Zen (eBook)

Geschichte und Praxis

(Autor)

eBook Download: EPUB
2022 | 4. Auflage
128 Seiten
C.H.Beck (Verlag)
978-3-406-76042-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Zen - Michael Brück
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Zen, eine besondere Entwicklung im ostasiatischen Buddhismus, ist auch aus dem westlichen Kulturkreis nicht mehr wegzudenken. Damit hat sich die mit ihm verbundene Meditationspraxis als besonders wirkungsmächtig und dauerhaft erwiesen. Mit Michael von Brück beschreibt einer der besten Kenner die historische Entwicklung des traditionsreichen Zen, erklärt seine wichtigsten Ziele und erläutert die wesentlichen Elemente seiner Meditationspraxis.

Michael von Brück ist Professor em. für Religionswissenschaft an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität München. Seine Ausbildung zum Yoga- und Zenlehrer erhielt er in Indien und Japan.

2. Geschichte des Ch’an in China


Über die frühe Entwicklung des Ch’an (jap. Zen) im 7. Jh. wissen wir wenig. Ch’an tritt, so urteilen heute die meisten Gelehrten, erst im 8. Jh. als eigene Schule mit erkennbaren Sukzessionslinien von Ch’an-Meistern in die Geschichte ein. Die Linie der Meister, die bis auf den Buddha zurückgeführt wird (zunächst zählte man 13, später 28 indische Patriarchen), ist erst im Jahre 952 endgültig festgelegt worden, d.h., die frühe «Geschichte des Ch’an» ist fromme Fiktion, wobei die Legenden in vielen Fällen durchaus historische Hintergründe haben. Angesichts neuerer Forschungen (vor allem in Japan) müssen aber viele Annahmen bezüglich der Systeme, Schulen, Überlieferungslinien und Einflüsse neu überdacht werden. Aufgrund von Rivalitäten haben spätere Autoren Trennungslinien (z.B. zwischen der sogenannten Nord- und Südschule des Ch’an) viel schärfer gezogen, als es sich aus der historischen Rekonstruktion ergibt. Von «Schulen» kann man für diese Zeit nur sprechen, insofern individuelle Lehrer auftraten, deren Wechselwirkungen aufeinander in turbulenten politischen Kontexten lange fließend blieben. Einflüsse hat es in jeder Richtung gegeben, und rhetorische Überspitzungen spiegeln kaum die wirklichen Verhältnisse. Das, was sich spätere Autoren als miteinander rivalisierende «Schulen» vorstellen, sind keine monolithischen Systeme. Wir wissen zwar vom frühen Ch’an, dass und wie verschiedene unabhängige Lehrer miteinander im Disput waren, aber es handelte sich dabei nicht um organisierte Schulen. Neuere Ch’an-Studien haben die Vorstellung von ungebrochenen und sich kaum verändernden Traditionslinien in Frage gestellt.

Ausgangspunkt der folgenden Darstellung ist die Traditionsgeschichte, die zeigt, dass Ch’an gegenüber früheren buddhistischen Lehren nichts wesentlich Neues sagt, dass aber die Form der Vermittlung neu ist, nämlich eine Verdichtung von Lehren, Anekdoten, Mythen, Legenden und paradoxen rhetorischen Bildern, die eine neuartige Intensität der Bewusstseinsschulung und der sozialen Resonanz ermöglichte.

Wurzeln und Anfänge


Die Entstehung des Ch’an wurde durch Entwicklungen vorbereitet, die einerseits in der chinesischen Kultur selbst lagen, andererseits aber auch schon im indischen Mahāyāna begründet worden waren. Der Buddhismus hatte sich seit dem 1./2. Jh. n. Chr. in China zunächst entlang der Handelswege («Seidenstraße») in Zentralasien ausgebreitet durch Kaufleute und Mönche, die mit den Karawanen reisten. Dabei wurden die Sanskrit- und Pāli-Schriften in eine völlig andere Sprachwelt übersetzt. Das Chinesische kannte aber bereits zwei hochgradig systematisierte und institutionalisierte Religionen: den Konfuzianismus und den Taoismus. Besonders der Taoismus schien mit seinem Ideal des Handelns im Nicht-Handeln (wu-wei) sowie seiner Lehre, dass Sein auf das Nicht-Sein zurückzuführen sei, dem Rückzug aus der Gesellschaft und anderen buddhistischen Idealen nahe zu kommen, während die moralische Kultivierung im Konfuzianismus ethischen Standards entsprach, die auch die meisten Buddhisten für unerlässlich hielten. Dabei überformte die chinesische, besonders die durch Lao-tzu und Chuang-tzu geprägte taoistische Mentalität den Buddhismus, indem das Gewicht vom Glauben an die Reinkarnation auf das diesseitige spontane Erwachen zur Freiheit des Bewusstseins verlegt wurde, wie es dann im Ch’an deutlich zutage tritt. So knüpften die Übersetzer an bekannte Begriffe und Vorstellungen an und vermochten dadurch den Buddhismus in China zu verwurzeln.

