Lebendige Seelsorge 3/2021 (eBook)

Das Geld (in) der Kirche

Erich Garhammer (Herausgeber)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
80 Seiten
Echter Verlag
978-3-429-06509-6 (ISBN)

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Lebendige Seelsorge 3/2021 -  Verlag Echter
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Der größte Teil der Kirchenmitglieder wird seit einigen Jahren mit dem schönen Wort 'Kasualienfromme' (Johannes Först) charakterisiert. Das sind die Leute, die nur zu den für sie wichtigen Anlässen wie Taufen, Beerdigungen oder an Weihnachten einen Gottesdienst besuchen. In religiöser Hinsicht gehöre ich wohl nicht dazu, mit dem Gelegenheitsmodus bin ich aber in anderen Bereichen meines Lebens vertraut: Ich bin Kasualienfußballfan, also nur bei Welt- und Europameisterschaften mit Elan dabei. Und ich bin Kasualienökonom: Mit Geld beschäftige ich mich, wenn es sein muss. Dankbar weiß ich um Expertinnen und Experten, die mir raten, was zu tun ist. Es ist ja schon eine Herausforderung überhaupt über das eigene Geld zu sprechen. Ich habe es zwar jeden Tag in der Hand, aber selten im Kopf. Henri Nouwen hat in seinem (bis heute nicht auf Deutsch erschienenen) Band The Spirituality of Fundraising beschrieben, warum der Umgang mit Geld so verschämt oder gar tabuisiert ist und dessen geistliche Dimension beleuchtet: Geld berühre ein intimes Bedürfnis nach Sicherheit, das der Mensch im Herzen trägt. Jesu radikale Botschaft sei aber, dass es eben nicht möglich ist, seine Sicherheit gleichzeitig in Gott und im Geld zu finden. Man müsse sich also für eins von beiden entscheiden. Wenn man das getan habe, könne man entspannen: Wer frei vom Geld ist, der kann darum bitten, so Nouwen. In der Kirche wird auch selten über Geld gesprochen. Vielleicht liegt das an genau jener Sicherheit, die es auch für die Institution bedeutet. Mit zwölf Milliarden Euro Kirchensteuereinnahmen - das ist fast soviel, wie VW und Daimler im Jahr 2020 zusammen an Gewinn gemeldet haben - und mit einem großen Vermögen sind die katholische und evangelische Kirche in Deutschland ein ökonomisches Schwergewicht. Dieses Heft macht das Geld (in) der Kirche zum Thema. Die Frage, der die Autorinnen und Autoren nachgehen, lautet: Was heißt es für verschiedene kirchliche Akteure, gut mit Geld umzugehen? Es ist bemerkenswert, was sie an grundlegenden Einsichten und praktischen Aussichten zu Papier gebracht haben.

Bernhard Spielberg, Dr. theol., Professor für Pastoraltheologie und Homiletik an der Universität Freiburg.

Bernhard Spielberg, Dr. theol., Professor für Pastoraltheologie und Homiletik an der Universität Freiburg.

Wenn das Geld zum Selbstzweck wird


Auftrag und Sendung der Kirche ist es, die Botschaft vom Reich Gottes in die Welt zu tragen. Die Kirche ist Mittel zum Zweck. Auch das kirchliche Vermögensrecht ist geprägt von diesem hohen moralischen Anspruch, auch kirchliches Vermögen ist Mittel zum Zweck. Dennoch wird das Geld in der Kirche immer wieder zum Selbstzweck. Eine Neuausrichtung des kirchlichen Vermögens ist deshalb nicht nur rechtlich geboten, sondern längst überfällig. Anna Ott

Die deutsche Kirche ist reich an Vermögen. Daran hat sie sich gewöhnt. Die sich aus dem Reichtum ergebenden Möglichkeiten sind für die Kirche, ihre Mitglieder, aber auch den Staat und die Gesellschaft längst zur Selbstverständlichkeit geworden. Gleichzeitig sind die Handlungsspielräume bei der Gestaltung der Haushaltspläne aufgrund der vielen Verpflichtungen deutlich eingeschränkt. Für den Umgang mit Geld, Besitz und Vermögen auf allen Ebenen normiert das Kirchenrecht dabei einheitliche Kriterien.

