. Ein britischer Journalist formulierte das so: »Der große Übernahmekampf der Amerikaner hat begonnen.« Damit lag er nicht ganz falsch. Von da an gab es nämlich auch immer mehr Kontakte zwischen Saudis und Amerikanern. Im September 1943 wurden zwei Söhne des Königs (von denen einer der spätere König Faht wurde) nach Washington eingeladen und freundlichst behandelt. Ihnen wurde sogar ein Sonderzug zur Verfügung gestellt, der sie auf eine Sightseeing Tour an die Westküste brachte. Als sie ihrem Vater später berichteten und ihm auch mitteilten, Roosevelts Hobby sei das Briefmarkensammeln, schickte der dem Präsidenten einen Satz seltener Marken aus Saudi-Arabien. Roosevelt bedankte sich am 10. Februar 1944 für dieses Geschenk und äußerte gleichzeitig die Hoffnung, den ­König demnächst treffen zu können, denn »es gibt viele Dinge, die ich mit Ihnen besprechen möchte«. Als erstes durften die Amerikaner am Ort ihrer Ölfirma in Dhahran ein Konsulat eröffnen. Etwa zur gleichen Zeit, Anfang 1944, wurde die diplomatische Mission in Dschidda in den Rang einer ­Gesandtschaft erhoben. Der neue Mann dort war der hoch ­dekorierte ehemalige Nachrichtenoffizier Oberst William A. »Bill« Eddy. Mit ihm begann eine neue Ära in den Beziehungen USA – Saudi-Arabien. Eddy war eine interessante Persönlichkeit. Er wurde 1885 in Sidon (damals Syrien, heute Libanon) geboren. Seine Eltern waren presbyterianische Missionare. Eddy wuchs zweisprachig auf, blieb bis zur High School im Nahen Osten und besuchte dann das College of Wooster in New York. Nach seinem Abschluss an der Princeton University 1917 trat er noch im selben Jahr in das Marine Corps ein, kämpfte als Nachrichtenoffizier im Juni 1918 bei Paris gegen die Deutschen, wurde schwer verwundet in die USA zurückgebracht und dort mit dem Navy Cross, dem Distinguished Service Cross, zwei Silver Stars und zwei Purple Hearts ausgezeichnet. Nach dem Ersten Weltkrieg unterrichtete Eddy zunächst an der Peekskill Military Academy in New York, dann als Professor für englische Literatur am Dartmouth College in Hanover, New Hampshire. Nach einer kurzen Tätigkeit an der Amerikanische Universität Kairo kehrte er 1928 in die USA zurück und übernahm erneut eine Lehrtätigkeit am Dartmouth College. Im Jahr 1936 wurde er zum Präsidenten des Hobart College im Bundesstaat New York ernannt. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs kehrte er als Nachrichten­offizier im Range eines Oberstleutnants in den Militärdienst zurück und wurde Marine-Attaché in Kairo. Dort arbeitete er für das Office of Naval Intelligence und das Office of Strategic Services (OSS). Im Dezember 1941 wurde Eddy nach Tanger in Marokko versetzt. Dort beteiligte er sich maßgeblich am Erfolg der alliierten Operation Torch, die 1942 zu der von General George S. Patton geführten ­Invasion der Alliierten in Afrika führte. Im September 1944 ­wurde er im Rang eines Oberst zum Gesandten in Dschidda ernannt, wo er seine militärische Herkunft nicht verleugnete: während seiner Dienstzeit trug er stets die Uniform eines Marineoffiziers. Aus einem ersten Treffen mit Ibn Saud entwickelte sich dann eine tiefe Freundschaft. Eddy bewunderte den König, nicht wegen seiner zahlreichen Frauen, sondern weil dieser Mann – nur fünf Jahre älter als er selbst – es geschafft hatte, die Stämme der arabischen Halbinsel zu unterwerfen und das Land zu einen und so 1932 das Königreich Saudi-Arabien zu gründen. Für ihn war Saudi-Arabien nach eigener Aussage »die kostbarste Perle im Nahen Osten«, die es für die Amerikaner zu gewinnen galt. Er wurde zur treibenden Kraft hinter dem Treffen zwischen Roosevelt und Ibn Saud. Die Konferenz von Jalta bot sich für dieses Treffen an. Am 3. Februar 1945 informierte der amtierende US-Außenminister Josef C. Grew Eddy und die Vertreter in Kairo und Addis Abeba über den Wunsch des Präsidenten, die drei oben genannten Personen zu treffen, und zwar »etwa am 10. Februar an Bord eines amerikanischen Kriegsschiffes in Ismailia«. Diese Meldung setzte eine Geheimoperation der besonderen Art in Gang. Am einfachsten war noch der amerikanische Teil. Das Kriegsschiff war der 205 Meter lange Schwere Kreuzer USS Quincy, der am Tag zuvor zusammen mit dem Zerstörer USS Murphy in Malta eingetroffen war. An Bord der Quincy waren Präsident Roosevelt mit seiner Begleitung gewesen, die anschließend von Malta weiter auf die Krim zur Konferenz mit Stalin und Churchill geflogen waren. Am 6. Februar setzten sich beide Schiffe von