Queer as f*ck - Jochen Schropp

Queer as f*ck (eBook)

Selbstbestimmung, Sex und Sichtbarkeit – und warum ihr nicht so tolerant seid wie ihr denkt

(Autor)

Jan Wehn (Urheber)

eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
208 Seiten
Edition Michael Fischer (Verlag)
978-3-7459-1088-9 (ISBN)
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Jochen Schropp ist Schauspieler, Moderator - und schwul. Heutzutage sollte das keine große Sache mehr sein, und doch schlug sein öffentliches Outing im Jahr 2018 hohe Wellen. Was ist dran an unserer Vorstellung eines toleranten Deutschlands? Mit welchen Konflikten sehen sich queere Menschen konfrontiert, welche Debatten sind längst überholt? Und was können wir alle beitragen, um das Ideal einer vielfältigen und offenen Gesellschaft zu leben?

Jochen begibt sich auf Spurensuche, er erzählt seine Geschichte und stellt sich den Fragen und Vorurteilen unserer Zeit: 'Muss man sich überhaupt noch outen?', 'Warum müsst ihr denn so einen Wirbel um eure Sexualität machen?', 'Wo fängt Homophobie an und wie reagiere ich darauf?', 'Und welche Rolle spielt nun die heteronormative Gesellschaft?' Unterstützt wird Jochen von Diplom-Psychologin Miriam Junge, gemeinsam eröffnen sie Diskussionen und liefern Denkanstöße rund um die Themen Outing, Identität, Diskriminierung, Sichtbarkeit, Sex und Klischees. 'Queer as f*ck' nimmt Menschen auf der Suche nach ihrem Platz in der Welt an die Hand, anderen hält es den Spiegel vor:

Ein Buch für die LGBTQIA*-Community und alle anderen, für die Toleranten und die, die sich dafür halten. Ein längst überfälliges Buch und wichtiger Beitrag zu einer hochaktuellen Debatte.



<p>Jochen Schropp ist aus der deutschen Fernsehlandschaft nicht mehr wegzudenken:Nachseinem Schauspielstudium folgtenzahlreiche Film- und Serienrollen, etwa in<em>Enfant Terrible</em>oder<i>Liebesdings</i>,zusätzlichmoderiert er diversePrimetime-Shows,unter anderem<em>Promi Big Brother</em>.Seitseinem Outing 2018setzt ersich als Aktivist für die LGBTQIA*-Community ein, etwa im RahmendesDiversity-Podcasts<em>Yvonne&Berner</em>. Jochen Schropp ist außerdem Botschafter der<i>SOS Kinderdörfer</i>und Gewinner des Deutschen Fernsehpreises.</p>

Outing


Muss man sich überhaupt noch outen?


Zwischen Selbstzweifeln und Haltung

»Ich wusste schon mit vier, dass ich schwul bin!«, antwortete ich vor ein paar Jahren mal in einem Interview auf die Frage, wann ich denn ein Gefühl dafür hatte, dass ich auf Männer stehe. Ich muss sagen, dass ich gar nicht mehr so genau weiß, ob ich das wirklich schon in dem Alter umreißen und begreifen konnte. Aber möglich wäre es schon.

Schließlich machten meine Familie und ich in den Achtzigern oft Urlaub auf der Nordseeinsel Texel. Wir verbrachten meist einen Großteil des Tages am Strand. Wenn ich zwischendurch mal pinkeln musste, schlich ich mich dafür in die Dünen. Oft blieb ich anschließend noch eine Weile dort und beobachtete heimlich den dahinterliegenden Strandabschnitt, in dem sich ausschließlich Männer aufhielten. Zufälligerweise befand sich der »Schwulenstrand« wohl oberhalb unseres Lieblingsplatzes am Meer. Für mich hatte das damals noch überhaupt nichts Sexuelles, aber rückblickend wurde mir klar, dass ich Männer schon immer körperlich anziehender fand als Frauen.

Schon krass, dass ich dafür offensichtlich bereits als Vierjähriger ein Gespür entwickelt habe – auch wenn ich es damals natürlich nicht einordnen konnte.

Was ich hingegen in diesem Alter bereits wusste: Ich wollte gerne mit Puppen spielen. Ich hatte acht Barbies, außerdem Skipper (Barbies jüngere Schwester) und Ken, den Mann von Barbie. Ich war wahnsinnig stolz auf meine Puppensammlung und hegte und pflegte sie so gut ich konnte, während die Barbiepuppen meiner Schwester aussahen, als ob sie gerade aus dem Krieg zurückgekehrt wären.