DAS KIRCHLICHE VERMÖGEN IST STRENG ZWECKGEBUNDEN


Damit die Kirche ihren Auftrag in der Welt – die Verkündigung des Glaubens, die Feier von Gottesdiensten und die Ausübung der Nächstenliebe – erfüllen kann, ist sie angewiesen auf zeitliche Mittel, auf Vermögen in verschiedenen Formen, auf Geld (vgl. Lumen gentium 8; Gaudium et spes 76). Die Kirche ist zwar zu Erwerb, Besitz, Verwaltung und Veräußerung von Vermögen berechtigt, jedoch nicht unbegrenzt. Schon zu Beginn normiert das Vermögensrecht im CIC eindeutig, dass kirchliches Vermögen nur ganz bestimmten Zwecke dienen darf (vgl. c. 1254 § 1 CIC). Da der moralische Anspruch der Kirche, mit dem das Evangelium in die Welt getragen werden soll, hoch ist, ist auch die Zweckbindung des Vermögens streng. Explizit genannt werden drei Zwecke kirchlichen Vermögens, die aufeinander verweisen und aufgrund der gemeinsamen Ausrichtung auf die Sendung der Kirche kaum voneinander zu trennen sind (vgl. c. 1254 § 2 CIC):

Die Durchführung des Gottesdienstes ist der erste dieser Zwecke. Besonders in liturgischen Handlungen ist Christus gegenwärtig. Durch sie antworten die Gläubigen auf Gottes Heilszusage und werden somit selbst geheiligt. Ist das Ziel der kirchlichen Sendung das Heil der Menschen, so ist jedes eucharistisches Opfer zugleich Höhepunkt und Quelle kirchlichen Handelns (vgl. Sacrosanctum Concilium 10). Das Kirchenrecht eröffnet den Raum, in dem dieser Heiligungsdienst der Kirche stattfinden kann. Die Verwendung finanzieller Mittel für den Vollzug des Gottesdienstes, also mindestens für die rechtlich geforderten heiligen Räume und (Einrichtungs-)Gegenstände, ist dementsprechend erforderlich und geboten (vgl. Fischer, 49).

Anna Ott

geb. 1992, katholische Theologin und Studentin im Lizentiat Kanonisches Recht in Münster; promoviert zur Zukunftsfähigkeit der Kirchensteuer im Spannungsfeld zwischen rechtlichen Vorgaben, bewährter Praxis und kirchlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen.

Daran knüpft der zweite Zweck an: die Sicherstellung des angemessenen Unterhalts des Klerus und anderer kirchlicher Bediensteter. Weder sollen diese wegen ihrer Arbeit für die Kirche in äußerster Armut leben, noch soll das berufliche Engagement mit Geld aufgewogen werden und womöglich zu Überfluss führen (vgl. Fischer, 50). Die Entlohnung ist allein der Sendung der Kirche verpflichtet, in deren Dienst die Entlohnten stehen. Von ihnen wird gleichzeitig verlangt, in der Nachfolge Christi anspruchslos und einfach zu leben (vgl. c. 282 § 1). Dass sich die Vergütung des Dienstes für die Kirche an den Kontexten zu orientieren hat, in denen sie agiert, ist dabei unstrittig (vgl. c. 281 § 1; c. 232 § 2 CIC). So muss die Entlohnung bspw. auch die Bedarfe der Familien der Angestellten decken (vgl. GS 67).

Überschüsse aus Einnahmen sollen zum Wohl der Kirche und für die Werke der Caritas verwendet werden (vgl. c. 282 § 2 CIC), vor allem für die Armen (vgl. GS 69). Bezieht sich dies zwar auf Einkünfte der Kleriker, kann dieser Grundsatz doch insgesamt gelten. Die Finanzierung der Werke des Apostolats und der Caritas unter besonderer Beachtung der Armen ist nämlich der dritte explizite und gleichzeitig der umfassendste Zweck, dem kirchliches Vermögen dienen soll. Gerade die Sorge um die physisch Armen steht in enger Verbindung zu materiellen Gütern, die es gerecht zu verteilen gilt (vgl. Fischer, 67). Apostolat ist hingegen alles, was Christi Herrschaft in die Welt trägt und was den Menschen den Weg der Erlösung zeigt (vgl. Apostolicam actuositatem 2). An dieser vielfältigen Sendung der Kirche in der Welt haben alle Gläubigen teil (vgl. c. 216 CIC). Die Aufzählung dieser drei genannten Zwecke ist nicht erschöpfend. Das Kirchenrecht kennt weitere Zwecke wie die Evangelisierung, Bildung und Erziehung, Arbeit an (Hoch-)Schulen und im Bereich der Medien. Auch sie gehören zum Wesenskern von Kirche und sind somit legitimer Zweck von kirchlichem Vermögen. Zumeist konkretisieren diese weiteren Zwecke die drei explizit genannten, immer jedoch haben alle Zwecke mit der Sendung der Kirche in Einklang zu stehen (vgl. Fischer, 68f.). Durch die Zweckbestimmung werden die nicht verhandelbaren Leitlinien für den Umgang mit kirchlichem Vermögen deutlich. Diese sind vergleichbar mit dem, was betriebswirtschaftlich als ‚Compliance‘ oder ‚Good Governance‘ bezeichnet wird. Zugunsten der Erfüllung der Sendung kann hier jedoch die ökonomische Effizienz in den Hintergrund treten (vgl. c. 1295 CIC).