Malta aus in Richtung Ägypten in Bewegung, wo sie am 8. Februar im Bittersee im Suezkanal eintrafen. Von da an begann der schwierigere Teil: die Murphy sollte weiter nach Dschidda fahren und dort den saudischen König an Bord nehmen und zur Quincy zum Treffen mit Roosevelt bringen. Der Kommandant der Murphy, Bernhard A. Smith, ­hatte keine Ahnung von dem, was ihn in Dschidda erwarten würde, ­wusste auch nicht, dass Eddy die Dinge organisiert hatte. Die einzige Karte vom Hafen der Stadt stammte aus dem Jahr 1834; kein amerikanisches Schiff hatte jemals diesen Hafen angelaufen. Das Wissen über Land und Leute stammte aus einer alten Enzyklopädie. Demnach hatte der König viele Frauen und zahlreiche Kinder, aß Lammfleisch, in seiner Gegenwart waren Tabak und Alkohol verboten. Die Saudis wollten mit 200 Leuten reisen, einschließlich einiger Frauen des Königs. Eddie konnte die Zahl zwar auf 20 runterhandeln, am Ende waren es aber trotzdem noch 48, unter ihnen sämtliche Stammesfürsten und Prinzen, die ihm eventuell als Rivalen hätten gefährlich werden können. Frauen des Königs waren nicht mit dabei, da die, so Eddie, nicht adäquat hätten untergebracht werden können. Es gab andere Wünsche. Da die Saudis unter freiem Himmel schlafen wollten, wurde das Deck der Murphy mit Teppichen belegt und ein majestätisches Zelt für den König aufgebaut. Allein das Einschiffen der königlichen Familie mit Gefolge war ein Spektakel. Als alle an Bord waren, wurden abschließend noch die anfangs bereits erwähnten zehn Schafe verladen. Die Fahrt dauerte zwei Nächte und einen Tag. Es gab ein erstaunliches »Unterhaltungsprogramm« – nur unterbrochen von fünfmal Beten am Tag, nachdem die Besatzung angezeigt hatte, in welcher Richtung Mekka lag. Die Saudis bedienten die Flugabwehrkanonen und Maschinengewehre, die Matrosen warfen Wasserbomben und zeigten unter Deck einen Film – das nicht unbedingt zur Freude des Königs. Auf Holzkohlefeuer – eines zum Entsetzen der Matrosen direkt neben der Munitionskammer – kochten die Araber ihren Kaffee. Man unterhielt sich prächtig, auch wenn außer Eddy niemand die Sprache des anderen verstand. Am 13. Februar gab es das Treffen zwischen Roosevelt, Faruk und Selassie auf der Quincy, am 14. traf die Murphy mit König Ibn Saud an Bord ein. Wegen der unterschiedlichen Höhe der beiden Schiffe war eine feste Verbindung nicht möglich, und der König musste mit einem Bootsmannstuhl (Bosunstuhl) von der Murphy auf die Quincy transportiert werden, wo Roosevelt bereits auf ihn wartete. In seinen Unterlagen für dieses Treffen hatte der Präsident zuvor folgendes über den König lesen können: »Er erfreut sich an drei Dingen im Leben: Frauen, beten und Perfume. Seine Majestät besitzt persönlichen Charme und hat einen starken Charakter. Mit seinem Aufstieg zur Macht hat er in einem traditionell gesetzlosen Land Ordnung geschaffen. Er soll großzügig und entschlossen sein, je nach Lage der Dinge. Jedes Nachgeben in seiner entschlossenen Haltung gegenüber den Zionisten in Palästina würde ein Verrat an seinen Prinzipien sein.«

Erscheinungsdatum
Verlagsort Reinbek
Sprache deutsch
Maße 150 x 227 mm
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik
Geisteswissenschaften Geschichte Regional- / Ländergeschichte
Schlagworte 9/11 • Afghanistan • al-assad • Araber • Arabische Frühling • arabische Staaten • barack obama • Bill Clinton • Bürgerkrieg im Jemen • Donald J. Trump • Dwight D. Eisenhower • Eisenhower-Doktrin • Franklin D. Roosevelt • George H. W. Bush • George W. Bush • Gerald Ford • Geronimo • Gründung Israels • HAMAS • Henry Kissingers • Hisbollah • Ibn Saud • Irak • Irakkrieg • Iran • Islamischer Staat • Israel • Israel Gesamtdarstellung • Israel Krieg • Israels Unabhängigkeitskrieg 1948/49 • Jerusalem • Jimmy Carter • John F. Kennedy • Juden • Kalter Krieg • Konflikt Nahost • Krieg gegen den Terror • Krieg in Afghanistan • Libanon • Lyndon B. Johnson • Nahe Osten • Naher Osten • Nahostkonflikt • Nahostkonflikt Geschichte • Nahost Krieg • Nahostpolitik • Operation Blue Bat • Operation Desert Storm • Operation Eagle Claw • Operation Enduring Freedom • Operation Hard Surface • Osama bin Laden • Oslo I und II • Palästina • Richard M. Nixon • Ronald Reagan • Sechstagekrieg • Sowjets in Afghanistan • Staat Israel • Staatsgründung • Suezkrieg • Syrien • Terror • USA • Yom Kippur-Krieg
ISBN-10 3-95768-234-7 / 3957682347
ISBN-13 978-3-95768-234-5 / 9783957682345
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