Mein größter Stolz war allerdings Yvonne. Eine Puppe, die ich überallhin mitnahm und mit der ich auch auf Fotos posierte. Yvonne ist übrigens auch für den Titel des Podcasts »Yvonne & Berner« verantwortlich, den ich mit Felicia Mutterer moderiere. Ich liebte meine Puppe, Felicia wollte gerne ein Junge sein und nannte sich, in Anlehnung an ihre beiden Lieblingsmännervornamen Bernhard und Werner, kurzerhand Berner. Aber das nur am Rande.

Ich schämte mich nicht, wenn ich mit meinen Puppen spielte, sie frisierte und schminkte, aber ich spürte doch, dass es nicht das war, was sich für einen Jungen in meinem Alter gehörte. Dass mir das allerdings Probleme bereiten könnte, merkte ich erst in meiner Teenagerzeit, als ich immer öfter gehänselt wurde. Ich stelle mir noch heute manchmal die Frage, wa­rum das eigentlich passierte. Natürlich hatte ich Freundinnen, mit denen ich sehr viel Zeit verbrachte – und die Jungs waren deshalb eben ein bisschen eifersüchtig, weil sie in die Mädchen verliebt waren, mit denen ich mich so gut verstand.

Nicht selten wurde ich deshalb auch beschimpft. Mal rief man mir Worte wie »Schwuchtel« hinterher, dann hieß es, dass ich bestimmt selbst ein Mädchen sei. Dabei schwang immer mit: Männer haben nur Männer als Freunde und stehen auf Frauen. Alles andere war unnatürlich und durch und durch mit Negativität behaftet.

Das Problem mit toxischer Männlichkeit


Mir waren solche scheinbaren Grundsätze von klein auf fremd. Vermutlich auch deshalb, weil mein Vater nicht unbedingt dem typischen Männlichkeitsbild entsprach. Er nahm mich gerne in den Arm und kochte und putzte zu Hause ganz selbstverständlich. Aber wenn ich Freunde besuchte oder auf Kindergeburtstagen eingeladen war, musste ich immer wieder feststellen, dass er die Ausnahme war.

Wenn die Väter meiner Freund*innen von der Arbeit nach Hause kamen, herrschte gleich eine andere Stimmung. Sie waren oft schlecht gelaunt, legten die Füße hoch und ließen sich ein Bier bringen, beschwerten sich darüber, wie laut wir waren, und klopften einen dummen Spruch nach dem anderen. Alle­samt Dinge, die ich so nicht von zu Hause kannte. Fürsorge oder Zärtlichkeit? Fehlanzeige.

Sobald ich ein derartiges Verhalten mitbekam, wurde mir ganz unwohl. Diese Art von Männlichkeit jagte mir eine ungemeine Angst ein und ich bekam sofort Bauchschmerzen. Nicht selten ließ ich mich kurz darauf von meinen Eltern abholen.

Erst Jahre später verstand ich, dass das, was mir so große Pro­bleme bereitet hatte, als toxische Männlichkeit bezeichnet wird. In den letzten Jahren hört man diese Bezeichnung immer öfter. Aber was heißt toxische Männlichkeit eigentlich genau?

Der Begriff beschreibt falsche Vorstellungen davon, wie sich Personen zu verhalten und zu fühlen haben, um in der Gesellschaft als männlich akzeptiert zu werden. Das bedeutet: nie Schwäche zeigen oder um Hilfe fragen, bloß nicht sensibel sein und keine Fehler zugeben. Stattdessen immer stark und rational agieren und natürlich sexuell allzeit bereit sein. Fleisch statt Gemüse, Fußball statt Pilates. Und so weiter und so fort.

Toxische Männlichkeit ist Gift. Für alle. Auch für Männer selbst. Denn sie leiden unter diesen Einschränkungen in Form von Depressionen, höheren Alkoholismusraten oder anderen Selbstgefährdungen. Dabei sind Männer komplexe Wesen. Mit unterschiedlichsten Gefühlen und Bedürfnissen. Männer sind Menschen! Sie dürfen weinen, sie dürfen Schwäche zeigen, sie dürfen auch keine Lust auf Sex haben und lieber kuscheln wollen. Sie dürfen sich die Nägel lackieren, Salat essen, Gewichtheben hassen und sich stattdessen lieber Synchronschwimmen ansehen. Und trotzdem sind sie ganze Männer! Denn Männlichkeit an sich ist nicht das Problem – sondern wie sie in der Gesellschaft definiert ist.

Auch auf mich färbte die toxische Männlichkeit der Väter meiner Freund*innen damals ab. Für mich stand gar nicht zur Diskussion, mich einfach so zu verhalten, wie ich mich eben fühlte, einfach ich selbst zu sein. Eine Zeit lang redete ich mir deshalb verzweifelt ein, dass ich bestimmt doch auf Frauen stehen würde, und versuchte, Frauen sexuell attraktiv zu finden. Bis ich 14 oder 15 war, hatte ich deshalb auch noch regelmäßig Freundinnen.