Bis zur Mitte des 5. Jh. war der Buddhismus im Norden Chinas zu einer Blüte gelangt, die nicht zuletzt auch durch staatliche Förderung möglich wurde. Landschenkungen an die Klöster und Privilegien der Mönche bescherten dem samgha (Mönchs- und Nonnenorden) einen Reichtum, der allerdings auch moralische Korruption unter den Mönchen förderte und die Eifersucht des konfuzianischen Beamtentums und anderer einflussreicher Kreise aus den Reihen der Taoisten auf sich zog. Der Buddhismus hatte sich zwar zuerst in den Oberschichten verbreitet, inzwischen aber auch die bäuerliche Landbevölkerung erfasst, zumal die devotionalen Kulte des Mahāyāna und die Klöster, die Mönche aus allen Schichten aufnahmen, Schutz vor politischen Repressalien (auch vor der Steuerlast und dem Militärdienst!) boten. Zu Beginn des 6. Jh. sollen im nördlichen Wei-Reich etwa 30.000 Klöster mit zwei Millionen Mönchen und Nonnen existiert haben. Und obwohl es im Norden eine enge Verbindung von Staat und samgha gab, stand angesichts solcher Zahlen die Stabilität des Staates auf dem Spiel, denn die Klöster hatten erhebliche wirtschaftliche Macht und politischen Einfluss gewonnen.

Auf politischen Druck hin und durch Intrigen getäuscht, ordnete die Regierung der nördlichen Wei-Dynastie im Jahre 446 eine Verfolgung des Buddhismus an: Enteignung der Klöster, Zerstörung von Stūpas und die Laisierung bzw. Exekution von Mönchen und Nonnen. Erst ein neuer Kaiser setzte der Verfolgung des Buddhismus im Jahr 454 ein Ende. Der buddhistische Einfluss und der Reichtum der Klöster kulminierten schließlich zur Zeit des Kaisers Wu aus der Liang-Dynastie (Regierungszeit von 502–​549). Als sich die Kaiser aber zusätzlich zu ihrer weltlichen Macht auch noch mit geistlicher Autorität ausstatteten und als Bodhisattvas verehren ließen, protestierten einige Mönche, unter ihnen Chi-tsang (549–​623), gegen diese Vermischung von «Kirche» und Staat. Nach ähnlichem Muster wie zuvor sollte es jedoch später (im Norden bereits wieder 574–​577) erneut zu Verfolgungen des Buddhismus kommen, die im 9. Jh. während der späten T’ang-Dynastie ihren Höhepunkt erreichten. (Im han-chinesisch beherrschten Süden beschränkte sich die antibuddhistische Bewegung meist auf verbale und literarische Angriffe der Konfuzianer und Taoisten auf den Buddhismus.)

Der Ch’an-Buddhismus wurzelt in bereits zuvor sinisierten Formen des Buddhismus, namentlich in einer Reformbewegung gegen den in den Städten institutionalisierten Buddhismus, die um den Mönch Tao-hsin (580–​651) in der ersten Hälfte des 7. Jh. in Erscheinung trat, wobei sich Ch’an von der bereits etablierten T’ien-t’ai-Schule trennte. Wie schon gesagt, unterscheidet sich Ch’an in den grundlegenden «metaphysischen» Voraussetzungen kaum vom T’ien-t’ai oder von der Hua-yen-Schule, wohl aber durch die zugespitzte Rhetorik und einen neuen Lehr- und Meditationsstil. Damit kam Ch’an einerseits der literarischen Ästhetisierung entgegen, die in der chinesischen Kultur vor allem im Taoismus bereits Ausdrucksformen gefunden hatte, und konnte andererseits seine eigene Identität finden, indem es nicht wie die anderen Schulen das eine oder andere indische Sūtra ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückte, sondern ganz im Gegenteil auf eigenständigen chinesischen Traditionen aufbaute.

Ch’an untergrub das Lehr- und Schulsystem der klassischen buddhistischen Schulen und öffnete damit die buddhistische Praxis für Laien aller Schichten, die nicht über die entsprechende sprachliche und literarische Bildung verfügten. Während die anderen buddhistischen Schulen auf monastischen Lebensformen und Gelehrsamkeit aufbauten, die, so zumindest die konfuzianische Kritik, die chinesische Wertordnung des Familienlebens untergruben, konnte Ch’an in politisch oder wirtschaftlich motivierten Verfolgungen des Buddhismus darauf verweisen, dass es ganz und gar «chinesisch» und kaum monastisch bzw. akademisch orientiert war.

Anders als die spätere Hagiographie des Ch’an glauben machen möchte, entwickelte sich Ch’an historisch nicht als zentralisierte Tradition, in der ein Meister die Patriarchenwürde der Nachfolge an den jeweils einen fähigsten Schüler weitergibt und so eine mehr oder weniger einheitliche Linie der Überlieferung begründet, sondern aus vielen lokalen Bewegungen, die sich unter der Maxime der Meditation und des asketischen Lebens gebildet hatten. Allerdings hatten die frühen Ch’an-Meister wohl jeweils nur wenige Schüler, die sie durch (in der Frühzeit geheime) Weitergabe des «Siegels des Geistes» als Nachfolger einsetzten. Seit dem 5. Patriarchen Hung-jen (601–​674), der elf Nachfolger gehabt haben soll, und dann in der zweiten Hälfte der T’ang- und der Sung-Zeit stieg aber die Zahl der nun auch öffentlich «anerkannten Meister» sprunghaft an. Ch’an verzweigte sich dadurch in zahlreiche Linien und Schulen. Aus einer spirituellen Überlieferung, bei der der Schüler in einer innerlich wirkenden und daher nicht öffentlichen Zeremonie die geistige Vollmacht des Lehrers empfing und ihm...

Erscheint lt. Verlag 20.1.2022
Reihe/Serie Beck'sche Reihe
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Religion / Theologie
Schlagworte Buddhismus • China • Japan • Kloster • Kultur • Meditation • Ostasien • Philosophie • Religion • Tempel • Tradition • Westen • Zen • Zen-Literatur
ISBN-10 3-406-76042-2 / 3406760422
ISBN-13 978-3-406-76042-6 / 9783406760426
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