Geschichte Afrikas (eBook)
128 Seiten
C.H.Beck (Verlag)
978-3-406-73452-6 (ISBN)
Franz Ansprenger ist emeritierter Professor für Internationale Politik an der Freien Universität Berlin.
Cover 1
Titel 3
Zum Buch 2
Impressum 4
Inhalt 5
Vorwort zur fünften Auflage 6
I. Heimat der Menschenarten – oder: Der Große Sprung von Olduvai Gorge nach Gizeh 9
II. Die Wanderung der Bantu-Völker 18
III. Einer der ältesten Söhne Christi – der Löwe von Juda in Äthiopien 22
IV. Der Islam in Afrika bis 1500 n. Chr. 30
V. Entdeckung oder Völkermord? Der Atlantische Sklavenhandel 41
VI. Schwarze und weiße Siedler am Kap der Stürme – und künftiger Guter Hoffnung 52
VII. Staatenbildung und Reform. Das 19. Jahrhundert des selbstständigen Afrikas 62
VIII. Kattun, die Bibel und das Maschinengewehr. Koloniale und missionarische Eroberung 72
IX. Fremdherrschaft, Modernisierung und Befreiung – in die Demokratie oder neue Diktatur? 82
X. Afrika unter den Vereinten Nationen 99
Ein Blick auf die Literatur 114
Literaturverzeichnis 117
Orientierungsdaten seit 1807 122
Register 126
I. Heimat der Menschenarten – oder: Der Große Sprung von Olduvai Gorge nach Gizeh
Der Anfang der Geschichte? Vorgeschichte? Archäologie? Paläoanthropologie? Erdgeschichte? Die Grenzen zwischen den wissenschaftlichen Fächern verschwimmen. Wenn wir nach europäischem Vorverständnis als Geschichte nur anerkennen, was in schriftlichen Quellen überliefert ist, folglich die Geschichtsschreibung und Geschichtswissenschaft (zumindest in der Hauptsache) auf solchen Schriftquellen beruhen muss, und wenn wir alle Kenntnisse, die sich vornehmlich aus Bodenfunden ergeben, der Vorgeschichte zuordnen – dann haben die meisten Länder Afrikas in der Tat nur eine kurze Geschichte von wenigen Jahrhunderten, überdies eine im Wesentlichen durch fremde Augen gesehene Geschichte, eine von fremder (arabischer, europäischer) Hand fixierte Geschichtsschreibung.
Dem steht die hohe Wahrscheinlichkeit entgegen, dass alle Menschen, die heute die Erde bevölkern, aus Afrika stammen. Wir haben uns seit längerer Zeit daran gewöhnt, dass Afrikas Boden die ältesten Fossilien der zoologischen Familie preisgibt, die wir im stolzen Bewusstsein, uns von Tieren inklusive der Menschenaffen zu unterscheiden, Hominiden nennen. Jetzt rechnen – besser: schätzen oder spekulieren – wir nicht mehr in Jahrhunderten, sondern in Jahrmillionen. Ob der zuerst 1924 in Südafrika entdeckte Australopithecus africanus vor ungefähr drei Millionen Jahren die Abzweigung markiert oder bereits vor etwa viereinhalb Millionen Jahren der in Äthiopien ausgegrabene Ardipithecus ramidus, wie viele Arten von Hominiden die durch Louis Leakey (1903–72) berühmt gewordene Olduvai Gorge in Tanzania gleichzeitig oder nacheinander bevölkerten, das alles müssen Naturwissenschaftler sortieren und debattieren. Der älteste Hominide, den Leakey als «Mensch» klassifizierte, weil er ihm als erstem die Herstellung wirklicher Steinwerkzeuge zuschrieb – der 1960 aufgefundene Homo habilis –, lebte in Ostafrika vermutlich vor 2,2 bis 1,5 Millionen Jahren.