Es war ja auch so: Ich hatte schon Liebesgefühle für Mädchen. Wenn ich mich recht erinnere, fand ich Schauspielerinnen wie Sandra Bullock oder Meg Ryan toll, während mich ihre Kollegen eigentlich gar nicht so sehr interessierten.

Homosexualität war für mich praktisch auch gar nicht sichtbar. In dem Dorf, in dem ich aufwuchs, gab es keine offen schwulen Männer. Bis auf den »schwulen Metzger« unseres Supermarkts, der immer nur flüsternd so genannt wurde, auch wenn es eigentlich niemand anderes hätte hören können. Das suggerierte mir wiederum, dass »schwul« kein Wort war, das man laut aussprach. Umso aufregender war es für mich natürlich, als ich mit 15 Jahren in Gießen zum ersten Mal zwei Händchen haltenden Männern begegnete. Stundenlang folgte ich dem Paar heimlich durch die Stadt und war ungemein fasziniert von ihnen – auch, weil sie so normal auf mich wirkten.

Party in the USA


Mit 16 ging ich für ein Jahr nach Amerika. Die zwölf Monate gaben mir ein Gefühl von Gemeinschaft und Freiheit. Ich schrieb für die Schülerzeitung, ich sang im Chor, ich spielte in Musicals und Theaterstücken mit. Mit einem Mal waren da ganz viele künstlerische Elemente in meinem Leben und mit ihnen natürlich auch ganz viele neue interessante Menschen – und nicht wenige von ihnen waren ganz selbstverständlich bi- oder homosexuell.

Zu sehen mit was für einer Unbekümmertheit dort Kreativität, Toleranz und gleichgeschlechtliche Beziehungen gelebt wurden, öffnete mir die Augen. In Deutschland war ich der einzige Schwule an meiner Schule – dachte ich zumindest. Ganz im Gegensatz zur Redwood High School, auf die meine amerikanischen Freund*innen gingen und auf der ich mein 11. Schuljahr verbrachte. Diese Menschen und die Selbstverständlichkeit, mit der sie durchs Leben gingen, kennenzulernen, gab mir wahnsinnig viel Kraft. Aber zurück in Deutschland fiel ich in ein Loch. Denn war ich in Amerika von all diesen tollen Leuten umgeben, hatte ich in Deutschland plötzlich niemanden mehr, dem ich mich anvertrauen konnte.

Aber ich suchte mir Verbündete. Nach meiner Rückkehr aus den USA zog nämlich gerade das Internet in bundesdeutschen Haushalten ein, und ich entdeckte die Welt der AOL-Chat­räume. Irgendwann verschlug es mich auch in einen Gay-Chat. Dort lernte ich Dirk aus Frankfurt am Main kennen, der nur ein wenig älter war als ich. Nachdem wir eine Weile geschrieben hatten, verabredeten wir uns das erste Mal zum Essen. Und was sich in den stundenlangen Chats schon abzeichnete, bestätigte sich auch im echten Leben: Wir verstanden uns super.

Zwar war unsere Beziehung nicht sexuell, sondern rein freundschaftlich, aber er war derjenige, der mir zum ersten Mal die schwule Szene näherbrachte. Dirk nahm mich mit ins Frankfurter Nachtleben und zeigte mir queere Clubs wie das »L.O.F.T. House«. Die ehemalige Papierfabrik auf der Hanauer Landstraße war in den späten Neunzigern einer der Treffpunkte für queere Menschen. Auf drei Etagen erstreckten sich gleich mehrere Tanzflächen und Bars, es lief House-Musik, alles war bunt und fröhlich, aber nicht wie in Berlin, wo man beim Betreten eines Clubs manchmal meint, gleich einen Herzinfarkt zu bekommen, weil alles so überwältigend ist. In Frankfurt fühlte ich mich einfach wohl. All das zu sehen, war wahnsinnig aufregend, weil ich mit einem Mal merkte, dass ich nicht alleine war.

Mit 17 ging ich in meinen Sommerferien noch mal für sechs Wochen nach Amerika und verbrachte Zeit mit den Freund*innen, die ich ein Jahr zuvor kennengelernt hatte. Die meisten gingen mittlerweile aufs College und führten gleichgeschlechtliche...

Erscheint lt. Verlag 10.5.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Partnerschaft / Sexualität
Geisteswissenschaften Psychologie Sexualität / Partnerschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Coming out • Diskriminierung Lesben • Diskriminierung Schwule • Gender • Gender Studies • Heterosexualität • Homosexualität • Lesbisch • Queer • Queer as fuck • Schwul • Sexuelle Orientierung • Vorurteile
ISBN-10 3-7459-1088-5 / 3745910885
ISBN-13 978-3-7459-1088-9 / 9783745910889
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