Biblisches Arbeitsbuch für Soziale Arbeit und Diakonie (eBook)

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2021 | 1. Auflage
339 Seiten
UTB (Verlag)
978-3-8463-5672-2 (ISBN)

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Biblisches Arbeitsbuch für Soziale Arbeit und Diakonie -
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Im Buch werden wesentliche Themen diakonischen und sozialarbeiterischen Professionswissens bibelwissenschaftlich aufgearbeitet. Ein besonderer Akzent liegt darauf anthropologische sowie ethische Aspekte und die damit verbundenen Themenbereiche in dem Arbeitsbuch in ihrer bibelwissenschaftlichen Aufarbeitung zur Sprache kommen zu lassen. Biblische Schlüsseltexte runden das Lehrbuch ab.

Jörg Lanckau ist Professor für Biblische Theologie und Kirchengeschichte an der Evangelischen Hochschule Nürnberg.

Jörg Lanckau ist Professor für Biblische Theologie und Kirchengeschichte an der Evangelischen Hochschule Nürnberg.

Titel 2
Impressum 3
Inhaltsverzeichnis 4
Vorwort 15
Wie Sie mit BASAD arbeiten können 18
Diakonisches Kongruieren 20
Methodik 22
Literatur 24
1 Einführung 25
1.1 Begriffsklärungen 26
Bedeutung und Rezeptionsgeschichte von "diakonía" 27
Nächstenliebe im Kontext von Gottes- und Selbstliebe 32
Diakonin, Diakon und Diakonisse 35
Institutionelle Formen 37
Diakonie, helfendes Handeln, soziale Arbeit 39
Impulse 41
Literatur 42
1.2 Was ist die Bibel? Buchwerdung und Kanonisierung 43
Das Buch der Bücher 44
Wort und Schrift 45
Schriftliche Zeugnisse aus dem antiken Israel und Juda (10.–6. Jh.v. Chr.) 46
Jüdische Literatur aus babylonischer und persischer Zeit (6.–4. Jh.v. Chr.) 47
Jüdische Literatur aus persischer und hellenistischer Zeit (3. Jh.v. – 1. Jh.n. Chr.) 49
Griechische Schriften des antiken Judentums im Christentum (1.–2. Jh.n. Chr.) 51
Entstehung des Neuen Testaments (1. Jh.n. Chr.) 53
Entstehung der christlichen Bibel (1.–4. Jh.n. Chr.) 56
Tanach, Mischna und Talmud im Judentum (1.–6. Jh.n. Chr.) 59
Textüberlieferung des Tanach im Judentum (2. Jh.v.–11. Jh.n. Chr.) 60
Zum Verhältnis von Altem und Neuem Testament 61
Zum Verhältnis von Gottes Wort und menschlicher Textüberlieferung 62
Impulse 64
Literatur 65
1.3 Die Bibel lesen: innerbiblische, geschichtliche und aktuelle Verstehensprozesse 66
Auslegen und Verstehen 67
Schriftauslegung im Alten und im Neuen Testament 68
Schrifttexte und ihre Sinnkarriere 71
Impulse 72
Literatur 73
1.4 Biblische Texte zwischen Anspruch und Wirklichkeit 74
Performative Texte 75
Literarische Gattungen – nicht verwechseln! 77
Biblische Texte als Diskursliteratur 78
Götterdämmerung in der Bibel 80
Prüfstein der Religion: die reale Welt 82
Impulse 83
Literatur 85
2 Biblische Grundlagen 86
2.1 Ansätze biblischer Theologie 87
Gott als König 88
Gott als Richter 89
Gottes Reue – der barmherzige Gott 90
Gott als Vater und Mutter 91
Impulse 93
Literatur 94
2.2 Ansätze biblischer Anthropologie 95
Geschöpf und Schöpfer 96
Handelnd und verantwortlich 99
Homo faber und homo absconditus 100
Sterblich und sündig 101
Doppelte Verkörperung – Gott und Mensch 103
Impulse 104
Literatur 105
2.3 Ansätze neutestamentlicher Christologie 106
Jesu Verkündigung der Gottesherrschaft 107
Sendung Jesu im Zeichen der Gottesherrschaft 108
Diakonisches Profil der Sendung Jesu 110
Messianischer Lebens- und Todesdienst Jesu 111
Impulse 113
Literatur 114
2.4 Ansätze biblischer Ethik 115
Biblische Ethik im Kontext der Moralphilosophie 116
Grundlagen, Normen und Formen biblischer Reflexion 118
Impulse 121
Literatur 122
2.5 Begründungsansätze helfenden Handelns 123
Gottes Menschenliebe 124
Glaube an Gott 126
Menschlichkeit 127
Begrenzung der Hilfeleistung 128
Verankerung im Gemeindeleben 129
Segen und Verheißung Gottes 130
Impulse 131
Literatur 132
3 Aspekte der AnthropologieAnthropologie 133
3.1 Alter 134
Zäsuren des Alters und der Lebensepochen 135
Zur Ambivalenz des hohen Alters 137