Wenn Naturwissenschaftler uns dann sagen, dass wir heutigen Menschen – die Spezies Homo sapiens sapiens – etwa 98 Prozent unserer Gene mit den afrikanischen Menschenaffen gemeinsam haben, dass wir folglich mit Schimpansen und Gorillas etwa so eng verwandt sind wie die Pferde mit den Zebras [Stringer & McKie 1996:29], dann mag das unseren primären, den auf die Gesamtmenschheit gerichteten Rassenstolz bereits etwas ins Zwielicht tauchen.
Es war eine ältere Menschenart – der Homo erectus –, die vor einer runden Million Jahren als erste aus der afrikanischen Urheimat aufbrach, um sich im Ablauf von Zeiten, die wir nicht bestimmen können, über weite Gebiete Asiens und Europas auszubreiten. Im Körperbau war der Homo erectus uns heutigen Menschen fast gleich, sein Gehirnvolumen brachte es bereits auf zwei Drittel des unsrigen.
Es gibt eine Schule der Paläoanthropologie, die annimmt, dass sich der Homo sapiens sapiens aus dem Homo erectus an verschiedenen Orten entwickelt habe. Diese Schule der «Multiregionalisten» ist geeignet, unserem sekundären, dem spezifischen Rassenstolz des weißen Europäers zu schmeicheln, denn wenn die Multiregionalisten recht haben, brauchen wir in den schwarzen Afrikanern nur so etwas wie Vettern zu sehen, nicht unbedingt unsere Schwestern/Brüder oder gar unsere Eltern (was sie natürlich nicht sein können, denn einige zehntausend Jahre haben wir bestimmt getrennt voneinander gelebt).
Die andere Schule, die einen einheitlichen Ursprung der gesamten heutigen Menschheit vertritt, vor ungefähr 200.000 Jahren, und zwar wiederum in Afrika in einem begrenzten Raum und in einer Größenordnung von zeitweilig nur noch etwa 10.000 Erwachsenen [Stringer & McKie 1996:229], beruft sich auf eindrucksvolle Argumente insbesondere aus der Genforschung. Von Afrika aus sind demnach rund 100.000 Jahre später – also zur Halbzeit der bisherigen Geschichte des Homo sapiens sapiens – moderne Menschen wiederum zuerst nach Asien, später (vor vielleicht «erst» 40.000 Jahren) von dort nach Europa aufgebrochen, haben auf der Landbrücke des Vorderen Orients mit älteren Europäern – den Neandertalern – zusammengelebt und diese dann in (geologisch betrachtet) rasantem Tempo von kaum mehr als zehntausend Jahren aus Europa verdrängt. Welche Farbe die Haut dieser Menschen aus Afrika hatte, die dann ihre Kunstwerke an die Höhlenwände im heutigen Spanien und Frankreich malten (wir benennen sie nach dem Fundort Cro Magnon) – darüber lässt sich nur spekulieren, und es ist im Ergebnis nicht von Belang. In der Zwischenzeit dehnten die in Afrika verbliebenen modernen Menschen ebenfalls ihre Siedlungsräume aus – bis zum Kap im Süden und durch die Sahara, die während der Eiszeiten periodisch von Savanne bedeckt war, bis an die Südufer des Mittelmeers. Speziell der Sahara kommt für die Frühgeschichte Afrikas eine Schlüsselrolle zu: Im Zeitraum von vor etwa 30.000 bis 14.000 Jahren war sie mindestens so trocken wie heute und vermutlich von Menschen unbewohnt; darauf folgte – während in Europa ab etwa 10.000 v. Chr. die Gletscher der letzten Eiszeit abschmolzen – bis ca. 5500 v. Chr. eine Feuchtperiode, die dann wieder von allmählicher Austrocknung abgelöst wurde. Solange zwischen Niger und Nil genug Regen fiel, existierten dort Menschen, die über steinzeitliche Technik verfügten, von der Jagd, von Fischfang und gesammelten Pflanzen lebten. Archäologische Funde deuten darauf hin, dass sie gegen Ende der Feuchtperiode anfingen, Tiere zu zähmen und Getreide anzubauen.
