Vom blauen Dunst zum frischen Wind -  Cornelie C Schweizer

Vom blauen Dunst zum frischen Wind (eBook)

Hypnotherapeutische Raucherentwöhnung in 5 Sitzungen. Das Tübinger Programm
eBook Download: EPUB
2021 | 4. Auflage
234 Seiten
Carl-Auer Verlag
978-3-8497-8283-2 (ISBN)
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Nur wenige Raucher schaffen den dauerhaften Ausstieg ohne Unterstützung. Hypnose kann diese Unterstützung leisten und wird inzwischen auch von der Gesundheitspolitik als Methode mit anhaltendem Erfolg anerkannt. Das in diesem Buch vorgestellte Tübinger Hypnose-Programm zur Raucherentwöhnung ist das erste durch eine wissenschaftliche Studie evaluierte Programm, das sich sowohl für die Gruppen- als auch für die Einzelbehandlung eignet. Das Konzept enthält neben der hypnotherapeutischen Grundlage auch verhaltenstherapeutische Elemente.

Cornelie C. Schweizer, Dr., Diplompsychologin; Lehrtherapeutin der Milton-Erickson-Gesellschaft (M. E. G.); Promotion in hypnotherapeutischer Raucherentwöhnung, Ausbildung in Hypnotherapie (M.E.G.), systemischer Paar- und Familientherapie und systemischer Supervision (IFW, SG).

2.Was Sie als Therapeut über Tabakkonsum und Nikotinabhängigkeit wissen sollten


Rauchen macht krank und impotent und Raucher sterben früher. Soweit sind Sie informiert, und sicherlich auch all die Klienten, die zu Ihren Raucherentwöhnungskursen kommen. Dennoch stellen sie häufig Fragen wie: »Stimmt es, dass die Lunge sich nach 7 Jahren Abstinenz wieder erholt hat? Wäre meine derzeitige Tagesdosis Nikotin, auf einmal konsumiert, tatsächlich tödlich?« Oder: »Was macht süchtiger: Nikotin oder Alkohol? Rauchen wirklich so viel mehr junge Frauen als Männer?«

Damit Sie als Therapeut immer die »richtige« Antwort auf diese oft sehr spezifischen Fragen haben, gibt Ihnen dieses Kapitel dazu relevante Informationen.

Vielleicht fragen Sie sich: »Warum soll ich mich nun auch noch über die historische Entwicklung des Rauchens informieren?« Weil es wichtig ist, Sympathie für Ihre zunächst noch rauchenden Klienten und damit in gewisser Weise auch für das Rauchen aufzubringen und sie zu verstehen. Gerade der nun folgende historische Überblick kann Ihnen Einsichten geben in die kuriosen und angenehmen Seiten des Rauchens, und in die Leiden und Risiken, die manche Raucher auf sich nehmen. Ohne dieses Eintauchen in ihre Sicht, in ihre »Mentalität«, ist keine erfolgreiche Therapie möglich.

2.1Rauchen macht gesund, fruchtbar und potent: historische Entwicklung des Tabakkonsums


Als Kolumbus im Oktober 1492 im Glauben, Indien entdeckt zu haben, auf Kuba landete, traf er der Überlieferung zufolge auf dieser noch heute für ihren hervorragenden Tabak bekannten Insel bereits auf die ersten rauchenden Einheimischen. Sein Kundschafter Torres berichtete: »Unterwegs begegneten wir vielen Männern und Frauen, die ein kleines Feuerchen mit sich führten, das in den Blättern eines Krautes glühte, dessen Rauch sie mit Entzücken und Wonne einatmeten. Dieses Kraut wickeln sie in ein trockenes Blatt und formen eine Rolle. Die zünden sie nun an dem einen Ende an und schlürfen und saugen an dem anderen, um den Rauch mit ihrem Atem aufzunehmen« (zitiert bei Barthel 1988, S. 592).