Alter und Sexualität 138
Die Gottesbeziehung des alternden Menschen 139
Die Ältesten im Neuen Testament 140
Impulse 141
Literatur 142
3.2 Bildung und Erziehung 143
Alttestamentliche Begriffe 144
Das Deuteronomium als Lehrbuch 145
Familie als Ort der Erziehung im Sprüchebuch 146
Gott als Erzieher 147
Neutestamentliche Aspekte 148
Bildung als „Einbildung“ Christi bei Paulus 149
Bildung durch den menschgewordenen Gott bei Johannes 150
Impulse 151
Literatur 152
3.3 Krankheit und Heilung 153
Ursachen von Krankheit und Leiden 154
Möglichkeiten der Heilung 157
Impulse 159
Literatur 160
3.4 Familie 161
Biblische Begriffe 162
Familienvorstellungen im Alten Testament 163
Familienvorstellungen in den Evangelien 165
Familienvorstellungen in der Briefliteratur 167
Impulse 169
Literatur 170
3.5 Kindheit und Jugend 171
Biblische Begriffe 172
Soziale Dimensionen 173
Religiöse Dimensionen 174
Pädagogische Dimensionen 175
Theologische Akzentuierungen 176
Impulse 177
Literatur 178
3.6 Menschen mit Behinderung 179
Alttestamentliche Perspektiven 180
Neutestamentliche Perspektiven 182
Paulus – ein Mensch mit Beeinträchtigung 184
Impulse 185
Literatur 186
3.7 Menschenwürde 187
Menschen als Gottes irdische Repräsentation 188
Partizipation an Christus als idealem Menschen 190
Impulse 192
Literatur 193
3.8 Sexualität 194
Biblische Perspektiven 195
Dimensionen der Sexualität 196
Auslegungen der Paradieserzählung 199
Impulse 200
Literatur 201
3.9 Sterben und Tod 202
Aspekte des biblischen Todesverständnisses 203
Vorstellungen von der Überwindung des Todes 206
Impulse 208
Literatur 209
4 Aspekte der EthikEthik 210
4.1 Arbeit und Sklaverei 211
Phänomene, Praktiken und Bewertungen von Arbeit 212
Unabhängige Arbeit 213
Abhängige Arbeit 214
Sklaverei 215
Impulse 217
Literatur 218
4.2 Armut und Reichtum 219
Armut als Skandal 220
Geschichtliche Entwicklungen 221
Armutsrisiken und Folgen von Armut 222
Verantwortung der Reichen 223
Impulse 225
Literatur 226
4.3 Asyl, Ausländer und Fremde 227
Asyl – biblische Perspektiven 228
„Asylstädte“ 229
Ausländer und Fremde – biblische Perspektiven 230
Rechte und Pflichten von „Beisassen“ 232
Moderne Verkürzungen im Rückgriff auf die Bibel 234
Impulse 236
Literatur 237
4.4 Krieg und Frieden 238
Eine Welt ohne Tod 239
Gott als Kriegsherr? 240
Mutige Worte wider den Krieg 242
Frieden als Wunsch und Idealzustand 243
Frieden als Weg 244
Impulse 245
Literatur 246
4.5 Recht, Gerechtigkeit und Gericht 247
Hermeneutische Vorüberlegungen 248
Gottes Gerechtigkeit 249
Recht und Gerechtigkeit 250
Jesus auf dem „Weg der Gerechtigkeit“ bei Matthäus 251
Rechtfertigung und Endgericht nach Paulus 252
Doppelgebot der Liebe 253
Impulse 254
Literatur 255
4.6 Verantwortung und Schöpfung 256
Schöpfungstexte 257
Verantwortung in alttestamentlicher Perspektive 258
Neutestamentliche Erwartungen des Weltendes 259
Bewahrung der Schöpfung aus biblischer Sicht 260
Impulse 261
Literatur 262
4.7 Wirtschaft und Geld 263
Subsistenzwirtschaft und ihre sozialen Folgen 264
Geldwirtschaft und ihre sozialen Folgen 266
Gesetzliche Regelungen in der Tora 267
Öffentliche Wohlfahrt 268
Vermehrung des Segens für alle 269
Impulse 270
Literatur 271
4.8 Witwen und Waisen 272
Folgen des Todes des Ehemannes und Vaters 273
Kritik an Missständen und Schutzbestimmungen 275
Von der Gottesnähe zur Macht des Gebets 277
Impulse 279
Literatur 280
5 Aspekte der GemeinschaftGemeinschaft 281
5.1 Ämter und Funktionen 282
Umwelt des Neuen Testaments 283
Neutestamentliche Gemeinden 284
Ansehen und Autorität 287
Gemeinde als lebendiger Organismus 288
Impulse 289
Literatur 290
5.2 Konvivenz und Kooperation 291
Konvivenz 292
Kooperation 295
Impulse 297
Literatur 299
5.3 Konkurrenz und Macht 300
Menschliche Übergriffe und göttliche Eingriffe 301
Befristete menschliche und ewige göttliche Macht 302
Macht als Merkmal Gottes 303
Diverse Konkurrenzphänomene bei Paulus 304