Wir stehen jetzt schon – in geologischen Dimensionen – dicht vor der Schwelle zur Geschichte Afrikas im striktesten Sinne, das heißt zur schriftlichen Überlieferung. Um das Jahr 3000 v. Chr. begannen die Ägypter, ihre «heiligen Zeichen» (griechisch: Hieroglyphen) zu entwickeln. Bis kurz vor dem Jahr 400 n. Chr. blieben sie im Gebrauch. Aber wer waren diese Ägypter? Das ist eine gerade in jüngster Zeit heiß umstrittene Frage unter Historikern, Archäologen, Bio- und Sprachwissenschaftlern. Die Sahara stellt auch in dieser Debatte einen Dreh- und Angelpunkt dar. Schon deshalb ist es übrigens kaum angezeigt, die Geschichte Afrikas in eine Geschichte «Afrikas südlich der Sahara» und eine davon abgewandte des mediterranen Afrikas zu zerlegen.
Der senegalesische Gelehrte Cheikh Anta Diop (1923–86), nach dem jetzt die von der französischen Kolonialmacht gegründete Universität Dakar benannt ist, vertrat zeitlebens mit Leidenschaft die These [zuletzt im zweiten Band der von der UNESCO getragenen General History of Africa], die Ägypter der Antike seien aus dem Süden gekommen, aus dem «schwarzen Afrika», sie hätten folglich eine schwarze Haut gehabt, seien «Nègres» gewesen – alle. Als Cheikh Anta Diop 1954 sein erstes großes Buch veröffentlichte [Diop 1979], war dieses ominöse Wort zumindest auf Französisch keineswegs ein Schimpfwort, frankophone Afrikaner und Afro-Amerikaner schrieben stolz über ihre Négritude. Diops umstrittene These (er selbst begründete sie hauptsächlich mit der Nähe der altägyptischen Sprache zu seiner eigenen Muttersprache, dem westafrikanischen Wolof) leuchtet ein – zumindest für einen erheblichen Teil der Bevölkerung Ägyptens –, wenn wir voraussetzen, dass auf dem Weg, den vor rund 25.000 Jahren der Nil sich bahnen sollte, schon viel früher moderne Menschen aus Ostafrika nach Asien und Europa vordrangen. Andere Wissenschaftler vermuten, dass eine erhebliche Anzahl von Bewohnern der Sahara in das Niltal drängte, als die Lebensbedingungen dort sich zu verschlechtern begannen. John Iliffe [1997:22f.] meint jedoch, dass die Sahara-Bewohner «hauptsächlich Negriden [waren], und sie verbreiteten wahrscheinlich die Nilosaharanischen Sprachen in der Region, wo sie noch heute gesprochen werden».
Libyer – wie man in der Antike alle Einwohner der Sahara nannte – dürften also durchaus über einen langen Zeitraum hinweg aus ihrer allmählich austrocknenden Urheimat in das Tal des stets Wasser führenden Nil gedrängt sein und dadurch einen Beitrag zur Konzentration von Menschen auf diesem engen Raum geleistet haben. Freilich wäre es kühn, sich generell auf die Hautfarbe dieser Libyer festlegen zu wollen. Die Bezeichnung schließt sicher auch Vorfahren der europiden Berber ein, die heute in den Bergen Marokkos und Algeriens sowie in der Wüste selbst (Touareg) leben.
Zwar erhielt die Sahara noch bis etwa 2400 v. Chr. Regenwasser genug, um in weiten Zonen westlich und östlich des Nils ein Steppenklima zu erhalten, in dem Großwild und Rinderherden existieren konnten; das zeigen Grabdekorationen aus dem Alten Reich bis zur...
Erscheint lt. Verlag | 16.9.2021 |
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Reihe/Serie | Beck'sche Reihe | Beck'sche Reihe |
Mitarbeit |
Anpassung von: Salua Nour |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik ► Regional- / Landesgeschichte |
Geisteswissenschaften ► Geschichte ► Regional- / Ländergeschichte | |
Schlagworte | Afrika • Afrikanistik • Geschichte • Kolonialismus • Missionierung • Politik • Religion • Sklavenhandel |
ISBN-10 | 3-406-73452-9 / 3406734529 |
ISBN-13 | 978-3-406-73452-6 / 9783406734526 |
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