Die Eroberer fanden an dem für sie neuen Genussmittel schnell Gefallen, und bald wurden die ersten Tabakblätter nach Portugal, Spanien und Italien, wenig später auch nach Frankreich, England und Deutschland exportiert. Der Rat der Stadt Köln erhob bereits im Jahr 1583 die erste Tabaksteuer, die jedoch – damals wie heute – auf die Höhe des Tabakkonsums (fast) keinen Einfluss hatte.

Obgleich Portugal und Spanien die ersten Länder waren, die das indianische Kraut im großen Stil einführten, beginnt die Geschichte der Rauchkultur in England. Ralph Lane, ein Engländer, brachte aus Virginia die erste Pfeife, die bei den Indianern als heilig galt, mit nach Europa. Rasch wurde das Pfeiferauchen bei Hof Mode, der Absatz wuchs so schnell, dass Tabak in Virginia teilweise als Zahlungsmittel diente. Unter Mary Stuarts Sohn König Jakob I. wurde die Einfuhr des »bösen Krauts« allerdings mit hohen Zöllen belegt. Wer auf der Straße rauchte, wurde aufgrund eines königlichen Erlasses verprügelt, und schließlich wurde der Tabakanbau in England verboten. Dieses Verbot blieb bis 1910 in Kraft.

Ganz anders gestaltete sich die Geschichte des Tabakkonsums in Frankreich. Hier war Tabak zunächst weniger ein Genussmittel als vielmehr Medizin. Der französische Botschafter Jean Nicot, nach dem später übrigens das Nikotin benannt wurde, stellte fest, dass sich durch das Auflegen von Tabakblättern Hautkrankheiten heilen ließen. In der Zeit der Revolution gehörten Rauchen und »bürgerliche Identität« zusammen. Es gab Cafés mit der Aufschrift an der Tür: »Ici on s´honore du titre citoyen et on fume. (Hier ist man stolz, Bürger zu sein, und hier raucht man).«

Schließlich avancierte Tabak zunächst in Frankreich, später in ganz Europa, zum Allheilmittel, das Rauchen wurde gegen Lungenentzündung, Koliken, Gicht, Potenzstörungen und Kopfschmerzen verordnet. Ein Erfurter Arzt schrieb 1644: »Tabak getrunken ist gut for die Würmer, Tabak getrunken ist gut for den Stein, Tabak getrunken ist gut for das Zipperlein.« Zudem sei er gut für Menschen, »so den Kopf viel gebrauchen müssen« (zitiert bei Hamann 1999, S. 69).

Als 1640 in London die Pest ausbrach, mussten die in Eton studierenden jungen Männer als Vorbeugemaßnahme rauchen, und bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts hinein hielt sich unter Medizinern die Überzeugung, das sicherste Mittel zur Behebung von Unfruchtbarkeit bei Frauen sei, sie rauchen zu lassen.

Allerdings war der Tabak auch eine Medizin, die sehr gern eingenommen wurde, und so gab es ihn zeitweilig in Frankreich und Bayern nur in der Apotheke und auf Rezept, während in der Schweiz der Konsum generell verboten, bei schweren Erkrankungen jedoch mit ärztlichem Rezept erlaubt war, was merkwürdige und unerklärliche Epidemien zur Folge gehabt haben soll.

Es gab aber auch Tabakgegner, zum Beispiel Goethe: »Das Rauchen macht dumm; es macht unfähig zum Denken und Dichten. Es ist auch nur für Müßiggänger, für Menschen, die Langeweile haben, die ein Drittel des Lebens verschlafen« (J. W. v. Goethe an K. L. v. Knebel, zitiert bei Haustein 2001). Tabak zählte außerdem zu den sogenannten »Lüsternheitswaren«, Liselotte von der Pfalz führte sogar die männliche Homosexualität indirekt aufs Rauchen zurück, als sie schrieb: »Mich wundert nicht mehr, wenn die Mannsleute die Weiber verachten und sich untereinander lieben; die Weiber sind gar zu verachtliche Kreaturen itzunder mit ihrer Tracht, ihrem Saufen und mit ihrem Tabak, der sie grässlich stinken macht« (zitiert bei Barthel 1988, S. 601).