Konkurrenz in der Jesusgeschichte 305
Macht in der Jesusgeschichte 306
Beflügelnde Konkurrenz und Bevollmächtigung 307
Impulse 309
Literatur 310
5.4 Einheit und Vielfalt 311
Alttestamentliche Perspektiven 312
Paulinische Perspektiven 313
Weitere neutestamentliche Schriften 314
Bedeutung für die kirchliche und diakonische Praxis 315
Impulse 316
Literatur 317
5.5 Essen und Trinken 318
Form der Hauptmahlzeit 319
Jesus und frühchristliche Gemeinden 320
Gruppenzugehörigkeit 321
Mahlgemeinschaft mit Jesus als Teilhabe am Reich Gottes 322
Jüdische und nichtjüdische Jesusanhänger*innen 323
Wirkungsgeschichte 324
Impulse 325
Literatur 326
5.6 Inklusion 327
Inklusion und Schöpfung 328
Inklusion im „Heiligkeitsgesetz“ 329
Göttliche Grenzüberschreitung 330
Ausweitung der Heilssphäre statt Normalisierung 331
Jesus Christus – die Verletzlichkeit Gottes 333
Christliche Gemeinde zwischen Exklusivität und Inklusion 334
Impulse 335
Literatur 336
6 Aspekte der Spiritualität 337
6.1 Gebet 338
Atem des Herzens 339
Körperhaltungen 340
Gattungen und Sprachformen 341
Einübung ins Gebet 342
Gebet als diakonische Handlung 343
Lebensalltag und Kultus 344
Impulse 345
Literatur 346
6.2 Glaube und Zweifel 347
„Treue“ und „Bund“ 348
„Glaube“ 349
„Kleinglaube“ 350
Der zweifelnde Thomas 352
Funktionen des Zweifels 353
Impulse 354
Literatur 355
6.3 Demut 356
Reizwort 357
Befreiende Bindung an Gott 358
Lebenslanger Lernprozess 359
Jesus als Verkörperung der Demut 360
Spannungseinheit von Milde und Schärfe 361
Umkehrung der Maßstäbe 362
Spiritualität der Selbstzurücknahme 363
Gefährdete Grundhaltung 364
Impulse 365
Literatur 366
6.4 Mystik 367
Vertiefung in verletzliches Leben (Phil 2,5–11) 368
Vertiefung in einfaches Leben (Lk 2,51) 369
Aufstieg und Abstieg (Mt 17,1–9 und Parallelen) 370
Diakonische Christusmystik (Mt 25,31–46) 371
Gottes- und Nächstenliebe (Lk 10,38–42) 372
Impulse 373
Literatur 374
6.5 Selbstsorge 375
Selbstsorge und Selbstliebe 376
Selbstsorge und Sorglosigkeit 377
Kluge und dumme Selbstsorge 378
Selbstsorge und Zeitsensibilität 379
Selbstsorge und Selbsterkenntnis 380
Selbstsorge und Unabhängigkeit (Autarkie) 381
Selbstsorge und Führungsethik 382
Impulse 383
Literatur 384
7 Biblische Schlüsseltexte 385
7.1 Heiligkeit des Lebens (Lev 19) 386
„Heiliges“ in biblischen Texten 387
Lev 19 – Religion und Sozialethik verbunden 389
Lev 19 – en détail 390
Impulse 393
Literatur 394
7.2 Befreiung und Rettung (Jes 61) 395
Nomen est omen 396
Gerechtigkeit als Programm 398
Diakonischer Blick 400
Impulse 402
Literatur 403
7.3 Gerechtigkeitssinn Gottes (Gen 6,5–9,19) 404
Was lief schief? 405
Gott auf der Seite der Gerechten 406
Gewandelter Gott, gewandelte Erde? 407
Vorderorientalische Flutüberlieferung 408
Gottes Gerechtigkeitssinn als biblischer roter Faden 409
Impulse 410
Literatur 411
7.4 Barmherzige und hörende Liebe (Lk 10,25–42) 412
Barmherzige Liebe (Lk 10,25–37) 413
Hörende Liebe (Lk 10,38–42) 415
Impulse 417
Literatur 418
7.5 Weltgericht (Mt 25, 31–46) 419
Kontext 420
Form und Gliederung 421
Biblische Dimensionen 422
Matthäische Akzentuierungen 424
Impulse 425
Literatur 426
7.6 Fußwaschung (Joh 13) 427
Fußwaschungen in der Antike 428
Fußwaschung Jesu 430
Liebe als Erkennungszeichen 432
Impulse 433
Literatur 434
7.7 Taufe, Herrenmahl und Diakonie (1 Kor 10–12) 435
Gemeinde und Gemeinschaft (1 Kor 1,1–9) 436
Taufe und Geistesgaben 437
Leib Christi und Gemeinschaft 439
Diakonie in der „Gemeinde Gottes“ 441
Impulse 442
Literatur 443
7.8 Zum Titelbild 444
Literatur 448
Glossar 449
Abkürzungen biblischer Bücher 456
Altes Testament und deuterokanonische Schriften 457
Neues Testament 458
Außerkanonische Schriften 459
Schriften vom Toten Meer 460
Bibelstellenregister 461
Altes Testament und deuterokanonische Schriften 461
Neues Testament 480
Außerkanonische Schriften 502
Schriften vom Toten Meer 503
Transliteration 504
Hebräisch 505
Griechisch 507
Begriffsregister 508