Das oft postulierte Ideal der Armut bedeutet nicht, dass die Kirche allen finanziellen Möglichkeiten entsagen soll.

EINE ARME KIRCHE MUSS NICHT FINANZIELL ARM SEIN


Das oft postulierte Ideal der Armut bedeutet nicht, dass die Kirche allen finanziellen Möglichkeiten entsagen soll. Schließlich übt sie eine spezifische Sendung aus, die nur erfüllt werden kann, wenn sie sich auf die kontextuellen Rahmenbedingungen einlässt, zu denen auch die Geldwirtschaft gehört. Eine Kirche, die arm ist, verpasst die Gelegenheit, Ungerechtigkeiten auszugleichen und sich den Menschen zuzuwenden, die zum Überleben selbst auf Geld angewiesen sind. Wenn Jesus im Neuen Testament seinen Jüngern aufträgt, allem Besitz zu entsagen, dann geschieht dies immer aus dem Motiv der Nachfolge heraus und nicht, weil der Besitz selbst verwerflich ist. Das wird er nur dann, wenn sich der Mensch an ihn klammert, habgierig und selbstgenügsam wird. Armut meint in diesem Sinne viel mehr die Haltung, mit der mit Besitz und Geld umgegangen werden soll. Der Umgang mit Vermögen hat immer differenziert und selbstkritisch gegenüber der eigenen Sendung zu sein. Das ‚Ob‘ und ‚Wie viel‘ ist immer zusammen mit dem ‚Wozu‘ zu denken und auch in den jeweiligen kulturellen Kontext zu übertragen.

Die Kirche ist entsprechend dann arm, wenn sie der Macht des Geldes entsagt und dieses immer nur im Kontext ihrer Sendung einsetzt.

Die Kirche ist entsprechend dann arm, wenn sie der Macht des Geldes entsagt und dieses immer nur im Kontext ihrer Sendung einsetzt. Das mag für eine finanziell ärmere Kirche aus praktischen Notwendigkeiten heraus leichter sein. Eine reiche Kirche läuft hingegen Gefahr, in Bequemlichkeit und mitunter auch Selbstgenügsamkeit zu verharren, die den Blick für die vielfältigen Möglichkeiten des Reichtums einschränken. Der Rückschluss jedoch, dass die Ausrichtung des Vermögens auf die Sendung in einer armen Kirche per se besser gelingt als in einer reichen, ist nicht haltbar.

DIE RÜCKBESINNUNG AUF DIE KIRCHLICHE SENDUNG KANN GELINGEN


Die Zweckbestimmung des gesamten kirchlichen Vermögens muss sich auch im Handeln aller Entscheidungsträger:innen widerspiegeln. Auf Ebene der Diözese kommt dem Bischof die Gewalt über das Vermögen zu. Verwaltet wird es in der Praxis aber vor allem durch den vom Bischof angewiesenen Diözesanökonom (vgl. c. 494 § 3 CIC). Sowohl Priesterrat als auch Konsultorenkollegium (in Deutschland das Domkapitel), Diözesanvermögensverwaltungsrat und Kirchensteuerrat müssen bei gewissen Entscheidungen gehört werden oder haben sogar Zustimmungsrechte. Wird eine entsprechende Genehmigung nicht eingeholt oder nicht erteilt, ist ein Rechtsakt ungültig.

Wer letztlich über den Haushalt entscheidet und wie transparent diese Entscheidungen ablaufen, ist je nach Bistum sehr unterschiedlich.

Durch die verschiedenen Kontrollmechanismen soll sichergestellt werden, dass Geldgeschäfte nicht nur ethischen Kriterien genügen, sondern auch im Sinne der Sendung der Kirche erfolgen. Wer letztlich über den Haushalt entscheidet und wie transparent diese Entscheidungen ablaufen, ist je nach Bistum sehr unterschiedlich. Somit ist auch nur schwer nachvollziehbar, ob die gebotene Zweckbindung ausreichend...

Erscheint lt. Verlag 28.7.2021
Mitarbeit Zusammenstellung: Bernhard Spielberg
Verlagsort Würzburg
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Religion / Theologie Christentum
Schlagworte Geld • Pastoral • Seelsorge
ISBN-10 3-429-06509-7 / 3429065097
ISBN-13 978-3-429-06509-6 / 9783429065096
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