Die Hauptgegner des Tabakkonsums fanden sich auf Seiten der Kirche. Der Mund galt als Ein- und Ausgang der Seele und sollte nicht verunreinigt werden. Schon 1589 bestimmte daher ein Gebot, dass vor Besuch der heiligen Messe das Konsumieren von Tabak nicht gestattet sei, und 1642 verbot Papst Urban VIII. unter Androhung der Exkommunikation, in Kirchen zu rauchen oder zu schnupfen. 1724 wurde das Verbot jedoch von Benedikt XIII., einem starken Raucher, wieder aufgehoben. Rigoros ging auch der russische Zar Michael gegen das Rauchen vor. Wer rauchend angetroffen wurde, erhielt Prügel. Noch härter griff der Schah Abbas der Große von Persien durch, unter dessen rigider Herrschaft Rauchern Nase und Lippen abgeschnitten wurden. Am schlechtesten erging es ihnen in der Türkei, dort wurden sie direkt am »Tatort« geköpft.

Und dennoch, es wurde weiter geraucht, vom einfachen Volk bis zum Prominenten. Berühmte Zigarettenkonsumenten waren zum Beispiel Napoleon III. und die österreichische Kaiserin Sissi, die selbst Kettenraucherin war und das Rauchen am Wiener Hof etablierte.

Im 20. Jahrhundert wurde die Zigarette fester Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens. Sie zeichnete sich durch ein hohes Maß an Alltagstauglichkeit aus, war praktisch im Handling und in der Aufbewahrung, überall legal zu erwerben sowie erschwinglich. Die relativ kurze Dauer einer »Zigarettenlänge« ließ zudem eine Raucherpause in vielen Lebenslagen zu.

Zum Abschluss des historischen Überblicks noch eine Meldung des »Schwäbischen Tagblatts« vom Mai 2001: »Der prominente israelische Rabbiner Ovadia Yossef hat drakonische Strafen gegen Raucher gefordert. Tabakkonsumenten sollten mit 40 Stockschlägen bestraft werden, forderte der Vorsitzende der orthodoxen Shass-Partei. Hersteller und Verkäufer von Tabakwaren würden vom Himmel bestraft.« Wer raucht, dem drohen Schläge, dies scheint sich vom 17. bis ins 21. Jahrhundert hinein nicht gänzlich verändert zu haben, genauso wenig wie die Tatsache, dass selbst die härtesten Strafen das Rauchen nicht verhindern. Wen wundert es da aktuell noch, dass vergleichsweise milde Maßnahmen wie z. B. die Notwendigkeit, zum Rauchen ins – manchmal ungemütliche – Freie gehen zu müssen, niemand davon abzuhalten vermögen …

2.2Aktuelle Entwicklung des Rauchverhaltens


2.2.1Fakten zum Konsumverhalten

•Tabak wird in Deutschland heute in der Regel geraucht, nur noch sehr selten gekaut oder geschnupft (Bundesministerium f. Jugend, Familie und Gesundheit 1983, S. 92).

•Geraucht werden in 97 % der Fälle Zigaretten, nur 3 % der Raucher rauchen Pfeife, Zigarillos oder Zigarren.

•Weltweit rauchen nach Angaben der WHO derzeit mehr als 1,1 Milliarden Menschen, etwa 18 Millionen davon sind Deutsche, 4 Millionen von ihnen gelten als süchtig.

•Zur soziologischen Verteilung des Tabakkonsums: »In der Unterschicht wird häufiger geraucht als in der Oberschicht, in Großstädten signifikant mehr als in...

Erscheint lt. Verlag 28.4.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften
ISBN-10 3-8497-8283-2 / 3849782832
ISBN-13 978-3-8497-8283-2 / 9783849782832
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