Nächstenliebe im Kontext von Gottes- und Selbstliebe


Im ↗︎ Tanach wird sowohl die Gottes- als auch die Nächstenliebe mit dem hebräischen Verb ’āhav ausgedrückt (210 Belege), von dessen Wurzel ’hb auch das fem. Nomen ’ǎhavāh für Liebe abgeleitet wird (37 Belege). Andere hebräische Verben für „lieben“ wie etwa „begehren“, „anhangen“ (dāvaq) „gernhaben“, „Gefallen haben an“ (ḥāpaš) oder „zugetan sein“ (ḥāsaq) spielen im Zusammenhang der Gottes- und Nächstenliebe kaum eine Rolle. Die Septuaginta übersetzt ’hb und seine verbalen Ableitungen mit dem griechischen Verb agapáō bzw. dem Nomen agápē. Diese Wortgruppe ist auch zentral für die neutestamentliche Liebesvorstellung (insgesamt 320 Belege). Die griechischen Begriffe mit den Bedeutungsaspekten „freundschaftlich lieben“ (philéō, philía; 26 Belege) oder „Bruderliebe“ (philadelphía, philadelphós; 7 Belege) finden sich schwerpunktmäßig in johanneischen und paulinischen Texten. Das Verb „lieben, begehren“ mit seinen Ableitungen (eráō, erōs) kommt im Neuen Testament nicht vor.

In der Umwelt Israels gibt es die Vorstellung von Liebesverhältnissen zwischen Gott und König bzw. König und Volk, wobei die Liebe sowohl in juristischen als auch in emotionalen Kategorien beschrieben wird. Die Liebe des übergeordneten Partners äußert sich als Gunst, Schutz und Fürsorge, der untergeordnete Partner ist verpflichtet zu Treue, Gehorsam und Dankbarkeit. Im Alten Testament gilt die Liebe Gottes üblicherweise jedoch nicht dem König, sondern unmittelbar dem Volk Israel, das entsprechend allein seinem Gott, nicht jedoch anderen Herrschern oder Gottheiten zu Gehorsam, Treue und Verehrung verpflichtet ist. Grundlegend ist die Vorstellung der Liebe Gottes zu seinem Volk: Gott hat Israel erwählt und aus Ägypten gerettet (Dtn 7,7f; 10.15; Hos 11,1–4). Die Liebe Gottes gilt auch den Fremden (Dtn 10,19; Ps 146,9). Dies wird ausgeweitet zur Vorstellung, dass die Liebe Gottes allen Menschen bzw. der ganzen Schöpfung gilt (Jes 2,2–4; Mi 4,1–5; Weish 11,23–26; Ps 145,9). Das Volk Israel wird aufgefordert, Gott zu lieben, was sich als (Ehr-)Furcht (hebr. Wurzel jr’, nominal jir’āh), Dienst bzw. Verehrung (‘bd, nominal: ‘ǎvodāh) und Befolgung seiner Gebote konkretisiert (Dtn 6,4–9; 10,12f). Zu diesen Geboten gehört zentral das Nächstenliebegebot (Lev 19,18), das auch Fremde einschließt, die als ausländischer Mitbürger*innen im Land Israel wohnen und wie jene vom eigenen Volk gelten sollen (Lev 19,33f → 4.3 Asyl, Ausländer und Fremde). „Nächste“ sind zu verstehen als Nahestehende oder Mitmenschen, zu denen im Rahmen der engen sozialen Beziehungen der Antike ein Bezug besteht. Wichtig ist, dass in Lev 19 der oder die Nächste gerade auch in einer konflikthaften oder sogar feindlichen Beziehung zu den Angesprochenen vorgestellt werden, denn es wird gefordert, auf Zurechtweisung, Hass oder Rache zu verzichten (Lev 19,17f; vgl. auch Ex 23,4f; Spr 20,22; 24,17.29). In das Gebot der Nächstenliebe ist folglich die Feindesliebe eingeschlossen. Die Liebe- und Fürsorgepflicht gilt – nach dem Vorbild der Liebe Gottes – vor allem den bedürftigen Mitmenschen (personae miserae), zu denen auch Fremde gezählt werden (Dtn 10,17–19; Lev 19). Das Gebot der Nächstenliebe ist eine Grundnorm für ein gutes Leben im Sinne Gottes, welche die soziale Verantwortung nach dem Vorbild Gottes betont. In der Liebe zu den Mitmenschen realisiert sich die Liebe zu Gott (vgl. Hos 6,6; Spr 14,31). Daran knüpfen die neutestamentlichen Liebesvorstellungen an.

Die Gebote der Liebe Gottes (Dtn 6,5) und der Nächsten (Lev 19,18) werden nach der Darstellung der synoptischen Evangelien von Jesus verbunden (Mk 22,35–40; Mk 12,28–32; Lk 10,25–27) und gelten für ihn als Zusammenfassung der ↗︎ Tora bzw. des göttlichen Willens. Auch Paulus versteht das Nächstenliebegebot als Erfüllung der ganzen Tora und Grundnorm aller Gebote Gottes (Röm 13,9; Gal 5,14). In Jak 2,8 gilt das Nächstenliebegebot als das „königliche Gesetz“. Vor allem in der johanneischen Tradition wird die Bruderliebe – heute würden wir von „Geschwisterliebe“ sprechen – nach dem Vorbild der Liebe Jesu betont, die sich in gegenseitiger Liebe innerhalb der Nachfolgegemeinschaft zeigt (Joh 13,34; 1 Joh 2,3–11; 3,16–24; 4,20f; 2 Joh 5). Mt 7,12 und Lk 6,31 erläutern die Nächstenliebe mit Hilfe der Goldenen Regel. Mt 5,43–48 und Lk 6,27–36 fordern explizit die Feindesliebe, die mit der umfassenden Liebe Gottes zu allen seinen Geschöpfen begründet wird (Mt 5,45; Lk 6,36). Die Liebe Gottes, die der Liebesforderung vorausgeht, zeigt sich in der Sendung Jesu, in seinem Leben und Sterben für die Menschen (Joh 3,16; 13,1; 15,13).

Die Liebe Gottes zu den Menschen und die Forderung von Gottes- und Nächstenliebe gehören zusammen. Jesu Liebe zu den Menschen, in der sich die Liebe Gottes zeigt, wird zum Maßstab für die von den Menschen geforderte Liebe (Mt 5,17–20; 22,36–39; Joh 13,34; Kol 3,13 → 2.4 Ansätze biblischer Ethik). Die Liebe der Menschen zu Gott konkretisiert sich in der Liebe zum Mitmenschen (Mt 22,37–39; 1 Joh 4,20f). Gottesliebe ohne Nächstenliebe ist unglaubwürdig (1 Joh 3,17; 4,8; Jak 2,15–17).

So wie die Liebe Gottes allen Geschöpfen unabhängig von ihrem Verhalten gilt (Mt 5,45; Lk 6,36; Joh 3,16), gilt auch das Gebot der Nächstenliebe mit Blick auf alle Menschen. Zwei Erzählungen, die für die Geschichte der Diakonie besonders einflussreich waren, thematisieren die Frage nach Subjekten...

Erscheint lt. Verlag 22.11.2021
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Religion / Theologie Christentum
Schlagworte Anthropologie • Diakonie • Soziale Arbeit
ISBN-10 3-8463-5672-7 / 3846356727
ISBN-13 978-3-8463-5672-2 / 9783846356722
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